/Kolitik/Exzerpte/Michael Heinrich 'Monetäre Werttheorie'


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Heilbronn

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16.03.2002


Konstitutiv für diesen theoretischen Raum ist die Verwandlung der Marxschen Kritik der politischen Ökonomie in eine politische Ökonomie, die das von der klassischen politischen Ökonomie abgesteckte Feld der Theoriebildung nicht grundsätzlich verläßt. Marx gilt seit Engels und Kautsky als der große Ökonom der Arbeiterbewegung, der die Arbeitswertlehre der Klassik übernahm, auf ihrer Grundlage die Ausbeutung der Arbeitskraft aufgezeigt und entgegen den Harmonieversprechungen der bürgerlichen Ökonomie das periodische Auftreten von immer stärkeren Wirtschaftskrisen nachgewiesen hat. Marx erscheint hier als der konsequenteste Vertreter der Klassik, ein grundsätzlicher kategorialer Unterschied zu deren Analysen ist nicht mehr auszumachen.

Und schließlich findet sich häufig ein Begriff von "bürgerlicher Ideologie", der diese als mehr oder weniger bewußte Verschleierung der wirklichen Verhältnisse auffaßt. Die zentrale Aufgabe einer marxistischen Ideologiekritik besteht dann in der Entlarvung: sie zeigt auf, wem diese oder jene Auffassung nützt.

Es sind also nicht allein die Resultate der Klassik, die Marx kritisiert, sondern ihre Fragestellungen bzw. das Fehlen bestimmter Fragen, was anzeigt, dass ihr bestimmte Formen als derart natürlich gelten, dass sie überhaupt nicht mehr hinterfragt werden müssen.

2. Wert und Geld

In der Lesart des traditionellen Marxismus wird die Marxsche Werttheorie im Grunde als bloße Arbeitsmengentheorie aufgefaßt: das Entscheidende ist hier, dass die Werte der Waren durch die bei ihrer Produktion verausgabten Arbeitsmengen bestimmt seien.
...
Mit der Bestimmung der Wertgröße durch Arbeitszeit ist sowohl für einen Großteil der marxistischen Tradition wie auch für die herrschende Volkswirtschaftslehre der theoretische Kern der "Marxschen Arbeitswertlehre" umschrieben.

Geld spielt in dieser Auffassung de facto keine tragende Rolle.

- nun einerseits die nichtmonetäre Werttheorie bei Marx

Die skizzierte Auffassung der Werttheorie als Arbeitsmengentheorie reduziert die Aufgabe der Werttheorie darauf, den Bestimmungsgrund der relativen Preise anzugeben. Insofern stellt sie genau die selbe Frage wie Klassik und Neoklassik. Würde sich die Marxsche Werttheorie tatsächlich auf eine solche Arbeitsmengentheorie reduzieren, wäre sie in der Tat im selben theoretischen Raum angesiedelt wie Klassik und Neoklassik; der Anspruch der Marxschen Kritik, nicht nur die Resultate der bürgerlichen Ökonomie zu kritisieren, sondern die kategorialen Grundlagen, auf denen diese Resultate gewonnen wurden, wäre dann nicht einzulösen.

- nun anderseits die monetäre Werttheorie bei Marx

allerdings besteht der zentrale Impetus der Marxschen Werttheorie gerade in der Kritik der prämonetären Arbeitsmengentheorie der Klassik.9 Dieser Impetus wird deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, wie Marx die werttheoretischen Defizite der Klassik bestimmt. So billigt er Ricardo zwar zu, dass er konsequenter als alle seine Vorgänger Wert durch Arbeit bestimmt habe, doch zugleich wirft er ihm vor,
"den Charakter dieser Arbeit untersucht Ricardo nicht. Er begreift daher nicht den Zusammenhang dieser Arbeit mit dem Geld oder, daß sie sich als Geld darstellen muß" (MEW 26.2: 161, Herv. im Original).

- Defizite betreffen das Problem der Gleichsetzung der Waren bzw der Arbeiten in deren Produkten, wie diese möglich ist ( indiv. Az => gnAz )
- geht nach Marx nur, wenn es etwas 'Drittes' gibt, was als direkter Werausdruck gilt

Durch den bloßen Tausch zweier Produkte wird noch kein gesellschaftlich gültiges Wertverhältnis konstituiert. Dieses existiert erst dann, wenn sich die beiden Produkte auf einen gesellschaftlich gültigen Ausdruck von Wert beziehen können - auf ein "allgemeines Äquivalent". Derjenige Gegenstand, der die Rolle des "allgemeinen Äquivalents" spielt - ist Geld.


h> Nun spätestens hier würde meine Kritik einsetzen. Also gilt der "reine" Produktentausch noch nicht als Wertverhältnis, obwohl gerade hier sich zeigt, das direkt erfahrungsgemäße Arbeitszeitäquivalente getauscht werden. Erst als der Warenhandel sich ausweitete, komplizierte, unterschiedlichste Waren außerhalb des Erfahrungshorizontes der Tauschenden ergriff, wurde dieses direkte vergleichen von Zeiten unmöglich. Was wäre sonst diese Gleichsetzung anderes als ein Wertverhältnis ?

Der Unterschied zur Wert- und Geldtheorie von Klassik und Neoklassik (wie auch der "Arbeitsmengentheorie" des traditionellen Marxismus) ist also ein doppelter. Zum einen läßt sich Wert gerade nicht als substanzialistische Eigenschaft an der einzelnen Ware festmachen,10 Wert existiert nur in der Beziehung von Ware auf Ware und diese Beziehung ist in ihrer Allgemeinheit nur möglich durch die Beziehung von Ware auf Geld. Zum anderen ist aber auch Geld weit mehr als eine bloße Recheneinheit. Der Formunterschied von Ware und Geld ist fundamental: Waren sind Gebrauchswerte, die auch Wert besitzen. Das Ding, das als Geld fungiert, gilt hingegen als unmittelbare Verkörperung von Wert, es ist in seiner Besonderheit Wert.

Geld ist für Marx daher die "unmittelbare Existenzform" der abstrakten Arbeit (MEW 13: 42), anders als in Geld läßt sich abstrakte Arbeit gar nicht ausdrücken. Dies ist auch der Grund, warum die unmittelbare Arbeitszeitrechnung der verschiedenen "Stundenzettler", gegen die Marx sich wendet, unmöglich ist.

h> Dazu wäre zu sagen, das sich die abstrakte Arbeit als quantitatives Moment in jeder Ware ausdrückt. Der Einwand gegen die Stundenzettler bezog sich auch nicht auf die Nichtexistenz des Geldes, sondern das verwenden der individuellen anstatt der gesell notw Arbeitszeit.

Die eigenständige Bedeutung des Geldes (seine "Nicht-Neutralität" im Jargon der modernen Ökonomie) zeigt sich für Marx nicht nur darin, dass nur durch den Bezug auf Geld ein kohärenter gesellschaftlicher Zusammenhang zwischen den vielen verschiedenen Privatarbeiten hergestellt werden kann, die Vermittlung dieses Zusammenhangs durch Geld schließt auch die Möglichkeit ein, diesen Zusammenhang zu zerstören.

- die Möglichkeit der Krise
h> und nun wieder einer der beliebten Fehler von Marx

Die Marxsche Geldauffassung weist allerdings auch einen bedeutenden Defekt auf, da Marx davon ausgeht, dass Geld grundsätzlich an eine Geldware gebunden sein muss. Zwar sieht auch Marx, dass die Geldware in der Zirkulation durch Wertzeichen ersetzt werden kann, doch faßt er diese Wertzeichen als bloße Vertreter der Geldware auf. Spätestens seit dem Zusammenbruch des Währungssystems von Bretton Woods in den frühen 70er Jahren kann man jedoch nicht mehr davon sprechen, dass das kapitalistische Geldsystem in irgendeiner Weise von einer Geldware abhängt.

Allerdings ist das Marxsche Beharren auf der Existenz einer Geldware keineswegs zwingend: aus der Wertformanalyse folgt streng genommen nur dass die Warenwelt einen selbständigen Wertausdruck benötigt, dass - wie das oben zitierte Tier-Beispiel deutlich macht - die Gattung zugleich als Individuum existieren muß.

h> Das allerdings nur, wenn nur der qualitative, die Äquivalenz, und nicht der quantitative Aspekt, die Wertgrösse beachtet wird. Wo kommt denn nun der Wert des Geldscheines her, wenn nicht als gnAz bezüglich der durch sie repräsentierten Warenmenge als Gold. Das das Gold nicht mehr als Geld gilt, ist noch nicht ausgemacht. Das werden wir spätestens in der nächsten Krise sehen, ob man lieber Papierchens oder doch Gold in den Händen halten möchte und sich diese "Einheit" zwanghaft wiederherstellt.

Entgegen Marx' eigener Überzeugung läßt sich der Zusammenhang von Ware und Geld auf der von ihm gelieferten Grundlage aber auch ohne Geldware entwickeln.


-nun beginnt die Stützung der These

Kapital als sich verwertender Wert wird von Marx über die Formel G-W-G' eingeführt. Zentral für die Kapitalbewegung sind nicht wie in Klassik und Neoklassik physische Kapitalgüter, sondern zunächst einmal Geldvorschüsse. Da Marx dann jedoch zunächst den "Produktionsprozeß des Kapitals" untersucht und die vermittelnden Zirkulationsakte lediglich unterstellt, konnte der Eindruck entstehen, dass er eine nicht-monetäre Akkumulationstheorie entwickelt, wo es doch wieder nur auf die "Realsphäre" der Güter ankäme.(15) Allerdings beschränkt sich die Analyse der Akkumulation nicht auf den ersten Band: im zweiten und dritten Band spielt entsprechend den jeweiligen Darstellungsebenen die monetäre Seite dann auch wieder eine entscheidende Rolle.

Berücksichtigt man dies, dann wird deutlich, dass Marx im Grunde genommen gezeigt hat, dass Kreditverhältnisse zur kapitalistischen Produktion nicht als äußerliche Momente hinzukommen, sondern dass der kapitalistische Reproduktionsprozeß ohne Kredit überhaupt nicht möglich ist, woraus dann unmittelbar folgt, dass der Umfang des Kredits auch den Umfang der Reproduktion, d.h. die Akkumulation beeinflußt.16

Genausowenig wie auf der Ebene der einfachen Zirkulation Geld eine bloße Zutat zur Welt der Waren war, ist es der Kredit auf der Ebene der kapitalistischen Zirkulation - der monetäre Charakter der Werttheorie macht sich auch hier geltend.

h> Das ist wohl wahr, das die Geldform des Kapitals ein notwendiger Durchgangspunkt für den Kapitalwert ist, wie die beiden anderen Formen auch (W, P), aber was ist hier der monetäre Charakter ? Warum wird diese Seite gegenüber der gleichfalls notwendigen und für das Leben der Menschen grundlegenderen Seite der "Realsphäre" der Güter betont ?

Die Marxsche Analyse des Kreditsystems macht aber noch etwas ganz anderes deutlich: mit dem Kredit ist eine neue Stufe in der Verselbständigung des Werts erreicht. In der einfachen Zirkulation stand Geld als selbständiger Ausdruck von Wert der Welt der Waren gegenüber. In der allgemeinen Formel des Kapitals G - W - G' bezog sich der Wert bereits nur noch auf sich selbst: aus Wert sollte mehr Wert werden.
...
Im Kredit erscheint dieser Prozeß nur noch als G - G' hier scheint sich Geld (als selbständiger Ausdruck von Wert) unmittelbar auf sich selbst zu beziehen, ohne jede weitere Produktion und Zirkulation.20 Allerdings entwickelt das Kreditsystem seinen eigenen Produktions- und Zirkulationsprozeß.

h> Hier wie auch in seinem 'Wiss. vom Wert' ist mir nicht plausibel, wie der die Arbeitswerttheorie durch eine monetäre entsprechend ersetzen will, weil er den Wert des Geldes nicht bestimmt. Die Betonung in der Argumentation der Geldform des Kapitals ist eben nur eine Betonung und kein Beleg.

3. Gleichgewicht und Krise

Die meisten modernen ökonomischen Theorien egal ob sie neoklassischer oder keynesianischer Provenienz sind, gehen von Gleichgewichtsmodellen aus: im Gleichgewicht (so die übliche Definition) werden die Pläne aller Akteure erfüllt, niemand hat daher eine Veranlassung sein Verhalten zu ändern.

Auch die gängigen "Wachstumstheorien" sind nicht wirklich dynamisch, unterstellen sie doch ein "gleichgewichtiges" Wachstum, bei dem die zukünftige Entwicklung bereits feststeht, sofern sie nicht "von außen" gestört wird.

Bei Marx ist die Dynamik bereits in den Kapitalbegriff eingelassen: Kapital als sich verwertender Wert kennt kein immanentes Maß, Kapitalverwertung ist ein ebenso maßloser und wie endloser Prozeß (MEW 23: 166f), der sowohl auf eine beständige Erhöhung des Grades der Verwertung (Steigerung der Mehrwert- bzw. Profitrate) als auch auf die Größe des zu verwertenden Kapitals abzielt. Auf dieser Grundlage bestimmt Marx dann verschiedene, der kapitalistischen Produktionsweise immanente Entwicklungstendenzen, die allerdings nicht ruhig und gleichmäßig, sondern krisenhaft verlaufen.

Die grundlegende vom Kapital ausgehende Dynamik, faßt Marx als "Produktion relativen Mehrwerts": durch Steigerung der Produktivkraft wird der Wert der einzelnen Produkte und als Konsequenz der Wert der Arbeitskraft gesenkt. Damit steigt - auch bei gleichbleibender Länge des Arbeitstages - die Mehrwertrate und die Mehrwertmasse pro Arbeitskraft.

Mit diesen bereits im ersten Band des Kapital abgeleiteten Zusammenhängen versucht Marx im dritten Band sein umstrittenes "Gesetz vom tendenziellen Fall der Profitrate" zu begründen. Häufig wird dieses "Gesetz" als unverzichtbare Grundlage der Marxschen Krisentheorie aufgefaßt, was die Vehemenz erklärt, mit der über dessen Gültigkeit gestritten wurde. Im folgenden will ich einerseits zeigen, dass die Kritik an diesem Gesetz berechtigt ist, andererseits soll aber auch deutlich werden, dass die Marxsche Krisentheorie in ihrem Kerngehalt von diesem Gesetz nicht abhängt.

Marx entwickelt seine Argumentation in zwei Schritten. Zunächst stellt er das "Gesetz als solches" dar (13. Kapitel, 3. Band), danach diskutiert er "entgegenwirkende Ursachen" (14. Kapitel, 3. Band), die den Profitratenfall abschwächen und zuweilen auch zu einem Anstieg der Profitrate führen, die aber nicht verhindern können, dass sich das Gesetz langfristig durchsetzt. Die folgende Kritik richtet sich vor allem auf den ersten Teil, es soll gezeigt werden, dass sich bereits "das Gesetz als solches" nicht halten läßt.

- 1. m/v = const; c/v steigt => m/(c+v) sinkt

... es muß gezeigt werden, dass die Wertzusammensetzung c/v auf Dauer schneller steigt, als die Mehrwertrate m/v.

Nimmt die Zahl der Arbeitskräfte ab, dann kann dies zunächst durch eine Erhöhung der Mehrwertrate (also der Steigerung der von der einzelnen Arbeitskraft gelieferten Mehrwertmasse) kompensiert werden. Allerdings findet diese Kompensation irgendwann eine Grenze: Leisten 24 Arbeiter jeweils 2 Stunden Mehrarbeit pro Tag, so ergibt dies 48 Stunden Mehrarbeit. Werden statt der 24 Arbeiter nur noch 2 beschäftigt, dann können diese beiden niemals 48 Stunden Mehrarbeit liefern, ganz egal wie stark die Mehrwertrate steigt. Marx folgert daraus, dass die Steigerung der Mehrwertrate "den Fall der Profitrate wohl hemmen, aber nicht aufheben" könne (MEW 25: 258).

Damit das angegebene Beispiel aber einen Profitratenfall belegt, muß das Kapital, das die 2 Arbeiter beschäftigt, genauso groß sein, wie das Kapital, das früher die 24 Arbeiter beschäftigte, denn erst dann folgt aus der Abnahme der Mehrwertmasse eine Abnahme der Profitrate. Hätte auch das Kapital abgenommen, müßte geklärt werden, was stärker abgenommen hat, das Kapital oder die Mehrwertmasse.
..
Damit das Gesamtkapital gleich bleibt, muß das konstante Kapital nicht nur überhaupt gewachsen sein, es muß so stark gewachsen sein, dass es das eingesparte variable Kapital (also mehr als 11/12 des ursprünglichen v) ersetzen kann - und hier liegt das Problem. Es reicht nicht aus, nur das Wachstum des konstanten Kapitals zu begründen,30 es müßte gezeigt werden, dass der Wert des konstanten Kapitals in einer bestimmten Proportion angewachsen ist.

Aus der Perspektive einer Arbeitsmengentheorie des Werts, die glaubt, Wert rein von der Produktion her bestimmen zu können, mag dieses Gesetz ein herber Verlust sein. Die für eine monetäre Werttheorie interessanten Ansätze zur Krisentheorie finden sich aber gerade in den Überlegungen von Marx, die nicht von diesem "Gesetz" abhängig sind.

Die allgemeinste und zugleich den Anforderungen einer monetären Werttheorie (die immer schon Produktion und Zirkulation umfaßt) am ehesten entsprechende Begründung einer der kapitalistischen Produktionsweise immanenten Krisentendenz skizziert Marx sehr gedrängt zu Beginn des 15. Kapitels im 3. Band des Kapital. Dort hält er fest, dass die Bedingungen der "Exploitation" und der "Realisation" des Mehrwerts nicht nur zeitlich und räumlich auseinander fallen, vor allem unterliegen sie unterschiedlichen Determinanten:

Dieser Tendenz zur beständigen Ausdehnung der Produktion und der Produktionsmöglichkeiten stellt Marx die kapitalistisch begrenzte "Konsumtionskraft der Gesellschaft" gegenüber, die nur eine begrenzte Realisation des Mehrwerts erlaubt. Allerdings formuliert er hier keine schlichte Unterkonsumtionstheorie33, er zerlegt vielmehr diese begrenzte Konsumtionskraft in ihre zwei Hauptbestandteile: nämlich in die durch den Lohn begrenzte Konsumtion der "Masse der Gesellschaft" und die "durch den Akkumulationstrieb" begrenzte Konsumtion des Kapitals.

Das spezifisch kapitalistische Verhältnis von Produktion und Zirkulation, von Profit und Zins, industriellem Kapital und fiktivem Kapital bringt widersprüchliche Tendenzen hervor, für die keine einfachen und automatischen Ausgleichsprozesse existieren.

..., es ist gerade die von Marx herausgestellte spezifische Dynamik der kapitalistischen Produktionsweise selbst, welche die Unsicherheit hervorbringt: die Logik der Kapitalverwertung, die Produktion relativen Mehrwerts führt zur beständigen Steigerung der Produktivkräfte, zu immer neuen Umwälzungen der technischen und sozialen Bedingungen von Produktion und Reproduktion, zur Verschiebung von Nachfrageströmen, zum Verschwinden alter und zur Entstehung neuer Branchen, zur Entwertung vorhandener Kapitalien und zur Entstehung neuer Kapitalien, deren tatsächliche Verwertung aber noch lange nicht klar ist. Bevor diese Entwicklungen an irgendeinem "Gleichgewichtspunkt" zur Ruhe gekommen sind, finden bereits wieder neue Umwälzungen statt, welche die gesamte Szenerie verändern.

Entgegen der Vorstellung einer Zusammenbruchskrise ist festzuhalten, dass Krisen Lösungen, wenn auch gewaltsame, von Widersprüchen sind: Die von den Krisen angerichteten Zerstörungen sind für die weitere Entwicklung des kapitalistischen Systems gerade produktiv. Allerdings reduziert sich Krise bei Marx nicht auf die Beseitigung von Ungleichgewichten.

Fussnoten

(10) ... Dass die Produkte erst im Tausch zu Waren werden und ihre Wertgegenständlichkeit erhalten, schließt natürlich nicht aus, dass ihr Wertcharakter bereits bei ihrer Produktion antizipiert wird und die Produktionsentscheidungen beeinflußt: nur ist die Antizipation des Werts nicht mit dem Wert selbst zu verwechseln.

(11) Der skizzierten monetären Werttheorie wird gerne der Vorwurf gemacht, sie löse Wert in ein Zirkulationsphänomen auf, und dabei entstehe er doch in der Produktion (z.B. Trenkle 1998, zur Kritik: Heinrich 1999a). Ein solcher Einwand offenbart ein quasi dingliches Verständnis von Wert, das noch dem von Marx kritisierten Fetischismus aufsitzt. Wert ist aber nur die gegenständliche Reflexion eines gesellschaftlichen Verhältnisses, ohne dieses Verhältnis ist auch der Wert nicht zu haben. Dass Wert nur in der Gleichsetzung im Tausch existiert (vorher ist er nur vorgestellter, antizipierter Wert), schließt keineswegs aus, dass die Wertgröße von den Produktionsbedingungen abhängt - allerdings nicht ausschließlich, wie Marx an verschiedenen Stellen klarmacht. Wird über das gesellschaftliche Bedürfnis hinaus produziert, so gilt die dabei verausgabte überschüssige Arbeit auch nicht als wertbildend (vgl. MEW 23: 121f; MEW 25: 686f; MEW 26.2: 521).


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last update 16.03.2002