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Seminar-AG - KB (Nord) |
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Sowjetunion 1921 - 1939 - von Lenin zu Stalin - Teil IV: ´Großer Durchbruch´ - Industrialisierung - Arbeiterklasse - ´Rote Kader´ - Kollektivierung der Landwirtschaft
( Original )
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Status |
1989 - Materialsammlung |
Letzte Bearbeitung |
09/2004 |
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www.mxks.de
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43. Die forcierte Industrialisierung der Sowjetunion 1927/28 1939
1. Der erste FJP 1927/28 - 1932
2. Der zweite FJP 1933 - 1937
3. Vorkriegsrüstung und wirtschaftliche Rückschläge ab 1937
4. Die quantitative Entwicklung der Arbeiterklasse
5. Wohnungsnot und Lebensbedingungen in den Städten
6. Lohndifferenzierung, Arbeitsdisziplin und staatlicher Zwang
7. Tayloristische Arbeitsteilung und Sozialismus
8. Sozialistischer Wettbewerb und Stachanovcy
44. Arbeiterklasse und ´Rote Kader´
45. Dokument 30: Josef Stalin: Die Ergebnisse der Ersten Fünfjahresplans
II. Die grundlegen Aufgabe des Fünfjahrplans und der Weg zu ihrer Verwirklichung
V. Die Ergebnisse des Fünfjahrplans in vier Jahren auf dem Gebiet der Verbesserung der materiellen Lage der Arbeiter und Bauern
VII. Die Ergebnisse des Fünfjahrplans in vier Jahren gegen die Überreste feindlicher Klassen
VIII. Allgemeine Schlußfolgerungen
46. Dokument 31: L. M. Sabsovitsch: Die Städte der Zukunft und die Organisation der sozialistischen Lebensweise Ein Entwurf 1929/30
47. Dokument 32: Klaus Mehnert: Jugend- und Arbeitskommunen
48. Die Kollektivierung in der Landwirtschaft und die Folgen
49. Dokument 33: Richard Lorenz: Die Kollektivierung der Landwirtschaft
50. Dokument 34: Stalin: Zur Frage der Politik der Liquidierung des Kulakentums als Klasse
51. Dokument 35: Stalin: Vor Erfolgen vom Schwindel befallen (Zu den Fragen der kollektivwirtschaftlichen Bewegung)
52. Dokument 36: Musterstatut des landwirtschaftlichen Artels von 1935
53. Dokument 37: Maßnahmen zum Schutz der gemeinschaftlichen Kolchosländereien vor Verschleuderung
43. Die forcierte Industrialisierung der Sowjetunion 1927/28 1939
Mit der Verabschiedung des ersten Fünfjahrplanes (FJP) auf der XVI. Parteikonferenz der KPdSU im April 1929 begann eine neue Phase der Entwicklung der Sowjetunion.
- Mit Hilfe einer leistungsfähigen und vom Ausland unabhängigen Produktionsmittelindustrie sollte das Land endgültig seine nach wie vor agrarisch begründete Rückständigkeit und Krisenanfälligkeit überwinden.
- Der erste Fünfjahresplan sah im Sektor A - er umfaßt den gesamten Bereich der Produktionsmittel und ihrer Herstellung - vorrangig den Aufbau der Schwerindustrie und des Maschinenbaus vor. Die Konsumgüterindustrie incl. der Landwirtschaft bilden den Sektor B.
- Durch diese Aufteilung erhoffte man sich effektivere Steuerungsmöglichkeiten und Einflußnahme auf den wirtschaftlichen Prozeß.
{Letztere Darlegung lässt die Aufteilung der kapitalistischen Ökonomie eines Nationalstaats in zwei geschiedene Abteilungen - A = Produktionsmittel und B = Konsumtionsmittel - zwecks besserer Steuerungsmöglichkeiten als Glaubenssache erscheinen. Tatsächlich zeigt Marx in Band 2 des ´Kapitals´ die Reproduktion des nationalen Gesamtkapitals als ein nach der stofflich-funktionalen Seite zweigegliedertes Schema. Wenn die Wertseite dieses Gesamtwarenprodukts in einem bestimmten Verhältnis stehen (Av+m = Bc), dann befindet sich die Nationalökonomie im Gleichgewicht. Dies ist in der Wirklichkeit des Krisenzyklus nur ein Durchgangspunkt in der Phase der ersten Belebung des Gesamtweltmarkts - Übrigens sind die Reproduktionsschemata des gesellschaftlichen Gesamtkapitals der Schlusstein vonBand 2, nachdem zunächst die drei kreislaufförmigen Metamorphosen der industriellen Einzelkapitale dargestellt sind und sodann deren Umschlag in ihren fixen und zirkulierenden Kapitalanteilen - diese Reproduktion der Einzelkapitale erzwingen in ihrer Totalität als Kapital überhaupt - Kapital im allgemeinen - den Fortgang zur Reproduktion des gesellschaftlichen Gesamtkapitals. Dass hierbei nun die stoffliche Seite vorgängig wird in der Klassifizierung der zwei gesellschaftlichen Abteilungen - also die stofflichen Reproduktionsmittel des Kapitals auf der einen Seite (A) und der der Wirtschaftsinsassen auf der anderen Seite (B) - belegt wie eng die Dialektik von Gebrauchswert und Wert der kapitalistischen Warenproduktion vermittelt bleibt. mxks2004(d.V.)}
- Im Verlauf der Geschichte war dies die Premiere eines anderen Weges der Entwicklung einer Volkswirtschaft.
-
Die Energiegewinnung und -erzeugung, die Eisenverhüttung und die Stahlproduktion bildeten hierfür die Grundlage.
- Der hierauf aufbauende Maschinen- und Fahrzeugbau sollte die notwendigen Produktionsmittel liefern, um die weiterverarbeitende Industrie, die Landwirtschaft und die Leichtindustrie mit der maschinenmäßigen Voraussetzung zu versorgen.
1. Der erste FJP 1927/28 - 1932
Diese Überlegungen fanden sich in den Grundkennziffern für die Entwicklung der Produktion wieder. So sollte die gesamte Bruttoproduktion im ersten Planjahrfünft auf das 2,8 fache steigen; von 10,909 Mrd Rubel 1927/28 auf 30,455 Mrd Rubel 1932/33. DieProduktionsmittelindustrie von 4,393 Mrd Rubel 1927/28 auf 1932/33 14,547 Mrd Rubel, was einer Steigerung um das 3,3fache entspricht. Im gleichen Zeitraum sollte sich die Konsumgüterindustrie um das 2,4 fache erhöhen, nämlich von 6,516 Mrd Rubel auf 15,908 Mrd Rubel.
Tabelle: 1. FJP SU - Produktion in Mrd Rubel
Bruttoproduktion | 1927/28 | 1932/33 | Steigerung in % | Planerfüllung in % | Wachstumsrate 1.PJF in % |
SU Gesamt | 10,909 | 30,455 | 280 | 93,7 | 19,2 im Durchschnitt der 5 Jahre |
Abt. A PM | 4,393 | 14,547 | 330 | 103,4 | - |
Abt. B KM | 6,516 | 15,908 | 240 | 84,9 | - |
Die höhere Steigerungsrate für den Sektor A beinhaltete folgende Investitionsschwerpunkte:
- Den Ausbau der Eisen- und Stahlindustrie mit dem vorrangigen Aufbau eines zweiten Standbeines in den östlichen Landesteilen mit dem Ural-Kuzneck-Kombinat; das Zentrum bildeten die metallurgischen Werke von Magnitigorsk.
- Die Modernisierung des Maschinenbaus mit Hilfe westlicher Fachleute und der Übenahme tayloristischer Arbeitsteilung.
- Der Aufbau eigener Automobil-, Traktoren- und Landmaschinenwerke, wozu in Gorkij, Wolgograd, Moskau, Saratov und Zaporoze riesige neue Fabrikanlagen entstanden.
- Die Steigerung der Energieversorgung, insbesondere der Stromerzeugung.
- Es wurden neue Kraftwerke geplant und gebaut sowie eine Modernisierung der bestehenden vorgenommen. Hierzu gehört beispielsweise die vorrangige Vollendung des im März 1927 begonnenen Baus des damals größten Wasserkraftwerkes Europas in Dnepropestroj am Dnepr. Es konnte bereits im Oktober 1932 in Betrieb gehen. Insgesamt sollte die Bereitstellung elektrischer Energie beträchtlich gesteigert werden.
- Gleichermaßen sollte die Kohlegewinnung vorangetrieben werden. Die bestehenden Förderanlagen und die vorhandene Untertagetechnik in den Gruben des Donez-Beckens sollte modernisiert werden.
- Neue Vorkommen im Kuzneck-Becken in Westsibirien und Im Pecora- Becken in Vorkuta - im europäischen Teil der SU - wurden erschlossen, um insbesondere die Kohle- und Koksversorgung der neuen Kombinate zu gewährleisten.
- Neben diesen Kernberelchen sollten die Bauwirtschaft - Zementherstellung und Glasproduktion - sowie notwendigerweise die Transportindustrie auf den neuesten Stand der Technik und das höchstmögllchste Produktivitätsniveau gebracht werden. Ein zentrales Problem war dabei der Ausbau und die Modernisierung der Eisenbahn.
- Die Leichtindustrie sollte sich nur langsam und in Abhängigkeit vom Sektor A entwickeln. Dies bedeutete natürlich ein geplantes Zurückbleiben dieses Sektors gegenüber der Produktionsmittelindustrie. Das war der sichtbarste Ausdruck des Abschieds von den Vorstellungen einer relativ gleichgewichtigen Entwicklung der Wirtschaft, wie sie noch zumindestens theoretisch in der NEP vertreten wurde.
Tabelle:
Erfüllung des 1. FJP SU - 1927/28 bis 1932/33 - Zahlen zur groben Orientierung
Kenngrößen - in Mrd Rb - Mio Beschäftigte - Mio qm Wohnraum | Ergebnisse - 1927/28 (1) | Ziele - 1932/33 (2) | Ergebnisse - 1932/33 (3) | (3) in % von (2) |
Nationaleinkommen insg. | 24.9 | 49.7 | 45.5 | 91.5 |
davon Produktionsmittel | 6.01 | 8.12 | 3.12 | 7.6 (?) |
davon Konsumtionsmittel | 12.3 | 25.1 | 20.2 | 80.5 |
Beschäftigte - exklusiv kollektivierte Landwirtschaft | 11.3 | 15.8 | 12.9 | 144.0 (?) |
davon Industrie | 3.5 | 4.6 | 8.0 | 173.9 |
davon Administration | 1.09 | 1.20 | 1.8 | 152.3 |
Löhne - Geldlohn - insgesamt Mio Rb | 690 | 994 | 1.425 | 143.9 |
Löhne - Reallohn | 690 | 1.156 | 553 | 48 |
Wohnungsbestand Mio qm | 160.2 | 213.0 | 185.1 | 86.9 |
städtischer Neubau Mio qm | 5.4 | 20.6 | 7.33 | 5.4 (?) |
qmWohnraum/Stadtbewohner | 5.74 | 6.90 | 4.66 | 67.5 |
{ Die html-aufbereitete Tabelle geben die KB-AG Zahlen wieder, welche an manchen Stellen ungereimt wirken, insbesondere mit den ansonsten im Text benutzten Zahlen - in der Tabelle eingefügte Fragezeichen (?) stammen von mxks2004(d.V.)}
- Insgesamt wurde dieser Plan nach offiziellen sowjetischen Angaben zu 93,7% erfüllt.
- Der Sektor A erreichte 103,4%, darunter die Schwerindustrie mit 108,4% und
- der Sektor B 84,9% der Planvorgaben.
-
Nach diesen Angaben betrug die Wachstumsrate für das erste Planjahrfünft 19,2%.
- Bei unterschiedlichen westlichen Berechnungen schwankt diese Zahl zwischen 16 und 8,8%.
- Doch selbst die niedrigste Rate kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß der sowjetischen Wirtschaft ein immenser Sprung nach vorne gelang.
- Zieht man noch dazu in Betracht, daß im Rahmen der Weltwirtschaftskrise 1928/29 die USA bei einem Null-Wachstum stagnierten und einige westeuropäische Staaten eine negative Entwicldung aufzuweisen hatten, erscheint die Entwicklung der UdSSR noch beachtenswerter.
2. Der zweite FJP 1933 - 1937
- Ausgehend von den Disparitäten der Planung und Entwicklung im ersten FJP wurde versucht,
- im zweiten dementsprechende Korrekturen vorzunehmen, ohne die generelle Linie aufzugeben.
- Dadurch sollte die Fertigstellung der begonnen Industrieprojekte gewährleistet werden und insbesondere der Sektor B stärker mit investivem Kapital versorgt werden.
Unmittelbarstes Ziel der Änderungen war
- die Unabhängigkeit im Maschinenbau von Importen,
- die Erhöhung der Arbeitsproduktivität
- sowie die Versorgung insbesondere der städtischen Bevölkerung mit besseren und zahlreicheren Gütern des täglichen Bedarfs.
- Für das Anfangsjahr der neuen Planperiode 1933 wurde ein Wirtschaftswachstum von 16,5% angestrebt;
- Insgesamt fielen die jährlichen Steigerungsraten bescheidener aus als noch im ersten Plan.
- So sollte die Produktionsmittelindustrie um 14,5% und die Konsumgüterindustrle um 18,5% steigen.
- Diese geringeren Wachstumsraten - im ersten Plan war von 21 - 22% Jahressteigerung ausgegangen worden - waren Ausdruck der Einsicht, daß nach einer Phase des Erreichens höherer Quantitäten und der Investitionskonzentration im Bereich der Schwerindustrie eine Phase mit geänderten Zielsetzungen folgen müßte.
- So sollte es nun darauf ankommen, die Qualität und die Produktivität der Arbeit zu verbessern und den zurückgebliebenen Produktionszwelgen die Möglichkeit des Aufholens zu geben.
- Die Brennstoffförderung etwa war weit hinter dem Anwachsen der metallverarbeitenden Industrie zurückgeblieben;
- die vom Kohlemangel schon in Ihrer Produktion gedrosselten Eisenhütten wurden noch durch die unzureichende Versorgung mit Erz an der Auslastung ihrer Kapazitäten gehindert.
- Zudem galt es, die Angebotsbreite der Erzeugnisse zu vergrössern und stärker als bisher die Bedürfnisse der Verbraucher zu berücksichtigen.
Tabelle:
Erfüllung des 2. FJP SU - 1932/33 - 1937 - Zahlen zur groben Orientierung
Kenngrößen - in Mrd Rb - Mio Beschäftigte - Mio qm Wohnraum | Ziele für 1937 (1) | Ergebnisse - 1937 (2) | (2) in % von (1) |
Nationaleinkommen insg. | 100.2 | 96.3 | 96.1 |
davon Produktionsmittel | 45.5 | 55.21 | 21.3 (?) |
davon Konsumtionsmittel | 47.2 | 40.3 | 85.4 |
Beschäftigte - exklusiv kollektivierte Landwirtschaft | 28.9 | 27.0 | 93.4 |
davon Industrie | 10.20 | 10.11 | 99.1 |
davon Administration | 1.47 | 1.74 | 118.6 (?) |
Löhne - Geldlohn - insgesamt Mio Rb | 1.755 | 3.047 | 167.4 |
Löhne - Reallohn insg Rb (?) | 189 | 128.7 | 68.1 |
Wohnungsbestand städtischer Mio qm | 246.5 | 207.3 | 84.1 |
städtischer Neubau Mio qm | 19.7 | 3.91 | 9.8 (?) |
qmWohnraum/Stadtbewohner | 5.35 | 3.77 | 71.8 |
{ Die html-aufbereitete Tabelle geben die KB-AG Zahlen wieder, welche an manchen Stellen ungereimt wirken, insbesondere mit den ansonsten im Text benutzten Zahlen - in der Tabelle eingefügte Fragezeichen (?) stammen von mxks2004(d.V.)}
- Der 2. Fünfjahresplan konnte einigermaßen realisiert werden.
- So kam 1937 bereits 4/5 der Produktion aus neuen oder modernisierten Fabriken.
- Zum Jahreswechsel 1936/37 kam der größte Teil der neuinstallierten Maschinen aus eigener Produktion.
- Ebenso konnte 1935 auf die Zuteilung von Lebensmitteln verzichtet werden.
- Insgesamt brachte der 2. FJP eine gewisse Beruhigung in die gesamtwirtschaftliche Entwicklung, da die Politik des ersten FJP langsam Früchte trug.
- Nach Maßstäben der Zeitgenossen gilt die Zelt von 1934 - 36 als die drei guten Jahre der sowjetischen Geschichte.
- Es schien, daß man die Strapazen, Reibungen und Fehler der sog. Durchbruchsjahre überstanden habe und daß es jetzt rasch und stetig mit der wirtschaftlichen Entwicklung aufwärts gehen würde.
- Für diese Beurteilung spricht einiges:
- So erreichte die Sowjetunion im industriellen Gesamtvolumen den zweiten Platz auf der Weltskala
- noch vor den ehemaligen europäischen Spitzenreitern Großbritannien und Deutschland;
- nur noch die USA lagen mit großem Abstand vor ihr.
Tabelle:
Kohle- und Roheisengewinnung sowie Index Industrieproduktion SU Vergleich imperialistischer Hegemonialmächte 1929 - 1938
Jahr | UdSSR | Deutsches Reich | Frankreich | Großbritanien | USA | Japan |
Kohleproduktion in Mill to | - | - | - | - | - | - |
1929 | 41,8 | 177,0 | 53,8 | 262,0 | 552,3 | 34,3 |
1937 | 122,6 | 154,5 | 44,3 | 244,3 | 448,4 | 45,3 |
1938 | 232,9 | 186,2 | 46,5 | 230,7 | 355,3 | 33,0 |
Roheisenerzeugung in Mill to | - | - | - | - | - | - |
1929 | 4,3 | 15,3 | 10,4 | 7,6 | 42,6 | 1,1 |
1937 | 14,5 | 16,0 | 7,9 | 8,6 | 37,7 | 2,6 |
1938 | 14,7 | 18,6 | 6,2 | 6,9 | 19,5 | 0,7 |
Index Gesamt-Industrie-Produktion | - | - | - | - | - | - |
1929 | 100 | 100 | 100 | 100 | 100 | 100 |
1937 | 372 | 117,2 | 81,9 | 123,6 | 102,7 | 168,9 |
1938 | 413,0 | 126,1 | 76,1 | 115,5 | 80,0 | 74,7 |
-
Ebenso wurde die Erschließung neuer Rohstoffbasen und
- die Errichtung neuer Industriezentren in ihrer Nähe erfolgreich fortgesetzt.
- Es wurden Ansätze gemacht, die Wege der Produkte zu ihren Käufern zu verkürzen und
- gleichzeitig mittels der Industrialisierung zurückgebliebene Landesteile an die übrige Entwicklung heranzuführen.
- Hierbei wurden die östlichen Landesteile zu einem wichtigen Faktor der sowjetischen Wirtschaft;
- 1940 kamen durchschnittlich 30% der Industriellen Erzeugung aus dieser Region.
- Durch den Ausbau der Kohle-Eisen-Kombinate von Ural und Kuzneck-Becken,
- durch die Erschließung und Erweiterung der Bergbaugebiete von Kasachstan und jenseits des Kaukasuses gelegener Lager sowie
- die Forcierung der Buntmetallgewinnung in diesen Regionen konnte dieser Aufschwung ebenfalls erreicht werden.
-
Insgesamt gelang es, einen großen Teil der Produkte, die bisher eingeführt werden mußten, nun selbst herzustellen.
- Dies hatte natürlich einen erheblichen Entlastungseffekt für den Staatshaushalt,
- dessen bisher für den Import reservierten Mittel nun anderweitig ausgegeben werden konnten.
-
Für die Jahre 1934 bis 1936 verzeichnet die offizielle sowjetische Statistik einen Anstieg
- der industriellen Bruttoproduktion um 88%,
- bei Stahl um 140% und
- bei Kohle um zwei Drittel.
- Die Bereitstellung von Elektrizität konnte verdoppelt werden.
Diese recht bedeutende wirtschaftliche Entwicklung hat folgende Ursachen:
- Die aufwendige Neuanlage von Betrieben und die Ausbildung der Arbeitskräfte waren Vorleistungen der ersten Planperiode, die sich nun allmählich auszahlten.
- Die großen metallurgischen Kapazitäten von Magnitogorsk, Kuzneck, Zaporoze, Azov, Tuia und Lipeck schlugen ab 1934 positiv beim Wirtschaftswachstum zu Buche.
- Ebenso liefen die Großkraftwerke auf vollen Touren.
- Die Arbeitsproduktivität, die ab 1929 gesunken war, konnte in diesen drei Jahren um 30% erhöht werden. So stieg die Pro- Kopf- Leistung des sowjetischen Bergmannes etwa von 16,2 t 1932 auf 26,9 t 1937.
- Die als "Gigantomanie" bezeichnete Schaffung von riesigen Betrieben in der ersten Planperiode wurde weitgehend aufgegeben, sodaß sich die Frist zwischen Bau- und Produktionsbeginn erheblich verkürzte.
- Darüberhinaus wurde versucht, in den schon bestehenden Betrieben die Produktion zu effektivieren.
- Das Transportwesen und die Bauindustrie waren bis 1934 nicht ausreichend durch Investitionen gefördert worden, so daß es aufgrund ihrer enormen Belastung zu Engpaßkrisen gekommen war. Durch eine Ausweitung des sog. Kernförderungsbereiches konnte die Zementherstellung erfolgreich erhöht und das Eisenbahnwesen vor dem drohenden Zusammenbruch gerettet werden.
- So ging 1935 ein Fünftel der gesamten Stahlproduktion in die Anlage neuer Strecken, den Ausbau der Mehrgleisigkeit und die Aufstockung des Lok- und Waggonparkes.
- Zudem trat dem Schienentransport ein verstärkter Autoverkehr zur Seite. 1929 hatte die sowjetische Automobilindustrie gerade eine Jahresleistung von 1400 Fahrzeugen, 11 Jahre später waren es bereits 180.000 Lastwagen und 20.000 PKW. Denn in der Zwischenzeit hatten die Werke von Moskau, Gorkij, Rostov und Jaroslavl ihre Massenfertigung aufgenommen.
- 1935 konnte auf die bis dahin erfolgte Zuteilung von Lebensmitteln verzichtet werden, da sich die Landwirtschaft einigermaßen vom Kollektivierungsschock erholt hatte.
- Daneben stieg die Konsumgüterproduktion stärker an als die Schwerindustrie, was auch zur Beruhigung der angespannten Versorgungslage beitrug.
3. Vorkriegsrüstung und wirtschaftliche Rückschläge ab 1937
- Der Jahreszuwachs der industriellen Bruttoproduktion - für 1928 - 36 betrug er immerhin 10% - sackte auf knapp 3% ab,
- ebenso konnte die Stahlerzeugung bis 1940 kaum noch gesteigert werden;
- fatal war das Abfallen der Zementproduktion um 27%, die eigentlich um 22% hätte steigen sollen. Hierdurch verzögerten sich wichtige Bauvorhaben, wie etwa die Ausweitung des städtischen Wohnungsraumes.
- Auch die angestrebte Verbesserung der Qualitätsfaktoren blieb aus,
- die optimale Auslastung der vorhandenen Produktionskapazitäten sowie
- eine weitere Hebung der Pro-Kopf-Produktion und
- eine Senkung der Produktionskosten konnte nicht realisiert werden.
- Die Ursachen für diese Wendung zum Negativen wird vielfach aus der Notwendigkeit erklärt, mit aller Macht aufzurüsten.
- Es ist zwar richtig, daß sich der Anteil der Verteidigungsausgaben am Staatshaushalt
- von 3,4% 1933
- über 16,1% 1936
- auf 1940 32,6%
erhöhte,
- aber hierin allein den Grund für den Rückgang zu sehen, greift zu kurz.
- So war es zwar für die Fortsetzung der erfolgreichen Politik von 1934 bis 1936 hinderlich,
- daß der Stahl zunehmend für militärisches Gut verwandt wurde und
- somit für die Produktion von Produktionsmitteln nicht mehr zur Verfügung stand und
- keinen Hebel mehr für einen weiteren wirtschaftlichen Anstieg bildete.
- Der Ausbau der Roten Armee, die sich von 1934 bis 1939 verdoppelte, hemmte zudem die industrielle Entwicklung, da dies einen nahezu permanenten Aderlaß an wertvollen Arbeitskräften bedeutete.
- Allerdings wird bei dieser Argumentation übersehen, daß die Produktion von Stahl und Gußeisen ebenfalls stagnierte, was keineswegs dem typischen Verlauf sog. Kriegswirtschaften entspricht.
-
Beachtet werden muß weiterhin die Auswirkungen der sog. großen Säuberungen, die auch große Teile der industriellen Leitungskader erfaßte.
- Zudem wurden ab 1936
- die Arbeitsschutzbestimmungen abgebaut,
- ausgewählte soziale Leistungen gekürzt und
- beispielsweise über die Stachanov-Bewegung der Leistungsdruck auf die Beschäftigten erhöht. (Hierzu ausführlicher weiter unten.)
-
Inwieweit dies diesen Einbruch hinreichend erklärt, muß sich im Zusammenhang mit der Diskussion über die Parteisäuberungen und ihre gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen klären.
Aufgrund der geschichtlichen Ereignisse,
- dem faschistischen Überfall auf die UdSSR 1941,
- wird auf die Darstellung und Erläuterung des dritten Fünfjahresplanes verzichtet,
- da es sich allenfalls um eine Betrachtung über die anvisierten Ziele handeln könnte,
- ohne auf ihre Realisation eingehen zu können.
4. Die quantitative Entwicklung der Arbeiterklasse
Die oben skizzierte Industrialisierung der Sowjetunion war begleitet von einem tiefgreifenden Umbruch der Sozialstruktur.
- In den 12 Jahren vom Dezember 1926 bis Januar 1939 vergrößerte sich die städtische Bevölkerung um fast 30 Mill auf insgesamt 56,1 Mill.
- Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung stieg damit von 18 auf 33%.
- Dieser Zuwachs setzt sich wie folgt zusammen
- 5,3 Mill durch die sog. natürliche Bevölkerungszunahme in den Städten,
- 5,8 Mill durch die Umwandlung ehemals ländlicher Siedlungen in Städte und
- 18,5 Mill durch Übersiedlung ehemaliger Landbewohner.
- In der Zeit der ersten beiden Fünfjahrespläne 1927/28 bis 1937 vergrößerte sich die städtische Bevölkerung um 60%;
- von 1897 bis 1929 waren es 56%.
- Dieser Zuwachs lag sicherlich nicht ausschließlich an der gestiegenen Attraktivität der Städte, sondern wohl eher am ungewissen Schicksal der bäuerlichen Einzelwirtschaften nach der Kollektivierung.
- Mit der Umgestaltung der landwirtschaftlichen Verhältnisse änderte sich auch die Art des Abwanderns in die Stadt.
- So war es bis 1930 durchaus üblich, daß ein Teil der Bauern oder Mitglieder ihrer Familien als Saisonarbeiter in der Industrie, insbesondere im Bergbau, beschäftigt waren.
- Sie arbeiteten hauptsächlich während der Wintermonate in den Betrieben und kehrten über den Sommer in die Dörfer zur landwirtschaftlichen Arbeit zurück.
- Diese temporäre Abwanderung verschwand im Zuge der Kollektivierung.
- Ab 1930/31 zogen vermehrt ganze Familien in die Stadt bzw. in die neuen Industriegebiete.
- Diese Veränderung ist auch aus einer Erhebung der amtlichen Industriezeitung von 1929 bis 1932 zu entnehmen.
- So veränderte sich im Bereich des Bergbaues in dieser Zelt die Zahl derjenigen, die vom flachen Land gekommen waren nur wenig, 1929 waren es 61,5% und 1932 61,9%.
- Verändert hatte sich dagegen die Intensität der Bindungen.
- Enge wirtschaftliche Beziehungen zu ihren alten Dorf unterhielten
- 1929 noch 27,8% der befragten Bergleute,
- 1932 waren es nur noch 17,9%.
- Ließen sich noch 1929 10,1% der Befragten für landwirtschaftliche Arbeiten beurlauben, so sank dieser Satz auf 0,5% 1932.
- Der Loslösungsprozeß der ehemaligen Landbewohner war also in vollem Gange.
- Einen Anreiz stellte natürlich die Expansion der Industrie dar und
- es wurde von Seiten der Betriebe auch eifrigst auf dem flachen Land um Arbeitskräfte geworben.
- So stieg während des ersten FJP die Zahl der Arbeiter und Angestellten von 11,6 Mill auf 22,9 Mill.
- Im zweiten FJP erhöhte sich diese Zahl noch einmal um etwas mehr als 4 Mill.
- Somit umfaßte die Arbeiterklasse der Sowjetunion 1940 30,4 Mill.
- Bei einer Bevölkerung von rd. 174 Mill im gleichen Jahr ergibt dies
- 1940 175 Arbeiter und Angestellte auf 1000 Einwohner;
- 1928 waren es 77 und
- 1913 80.
5. Wohnungsnot und Lebensbedingungen in den Städten
Dieser immense Zuwachs an städtischer Bevölkerung bedeutete auch eine ebenso große Nachfrage nach Wohnraum.
- Den Ende 1927/28 in den Städten lebenden 27,9 Mill Menschen stand eine Wohnfläche von 160,2 Mill qm zur Verfügung.
- Das entspricht 5,7 qm pro Stadtmensch.
- Diese Fläche sollte im Rahmen des ersten FJP auf 6,1 qm erhöht werden, bzw. insgesamt um 52,8 Mill qm steigen.
- Dies konnte aber nur zu 47,2% realisiert werden.
- Die Folge war, daß bei einer gleichzeitigen Zunahme der Stadtbevölkerung um 11,8 Mill nur eine Erhöhung des Wohnraumes von 24,9 Mill qm gegenüberstand.
- Anstatt zu steigen sank demzufolge die Wohnfläche pro Einwohner auf 4,7 qm.
- Im zweiten FJP war der Neubau von 19,7 Mill qm geplant, aber nur 3,9 Mill qm wurden tatsächlich neugebaut.
- Der Umfang der Wohnfläche betrug Ende 1937 207,3 Mill qm bei einer Stadtbevölkerung von annähernd 53 Mill,
- womit die pro Person vorhandene Wohnfläche erneut gesunken war und zwar auf 3,77 qm.
Hierzu tritt eine stetige Verschlechterung der Versorgung der Städte mit den Gütern des sogenannten täglichen Bedarfs.
- Hauptursache ist in der Kollektivierung der Landwirtschaft zu sehen.
- In Folge dieser Maßnahme sinkt die landwirtschaftliche Produktion
- und der neue staatliche und kooperativ-Handelssektor können die Nachfrage der städtischen Bevölkerung nicht decken.
- Es entsteht ein Schwarzmarkt, dessen Preise weit über dem durchschnittlichen Lohnniveau liegen und die Ernährungssituation der Stadtbewohner extrem verschlechtern.
- Zwischen 1928 und 1933 fiel bei Leningrads Arbeitern der Pro-Kopf-Verbrauch
- an Fleisch auf 72%,
- von Milch auf 64% und
- von Obst auf 63%;
- dagegen steigt der von Kartoffeln um 11% und
- von Roggenbrot um 39%.
- Zudem fällt der rigorosen Umgestaltung der landwirtschaftlichen Produktionsverhältnisse auch die mittelständische Kleinindustrie zum Opfer.
- Dies ist insofern fatal, da nun die Produkte dieser Industrie auf dem städtischen Markt und somit bei der Versorgung der Beschäftigten fehlen.
- Dies kann auch der Schwarzmarkt nicht ausgleichen.
- Diese allgemeine Knappheit der Konsumgüter führt in Verbindung mit den horrenden Schwarzmarkt- und Privathandelspreisen zur Senkung der Reallöhne.
Zudem wurde ein großer Teil des Aufbauprogrammes mit Hilfe der Notenpresse finanziert, was unweigerlich eine Geldentwertung nach sich zog.
- Über das Ausmaß dieser Inflation gibt es aber keine offiziellen Angaben, sondern nur nach unterschiedlichsten Methoden erfolgte westliche Berechnungen.
- In diesen manifestiert sich auch die jeweilige Auffassung des Autors von der Sowjetunion nieder und in direkter Abhängigkeit von Zustimmung oder Ablehnung des sowjetischen Modells werden die offiziellen Zahlen gewichtet.
- Da für den Bereich der allg. Lebenshaltungskosten keine offiziellen Zahlen existieren, operieren diese Wissenschaftler halt mit mehr oder weniger fundierten Vermutungen.
Sich bei der Erarbeitung eigener Erkenntnisse auf derartige Untersuchungen zu stützen, halte ich nicht für vertretbar.
- Festzuhalten ist aber, daß es in der UdSSR in dieser Zeit eine Erhöhung der Lebenshaltungskosten gegeben hat, die wohl nur zum Teil durch Lohnerhöhungen ausgeglichen werden konnte.
- So erhöhte sich der Geldlohn im ersten FJP von 690 Rb auf 1427 Rb und
- in den zweiten fünf Jahren auf 3047 Rb.
- Inwieweit hiermit eine Anhebung der realen Kaufkraft einherging, ist nur schwer zu sagen, es ist aber anzunehmen, das ein großer Teil dieses Lohnes für den Ausgleich des inflationären Preisauftriebes verloren ging.
- Auf der anderen Seite ist aber zu bedenken, das die Grundnahrungsmittel und Wohnungsmieten preislich gebunden waren und
- die medizinische Versorgung kostenlos war.
- Ebenso waren die Kosten von Bildung und Ausbildung auf alle verteilt, sie trug ebenfalls der Staat.
6. Lohndifferenzierung, Arbeitsdisziplin und staatlicher Zwang
Die Eingliederung von mehreren Millionen Menschen in einen industriellen Arbeitsprozeß,
- die vorher kaum oder
- noch nie mit einem solchen konfrontiert waren,
erfordert
- Zeit,
- Geld und
- Ausbildung.
- Letzteres bekam ein großer Teil von ihnen,
- an ersterem mangelte es der Sowjetunion erheblich.
Die typischen Erscheinungen eines solchen Eingliederungsprozesses waren
- Absentismus,
- Fluktuation und
- ansatzweise Arbeitsverweigerung.
Diese, die Ziele der Industrialisierung konterkarierende Erscheinungen, versuchte man mit Hilfe staatlicher Maßnahmen zu beheben.
- So machte sich die Partei- und Sowjetführung die bestehende Fraktionierung der Arbeiterschaft zunutze, denn diese erschwerte ganz erheblich eine einheitliche Reaktion der Arbeiterinnen auf die sich verändernden betrieblichen Situationen und die Verschlechterung der Lebensverhältnisse.
- Demgegenüber war die Partei in der Lage, die unterschiedlichen Teile der Beschäftigten durch differenzierte materielle Anreize aber auch durch Sanktionen anzusprechen.
- Ein wichtiges Mittel dieser Politik war die Lohnpolitik.
Aufbauend auf einem Tarifsystem, das schon während der NEP reformbedürftig war, wurde die bestehende Differenzierung von Löhnen und
sozialer Versorgung ausgebaut.
- So existierten innerhalb der zwanziger Jahre starke Unterschiede bei den Löhnen,
- die durch eine Tarifreform 1927/28 etwas ausgeglichen wurden.
- Der Abstand zwischen dem Durchschnittslohn eines erwachsenen Facharbeiters und dem eines Hilfsarbeiters sank zwischen dem März 1927 und dem März 1929 von 137,9 : 100 auf 133,8 : 100.
- Dies ist zwar eine unbedeutende Annäherung, deutet aber eine Tendenz an.
Im Gegensatz dazu sah der erste Fünfjahresplan eine weitere Ausdifferenzierung der Löhne vor, allerdings mit dem Ziel, die Produktivität zu steigern und den Arbeitsmarkt zu lenken.
- Regulierung des Entlohnungssysterns mit dem Ziel, die Arbeiterinnen an Steigerung der Produktivität und Erhöhung ihrer eigenen Qualifikation zu Interessieren,
- regionale Lohnanhebungen (im Donbass und Ural etwa) bei Wahrung der relativen Lohnhöhe der qualifizierten Arbeiterinnen;
- Lohnerhöhungen in Industriezweigen, die an Arbeitskräftemangel litten;
- Erstellung eines Tarifnetzes, das in diesen Industriezweigen die Formierung eines Kerns qualifizierter ArbeiterInnen förderte und die Angleichung der Löhne für ArbeiterInnen gleicher Qualifikation in regionalem Rahmen waren die Maßnahmen.
-
Diese Politik scheint aber nicht besonders erfolgreich gewesen zu sein.
- Die Fluktuation der Arbeitskräfte nahm nicht ab und
- der Mangel an FacharbeiterInnen konnte nicht überwunden werden.
Im Juni 1931 prangerte Stalin in einer Rede vor Wirtschaftsfachleuten diese gleichmacherische Lohnpolitik - wie er es nannte - an und forderte eine radikale Reform des Tarifwesens.
- Die Folge war eine breite Kampagne gegen Gleichmacherei und eine neue Tarifreform.
- Es wurde ein stark differenzierte Tarifsysteme eingeführt, die durch den forcierten Ausbau progressiv gestaffelter Akkordlohnsysteme ergänzt wurden.
- So erhielten Arbeiterinnen, die als hochqualifiziert galten, nun einen um das Drei bis Vierfache höheren Lohn als Ungelernte.
- Der Anreiz, sich zu qualifizieren, wurde damit erheblich verstärkt.
- Diese Differenzierung wurde noch durch den Ausbau des Akkordsystems verstärkt.
- Der Lohnunterschied zwischen Akkord- und Zeitlohnbeschäftigten stieg erheblich, da die Arbeiterinnen bei Erfüllung des Leistungssolls den einfachen Akkordsatz erhielten, bei Übererfüllung jedoch gab es nach Leistung gestaffelte Akkordzuschläge, die die Lohnhöhe erheblich steigern konnten.
Auch das neue Lohnsystem war ein Teil der Bestrebungen zur
- Intensivierung der Arbeit und
- Steigerung der Produktivität.
- Stillstandszeiten und Ausschußproduktion wurden mit Lohnkürzungen geahndet, unabhängig von der konkreten Verantwortung des Einzelnen dafür.
- Doch die Wirkung des neuen Tarifsystems ging weiter;
- so zerfiel die Arbeiterschaft in eine Gruppe, die ihren Lebensstandart halten konnte und
- in eine andere, deren materielle Situation sich verschlechterte und deren Einkommen teilweise am Rand des Existenzminimums lag.
- Die Differenzierung der Löhne wurde angesichts der Versorgungsschwierigkeiten und des Rückganges der Reallöhne zum Politikum.
- Sie war eines der zentralen Mittel zur Bildung einer Arbeiteraristokratie.
Die Privilegierung einer Arbeitergruppe, bestehend aus Arbeiterinnen mit hoher Qualifikation und Akkordarbeiterinnen, beschränkte sich nicht nur auf den Bereich der direkten Lohnpolitik.
- So wurden Arbeiterinnen bevorzugt mit Lebensmitteln und Konsumgütern versorgt, wenn sie hohe Produktionskennziffern erreichten.
- Doch damit noch nicht genug:
- In der Lokomotivfabrik von Kolomensk erhielten diese Arbeiterinnen nicht nur alle Lebensmittel außer der Reihe - d.h. sie brauchten nicht Schlange zu stehen - es wurden auch 15% aller industriellen Konsumwaren für sie reserviert.
- Im Pavlovwerk organisierte man einen Sonderladen nur für diese StoßarbeiterInnen, der über einen Sonderfond an Waren verfügte.
- In Tula organisierte der Stadtsowjet drei solcher Läden, die 30% aller Industriewaren, die nach Tula hineinkamen, zugeteilt erhielten.
-
Dies sind zwar Einzelbeispiele, sie skizzieren aber die Tendenz, durch die staatliche Poitik, die Arbeiterinnen aufzuteilen:
- In solche mit hohem Lohn und Sonderprivilegien und
- solchen mit niedrigem Lohn, die Schlange zu stehen hatten.
Allerdings war auch diese Politik nicht so erfolgreich wie erwünscht.
- Die Einführung der neuen
- Tarifnetze und
- der progressiv abgestuften Akkordsysteme
erfolgte nicht überall sofort.
- Zudem wurden sie oft fehlerhaft installiert, so daß Arbeiterinnen schon bei 75 - 80% der Normerfüllung in den Genuß der Progression kamen.
- Durch diese Unterschiede blieb der produktive Effekt der Tarifreform fraglich.
- Es gelang der Wirtschaftsleitung offenbar nicht, Lohn und Arbeitsleistung in ein angemessenes und nachvollziehbares Verhältnis zu setzen.
- Betriebswechsel blieben auch nach der Reform attraktiv, die bestehenden Unklarheiten über den Zusammenahng von Lohn und Leistung blieben bestehen und minderten zumindest den beabsichtigten stimulierenden Effekt der Tarifreform.
Die sozialen Effekte dieser Lohnpolitik, die Markierung deutlicher Unterschiede in der materiellen Sicherstellung verschiedener Arbeitergruppen, blieben erhalten.
- Es entstand eine priviligierte Schicht, deren materielle Lage sich vom Arbeiterdurchschnitt deutlich abhob, und die bereit war, sich für die Steigerung der Produktivität und teilweise wohl auch für die Stabilisierung der innerbetrieblichen Herrschaft einsetzen zu lassen.
- Mit Hilfe dieser Gruppen konnten Parteiorganisation und Betriebsleitung
- Steigerung des Arbeitstempos,
- Normanhebungen und
- Maßnahmen zur Festigung der Arbeitsdisziplin
gegen den Rest der Belegschaften durchsetzen.
Parallel zu diesen Bestrebungen, die Fraktionierung der Arbeiterschaft weiter zu verstärken, wurden die noch bestehenden Freiräume der Arbeiterinnen weiter eingeengt.
- Insbesondere der Eindämmung der Fluktuation galt die Abschaffung der Arbeitslosenunterstützung.
- Seit Anfang 1930 wurde versucht, das vorhandene Arbeitskräftereservoir möglichst vollständig auszuschöpfen.
- Arbeitslosen, die eine angebotene Stelle ausschlugen oder eine Ausbildung ablehnten, wurden von der Unterstützung ausgeschlossen.
- Im Oktober 1931 ging man noch weiter: Per Telegramm vom ZK wurden die Arbeitsämter angewiesen,
- alle Arbeitslosen unverzüglich an die Arbeit zu schicken und
- die Zahlung von Arbeitslosenhilfe einzustellen.
- Den ArbeitsLosen sollte ohne Beachtung der Qualifikation ein Arbeitsplatz zugewiesen werden und nur Krankheit war ein akzeptierter Ablehnungsgrund.
- Damit wurde die Arbeitslosigkeit auf administrativem Wege abgeschafft.
- Auf der einen Seite stand dahinter eine optimale Zuführung der Arbeitskräfte an den sich ausdehnenden Bedarf,
- auf der anderen Seite ist die damit verbundene Disziplinierung nicht zu übersehen:
- der Wechsel der Arbeitsstelle,
- die Möglichkeit schlechten Lebens- und Arbeitsbedingungen zu entgehen,
wurde erschwert.
- Darüberhinaus wurden auch im Bereich der Sozial- und Krankenversicherung die Leistungen abgebaut und dem previligierten Teil der Arbeiterinnen vorbehalten.
- So wurde eine Staffelung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall etwa mit dem Ziel eingeführt, die Gewerkschafts- und Kadermitglieder zu bevorzugen.
- Nur Gewerkschaftsmitglieder mit mindestens drei Jahren Produktionserfahrung, davon die zwei letzten in demselben Betrieb, sollten bei Erkrankung den Gesamtiohn weiterbeziehen,
- ebenso Stoßarbeiterinnen, unabhängig von der Länge der Anstellung im Betrieb.
- Die übrigen Arbeiterinnen erhielten nur einen Teil ihres Lohnes, gestaffelt nach Produktionsalter und Betriebstreue.
Inwieweit diese Politik von Erfolg begleitet war, läßt sich nur indirekt feststellen.
- Denn der Druck auf die Beschäftigten, sich an einen Betrieb zu binden nimmt in den dreißiger Jahren weiter zu.
- Die sogenannten Zugvögel werden ab Ende 1930 für sechs Monate von der Arbeitsvermittlung ausgeschlossen,
- des weiteren wird die Einführung von Arbeitsbüchern erwogen, in denen
- Arbeitsplatzwechsel,
- Charakteristika des Beschäftigten und
- Disziplinarstrafen
vermerkt werden sollen.
Zur Einführung des Arbeitsbuchs kam es jedoch nicht.
Denn inzwischen - Dezember 1932 - wurde ein einheitliches Paßsystem für alle eingeführt.
- Denn dieser Paß, den jeder Sowjetbürger über 16 Jahre, der in Städten oder Arbeitersiedlungen wohnte, oder im Verkehrswesen, in Sowchosen und auf Baustellen tätig war, besitzen mußte, enthielt Eintragungen über den Arbeitsplatz und mußte bei Antritt einer neuen Stelle dem Betrieb bzw. den Behörden vorgelegt werden.
- Eine unkontrollierte Zuwanderung von Bauern in die Städte wurde unterbunden und die leitenden Stellen konnten den Arbeitsplatzwechsel administrativ kontrollieren.
- Diese Überwachung der Fluktuation im Verein mit den Kürzungen der Sozialleistungen und der Ausdifferenzierung der Arbeiterklasse durch die oben beschriebene selektive Begünstigung ermöglichte einen disziplinierenden Zugriff auf die Arbeiterschaft durch Partei- und Staatsorgane.
- Selbst die Gewerkschaften waren nach der Ausschaltung der alten Führung um Tomski ihrer eigenständigen Führung beraubt und zu einem Umsetzungsfaktor in der Politik der Produktivitätssteigerung geworden.
7. Tayloristische Arbeitsteilung und Sozialismus
Die Notwendigkeit einer immensen Steigerung der Produktivkräfte war von Beginn an das zentrale Anliegen der sowjetischen Industriepolitik.
- Diese Steigerung stellte nach Sicht der Bolschewiki den Schlüssel zur erfolgreichen Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft dar.
- Denn nur auf der Grundlage breit entfalteter Produktivkräfte sei die
- Rückständigkeit,
- Krisenanfälligkeit und
- Importabhängigkeit
dauerhaft zu überwinden.
- Im Mittelpunkt dieser Versuche stand (und steht heute (1989 mxks2004) noch) die Übernahme der tyloristischen Arbeitsteilung.
- Von der tayloristischen Arbeitsteilung war selbst Lenin begeistert, da er bei seiner Auseinandersetzung mit dem Taylor-System festgestellt hatte, daß über die Verwissenschaftlichung des Arbeitsprozesses ein immenses Potential an Produktivkraftsteigerung freigesetzt werden könne.
- Für Lenin stellte das Taylor-System die beste Möglichkeit dar, die gesellschaftliche Arbeitsproduktivität erheblich zu steigern und die notwendige Arbeitszeit erheblich zu verkürzen.
"Der Sozialistischen Sowjetrepublik steht eine Aufgabe bevor, die sich kurz so formulieren läßt, daß wir das Taylorsystem und die in Amerika praktizierte wissenschaftliche Steigerung der Arbeitsproduktivität in ganz Rußland einführen müssen, wobei wir dieses System verbinden mit einer Verkürzung der Arbeitszeit mit der Anwendung neuer Methoden der Produktion und Arbeitsorganisation ohne jeglichen Schaden für die Arbeitskraft der werktätigen Bevölkerung. Im Gegenteil, gehen die Werktätigen selber mit dem notwendigen Bewußtsein an die Sache heran, dann wir die von ihnen richtig geleitete Anwendung des Taylorsystems das sicherste Mittel sein, um die obligatorische Arbeitszeit für die gesamte werktätige Bevölkerung weiter und sehr erheblich zu verkürzen,..."
(Lenin: ´Die nächsten Aufgaben der Sowjetmacht´ in: LW Bd.42, S. 52)
- Die Werktätigen sollen also die Anwendung des Taylorsystems selbst leiten.
- Dies wäre eine nahezu vollständige Umkehrung der Intention des Erfinders.
- Kollektive Aneignung des Wissens, nicht seine Monopolisierung auf der Kapitalseite.
- Dies waren die Bedingungen unter denen sich Lenin eine auch aus Sicht der Beschäftigten positive Aneignung des Taylor- Systems vorstellen konnte.
- Durch die kollektiv und bewußt handelnde Arbeiterschaft, die für die Gesellschaft positive Produktivitätssteigerung umsetzen, bei gleichzeitiger Verhinderung von gesundheitlichen Schäden für den Einzelnen und Unterbindung der Herausbildung einer Arbeiteraristikratie.
Bedingt durch die wirtschaftliche Verschlechterung im Frühjahr 1918 schreibt Lenin einen, zweiten Entwurf dieser Schrift, in der er von dieser Ansicht Abstand nimmt und die Einzelleitung propagiert:
"... zur Bedeutung gerade der diktatorischen Macht einzelner Personen vom Standpunkt der spezifischen Aufgaben des gegebenen Moments muß man sagen, daß jede maschinelle Großindustrie - d.h. gerade die materielle, die produktive Quelle und das Fundament des Sozialismus - unbedingte und strengste Einheit des Willens erfordert, der die gemeinsame Arbeit von Hunderten, Tausenden und Zehntausenden Menschen leitet. Sowohl technisch als auch ökonomisch und historisch leuchtet diese Notwendigkeit ein und ist von allen, die über den Sozialismus nachgedacht haben, stets als seine Voraussetzung anerkannt worden. Wie aber kann die strengste Einheit des Willens gesichert werden? Durch die Unterordnung des Willens von Tausenden unter den Willen eines einzelnen.
Diese Unterordnung kann bei idealer Bewußtheit und Diszipliniertheit der an der gemeinsamen Arbeit Beteiligten mehr an die milde Leitung eines Dirigenten erinnern. Sie kann die scharfen Formen der Diktatorschaft annehmen, wenn keine ideale Diszipliniertheit und Bewußtheit vorhanden ist. Aber wie dem auch sein mag, die widerspruchslose Unterordnung unter einen einheitlichen Wille ist für den Erfolg der Prozesse derArbeit, die nach dem Typus der maschinellen Großindustrie organisiert wird, unbedingt not wendig."
(Lenin: Die nächsten Aufgaben der Sowjetmacht, in: LAW Bd.2 S. 762/763; Hervorhebungen im Original)
- 1921 wurde die betriebliche Einzelleitung fester Bestandteil der sowjetischen Fabrikordnung.
- Lohndifferenzierungen und eine durchgreifende Disziplinierung der Arbeiterschaft (siehe oben) standen auf der Tagesordnung.
- Angesichts der politischen und ökonomischen Schwierigkeiten der jungen Sowjetunion gerieten alle Ansätze, das Taylor-System anders - etwa wie in Lenins ursprünglichen Vorstellungen - anzuwenden wie im Kapitalismus, in Vergessenheit.
- Forderungen nach ökonomischer Effiziens gepaart mit der Einengung gesellschaftlicher und somit auch innerbetrieblicher Demokratie führten zu einer auch politisch gewollten Etablierung des Prinzips der Einzelleitung und einer hierarchischen Arbeitsorganisation, die der in kapitalistischen Fabriken nicht unähnlich.
-
Nach diesem System der Schweißauspressung und Unterordnung der Arbeiterinnen waren viele der neuen Fabriken in der Sowjetunion organisiert.
- So wurden Arbeitsbedingungen und -verhältnisse installiert, wie sie denen des Kapitalismus ähnlich sind.
- Einer großen Zahl an- und ungelernter Arbeiterinnen stand eine zahlenmäßig kleinere Gruppe von Facharbeitern, Ingenieuren und Betriebsleitern gegenüber.
- Von Seiten des Staates, der Partei und der Gewerkschaften wurde nicht versucht, dieses Mißverhältnis zu beheben.
- Ganz im Gegenteil: Die Prinzipien
- der Einzelleitung,
- der Leistungsentlohnung sowie
- der Lohndifferenzierung
wurde als sichtbare Hervorhebung
- qualifizierter Kader und
- Einzelperson
praktiziert.
8. Sozialistischer Wettbewerb und Stachanovcy
- Leistungssteigerung und Erhöhung der Arbeitsproduktivität waren von Beginn an ein zentrales Problem in der sowjetischen Wirtschaft.
- In den zwanziger Jahren wurde diesem meist durch die freiwillige Initiative der Beschäftigten abgeholfen.
- So entstand aus der Aufbruchstimmung sozialistisch engagierter Arbeiterinnen der "sozialistische Wettbewerb", in dem die Betriebe miteinander um bessere Qualität und Quantität der Produktion wetteiferten.
- Erzielt wurde dies durch die freiwillige Mehrarbeit von Arbeiterinnen, die sich zu diesem Zweck zu sog. Stoßbrigaden zusammenschlossen.
Der IX. Parteitag 1920 hatte den Wettbewerb als Mittel zur Steigerung der Produktivität und zur sozialistischen Erziehung der Wertätigen empfohlen.
- Allerdings spielten der sozialistische Wettbewerb und der Einsatz von Stoßbrigaden in der NEP eine untergeordnete Rolle.
- Mit dem Übergang zur Politik der forcierten Industrialisierung bekam beides wieder eine größere Bedeutung.
- In den Jahren 1927 und 1928 entwickelten vor allem junge Arbeiterinnen und Komsomolzen neue Formen des Wettbewerbs.
- In vielen Betrieben entstanden Stoßbrigaden des Komsomol, die es sich zum Ziel gesetzt hatten,
- die Ausschußrate zu senken,
- sorgfältiger mit Maschinen und Material umzugehen sowie
- durch eine optimalere Ausnutzung der Arbeitszeit, die Produktionsmengen zu steigern.
Gleichzeitig wurden ab 1928 in der Presse Betriebsaufrufe abgedruckt, die zur Steigerung der Arbeitsproduktivität aufriefen.
- Zudem wurden viele Betriebe einer öffentlichen "Produktionsbesichtigung" unterzogen, die meistens mit einer entsprechenden Berichterstattung in der Presse begleitet war.
- Dies führte zu einer intensiven Produktionspropaganda.
- Doch erst ab 1929 wurde dieser "sozialistische Wettbewerb" zu einer Massenbewegung.
- Es waren nun fast täglich Aufrufe und Artikel zum Wettbewerb in den Zeitungen und
- das ZK ließ Lenins "Wie soll man den Wettbewerb organisieren" als Broschüre nachdrucken und in hoher Auflage verteilen.
- Doch erst der Aufruf der Arbeiter des Werkes "Krasnyj Vybortchec" in Leningrad, der alle Betriebe der Sowjetunion zum "sozialistischen Wettbewerb" herausforderte, löste eine Welle von Selbstverpflichtungen und Gegenherausforderungen aus.
- Ob nun dieser Wettbewerb tatsächlich die Produktion spürbar gesteigert beziehungsweise die Arbeitsproduktivität erhöht hat, ist eher nebensächlich.
- An dem in den Zeitungen und in Reden verbreiteten Wettbewerbsklima konnte die Partei bei der Realisierung der Ziele des ersten FJP anknüpfen.
- Denn diese erforderte eine massive Steigerung der Arbeitsintensität und eine umfassende Mobilisierung der Arbeitskraft.
Ein überragendes Vorbild im sozialistischen Wettbewerb wurde Aleksej G. Stachanov.
- Er war Hauer in der Grube "Zentrainaya Irmino" im Donez Becken.
- In der Nachtschicht vom 30. auf den 31. August 1935 baute er 102 Tonnen Steinkohle ab und
- stellte mit dieser Leistung nicht nur einen neuen weltweiten Förderrekord auf,
- sondern wurde auch zum ersten Held des sozialistischen Wettbewerbs.
Mit ihm begann der Versuch, durch die extreme Erhöhung der individuellen Leistung die Planziele nicht nur zu erfüllen, sondern sie möglichst hoch zu übertreffen.
- Allein in dieser Übererfüllung der Planvorgaben sahen die Stachanov-Brigaden, die schon bald nach dem Rekord überall gegründet wurden, ihr Ziel.
- Oft wurden dabei Arbeitsschutz und persönliche Leistungsfähigkeit über Bord geworfen.
- Denn es lockte
- ein extrem höherer Lohn,
- eine bessere Versorgung mit Lebensmitteln und
- eine bevorzugte Verteilung auf die spärlich vorhandenen Wohnungen.
- Darüberhinaus wurden diese Brigaden von den Betriebsleitern weitestgehend unterstützt, konnten sie "ihr" Produktionsergebnis oft nur durch den unermütiichen Einsatzwillen dieser Leute erreichen.
- So wurde die Arbeit für die Stachanov-Brigaden so organisiert, daß sie immer mit
- dem besten Ausgangsmaterial,
- dem besten Werkzeug versorgt waren
- und so gut wie nie gestört wurden in ihrem Arbeitsfluß
- etwa
- durch Materialstockungen oder
- dergleichen.
- Hinzukommt, daß vielfach andere den Stachanov-Leuten zuarbeiten mußten, ohne als solche zu zählen und etwa auch die entsprechend höheren Löhne zu beziehen.
-
Diese Art der Planübererfüllung trifft auch auf Aleksej G. Stachanov selbst zu.
- Als Hauer hatte er normalerweise mehrere Aufgaben zu erfüllen.
- So mußte er nicht nur die Kohle
- aus dem Berg holen,
- sondern sie auch noch aus dem Streb transportieren und
- diesen durch Verzimmern sichern.
- Diese beiden letzten Arbeitsschritte wurden in der Rekordnacht von mindestens zwei weiteren Kumpel übernommen.
- Aber Borissenko und Schtschigolew - so heißen die bis heute bekannt gewordenen Helfer - wurden weder in die unzähligen Ehrungen für Stachanov miteinbezogen noch in der Öffentlichkeit bekannt.
- Selbst wenn man die Leistung der drei zusammennimmt ergibt sich noch eine Förderieistung von 34 Tonnen Kohle pro Kumpel, was immerhin ein neuer Rekord für die Sowjetunion bedeutet hätte - der alte lag bei 20 Tonnen und wurde 1933 von Nikita Isotow aufgestellt.
- Zudem hätte man ohne Probleme diese Art der Zusammenarbeit als neue Form der Arbeitsorganisation unter Tage propagieren können, aber das paßte nicht in die von der Partei vertretenen Philosophie der Einzelleistung und ihrer besonderen Funktion beim Aufbau des Sozialismus.
Im Juni 1989, as
{Vorstehender Darlegung von werdender Arbeiterklasse als Prozess der Proletarisierung der Bauernmassen hätte ein Schuss historisch-materialistischer Analyse in Richtung ursprünglichlicher Akkumulation ganz gut gestanden. Stattdessen wird eine bürgerliche Wirtschaftsgeschichte mit moralischem Beiklang vorgelegt. mxks2004(d.V.)}
Literatur
Alle Zahlenangabe sind - soweit nichts anderes angegeben -
für den Bereich des ersten Fünfjahresplanes aus:
Zaleski, Eugene: Planing tor economic growth in the Soviet Union 1918 - 1932; Chapel Hill 1962.
Für den zweiten Fünfjahresplan:
Zaleski, Eugene: Stalinist Planing tor Economic Growth, 1933 - 1952; Chapel Hill 1965.
Darüberhinaus wurden folgende Bücher als Informationsquellen verwand:
Auhagen, Otto: Die Bilanz des ersten Fünfjahresplanes der Sowjetwirtschaft; Breslau 1933. Osteuropainstitut Breslau, Quellen und Studien Abt. Wirtschaft NF Bd. 12
Clark, Roger: Soviet economic facts 1917 - 1970; London/Basingstoke 1972
Erler, Gernot, Süß, Walter (Hg): Stalinismus; Probleme der Sowjetgeselhschaft zwischen Kollektivierung und Weltkrieg. Frankfurt/M 1982
Meyer, Gerd: Industrialisierung, Arbeiterklasse und Stalinherrschaft in der UdSSR. IN: Das Argument Nr. 106, 107, 108 W-Berlin 1977/78
Raupach, Hans: Wirtschaft und Gesellschaft Sowjetrußlands 1917 - 1977; Wiesbaden 1979
Schwarz, M. Salomon: Arbeiterklasse und Arbeitspoiitik in der Sowjetunion; Hamburg 1953
Süß, Walter: Die Arbeiterklasse als Maschine Ein industriesoziologischer Beitrag zur Sozialgeschichte des aufkommenden Stalinismus. W-Berlin 1985
Diese Liste ist nicht vollständig, gibt aber einen Überblick über das, was für diejenigen brauchbar ist, die sich tiefer in die allgemeine wirtschaftliche Problematik einarbeiten wollen.
44. Arbeiterklasse und ´Rote Kader´
- Schlechte oder unzureichende Ernährung,
- miserable Wohnsituation und
- eine zunehmend mit Zwangsmitteln durchgesetzte rigide Arbeitsdisziplin
bildeten den Hintergrund feindseliger Stimmungen in den Betrieben. In einem Bericht der Medgorodsker Parteiorganisation wird 1936 die Stimmung anläßlich der Verfassungsdiskussion als drohend und
"direkt konterrevolutionär" beschrieben.
- Der Unmut ist spontan, kann sich nicht mehr über organisatorische Zusammenhänge äußern.
- Betriebskomitees und Gewerkschaften, während der NEP noch bemüht, in der Gratwanderung zwischen Arbeitervertretung und Disziplinierungsinstrument nicht offen auf Schulterschluß mit den Betriebsleitungen zu gehen, sind seit 1928 zu Vollzugshilfsorganen der offiziellen Wirtschaftspolitik geworden und werden von den Arbeitern auch als solche betrachtet.
Ein OGPU-Bericht von 1929 schildert plastisch den Boykott einer Betriebsversammlung in der Textilfabrik 3. Internationale in Yartsewo durch die Weber, wo der stellvertretende Direktor im Verein mit dem Vorsitzenden des Gewerkschaftskomitees sich bemüht, Maßnahmen zur Produktionskostensenkung den Arbeitern verständlich zu machen. Die Weber schreien:
"Ihr gutgenährten Teufel habt uns genug Blut aus gesaugt. 12 Jahre lang habt ihr schon gefaselt, agitiert und unsere Köpfe vollgestopft. Früher habt ihr uns geschrien, daß die Fabrikeigentümer uns ausbeuten, aber die Fabrikeigentümer haben uns nicht gezwungen, in 4 Schichten zu arbeiten und es gab genug von allem in den Geschäften. Wenn wir jetzt in ein Geschäft gehen und etwas kaufen wollen, sind die Geschäfte leer; es gibt keine Schuhe, keine Kleidung; nichts gibt es, was der Arbeiter braucht."
()
- Solche Stimmungen schlagen nicht selten in Wilde Streiks um.
- Neben direkten Repressionen (OGPU, Arbeitsgesetze etc.) setzen die Herrschenden auch als Mittel zur Eindämmung des Unmutes auf Aufrufe,
- Kritik an verkappten Saboteuren,
- Bürokraten,
- alten und neuen Feinden der Sowjetmacht
zu üben.
- Seitenns der Arbeiter werden solche Aufrufe als Möglichkeit begriffen, sich ungeliebter Vorgesetzter zu entledigen.
Ein Brief der Arbeiter der 2. Abteilung der Rumyantsew-Fabrik aus dem Jahre 1936 an den Parteisekretär des Bezirks Smolensk spricht eine deutliche Sprache. Die Arbeiter drohen mit Streik:
"Es ist unmöglich, weiterzuarbeiten. Wir werden in hohem Maße unterdrückt. Wir verdienen nichts ... während die Leiter nur mit sich selbst beschäftigt sind, und sie erhalten Gehälter und geben sich selbst die Prämien. Die Metelkowa (die Vorsitzende des Fabrikgewerkschaftskomitees) steht ihnen zur Seite. Für sie gibt es ... Erholungsheime und Sanatorien, aber für die Arbeiter gibt es nichts. In der Abteilung Nr. 2 stehen die Dinge sehr schlecht. Eine gewisse Yagneshko ist für die Abteilung verantwortlich.... Sie ist schlimmer als ein Gendarm, behandelt die Arbeiter grob, beschimpft sie. Ihr Mann ist ein Weißgardist, ein Koltschak-Anhänger. Ihr Vater war ein ehemaliger Gefängnisangestellter in einem zaristischen Gefängnis ... ."
()
Der Brief fällt in die Zeit des Höhepunkts der Säuberungen.
Die Partei
Wie die Gewerkschaften gerät auch die Betriebsparteiorganisation seit dem ersten Fünfjahresplan zunehmend in den Sog, zum Erfüllungsgehilfen der Betriebsleitung zu verkommen, quasi nur noch die ideologische Begleitmusik zu den anpeitschenden Direktiven der wirtschaftlichen Führung zu spielen. Ein ZK-Zirkular vom 21.2.1929 mit dem Aufdruck Nicht zur Veröffentlichung fordert Partei und Gewerkschaften auf, einen resoluten Kampf´ gegen die schlechte Arbeitsdiziplin zu führen:
"Der Kampf für die erfolgreiche Vetwirklichung der Direktive über Senkung der Produktionskosten und Verbesserung der Arbeitsdisziplin in der Produktion ist hauptsächlich Aufgabe der Leitung, der Spezialisten und des technischen Personals. Die Aufgabe der Parteiorgane und der Wirtschaftsorgane ist es, die Einzelleitung (der Verwaltung, des Direktors) ... zu festigen,der Verwaltung jede mögliche Unterstützung bei der Ausführung von Maßnahmen zu geben, die auf eine Verbesserung der Produktion gerichtet sind."
Weiter untersagt das Zirkular jede politische Tätigkeit während der Arbeitszeit und fordert dazu auf, Autorität und Ansehen der Spezialisten zu stärken.
"Seitens eines bewußten, klassenloyalen Proletariers sollen der Ingenieur, der Vorarbeiter wohlwollend betrachtet werden. ..." Der Ingenieur ist der Motor der Rationallsierung, sofern
"er neue Methoden einführt, strikt und unerbittlich die Arbeitsdisziplin durchsetzt und unbedingte Disziplin von allen Untergebenen fordert."
Die Arbeiter scheinen in ihrer Mehrheit dem beschleunigten Industrialisierungskurs nicht zu folgen, das Engagement der Parteiorganisationen in der Rationalisierungskampagne schadet dem Ansehen der Partei mehr als es ihr nutzt.
"Wenn wir den Rationalisierungskurs nicht verändern, werden wir einen Bruch mit der Arbeiterklasse verursachen ... die letzten zwei Versammlungen erlitten wir eine völlige Niederlage bei dem Versuch, die Massen zu führen. Sie beginnen jetzt, uns zu boykottieren."
()
, schreibt ein kommunistischer Arbeiter an den Zellensekretär der Yartsewo-Fabrik im Bezirk Smolensk.
-
Nur ein kleiner Teil der Arbeiterklasse ist zum Mitmachen bereit, vor allem der bäuerliche Teil verweigert sich.
- Er wird seitens der offiziellen Ideologie sowieso als dumpfe und rückständige Masse betrachtet,
- der die von der Partei und der Wirtschaftsführung definierte Tugend der proletarischen Disziplin nur mit Zwang beizubringen ist.
Kulturrevolution und Karriere
Ebensowenig Halt hat die offizielle Industrialisierungspolitik mit ihren hochfliegenden Plänen bei der technischen Intelligenz (meist bürgerlichen Ursprungs) Ende der 20er und Anfang der 30er Jahre.
- Letztere werden in ihrer Masse von der Führung als lästige, aber notwendige Altlast der Zarismus betrachtet, weil sie aus
- ihrer bürgerlichen Ideologie,
- ihrer Gleichgültigkeit oder
- gar ihrer Ablehnung der Sowjetmacht
keinen Hehl machen.
- Eine regionale Affäre im Nordkaukasus (Ingenieure verletzen die Arbeitsschutzbestimmungen und sind für eine Reihe von Unfällen verantwortlich), die Schachty-Affäre, dient als Startsignal für eine Kampagne gegen bürgerliche Spezialisten (vgl. dazu auch das folgende Kapitel).
- Zielscheibe der Kampagne ist die Masse der Planungs- und Wirtschaftsspezialisten, denen Skepsis und Ablehnung der Ziele der ersten Fünfjahresplanes vorgeworfen wird.
- In diesem Zusammenhang tauchen bei der Parteiführung auch die Forderungen nach Schaffung einer loyalen sowjetischen Intelligenz auf.
- Krinitskij, Chef der Agitpropabteilung beim ZK, fordert 1928 den Klassenkrieg gegen die Überbleibsel der alten Gesellschaft im Kultur- und Ausbildungssektor, eine Kulturrevolution, in der es gilt, die Verhältnisse zwischen der politischen Führung und der Intelligenz grundlegend zu verändern.
-
Stalin kritisiert auf dem Aprilplenum des ZK 1928 die technische Inkompetenz der Kommunisten, die Dichotomie von Spezialisten und roten Kadern.
- Eine groß angelegte Rekrutierung von Praktikern aus der Produktion und ihre Beförderung in Positionen der Verwaltung und zu Unteroffizieren im Produktionsprozeß (Vorarbeiter, Meister, Kontrolleure, Techniker) vollzieht sich gleichzeitig mit dem Ausbau der fachlichen Bildungsapparate, um den längerfristigen Bedarf an Kadern zu decken.
- Die Kulturrevolution soll eine neue Intelligenz aus proletarischen oder bäuerlichen Zusammenhängen schaffen, die ihre Stellung, ihre Karriere dem Kaderbedarf der Industrialisierungspolitik der führenden Parteigruppe verdankt, eine Schicht von Chefs und Leitern, von denen vor allem Loyalität gefordert wird.
- Unter diesen Leuten sind auch spätere sowjetische Führer wie
- Chruschtschow,
- Breschnew,
- Kossygin,
- Ustinow u.a.
Zu dieser Kulturoffensive gehört auch 1930 die Einführung der allgemeinen Schulpflicht.
- Ab 1930 wird im Rahmen der Kulturoffensive der polytechnische Unterricht favorisiert.
- Seine Anhänger propagieren die Idee des Absterbens der Schule infolge enger Verknüpfung von Arbeit und Produktion.
- Auch die Hoch- und Fachschulausbildung der neuen Roten Kader geht in diese Richtung und erfolgt im Schnellverfahren.
- Zwar ist die Qualität der Ausbildung nicht besonders hoch, aber der Bedarf an technischen Leitungskadern ist zu groß, als daß eine lange Ausbildung hätte in Kauf genommen werden können.
- Die Idee des polytechnischen Unterrichts lebt für kurze Zeit als offizielle Doktrin.
Kulturrevolutionäre Impulse artikulieren sich auch spontan in Bereichen des Alltagslebens.
- Die Bewegung der Produktionskommunen (die an ähnliche Experimente aus der sowjetischen Frühzeit anknüpft) praktiziert gemeinsames Wohnen, enthusiastische Arbeitsinitiative und gleiche Lohnaufteilung.
- Dieser Idealismus, der spontane Aufbauenthusiasmus in der Arbeiterklasse, insbesondere ihrer Jugend, dieser Aufbau eines neuen Lebens ist quasi die Kehrseite der Passivität und des Widerstands gegen die neuen Anforderungen (s. Dokumentation 30).
- Ihren Niederschlag finden diese Bewegungen, die Atmosphäre, die Stimmungen, die sie verbreiten, auch in den planerischen und z.T. praktizierten Architekturversuchen, die die Revolutionierung des Alltagslebens vorantreiben sollen (s. Dokumentation 31).
Eine neue Intelligenz
Die Wende fort von diesen Experimenten und der teilweise Abbruch der Rekrutierung von Kader-Spezialisten direkt von der Werkbank folgt schon 1930 und verstärkt sich zu Beginn des zweiten Fünfjahresplanes. Ein ZK-Beschluß vom 16.5.1930 kritisiert,
"daß es neben den Keimen der Bewegung für ein sozialistisches Alltagsleben äußerst unbegründete, halb fanatische und deshalb außerordentlich schädliche Versuche einzelner Genossen gibt mit einem Sprung jene Hindernisse auf dem Weg zu einer sozialistischen Umgestaltung des Alltagslebens zu überspringen, die einerseits in der kulturellen und ökonomischen Rückständigkeit des Landes, andererseits in der Notwendigkeit begründet sind, zum gegenwärtigen Zeitpunkt ein Maximum an Ressourcen auf die möglichst rasche Industrialisierung des Landes zu konzentrieren, die allein die realen materiellen Voraussetzungen für eine grundlegende Umstrukturierung des Alltagslebens schafft."
()
- Bereits 1931 werden die Produktionskommunen in das offizielle System des sozialistischen Wettbewerbs integriert.
- Ihre Gleichmacherei und ihr Infragestellen der Kompetenzen der betrieblichen Einzelleitung sind der Parteiführung ein Dorn im Auge.
- Ebenso zeigt sich, daß die bisherige Praxis der Schaffung einer neuen Intelligenz zwar notdürftig die Lücken im expandierenden Wirtschafts- und Verwaltungsapparat stopfen kann, aber weder Ausbildungsniveau noch technische Qualifikation ausreichen, die aufgebaute Industriebasis mittelfristig auch intensiv zu nutzen und wirklich zu beherrschen.
- In der Ausbildung werden nun konsequent alle Merkmale der Revolutionspädagogik abgebaut.
- Die führende Rolle des Lehrers in der Organisierung des Lernprozesses und die rigorose Abkoppelung der Schule vom betrieblichen Geschehen werden wieder installiert und die Ausbildungshierarchie für sakrosankt erklärt.
- Die Arbeitszeitverkürzung für Arbeiter-Studenten wird ebenso zurückgenommen wie 1932 für den Zugang zu höheren Ausbildungsinstitutionen weniger der soziale Status als vielmehr die schulische Benotung ausschlaggebend wird.
- Die technische Fach- und Hochschulausbildung wird wieder so theorielastig und formal, daß sie Kindern aus der technischen Intelligenz ganz eindeutige Vorteile gegenüber Arbeiter- und Bauernkindern einräumt.
- Der ganze Ausbildungsgang wird am Status Quo der gesellschaftlichen Arbeitsteilung, vor allem der Trennung von Kopf- und Handarbeit, orientiert.
- Die gesellschaftliche und die betriebliche Hierarchie sollen stabilisiert werden.
- Der Trend schlägt sich zuerst in den Hochschulen, dann ab 1935 auch in den technischen Fachschulen nieder:
Tabelle: Proletarischer Anteil nach Ausbildungsform in %:
Ausbildungsform | 1929 | 1931 | 1933 | 1935 | 1938 |
Höhere Institute | 25,4 | 46,6 | 50,3 | 45,0 | 33,9 |
Technische Schulen | 25,8 | 42,6 | 31,5 | 31,7 | 27,1 |
Stalin gibt in einer Rede vom 4.5.35 die neue Parole aus:
"Die Kader entscheiden alles".
- Die extensive Phase des Aufbaus einer neuen Industrie, wo die Technik alles entscheidet, ist beendet.
- Der Übergang zu einer neuen Phase der intensiven Nutzung der aufgebauten Basis steht an, und er wird eine neue, besser qualifizierte, sorgsam ausgebildete und ausgewählte Produktionsintelligenz erfordern, die den Produktionsprozeß wirklich beherrscht.
Die zweite Generation von Roten Spezialisten, die nun die Ausbildung in Fach- und Hochschulen durchläuft, wird verschiedene neue Merkmale tragen:
- ein bedeutender Teil von ihr wird nicht mehr direkt aus proletarischem oder bäuerlichem Milieu stammen, sondern sich direkt aus der Intelligenz rekrutieren;
- sie wird sich durch ihre leistungsbezogene Selektion und durch die vom betrieblichen Geschehen weitgehend gelöste Ausbildung als technische Leistungselite verstehen, die ein natürliches Anrecht auf die ihr gewährten Privilegien besitzt.
- Vor allem die, die unter ihnen bis in die Spitzen als Rote Direktoren oder hohe wirtschaftliche und politische Verwaltungskader aufsteigen, werden - anders als ihre Vorgänger in der NEP und im ersten Fünfjahresplan, deren Karrierebiographie z.T. bis in die Zeit der Revolution zurückreicht - keine Verbindung zu Zeiten offener gesellschaftlicher Auseinandersetzung um Alternativkonzepte des sozialistischen Aufbaus mehr haben.
- Sie werden ausgebildet, als die offizielle stalinistische Ideologie
- vom absoluten Gehorsam gegenüber den Direktiven der Führung als Eigenschaft eines klassenbewußten Arbeiters,
- von der monolithischen Parteieinheit,
- von der Verwerfung der Gleichmacherei als bürgerlichem Prinzip und
- der Existenz eines allgemeingültigen Modells gesellschaftlicher Entwicklung bereits konkurrenzlos herrscht.
- Sie wird als Intelligenz aus proletarischem Milieu von der offiziellen Ideologie mit der Arbeiterklasse gleichgestellt.
- Explizit mit dem Blick auf die Verfassung von 1936 fordert Shdanow auf dem XVIII. Parteitag 1939, alle formalen statuarischen Barrieren gegen den Eintritt der Intelligenz in die Partei zu streichen (praktisch sind diese Barrieren längst gefallen).
- Die entsprechende Resolution stellt fest, daß die Intellektuellen in ihrer Masse Intellektuelle eines absolut neuen Typs geworden sind.
-
"Es sind die Arbeiter und Bauern von gestern, die Söhne von Arbeitern und Bauern, die auf Kommandoposten gehoben wurden. Die sowjetischen Intellektuellen dienen nicht dem Kapitalismus, sondern dem Sozialismus."
-
Diese 2. Kadergeneration rückt nach und nach im expandierenden Wirtschafts- und Verwaltungssektor vor.
- Entweder nimmt sie die in den Säuberungen freiwerdenden Plätze ein oder füllt den Bedarf der expandierenden Bürokratie auf.
- Ihr Elite ersetzt 1937/38 die in Massen hinausgesäuberten Roten Direktoren und technischen Spitzenkader, die noch aus der NEP oder aus der 1. Generation der Roten Intelligenz stammen.
- In den leitenden Schichten des Wirtschafts- und Verwaltungsapparats sind ca. 50% Parteimitglieder.
- Sie bilden mit 20% der Gesamtparteimitglieder (340.000 von 1,6 Mio. Mitgliedern des Jahres 1939) eine relativ homogene und machtvolle Interessenlobby.
- Ihr Platz ist abgesteckt, sie rücken in ein fertiges System ein, wo auch durch abgestufte materielle Privilegien bereits handgreiflich klar wird, wer oben und wer unten steht.
Diese Privilegien werden der Intelligenz portionsweise im Laufe der 30er Jahre von der politischen Führung gewährt, die sich auf diese Weise die Loyalität ihrer Untergebenen einkauft:
- Befreiung von der Steuerprogression (1934)
- Spezieller Direktorenfonds als persönliche Beteiligung am erwirtschafteten Unternehmensgewinn (1936)
- Einführung persönlicher Gehälter zwischen 1400 und 2000 Rubeln für Spezialisten und verdiente Praktiker (1938)
- Zusatzgehälter im Briefumschlag, betitelt als Repräsentationskostenerstattung
- Einkaufsmöglichkeiten in Spezialläden, vorrangige Versorgung mit Dienstwohnungen und Datschen, Sondersanatorien und Krankenhäusern
- Dekorationen, Orden und fein abgestufte Titelvergabe
- Bevorzugter Zugang der Kinder wohlhabender Schichten zu Hochschulen und anderen Ausbildungsanstalten durch Einführung von Schulgeld zwischen 300 und 500 Rubeln. (2.10.1940)
Im Juni 1989, ak.
Anmerkungen:
Bettelheim, Les luttes..., 111.2, S. 80ff
Anweiler, 0. und K-H. Ruftmann, Kulturpolitik der Sowjetunion, Stuttgart 1973, S. 45 ff
Kopp, A., Industriahisation et mode de vie urbain, in: Bettelheim, Lindustrialisation de IURSS dans Ies annbes trente, Paris 1981, S. 123 ff, sowie Bettelheim, Les luttes..., 111.2, 5. 80ff und Schröder, Industrialisierung..., S. 284 ff
Aitrichter, H. und H. Haurnann (Hg.), Die Sowjetunion, Bd. 2, München 1987, S. 309
Anweiler, Ruffmann, Kulturpolitik..., S. 53 ff
Schulze, P.W., Herrschaft und Klassen in der Sowjetgesellschaft, Ffm/New York 1977, S. 110
Schulze, P.W., The Constitution of the Soviet Intelligentsia as a Privileged Social Layer or as a Nucleus of a New Class?, in: Bettelheim, Lindustrialisation..., S. 157 ff
Bettelheim, Les luttes..., 111.2, S. 200
Schulze, The Constitution..., S. 157
Schulze, Herrschaft..., S. 109, Bettelheim. Les luttes..., 111.2, S. 178 ff sowie Schröder, Industrialisierung, S. 275
45. Dokument 30: Josef Stalin: Die Ergebnisse der Ersten Fünfjahresplans
[aus: ders.: Fragen des Leninismus, Moskau 1947, S. 446 - 480; Auszüge]
Bericht auf dem Vereinigten Plenum des ZK und der ZKK der KPdSU (B), 7. Januar 1933
II. Die grundlegen Aufgabe des Fünfjahrplans und der Weg zu ihrer Verwirklichung
Gehen wir nun zur Frage des Fünfjahrplans selbst über.
Was ist der Fünfjahrplan?
Worin bestand die Hauptaufgabe des Fünfjahrplans?
-
Die grundlegende Aufgabe des Fünfjahrplans bestand darin, unser Land mit seiner rückständigen, mitunter mittelalterlichen Technik auf die Bahnen der neuen, der modernen Technik überzuleiten.
-
Die grundlegende Aufgabe des Fünfjahrplans bestand darin, die UdSSR aus einem Agrarland, einem machtlosen, von den Launen der kapitalistischen Länder abhängigen Lande in ein Industrieland, in ein mächtiges, völlig selbständiges und von den Launen des internationalen Kapitalismus unabhängiges Land zu verwandeln.
-
Die grundlegende Aufgabe des Fünfjahrplans bestand darin, durch Verwandlung der UdSSR in ein Industrieland die kapitalistischen Elemente restlos zu verdrängen, die Front der sozialistischen Wirtschaftsformen zu erweitern und die ökonomische Basis für die Aufhebung der Klassen in der UdSSR, für die Errichtung der sozialistischen Gesellschaft zu schaffen.
-
Die grundlegende Aufgabe des Fünfjahrplans bestand darin, in unserem Lande eine Industrie zu schaffen, die imstande sein würde, nicht allein die ganze Industrie, sondern auch das Verkehrswesen und die Landwirtschaft auf der Grundlage des Sozialismus neu auszurüsten und zu reorganisieren.
-
Die grundlegende Aufgabe des Fünfjahrplans bestand darin, die kleine und zersplitterte Landwirtschaft auf die Bahnen des kollektiven Großbetriebes überzuleiten, dadurch die ökonomische Basis des Sozialismus im Dorfe sicherzustellen und auf diese Weise die Möglichkeit der Wiederherstellung des Kapitalismus in der UdSSR zu beseitigen.
-
Schließlich bestand die Aufgabe des Fünfjahrplans darin, im Lande alle notwendigen technischen und ökonomischen Voraussetzungen zu schaffen, um die Wehrfähigkeit des Landes maximal zu heben, die es ermöglichen würde, die entschiedene Abwehr aller und jeder Versuche einer militärischen Intervention von außen, aller und jeder Versuche eines militärischen Überfalls von außen zu organisieren.
Wodurch wurde diese grundlegende Aufgabe des Fünfjahrplans geboten, wodurch war sie begründet?
- Durch die Notwendigkeit, die technische und wirtschaftliche Rückständigkeit der Sowjetunion zu beseitigen, die sie zu einem nicht gerade beneidenswerten Dasein verurteilte; durch die Notwendigkeit, im Lande die Voraussetzungen zu schaffen, die es ihm ermöglichen würden, die in technischer und wirtschaftlicher Beziehung fortgeschrittenen kapitalistischen Länder nicht nur einzuholen, sondern mit der Zeit auch zu überholen.
-
Durch die Erwägung, daß sich die Sowjetmacht auf der Basis einer rückständigen Industrie nicht lange halten kann, daß nur eine moderne Großindustrie, die der Industrie der kapitalistischen Länder nicht nur nicht nachsteht, sondern sie mit der Zeit zu überflügeln vermag, der Sowjetmacht als wirkliches und zuverlässiges Fundament dienen kann.
-
Durch die Erwägung, daß die Sowjetmacht nicht lange auf zwei entgegengesetzten Grundlagen basieren kann, auf der sozialistischen Großindustrie, die die kapitalistischen Elemente vernichtet, und auf der kleinen bäuerlichen Einzelwirtschaft, die die kapitalistischen Elemente erzeugt.
-
Durch die Erwägung, daß die Gefahr der Wiederherstellung des Kapitalismus in der UdSSR die realste von allen Gefahren ist, solange die Landwirtschaft nicht auf die Basis der Großproduktion gestellt wird, solange die bäuerlichen Kleinwirtschaften nicht zu kollektiven Großwirtschaften vereinigt sind.
Lenin sagte:
"Die Revolution bewirkte, daß Rußland in einigen Monaten seinem politischen System nach die fortgeschrittenen Länder eingeholt hat.
Aber das ist zu wenig. Der Krieg ist unerbittlich, er stellt die Frage mit schonungsloser Schärfe: entweder untergehen oder die fortgeschrittenen Länder auch ökonomisch einholen und überholen... Untergehen oder mit Volldampf vorwärtsstürmen. So wird die Frage von der Geschichte gestellt."
(Lenin, Sämtl. Werke, Bd. XXI, S. 240.)
Lenin sagte:
"Solange wir in einem kleinbürgerlichen Lande leben, besteht für den Kapitalismus in Ruußland eine festere ökonomische Basis als für den Kommunismus. Das darf muss nicht vergessen. Jeder, der aufmerksam das Leben auf dem Lande beobachtet und es mit dem Leben in der Stadt verglichen hat, weiß, daß wir die Wurzeln des Kapitalismus nicht ausgerisscn und dem inneren Feind das Fundament, den Boden nicht entzogen haben. Dieser Feind behauptet sich dank dem Kleinbetrieb, und um ihm den Boden zu entziehen, gibt es nur ein Mittel: die Wirtschaft des Landes, auch die Landwirtschaft, auf eine neue technische Grundlage, auf die technische Grundlage der modernen Großproduktion zu stellen. . . Erst dann, wenn das Land elektrifiziert ist, wenn die Industrie, die Landwirtschaft und aas Verkehrswesen eine moderne großindustrielle technische Grundlage erhalten, erst dann werden wir endgültig gesiegt haben."
(Lenin, Sämtl. Werke, Bd. XXVI, S. 58.)
Diese Leitsätze wurden denn auch den Erwägungen der Partei zugrunde gelegt, die zur Ausarbeitung des Fünfjahrplans, zur Festlegung der Hauptaufgabe des Fünfjahrplans geführt haben.
So steht es mit der Hauptaufgabe des Fünfjahrplans.
Die Verwirklichung eines solchen grandiosen Plans kann jedoch nicht aufs Geratewohl in Angriff genommen werden. Um einen solchen Plan zu verwirklichen, mußte man vor allem das Hauptkettenglied des Plans finden, denn erst als das Hauptkettenglied gefunden und erfaßt worden war, konnten auch alle übrigen Kettenglieder des Plans nachgezogen werden.
Worin bestand das Hauptkettenglied des Fünfjahrplans?
Das Hauptkettenglied des Fünfjahrplans bestand in der Schwerindustrie mit ihrem Herzstück, dem Maschinenbau. Denn nur die Schwerindustrie ist imstande, sowohl die gesamte Industrie als auch das Verkehrswesen und die Landwirtschaft zu rekonstruieren und auf die Beine zu stellen. Die Verwirklichung des Fünfjahrplans mußte denn auch mit der Schwerindustrie begonnen werden. Folglich mußte die Wiederherstellung der Schwerindustrie der Verwirklichung des Fünfjahrplaus zugrunde gelegt werden.
Auch in dieser Hinsicht haben wir Hinweise von Lenin:
"Die Rettung für Rußland ist nicht nur eine gute Ernte in der Bauernwirtschaft - das ist zu wenig - und nicht nur ein guter Zustand der Leichtindustrie, die der Bauernschaft Gebrauchsgegenstäne liefert - das ist ebenfalls zu wenig - wir brauchen auch eine Schwerindustrie... Ohne Rettung der Schwerindustrie, ohne ihre Wiederherstellung können wir keinerlei Industrie aufbauen, ohne diese aber werden wir überhaupt ab selbständiges Land zugrunde gehen... Die Schwerindustrie braucht Staatssubsidien. Wenn wir sie nicht finden, so gehen wir als zivilisierter Staat - ich sage schon gar nicht als sozialistischer - zugrunde."
(Lenin, Ausgew. Werke, Bd. 10, S. 323/324.)
Die Wiederherstellüng und Entwicklung der Schwerindustrie ist aber, besonders in einem so rückständigen und armen Lande, wie es unser Land zu Beginn des Fünfjahrplans war, die schwierigste Sache, denn die Schwerindustrie erfordert bekanntlich gewaltige finanzielle Aufwendungen und das Vorhandensein eines gewissen Minimums an erfahrcnen technischen Kräften, ohne dic, allgemein gesprochen, die Wiederherstellung der Schwerindustrie unmöglich ist. Wußte dies die Partei und hat sie sich darüber Rechenschaft gegeben? Jawohl, sie wußte es. Und sie wußte es nicht nur, sondern sie verkündete es auch aller Welt Die Partei wußte, auf welchem Wege die Schwerindustrie in England, Deutschland und Amerika aufgebaut worden war. Sie wußte, daß die Schwerindustrie in diesen Ländern entweder mit Hilfe von großen Anleihen oder durch Ausplünderung anderer Länder oder auf beiden Wegen gleichzeitig aufgebaut worden war. Die Partei wußte, daß diese Wege unserem Lande verschlossen sind. Worauf rechnete sie nun? Sie rechnete auf die eigenen Kräfte unseres Landes. Sie rechnete darauf, daß wir, die wir die Sowjetmacht haben und uns auf die Nationalisierung des Grund und Bodens, der Industrie, des Verkehrswesens, der Banken und des Handels stützen, das strengste Sparregime durchführen können, um genügend Mittel zu akkumulieren, die für die Wiederherstellung und Entwicklung der Schwerindustrie notwendig sind. Die Partei erklärte offen, daß dieses Werk große Opfer erfordern wird und daß wir unumwunden und bewußt zu diesen Opfern bereit sein müssen, wenn wir unser Ziel erreichen wollen. Die Partei rechnete darauf, dieses Werk mit den inneren Kräften unseres Landes, ohne knechtende Auslandskredite und Anleihen, zu vollbringen.
Lenin sagte darüber:
"Wir müssen danach streben, einen Staat aufzubauen, in dem die Arbeiter die Führung über die Bauern behaupten, sich das Vertrauen der Bauern bewahren und durch größte Sparsamkeit jede Spur jedweden überflüssigen Aufwandes aus ihrer Gesellschaftsordnung ausmerzen.
Wir müssen unseren Staatsapparat auf die größte Sparsamkeit einstellen. Wir müssen jede Spur überflüssigen Aufwandes aus ihm ausmerzen, der sich in ihm vom zaristischen Rußland, von seinem bürokratischen kapitalistischen Apparat in so großem Maße noch erhalten hat.
Wird das nicht ein Reich bäuerlicher Beschränktheit sein?
Nein. Wenn wir der Arbeiterklasse die Führung über die Bauernschaft erhalten, dann wird es uns um den Preis der größten, der allergrößten Sparsamkeit in der Wirtschaft unseres Staates möglich sein, zu erreichen, daß jede noch so kleine Ersparnis für die Entwicklung unserer maschinellen Großindustrie, für die Entwicklung der Elektrifizierung, der Spritztorfgewinnung, für die Fertigstellung des Baus der Wolchowkraftwerke usw. erhalten bleibt.
Darin, und nur darin, wird unsere Hoffnung liegen. Nur dann werden wir imstande sein, um es bildlich auszudrücken, uns von dem einen Pferd auf das andere zu setzen, nämlich von dem Bauernklepper, von dem heruntergekommenen Gaul des Mushiks, dem Pferd der Sparmaßnahmen, die auf ein verarmtes Bauernland berechnet sind, - auf ein Pferd, wie es das Proletariat für sich sucht und suchen muß, auf das Pferd der maschinellen Großindustrie, der Elektrifizierung, der Wolchowkraftwerke usw."
(Lenin, Ausgew. Werke, Bd. 9, S. 434/435.)
Sich von dem heruntergekommenen Bauernklepper auf das Pferd der maschinellen Großindustrie zu setzen - das war das Ziel, das die Partei bei der Ausarbeitung des Fünfjahrplans und bei dem Streben nach dessen Verwirklichung verfolgte.
Einführung des strengsten Sparregimes und Akkumulation der für die Finanzierung der Industrialisierung unseres Landes notwendigen Mittel - das war der Weg, der beschritten werden mußte, um die Wiederherstellung der Schwerindustrie und die Verwirklichung des Fünfjahrplans zu erreichen.
Eine kühne Aufgabe? Ein schwieriger Weg? Aber unsere Partei heißt eben deshalb die Partei Lenins, weil sie nicht das Recht hat, Schwierigkeiten zu fürchten.
Mehr noch. Die Partei war davon, daß der Fünfjahrplan verwirklicht werden kann, so fest überzeugt und ihr Glaube an die Kraft der Arbeiterklasse war so stark, daß sie es für möglich hielt, sich die Aufgabe zu stellen, dieses schwierige Werk nicht in fünf Jahren zu verwirklichen, wie dies der Fünfjahrplan verlangte, sondern in vier Jahren, eigentlich in vier Jahren und drei Monaten, wenn wir das Sonderquartal mitrechnen.
Auf dieser Grundlage entstand denn auch die berühmte Losung:
"Fünfjahrplan in vier Jahren"
Und was geschah?
Die Tatsachen haben in der Folge gezeigt, daß die Partei recht behalten hatte.
Die Tatsachen haben gezeigt, daß ohne diese Kühnheit und ohne diesen Glauben an die Kräfte der Arbeiterklasse die Partei nicht jenen Sieg hätte erringen können, auf den wir jetzt mit Recht stolz sind.
V. Die Ergebnisse des Fünfjahrplans in vier Jahren auf dem Gebiet der Verbesserung der materiellen Lage der Arbeiter und Bauern
Ich habe vorher über die Erfolge in Industrie und Landwirtschaft, über den Aufschwung der Industrie und Landwirtschaft in der Sowjetunion gesprochen. Welche Ergebnisse haben diese Erfolge vom Standpunkte der Verbesserung der materiellen Lage der Arbeiter und Bauern gebracht? Worin bestehen die Hauptergebnisse unserer Erfolge in Industrie und Landwirtschaft vom Standpunkte der radikalen Verbesserung der materiellen Lage der Werktätigen?
-
Sie bestehen erstens darin, daß die Arbeitslosigkeit überwunden und die Ungewißheit der Arbeiter über den morgigen Tag beseitigt ist.
-
Sie bestehen zweitens darin, daß nahezu die gesamte arme Bauernschaft durch den kollektivwirtschaftlichen Aufbau erfaßt ist, wodurch der Differenzierung der Bauernschaft in Kulaken und arme Bauern Einhalt geboten und zugleich der Verelendung und dem Pauperismus im Dorfe ein Ende gemacht wird.
Das ist eine gewaltige Errungenschaft, Genossen, von der kein einziger bürgerlicher Staat, und sei es der
"demokratischste", auch nur zu träumen wagt.
Bei uns, in der Sowjetunion, haben die Arbeiter schon längst vergessen, was Arbeitslosigkeit ist. Vor etwa drei Jahren hatten wir an die anderthalb Millionen Arbeitslose. Jetzt sind es schon zwei Jahre, daß wir die Arbeitslosigkeit überwunden haben. Und die Arbeiter haben während dieser Zeit die Arbeitslosigkeit, ihren Druck, ihre Schrecken schon vergessen. Seht euch doch die kapitalistischen Länder an, was für fürchterliche Dinge dort infolge der Arbeitslosigkeit geschehen. In diesen Ländern gibt es jetzt nicht weniger als 30 - 40 Millionen Arbeitslose. Was sind das für Menschen? Man spricht von ihnen gewöhnlich als von
"erledigten Menschen".
Täglich bewerben sie sich um Arbeit, befinden sie sich auf der Suche nach Arbeit und sind bereit, unter fast beliebigen Bedingungen Arbeit anzunehmen, aber sie werden nicht eingestellt, denn sie sind
"überflüssige" Menschen. Und das geschieht zu einer Zeit, wo gewaltige Massen von Waren und Produkten vergeudet werden, um den Launen der vom Schicksal Verwöhnten, der Kapitalisten- und Gutsbesitzersöhnchen, Genüge zu tun. Man verweigert den Arbeitslosen die Nahrung, weil sie sie nicht bezahlen können, man verweigert ihnen ein Obdach, weil sie die Miete nicht bezahlen können. Wovon und wo leben sie? Sie leben von dürftigen Almosen, die vom herrschaftlichen Tisch fallen, sie wühlen in den Müllkästen, wo sie verfaulte Nahrungsmittelreste finden, sie leben in den Elendsquartieren der Großstädte, zumeist aber in elenden Hütten außerhalb der Stadt, die von den Arbeitslosen flüchtig aus Kistenbrettern und Baumrinde zusammengezimmert werden. Aber das ist noch nicht alles. Unter der Arbeitslosigkeit leiden nicht nur die Arbeitslosen. Auch die beschäftigten Arbeiter leiden unter ihr. Sie leiden deshalb, weil das Vorhandensein einer großen Zahl von Arbeitslosen für sie eine unsichere Lage im Betrieb, eine Ungewißheit über den morgigen Tag schafft. Heute arbeiten sie im Betrieb, doch sind sie nicht sicher, ob sie morgen beim Erwachen nicht erfahren, daß sie bereits entlassen sind.
Eine der Haupterrungenschaften des Fünfjahrplans in vier Jahren besteht darin, daß wir die Arbeitslosigkeit beseitigt und die Arbeiter der Sowjetunion von ihren Schrecken erlöst haben.
Dasselbe ist über die Bauern zu sagen. Sie ihrerseits haben die Differenzierung der Bauern in Kulaken und arme Bauern, die Ausbeutung der armen Bauern durch die Kulaken, den Ruin vergessen, der jährlich Hunderttausende und Millionen von armen Bauern an den Bettelstab brachte. Vor drei bis vier Jahren gab es bei uns unter der Bauernschaft an armen Bauern nicht weniger als 30 Prozent der gesamten bäuerlichen Bevölkerung. Das waren mehr als zehn Millionen Menschen. Noch früher, vor der Oktoberrevolution, bildeten die armen Bauern nicht weniger als 60 Prozent der bäuerlichen Bevölkerung. Wer sind die armen Bauern? Das sind Menschen, denen in der Wirtschaft gewöhnlich entweder das Saatgut fehlte oder die kein Pferd, keine Arbeitsgeräte hatten, oder denen alle diese Dinge zusammen fehlten. Die armen Bauern sind Menschen, die ein Hungerdasein fristeten und in der Regel das Joch der Kulaken trugen, in der alten Zeit aber sowohl das der Kulaken als auch der Gutsbesitzer. Noch vor ganz kurzer Zeit zogen jährlich an die anderthalb Millionen, ja zuweilen sogar volle zwei Millionen arme Bauern auf Arbeit nach dem Süden, nach dem Nordkaukasus und in die Ukraine, um dort als Tagelöhner bei Kulaken, und noch früher bei Kulaken und Gutsbesitzern, Verdienst zu suchen. In noch größerer Zahl kamen sie jährlich vor die Fabriktore und füllten die Reihen der Arbeitslosen. Und nicht nur die armen Bauern befanden sich in einer solchen nicht gerade beneidenswerten Lage. Gut die Hälfte der Mittelbauern litt unter dem gleichen Elend und den gleichen Entbehrungen wie die armen Bauern. Alles das haben die Bauern schon vergessen.
Was hat der Fünfjahrplan in vier Jahren den armen Bauern und den unteren Schichten der Mittelbauern gegeben? Er hat dem Kulakentum als Klasse den Boden entzogen und es zerschlagen, die armen Bauern und gut die Hälfte der Mittelbauern vom Kulakenjoch befreit. Er hat sie in die Kollektivwirtschaften einbezogen und eine gesicherte Existenz für sie geschaffen. Er hat damit die Möglichkeit der Differenzierung der Bauernschaft in Ausbeuter - Kulaken - und in Ausgebeutete - arme Bauern - aufgehoben. Er hat die armen Bauern und die unteren Schichten der Mittelbauern in den Kollektivwirtschaften zu Menschen mit gesicherter Existenz gemacht und damit dem Prozeß des Ruins und der Verelendung der Bauernschaft ein Ende gesetzt. Jetzt kommen bei uns nicht mehr Fälle vor, daß sich Millionen von Bauern jährlich von der heimatliclten Scholle losreißen und auf der Suche nach Verdienst in ferne Gebiete ziehen. Will man jetzt den Bauern für die Arbeit irgendwo außerhalb seiner eigenen Kollektivwirtschaft gewinnen, so muß man einen Vertrag mit der Kollektivwirtschaft unterschreiben und darüber hinaus dem Kollektivbauern noch unentgeltliche Eisenbahnfahrt gewähren. Es kommt jetzt bei uns nicht mehr vor, daß hunderttausende und Millionen Bauern ruiniert werden und die Tore der Fabriken und Werke um Arbeit abklappern. So etwas hat es gegeben, aber das ist schon längst vorbei. Jetzt ist der Bauer ein Landwirt mit gesicherter Existenz, Mitglied der Kollektivwirtschaft, ihm stehen Traktoren, landwirtschaftliche Maschinen, Aussaatfonds, Reservefonds usw. usf. zur Verfügung.
Das ist es, was der Fünfjahrplan den armen Bauern und den unteren Schichten der Mittelbauern gegeben hat.
Das ist das Wesen der Haupterrungenschaften des Fünfjahrplans bei der Verbesserung der materiellen Lage der Arbeiter und Bauern.
Als Ergebnis dieser Haupterrungenschaften bei der Verbesserung der materiellen Lage der Arbeiter und Bauern haben wir im ersten Planjahrfünft:
- a) die Verdoppelung der Zahl der Arbeiter und Angestellten in der Großindustrie im Vergleicht mit dem Jahre 1928, was eine Übererfühlung des Fünfjahrplans um 57 Prozent ergibt;
-
b) das Anwachsen des Volkseinkommens also ein Anwachsen der Einkommen der Arbeiter und Bauern - das im Jahre 1932 45,1 Milliarden Rubel erreicht hat, was eine Steigerung um 85 Prozent im Vergleich mit dem Jahre 1928 ergibt;
-
c) das Anwachsen des durchschnittlichen Jahreslohns der Arbeiter und Angestellten der Großindustrie um 67 Prozent im Vergleich mit dem Jahre 1928, was eine Übererfühlung des Fünfjahrplans um 18 Prozent ergibt;
-
d) das Anwachsen des Sozialversicherungsfonds um 292 Prozent im Vergleich mit dem Jahre 1928 (4.120 Millionen Rubel im Jahre 1932 gegenüber 1.050 Millionen Rubel im Jahre 1928), was eine Übererfüllung des Fünfjahrplans um 111 Prozent ergibt;
-
e) das Anwachsen der gesellschaftlichen Speisung, von der mehr als 70 Prozent der Arbeiter der ausschlaggebenden Industriezweige erfaßt sind, was eine Übererfüllung des Plans um 500 Prozent ergibt.
Wir haben natürlich noch nicht die restlose Befriedigung der materiellen Anforderungen der Arbeiter und Bauern erreicht. Und wir werden sie in den nächsten Jahren kaum erreichen. Aber wir haben zweifellos erreicht, daß sich die materielle Lage der Arbeiter und Bauern bei uns von Jahr zu Jahr verbessert. Bezweifeln können das höchstens etwa geschworene Feinde der Sowjetmacht oder vielleicht manche Vertreter der bürgerlichen Presse, darunter auch ein Teil der Korrespondenten dieser Presse in Moskau, die von der Ökonomik der Völker und von der Lage der Werktätigen kaum mehr verstehen als, sagen wir, der abessinische Kaiser von höherer Mathematik.
Und wie steht es um die Lage der Arbeiter und Bauern in den kapitalistischen Ländern?
Hier die offiziellen Angaben.
Die Zahl der Arbeitslosen in den kapitalistischen Ländern ist katastrophal gestiegen.
- In den Vereinigten Staaten ist nach offiziellen Angaben die Zahl der beschäftigten Arbeiter allein in der verarbeitenden Industrie von 8,5 Millionen im Jahre 1928 auf 5,5 Millionen im Jahre 1932 zurückgegangen und nach den Angaben der amerikanischen Arbeitsföderation beträgt die Zahl der Arbeitslosen in den Vereinigten Staaten in der gesamten Industrie Ende 1932 an die 11 Millionen.
- In England ist die Zahl der Arbeitslosen nach den Angaben der offiziellen Statistik von 1.290.000 im Jahre 1928 auf 2,8 Millionen im Jahre 1932 gestiegen.
- In Deutschland ist die Zahl der Arbeitslosen nach offiziellen Angaben von 1.376.000 im Jahre 1928 auf 5,5 Millionen im Jahre 1932 gestiegen.
- Dasselbe Bild ist in allen kapitalistischen Ländern zu beobachten, wobei die offizielle Statistik die Angaben über die Arbeitslosen, deren Zahl in den kapitalistischen Ländern zwischen 35 und 40 Millionen schwankt, in der Regel zu gering ansetzt.
Der Arbeitslohn der Arbeiter wird systematisch abgebaut.
- Nach offiziellen Angaben hat der Abbau des durchschnittlichen monatlichen Arbeitslohns im Vergleich mit dem Jahre 1928 in den Vereinigten Staaten 35 Prozent erreicht, in England in derselben Frist 15 Prozent, in Deutschland sogar 50 Prozent.
- Nach den Berechnungen der amerikanischen Arbeitsföderation betrug der Verlust der amerikanischen Arbeiterschaft infolge des Lohnabbaus im Jahre 1930/31 mehr als 35 Milliarden Dollar.
- Die ohnehin unbedeutenden Sozialleistungen zugunsten der Arbeiter sind in England und Deutschland bedeutend gekürzt worden.
- In den Vereinigten Staaten und in Frankreich gibt es überhaupt keine oder fast keine Formen der Arbeitslosenversicherung, was zur Folge hat, daß die Zahl der obdachlosen Arbeiter und der verwahrlosten Kinder, insbesondere in den Vereinigten Staaten, kolossal anwächst.
Nicht besser ist die Lage der Bauernmassen in den kapitalistischen Ländern, wo die Agrarkrise die Bauernwirtschaft von Grund aus unterhöhlt und Millionen ruinierter Bauern und Farmer an den Bettelstab bringt.
Das sind die Ergebnisse des Fünfjahrplans in vier Jahren auf dem Gebiete der Verbesserung der materiellen Lage der Werktätigen der Sowjetunion.
VII. Die Ergebnisse des Fünfjahrplans in vier Jahren gegen die Überreste feindlicher Klassen
Als Ergebnis der Verwirklichung des Fünfjahrplans auf dem Gebiete der Industrie, der Landwirtschaft und des Handels haben wir in allen Sphären der Volkswirtschaft das Prinzip des Sozialismus verankert und aus ihr die kapitalistischen Elemente vertrieben.
Wozu mußte das in bezug auf die kapitalistischen Elemente führen, und wozu hat es in der Tat geführt?
Das hat dazu geführt, daß die letzten Überreste der sterbenden Klassen: die Industriellen und ihr Anhang, die Händler und ihre Handlanger, die ehemaligen Adligen und Popen, die Kulaken und ihre Helfershelfer, die ehemaligen weißen Offiziere und Landpolizisten, die ehemaligen Polizisten und Gendarmen, die verschiedensten bürgerlichen Intellektuellen chauvinistischer Färbung und alle sonstigen antisowjetischen Elemente aus dem Geleise geworfen wurden.
Diese
"Ehemaligen", die aus dem Geleise geworfen wurden und sich über das ganze Gebiet der UdSSR verstreut haben, verkrochen sich in unseren Werken und Betrieben, in unseren Institutionen und Handelsorganisationen, in den Eisenbahn und Schiffahrtsbetrieben und hauptsächlich in den Kollektiv- und Sowjetwirtschaften. Sie verkrochen sich und versteckten sich dort unter der Maske von
"Arbeitern" und
"Bauern", wobei sich so mancher von ihnen sogar in die Partei einschlich.
Was brachten sie dorthin mit? Natürlich das Gefühl des Hasses gegen die Sowjetmacht, das Gefühl erbitterter Feindschaft gegen die neuen Wirtschafts-, Lebens- und Kulturformen.
Gegen die Sowjetmacht direkt Attacke zu reiten, sind diese Herrschaften nicht mehr imstande. Sie und ihre Klassen haben schon einige Male solche Attacken geritten, aber sie wurden geschlagen und zerstreut. Darum ist das einzige, was sie noch tun können, Schaden und Unheil für die Arbeiter, die Kollektivwirtschaftler, die Sowjetmadit und die Partei zu stiften. Und sie schaden auch, wo sie nur können, indem sie versteckte Wühlarbeit betreiben. Sie stecken Lagerhäuser in Brand und beschädigen Maschinen. Sie organisieren Sabotage. Sie organisieren Schädlingsarbeit in den Kollektivwirtschaften, in den Sowjetwirtschaften, wobei manche von ihnen, unter denen sich auch einige Professoren befinden, in ihrem Schädlingsdrang so weit gehen, daß sie dem Vieh in den Kollektiv- und Sowjetwirtschaften die Pest, die sibirische Seuche einimpfen, die Verbreitung der Meningitis unter den Pferden fördern usw.
Aber das ist nicht die Hauptsache. Die Hauptsache in der
"Tätigkeit" dieser Ehemaligen besteht darin, daß sie massenhaft Plünderungen und Unterschlagungen staatlichen und genossenschaftlichen Gutes, kollektivwirtschaftlichen Eigentums organisieren. Diebstahl und Plünderung in den Werken und Fabriken, Plünderung und Unterschlagung von Eisenbahngütern, Diebstähle und Unterschlagungen in Lagerhäusern und Handelsbetrieben - besonders aber in den Sowjet- und Kollektivwirtschaften - das ist die Hauptform der
"Tätigkeit" dieser Ehemaligen. Sie fühlen sozusagen mit ihrem Klasseninstinkt, daß die Grundlage der Sowjetwirtschaft das gesellschaftliche Eigentum bildet, daß man, um der Sowjetmacht zu schaden, ebendiese Grundlage erschüttern muß - und sie bemühten sich tatsächlich, das gesellschaftliche Eigentum dadurch zu erschüttern, daß sie Massendiebstähle und -plünderungen organisieren.
Zur Organisierung von Plünderungen nutzen sie die privat-wirtschaftlichen Gewohnheiten und Traditionen der Kollektivbauern aus, die gestern noch Einzelbauern waren, heute aber Mitglieder der Kollektivwirtschaften sind. Ihr als Marxisten müßt wissen, daß das Bewußtsein der Menschen in seiner Entwicklung hinter ihrer tatsächlichen Lebenslage zurückbleibt. Die Kollektivwirtschaftler sind ihrer Lage nach nicht mehr Einzelbauern, sondern Kollektivisten, aber ihr Bewußtsein ist einstweilen noch das alte, das Bewußtsein von Privateigentümern. Und die Ehemaligen, die aus den Ausbeuterklassen hervorgehen, nutzen die privatwirtschaftlichen Gewohnheiten der Kollektivwirtschaftler aus, um Plünderungen gesellschaftlichen Gutes zu organisieren und damit die Grundlage der sowjetischen Gesellsdiaftsordnung, das gesellschaftliche Eigentum, zu erschüttern.
Viele unserer Genossen stehen diesen Erscheinungen gleichmütig gegenüber und verstehen nicht Sinn und Bedeutung der massenhaften Diebstähle und Plünderungen. Sie gehen wie Blinde an diesen Tatsachen vorbei, in der Annahme, daß es
"daran nichts Besonderes gibt". Aber diese Genossen sind sehr mm Irrtum. Die Grundlage unserer Gesellschaftsordnung ist das gesellschaftliche Eigentum, ebenso wie die Grundlage des Kapitalismus das Privateigentum ist. Die Kapitalisten haben das Privateigentum für heilig und unantastbar erklärt. - Wir Kommunisten müssen um so mehr das gesellschaftliebe Eigentum für heilig und unantastbar erklären, um damit die neuen, die sozialistischen Wirtschaftsformen auf allen Gebieten der Produktion und des Handels zu verankern. Plünderung und Unterschlagung gesellschaftlichen Eigentums - gleichviel, ob es sich um Staatseigentum oder genossenschaftliches und kollektivwirtschaftliches Eigentum handelt - zulassen und an solchen konterrevolutionären Untaten vorbeigehen heißt die Untergrabung der sowjetischen Gesellschaftsordnung fördern, die sich auf das gesellschaftliche Eigentum als ihre Basis stützt. Davon ging unsere Sowjetregierung aus, als sie unlängst das Gesetz zum Schutz des gesellschaftlichen Eigentums erließ. Dieses Gesetz ist die Grundlage der revolutionären Gesetzlichkeit im gegenwärtigen Augenblick. Seine strengste Durchführung ist die erste Pflicht jedes Kommunisten, jedes Arbeiters und Kollektivwirtschaftlers.
Man sagt, daß sich die revolutionäre Gesetzlichkeit unserer Zeit durch nichts von der revolutionären Gesetzlichkeit der ersten Periode der NÖP unterscheide, daß die revolutionäre Gesetzlichkeit unserer Zeit eine Rückkehr zu der revolutionären Gesetzlichkeit der ersten Periode der NÖP sei. Das ist absolut falsch. Die revolutionäre Gesetzlichkeit der ersten Periode der NÖP richtete sich mit ihrer Spitze hauptsächlich gegen die Auswüchse des Kriegskommunismus, gegen die ungesetzlichen Konfiskationen und Eintreibungen. Sie garantierte dem Privateigentümer, dem Einzelbesitzer, dem Kapitalisten die Unversehrtheit ihres Besitzes unter der Bedingung, daß sie die Sowjetgesetze aufs strengste einhalten. Ganz anders steht es um die revolutionäre Gesetzlichkeit in unserer Zeit. Die revolutionäre Gesetzlichkeit unserer Zeit ist mit ihrer Spitze nicht gegen die Auswüchse des Kriegskommunismus, die schon längst nicht mehr existieren, sondern gegen Diebe und Schädlinge in der gesellschaftlichen Wirtschaft, gegen Rowdys und Leute gerichtet, die das gesellschaftliche Eigentum plündern. Die größte Sorge der revolutionären Gesetzlichkeit in unserer Zeit gilt folglich dem Schutz des gesellschaftlichen Eigentums und nichts anderem.
Deshalb ist der Kampf für den Schutz des gesellschaftlichen Eigentums, ein Kampf, der mit allen Maßnahmen und Mitteln gcführt wird, die uns die Gesetze der Sowjetmacht zur Verfügung stellen, eine der Hauptaufgaben der Partei.
Eine starke und mächtige Diktatur des Proletariats - das ist es, was uns jetzt not tut, um die letzten Überreste der sterbenden Klassen in Staub verwehen zu lassen und ihre Diebesmachenschaften zu durchkreuzen.
Manche Genossen haben die These von der Aufhebung der Klassen, von der Schaffung einer klassenlosen Gesellschaft und von dem Absterben des Staates als Rechtfertigung der Trägheit und Gleichmütigkeit aufgefaßt, als Rechtfertigung der konterrevolutionären Theorie vom Erlöschen des Klassenkampfes und von der Abschwächung der Staatsmacht. Es erübrigt sich zu sagen, daß solche Leute mit unserer Partei nichts gemein haben können. Das sind Entartete oder Doppelzüngler, die man aus der Partei jagen muß. Die Aufhebung der Klassen wird nicht durch das Erlöschen des Klassenkampfes, sondern durch seine Verstärkung erreicht. Das Absterben des Staates wird nicht durch Abschwächung der Staatsmacht kommen, sondern durch ihre maximale Verstärkung, die notwendig ist, um die Überreste der sterbenden Klassen zu vernichten und die Verteidigung gegen die kapitalistische Umkreisung zu organisieren, die noch bei weitem nicht vernichtet ist und noch nicht so bald vernichtet sein wird.
Durch die Verwirklichung des Fünfjahrplans haben wir erreicht, daß wir die letzten Überreste der feindlichen Klassen aus ihren Positionen in der Produktion endgültig hinausgeworfen, das Kulakentum geschlagen und die Grundlage für seine Vernichtung geschaffen haben. Das ist das Ergebnis des Fiinfjahrplans auf dem Gebiete des Kampfes gegen die letzten Trupps der Bourgeoisie. Aber das ist noch zu wenig. Die Aufgabe besteht darin, diese Ehemaligen aus unseren eigenen Betrieben und Institutionen hinauszuwerfen und sie endgültig unschädlich zu machen.
Man kann nicht sagen, daß diese Ehemaligen durch ihre Schädlings- und Diebesmachenschaften an der jetzigen Lage in der UdSSR irgend etwas ändern könnten. Sie sind zu schwach und ohnmächtig, um sich den Maßnahmen der Sowjctmacht zu widersetzen. Wenn sich aber unsere Genossen nicht mit revolutionärer Wachsamkeit wappnen und das spießbürgerlich gleichmütige Verhalten zu Fällen der Plünderung und Unterschlagung gesellschaftlichcn Eigentums nicht aus der Praxis ausmerzen, so können die Ehemaligen nicht wenig Schaden anrichten.
Man muß im Auge behalten, daß die wachsende Macht des Sowjetstaates den Widerstand der letzten Überreste der sterbenden Klassen verstärken wird. Gerade weil sie im Sterben liegen und ihre letzten Tage fristen, werden sie von den Vorstößen der einen Form zu Vorstößen in anderen, schärferen Formen übergeben, an rückständige Schichten der Bevölkerung appellieren und sie gegen die Sowjetmacht mobilisieren. Es gibt keine Gemeinheit und keine Verleumdung, zu der diese Ehemaligen in ihrem Kampfe gegen die Sowjetmadit nicht greifen und mit deren Hilfe sie nicht versuchen würden, die rückständigen Elemente zu mobilisieren. Auf diesem Boden können die zerschlagenen Gruppen der alten konterrevolutionären Parteien der Sozialrevolutionäre, Menschewiki, bürgerlichen Nationalisten im Zentrum des Landes und in den Randgebieten wiederaufleben und sich zu regen beginnen, können die Splitter der konterrevolutionären oppositionellen Elemente aus dem Lager der Trotzkisten und der rechten Abweichler wiederaufleben und sich zu regen beginnen. Das ist natürlich nicht schrecklich. Aber all dies muß man im Auge behalten, wenn wir mit diesen Elementen schnell und ohne besondere Opfer Schluß machen wollen.
Deshalb ist die revolutionäre Wachsamkeit diejenige Eigenschaft, die den Bolschewiki jetzt besonders not tut.
VIII. Allgemeine Schlußfolgerungen
Das sind die Hauptergebnisse der Durchführung des Fünfjahrplans auf dem Gebiete der Industrie und der Landwirtschaft, auf dem Gebiete der Verbesserung der Lebensverhältnisse der Werktätigen und der Entwicklung des Warenumsatzes, auf dem Gebiete der Festigung der Sowjetmacht und der Entfaltung des Klassenkampfes gegen die Überreste und Überbleibsel der untergehenden Klassen.
Das sind die Erfolge und Errungenschaften der Sowjetmacht in den letzten vier Jahren.
Es wäre ein Fehler, wollte man auf Grund dieser Erfolge glauben, daß bei uns alles zum besten bestellt sei. Natürlich ist bei uns noch nicht alles zum besten bestellt. Mängel und Fehler in unserer Arbeit gibt es genug. Mißwirtschaft und Durcheinander kommen in unserer Praxis noch immuner vor. Leider kann ich jetzt auf die Mängel und Fehler nicht eingehen, da der Rahmen des mir aufgetragenen Berichts über die Ergebnisse hierfür keinen Raum läßt. Doch handelt es sich jetzt nicht darum. Es handelt sich darum, daß wir trotz der Mängel und Fehler, die keiner von uns bestreitet, ernste Erfolge erzielt haben, da in der Arbeiterklasse der ganzen Welt Begeisterung hervorufen, daß wir einen Sieg errungen haben, der von wahrhaft weltgeschichtlicher Bedeutung ist.
Was konnte bei der Tatsache, daß die Partei trotz der Fehler und Mängel entscheidende Erfolge in der Durchführung des Fünfjahrplans in vier Jahren errungen hat, die Hauptrolle spielen und hat sie in der Tat gespielt?
Welches sind die Hauptkräfte, die uns trotz alledem diesen historischen Sieg gesichert haben?
Es sind dies vor allem die Aktivität und die Hingabe, der Enthusiasmus und die Initiative der Millionenmassen der Arbeiter und Kollektivwirtschaftler, die gemeinsam mit den Ingenieuren und Technikern eine kolossale Energie entwickelt haben, um den sozialistischen Wettbewerb und die Stoßbrigadenbewegung zu entfalten. Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß wir ohne diesen Umstand das Ziel nicht hätten erreichen können, uns keinen Schritt hätten vorwärtsbewegen können.
Es ist dies zweitens die feste Führung der Partei und der Regierung, die die Massen zum Vormarsch aufriefen und alle und jede Schwierigkeiten auf dem Wege zum Ziele überwanden.
Es sind dies schließlich die besonderen Vorteile und Vorzüge des sowjetischen Wirtsdmaftssystemns, das kolossale, zur Überrwindung aller und jeder Schwierigkeiten notwendige Möglichkeiten in sich birgt.
Das sind die drei Hauptfaktoren, die den historischen Sieg der Sowjetunion bestimmt haben.
Die allgemeinen Schlußfolgerungen:
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Die Ergebnisse des Fünfjahrplans haben die Behauptung der bürgerlichen und sozialdemokratischen Politiker, daß der Fünfjahrplan eine Phantasie, ein Fieberwahn, ein undurchführbarer Traum sei, über den Haufen geworfen. Die Ergebnisse des Fünfjahrplans haben gezeigt, daß der Fünfjahrplan bereits durchgeführt ist.
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Die Ergebnisse des Fünfjahrplans haben den bekannten bürgerlichen "Glaubenssatz" zunichte gemacht, daß die Arbeiterklasse nicht fähig sei, Neues aufzubauen, daß sie nur fähig sei, das Alte zu zerstören. Die Ergebnisse des Fünfjahrplaus haben gezeigt, daß die Arbeiterklasse ebenso fähig ist, Neues aufzubauen, wie das Alte zu zerstören.
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Die Ergebnisse des Fünfjahrplans haben die These der Sozialdemokraten zunichte gemacht, daß es unmöglich sei, den Sozialismus in einem einzelnen Lande zu errichten. Die Ergebnisse des Fünfjahrplans haben gezeigt, daß es vollauf möglich ist, in einem Lande die sozialistische Gesellschaft zu errichten, denn das ökonomische Fundament dieser Gesellschaft ist in der UdSSR bereits gelegt.
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Die Ergebnisse des Fünfjahrplans haben, die Behauptung der bürgerlichen Ökonomen über den Haufen geworfen, daß das kapitalistische Wirtschaftssystem das beste und jedes andere Wirtschaftssystem nicht stabil sei und den Schwierigkeiten der wirtschaftlichen Entwicklung nicht standhalten könne. Die Ergebnisse des Fünfjahrplans haben gezeigt, daß das kapitalistische Wirtschaftssystem unhaltbar und nicht stabil ist, daß es sich überlebt hat und einem anderen, einem höheren, dem sowjetischen, sozialistischen Wirtschaftssystem Platz machen muß, daß das einzige Wirtschaftssystem, das keine Krisen fürchtet und fähig ist, die für den Kapitalismus unlösbaren Schwierigkeiten zu überwinden, das sowjetische Wirtschaftssystem ist.
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Schließlich haben die Ergebnisse des Fünfjahrplans gezeigt, daß die Partei unbesiegbar ist, wenn sie weiß, welchem Ziele sie zuzusteuern hat und Schwierigkeiten nicht fürchtet.
(Stürmischer, nicht enden wollender Beifall, der in eine Ovation übergeht, die Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen und jubeln Genossen Stalin zu.)
46. Dokument 31: L. M. Sabsovitsch: Die Städte der Zukunft und die Organisation der sozialistischen Lebensweise Ein Entwurf 1929/30
[aus: Altrichter/Haumann (Hg.): Die Sowjetunion. Band 2: Wirtschaft und Gesellschaft, München 1987, S. 278 - 287]
Zur Fragestellung
... Eine sehr große Mehrheit ... glaubt, daß wir allmählich die Lebensbedingungen der Arbeiter verbessern müssen, indem wir die Häuser für die Arbeitenden mit dem größtmöglichen Komfort ausstatten, den Arbeitern die Möglichkeit zur Nutzung von Gas, elektrischen Bügeleisen, kleinen Waschmaschinen etc. geben, d.h. jener Annehmlichkeiten, in deren Genuß in den bürgerlichen Ländern der vermögendere Teil der städtischen Bevölkerung, darunter auch ein Teil der Arbeiter, kommt. Dieser Weg hat bis in die jüngste Zeit keine größeren Zweifel hervorgerufen ...
Ein anderer Weg zeichnet sich in letzter Zeit ab: das ist der Weg einer wirklich radikalen sozialistischen Neugestaltung des Alltagslebens, der Weg einer vollkommenen Umgestaltung des Lebens auf der Grundlage der vollständigen Vergesellschaftung, der Befriedigung der Lebens- und Kulturbedürfnisse der arbeitenden Bevölkerung, der Weg des Baus neuer sozialistischer Städte und der radikalen sozialistischen Neugestaltung der bestehenden Städte. Die Befürworter dieses Weges beharren darauf, daß wir vom Weg der allmählichen
"sozialen Reformen" im Leben der Arbeiter abgehen müssen ...
Weitere Wege der Entwicklung unserer Industriestädte
Schon in nächster Zukunft werden wir keine großen Städte mehr bauen müssen, die unweigerlich höchst ungesunde Bedingungen für das Leben und die Arbeit der werktätigen Bevölkerung hervorbringen. Das dichte Transportnetz, das wir im Verlauf der nächsten fünf bis acht Jahre werden schaffen müssen, wird es uns erlauben, die Industriebetriebe bedeutend freier über das gesamte Territorium der Union verteilt zu plazieren. Wir werden den Zwang umgehen, Gigantenstädte zu bauen, und wir können Städte mit einer Bevölkerung von 50 bis 60.000 Menschen errichten
Was für Häuser sollen wir in den sozialistischen Städten bauen?
Die Wohnhäuser in der sozialistischen Stadt sollen so gebaut werden, daß sie den größtmöglichen Komfort für das kollektive Leben, die kollektive Arbeit und die kollektive Erholung der Werktätigen bieten ... In diesen Häusern soll es keine einzelnen Wohnungen mit Küchen, Vorratskammern etc. geben, ... weil die Befriedigung der Lebensbedürfnisse der Werktätigen zur Gänze vergesellschaftet sein wird. Sie sollen auch keine Räumlichkeiteu für ein isoliertes Leben jeder einzelnen Familie enthalten, denn die Familie in dem Sinne, wie sie heute existiert, wird restlos verschwinden ...
Der Grundtyp des Wohnhauses ... soll ein großes, komfortables Kommune-Haus sein, oder ein Wohnkombinat (bestehend aus Häusern kleineren Ausmaßes) für 2 bis 3000 erwachsene Werktätige ...
Die Frage nach dem Zusammenleben von Eltern und Kindern an einem Ort kann nur ablehnend entschieden werden ...
In diesen Wohnhäusern soll jedem Werktätigen ein einzelnes Zimmer zur Verfügung gestellt werden . - - Es soll keine Räume für das Zusammenleben von Mann und Frau geben.
... während wir diese Zimmer mit dem größtmöglichen Komfort auszustatten versuchen, müssen wir mit dem Platz extrem sparsam umgehen, um möglichst viel Fläche für die Räumlichkeiten abzweigen zu können, die für die kollektive Versorgung der Werktätigen bestimmt sind.
In den sozialistischen Städten wird es keinen Bedarf nach Privateigentum an Möbeln ... geben. Alle Räume sollen sich in der Möblierung entsprechen ...
Die Frage nach der Größe dieser Zimmer ist noch nicht entschieden. Es existieren verschiedene Projekte von fünf bis neun Quadratmetern.
Über die Planung der sozialistischen Städte
... Wie bereits oben gezeigt wurde, werden ein Wohnkombinat oder die großen Kommune-Häuser Platz bieten für 2 - 3000 Angehörige der erwachsenen Bevölkerung. In einer sozialistischen Stadt mit 60.000 Einwohnern wird die Zahl der Erwachsenen (ab siebzehn Jahren) 40 bis 42.000 betragen. Folglich wird die ganze Stadt aus fünfzehn bis zwanzig Wohnkombinaten und, einer Reihe von großen öffentlichen Gebäuden, die von der gesamten Bevölkerung genutzt werden, bestehen. Solchermaßen wird es in der sozialistischen Stadt, in Abhängigkeit von der Etagenhöhe der Häuser, insgesamt 50 bis 100 große Gebäude geben. Außerdem werden jedem Wohnkombinat einige kleinere Gebäude für die Kinderhäuser (für das Säuglings- und Vorschulalter) angeschlossen sein. Im Umkreis der Wohnkombinate, in der Nähe der landwirtschaftlichen und manchmal auch der industriellen Betriebe, werden zweckmäßigerweise die Schulstädte (Schulwirtschaften, in denen die Schulkinder leben, erzogen werden und arbeiten) angelegt ...
Eine der wichtigsten Fragen betrifft die Nähe des Bereichs der Wohnkombinate zum Gebiet der Industriebetriebe. Solange der Produktionsprozeß in den Industriebetrieben mit dem Ausstoß von Rauch, Ruß, schädlichen Gasen etc. verbunden ist, wäre es richtiger, das Wohngebiet in genügend großer Entfernung vom Bereich der Industriebetriebe anzulegen und diese Gebiete durch bequeme und rasche Verkehrswege zu verbinden. In der ersten Zeit jedoch werden wir wahrscheinlich nicht selten von diesem Grundsatz abweichen müssen, da der Bau solcher Verkehrswege erhebliche Ausgaben erfordern und der Verkehrsbetrieb selbst zusätzliche Ausgaben verursachen wird. Deshalb werden wir in einer Reihe von Fällen die sozialistischen Städte in vergleichsweise geringer Entfernung von den Industriebetrieben anlegen müssen, damit die Werktätigen für den Gang von der Wohnstätte zur Fabrik oder zum Betrieb nicht mehr als 15 bis 25 Minuten benötigen . -.
Bei der Planung der Verkehrsverbindungen zwischen Stadt (Bereich der Wohnkombinate) und Betrieben sollten wir solche unvollkommenen und offenkundig veralteten Verkehrsmittel wie die Straßenbahn meiden, wir sollten Autobus-Verbindungen, Triebwagen, elektrische Züge etc. planen ...
Sollte ein Wohngebiet in einer Entfernung von zwei bis drei Kilometern von einem Fluß angelegt werden, so muß dieses Gebiet durch eine genügend breite Grünzone mit dem Fluß verbunden werden.
Die öffentlichen Gebäude, die der gesamten Bevölkerung der sozialistischen Stadt zur Verfügung stehen, sollen im Zentralpark angelegt werden, nach Möglichkeit im Zentrum des Gebiets, in dem die Wohnkombinate liegen, damit die Verbindung zwischen den Wohnkombinaten und den zentralen Einrichtungen möglichst nah und bequem ist ...
Die sozialistische Neugestaltung der bestehenden Städte
... Was machen wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt mit den bestehenden Städten? Wir fahren fort, in den alten Städten neue Fabriken und Betriebe zu bauen, wir erweitern die bestehenden Betriebe, vergrößern ununterbrochen die Bevölkerungszahl und sind in Verbindung damit gezwungen, das Bauwesen in den alten Städten in immer stärkerem Maße zu entfalten. Und je mehr wir unsere Städte erweitern, je mehr Mittel wir in diese Erweiterung investieren, um so schwieriger und problematischer gestaltet sich die Möglichkeit ihres Umbaus auf sozialistischen Grundlagen.
Was kommt dabei heraus? Wir überladen Moskau mit neuen Fabriken und Betrieben, wir schaffen eine immer größere Anhäufung gigantischer Bevölkerungsmassen, wir schaffen für diese Millionenbevölkerung völlig untragbare, schädliche und sinnlose Lebensbedingungen und schicken uns gleichzeitig an, eine Milliarde Rubel zu verschleudern, um der arbeitenden Bevölkerung Moskaus die Gelegenheit zu geben, sich von jenem Unsinn zu erholen, den wir selbst für sie hervorgebracht haben.
[Die Beseitigung des Gegensatzes zwischen Stadt und Dorf]
In diesem Zusammenhang kam ich bei meiner Hypothese eines Generalplanes (des Planes zum Aufbau des Sozialismus) zu der Schlußfolgerung, daß wir in fünfzehn Jahren die kleinbäuerlichen Formen der Landwirtschaft völlig aus der Welt geschafft haben können, daß wir sie gänzlich vergesellschaften können, indem wir die jetzigen zehn Millionen kleiner Bauernwirtschaften in großen vergesellschafteten Wirtschaften zusammenfassen können, in Wirtschaften vom Typ der zur Zeit entstehenden riesengroßen staatlichen Sowchosen, der landwirtschaftlichen Fabriken, auf der Grundlage höchstentwickelter Technik und Organisation landwirtschaftlicher Produktion.
Natürlich entsprechen die jetzigen Siedlungen und Dörfer überhaupt nicht dem neuen Organisationstyp der Landwirtschaft. Die Arbeiter dieser großen landwirtschaftlichen Fabriken werden hauptsächlich Arbeiter an Maschinen sein und sich in dieser Beziehung wenig von Industriearbeitern unterscheiden. Mit der
"Idiotie" des Dorflebens muß man ein für allemal Schluß machen: Die landwirtschaftliche Maschine und die wissenschaftliche Organisation der landwirtschaftlichen Produktion werden das kulturelle Niveau des Landarbeiters zwangsläufig auf annähernd den Stand anheben, den der städtische Arbeiter in fünfzehn Jahren erreichen wird, und diesem hohen Niveau müssen auch völlig andere Lebensbedingungen entsprechen. Die individuelle Lebensweise und das individuelle Schicksal, die mit der kleinen individuellen Bauernwirtschaft zwangsläufig verbunden sind, werden jeglichen Boden unter sich verlieren. Die große landwirtschaftliche Fabrik, die ein Territorium von 50 bis 100.000 Hektar oder vielleicht noch mehr Fläche umfaßt, erfordert eine enorme Konzentration des in ihr beschäftigten Arbeiterkollektivs.
Auf diese Weise müssen anstelle der jetzigen Dörfer mehr oder weniger große Siedlungen organisiert werden, in denen nicht nur die Wohngebäude konzentriert sind, sondern auch Lager, Garagen, Reparaturwerkstätten, Umspannstationen, Laboratorien, Fabriken zur Primärverarbeitung landwirtschaftlicher Rohstoffe, Schulen, Krankenhäuser usw.
Dank dieses gegenläufigen Prozesses in der Stadt (Dezentralisierung der jetzigen städtischen Industrie- und Verwaltungszentren) und auf dem Dorf (Siedlungskonzentration auf der Basis landwirtschaftlicher Großproduktion und Kombinierung von landwirtschaftlicher und industrieller Produktion) werden die Unterschiede zwischen den Siedlungen städtischen und dörflichen Typs immer mehr verwischt werden. Anstelle der jetzigen übermäßig angewachsenen, zusammengedrängten und ungesunden Städte und anstelle der jetzigen völlig unzivilisierten und kulturlosen Siedlungen dörflichen Typs müssen wir Siedlungen irgendeines anderen Typs bauen, Siedlungen, die im höchsten Maße geeignet sind sowohl für den Typ wirtschaftlicher Organisation der sozialistischen Volkswirtschaft als auch für die größtmögliche Befriedigung der Bedürfnisse der Werktätigen bei günstigen kulturellen und gesundheitlichen Lebensbedingungen ...
[Die sozialistische Lebensweise in den zukünftigen Städten]
Absolut herausragende Bedeutung und außergewöhnlichen Stellenwert werden die Einrichtungen und Gebäude für die kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung einnehmen. Die gesellschaftliche Erziehung der Kinder und die vergesellschaftete Erfüllung grundlegender existentieller Bedürfnisse der Werktätigen, die die Frau von der
"Hausarbeit" und der Sorge um die Kinder befreit; eine erhebliche Verkürzung des Arbeitstages, d.h. der Zeit, die für die gesellschaftlich notwendige Arbeit aufgewandt wird (in der 3. Fünfjahresperiode nicht mehr als fünf Stunden, in der 4. Fünfjahresperiode wahrscheinlich vier oder sogar nur drei Stunden täglich oder statt dessen eine deutlich geringere Zahl der Monate im Jahr, die für gesellschaftlich notwendige Arbeit aufgewendet werden, d.h. eine drastische Verlängerung der jetzigen Urlaubsdauer, vielleicht auf vier bis sechs Monate im Jahr); Kürzungen im Bereich der Altersgruppen, die gesellschaftlich nützliche Arbeit leisten müssen (wahrscheinlich von 21 bis 49 Jahren), - all das gibt den Bürgern der sozialistischen Gesellschaft die Möglichkeit, bei weitem mehr Zeit der Erholung, der freien Beschäftigung mit Wissenschaft und Kunst, der Sorge um die körperliche Entwicklung, d.h. allen Arten von Sport, verschiedenen Arten der Zerstreuung usw. zu widmen. Der Begriff
"Beruf" wird nicht mehr das Hauptmerkmal sein, das den werktätigen Menschen kennzeichnet. Jeder körperlich arbeitende Mensch wird die überwiegende Zeit für sogenannte
"nebensächliche" Beschäftigungen aufwenden können. Der eine wird sich vor allem mit der Wissenschaft, der andere mit Musik, der dritte mit einer Erfindung auf dem Gebiet seiner eigentlichen Arbeit oder eines anderen Zweiges, der vierte mit einer Skulptur, ein fünfter mit Sport usw. beschäftigen. Damit wird sich auch der Unterschied zwischen körperlich und geistig Arbeitenden ständig mehr verwischen . - -
Wie soll die Erziehung der Kinder in der sozialistischen Stadt durchgeführt werden?
Die Frage nach dem
"natürlichen", biologischen Band zwischen Eltern und Kindern, die Frage der
"Mutterliebe", danach, ob die Frau jeden Anreiz, Kinder zur Welt zu bringen, verlieren wird etc. - all diese Fragen werden in der Hauptsache nicht von Arbeitern und Arbeiterinnen, nicht von Bauern und Bäuerinnen vorgebracht, sondern von einem gewissen Teil unserer Intelligenz, die in starkem Maße mit kleinbürgerlichen,
"typisch intellektuellen" Vorurteilen durchtränkt ist. Die ausschließliche Liebe zu den eigenen Kindern hat natürlich weniger
"natürliche", biologische Faktoren zur Ursache als vielmehr sozio-ökonomische. Bei einer sozialistischen Organisation des Lebens wird sich in viel stärkerem Maße die Liebe zu den Kindern an sich, die Liebe des Kollektivs zu seiner jungen Generation entfalten. Jede Mutter wird, wie das bereits jetzt sehr viele Arbeiterinnen und Bäuerinnen tun, verstehen, daß sie ihren Kindern nicht das geben kann, was ihnen eine richtig aufgebaute und gut organisierte gesellschaftlichc Erziehung geben wird, und es ist natürlich, daß jede Mutter es vorziehen wird, ihr Kind nicht selbst zu erziehen, sondern seine Erziehung der Gesellschaft zu überlassen, genau so, wie es auch jetzt jede Mutter vorzieht, ihr Kind zum Lernen in die Schule zu geben, weil sie weiß, daß sie selbst diesen Unterricht nicht in gehöriger Weise durchführen kann . . -
Die Erziehung der Kinder
... Die Aufgabe des Aufbaus des Sozialismus besteht in der Schaffung sozialistischer Lebensbedingungen für die Werktätigen und in der Schaffung eines neuen Menschen, der nicht jene negativen Züge, die das bürgerliche System, die Bedingungen der bürgerlichen oder kleinbürgerlichen Lebensweise ... und die jetzigen Bedingungen der Kindererziehung unweigerlich hervorbringen, trägt. Die Erziehung der Kinder ist schließlich kein Handwerk, nicht einmal nur eine Wissenschaft, sondern in gewisser Weise eine Kunst, die Kunst der sozialistischen Pädagogik..
a) Die "Kinderhäuser"
Unter sozialistischen Bedingungen, bei Vergesellschaftung der Erziehung, werden die Kinder nicht länger das
"Eigentum" der Eltern sein: sie werden das
"Eigentum" des Staates sein, der alle Aufgaben und Sorgen der Kindererziehung auf sich nimmt. Deshalb muß ... die erste Konsequenz der Vergesellschaftung der Erziehung darin bestehen, daß die Kinder nicht mehr mit den Eltern zusammenleben. Von Geburt an müssen sie in speziellen
"Kinderhäusern" untergebracht werden, die nach den letzten Erkenntnissen der sozialistischen Pädagogik ausgestattet sind, mit den besten Bedingungen für ihre körperliche Erziehung und die Entwicklung ihrer besten, gesündesten Anlagen. Die Frage der Ernährung des Kindes durch die Mutter im ersten Lebensjahr kann ohne besondere Schwierigkeiten gelöst werden. Schon heute steht der arbeitenden Frau eine gesetzlich verbürgte Arbeitspause zum Stillen ihres Kindes zu. Unter sozialistischen Bedingungen wird - falls (oder solange wie) das Stillen nicht vielleicht durch eine rationellere, künstliche Form der Kinderernährung abgelöst sein wird - diese Frage viel leichter zu lösen sein als zum gegenwärtigen Zeitpunkt. Hierzu wird vor allem der erheblich verkürzte Arbeitstag beitragen und möglicherweise auch ein verlängerter Urlaub für stillende Mütter nach der Geburt.
b) Die "Kinderstädte"
.. Die Kinder sollen sich ausschließlich unter dem Einfluß des Kinderkollektivs entwickeln, das durch gebührend geschulte, von Liebe und Verständnis für die Sache der sozialistischen Erziehung erfüllte Pädagogen geleitet wird.
Wahrscheinlich können diese Einrichtungen am besten in Form spezieller
"Kinderstädte" organisiert werden ... Diese
"Kinderstädte" müssen in den gesündesten Gegenden organisiert werden, nicht selten weit von den Ansiedlungen der erwachsenen Werktätigen entfernt, und können für eine Reihe von Ansiedlungen zuständig sein ...
Auf jeden Fall jedoch ist es klar, daß die
"Kinderstädte" eine ziemlich komplizierte Wirtschaftsform darstellen werden, die in gewisser Weise an die Wirtschaftsform der allgemeinen Ansiedlungen sozialistischen Typs erinnern wird. In ihnen muß es spezielle Wohnhäuser für Kinder geben, Großküchen, Speisestätten, verschiedene Einrichtungen zur physischen und geistigen Entwicklung der Kinder, um die Kinder mit Musik und anderen Kunstarten vertraut zu machen; Elementarwerkstätten, Laboratorien, Nutzgärten etc., um den Kindern Arbeitsfertigkeiten beizubringen; Museen und zoologische Gärten, um die Kinder mit dem Leben in der Natur vertraut zu machen usw...
c) Die Schulstädte
Die Erziehung der Kinder im Schulalter, d.h. von 7/8 bis 16/ 17 Jahren, muß gleichfalls kollektiv und vom Leben der erwachsenen Werktätigen abgetrennt verlaufen. Die Erziehung der Kinder dieses Alters soll in speziellen
"Schulstädten" vor sich gehen, die ihrerseits eine Art Fortsetzung der
"Kinderstädte" darstellen. In den
"Schulstädten" muß die Erziehung aufs engste mit den Produktionsprozessen (in Industrie, Landwirtschaft, Transport etc.) und mit der Wissenschaft verflochten sein:
sie soll in bedeutendem Maße auf der Basis der praktischen Kenntnis der Natur und der Methoden ihrer Beherrschung aufgebaut sein. Im Hinblick auf die Organisation sollen diese Städte einen bedeutend weiter entwickelten Typus der
"Kinderstädte" repräsentieren, aber die Einrichtungen, die die Bestimmung haben, Arbeitsfertigkeiten und praktische Kenntnisse zu entwickeln (Laboratorien, Versuchsfelder, Werkstätten, verschiedene Räume für Studien etc.), müssen in ihnen einen weitaus größeren Raum einnehmen. Einen wichtigen Raum in der Erziehung der Kinder des Schulalters sollen Reisen einnehmen, um [die Kinder] mit den verschiedenartigen Natur- und Lebensbedingungen des weiten Territoriums unserer Union (und vielleicht auch anderer sozialistischer Sowjetstaaten, falls die sozialistische Revolution bis dahin auch in anderen Ländern durchgeführt sein wird) vertraut zu machen. Die
"Schulstädte" können ebenso wie die
"Kinderstädte" manchmal fernab von den allgemeinen Ansiedlungen sozialistischen Typs, in speziell ausgewählten, hierfür am besten geeigneten Gegenden organisiert werden.
d) Die Ausbildung der Heranwachsenden
Die höhere Bildung der Heranwachsenden (im Alter von 16/17 bis 20/2 1 Jahren) schließlich muß bereits in engster Weise mit der Produktion und den wissenschaftlichen Instituten und Laboratorien, die ihrerseits untrennbar mit der industriellen und landwirtschaftlichen Produktion verbunden sein werden, verflochten sein. Deshalb müssen die Heranwachsenden gemeinsam mit den erwachsenen Werktätigen in den allgemeinen sozialistischen Ansiedlungen leben. Sie werden bereits in gewissem Maß am Produktionsprozeß teilnehmen, aber der Schwerpunkt ihrer Arbeit wird noch auf dem Gebiet des theoretischen und praktischen Studiums der entsprechenden Disziplinen und der praktischen Vorbereitung zur Arbeit liegen ...
47. Dokument 32: Klaus Mehnert: Jugend- und Arbeitskommunen
[aus: Altrichter/Haumann (Hg.):Die Sowjetunion. Band 2: Wirtschaft und Gesellschaft, München 1987, S. 300 - 303]
Eine bedeutende Rolle spielte in jener Zeit die Errichtung von Kommunen. - Viel Geld und Energie wurde darauf verwandt, in solchen Wohnheimen Jugendlicher die kommunistische Form des Gemeinschaftslebens zu verwirklichen. Heute sind diese Bestrebungen in den Hintergrund gerückt. Man ist nüchterner geworden. Man gibt offen zu, daß es wenig Sinn hat, jetzt schon auf kleinen Inseln das letzte Stadium der sozialen Entwicklung, den Kommunismus, vorwegzunehmen, während ringsherum das ganze Land sich noch in der Liquidation des NEP, in den allerersten Anfängen des Sozialismus befindet. Die Schaffung von Kommunen ist trotz des großen Eifers, mit dem man sie betrieb, mehr eine Verlegenheitsaufgabe gewesen. Deren bedarf es heute nicht mehr.
Seit dem Herbst 1928 hat der Komsomol ebenso wie das ganze russische Volk eine höchst konkrete und eindeutige Aufgabe, die die Anspannung aller seiner Kräfte fordert - die Erfüllung des Fünfjahrplans. In diesem jüngsten Stadium des sozialistischen Aufbaues fällt der Jugend eine besondere Rolle zu, und das Gigantische des Unternehmens, das Militärische seiner Ausführung, kommt dem Wesen der Jugend stark entgegen. Die Idee der Planwirtschaft, der Gedanke, in einem Jahrfünft die technische Entwicklung dcs kapitalistischen Westens
"einzuholen und zu überholen", der Wille zur Autarkie, zur Unabhängigkeit vom Ausland, berauschte die darbenden Massen. Gleichsam als wäre der Anschluß an den Bürgerkrieg aufs neue gefunden, so verschwand die unheroische Bürgerlichkeit der NEP-Zeit. Die Traditionen des Bürgerkrieges, Kampflust und kriegerische Stimmung, flammten wieder auf. Das Graue, Alltägliche, Unheldische ... das in Rußland in unzähligen Komsomolzen den Eindruck erweckt hatte, man habe im NEP die Ideale der Revolution verraten, das war mit dem Beginn des Fünfjahrplans endgültig überwunden. Alle schlummernden Kräfte wurden zu neuem Leben erweckt, und als ich in jenem ersten Jahr der
"Pjatiletka" durch die Sowjetunion fuhr, war jede einzelne Phase des staatlichen, wirtschaftlichen und auch persönlichen Lebens bis hinein in das ferne Sibirien vom Fünfjahrplan erfüllt.
[Dabei stieg die Anziehungskraft der Kommunen noch einmal an, wie ein Beispiel von 1930 zeigt:]
Ein stetiges Wachstum der Jugendkommunen ist offensichtlich. Die Zahl ihrer Mitgliedcr hat schon eine sechsstellige Ziffer erreicht, allein in Leningrad leben gegen 10.000 Studenten kollektiviert. Von wesentlich größerer Bcdcutung für die gegenwärtige Entwicklung in der Sowjetunion als die Studentenkommunen sind die Kommunen, die sich an den industriellen Werken bilden. Auch hier ein Beispiel:
Auf einer Dampfmühle im Nordkaukasus arbeitete ein junger Bursche, Sorokin. Aus den Zeitungen las er vom Bau des
"Autostroj", der Automobilfabrik der Sowjetunion. Der Wunsch erwachte in ihm, dort mitzuarbeiten. Er besuchte in der nächsten Stadt technische Kurse und organisierte unter den Studenten eine Stoßbrigade. Nach Kursschluß meldeten sich alle zweiundvierzig Absolventen, angesteckt von dem Enthusiasmus Sorokins, zum Autostroj. Am 18. Mai 1930 trafen sie ein. Zweiundzwanzig unter ihnen bildeten unter der Führung von Sorokin eine Arbeitskommune, jeder gab seinen Lohn in eine gemeinsame Kasse, aus der alle Ausgaben bestritten wurden. Es war eine ausgesprochene Jugendkommune, niemand war über zweiundzwanzig Jahre alt. Achtzehn gehörten dem Komsomol an, einer der Partei, drei waren parteilos.
Der jugendliche Enthusiasmus, mit dem sie sich an die Arbeit machten, ihr Ehrgeiz und ihre Unermüdlichkeit fielen bald den anderen Arbeitern auf die Nerven. Auch der Direktor schikanierte sie und hetzte sie überall herum, statt sie, wie es ihr Wunsch war, an einer einzigen Stelle geschlossen einzusetzen. Da gelang es Sorokin, die Absetzung des Direktors durchzudrücken. Der Nachfolger hatte mehr Verständnis für die Kommune.
Sofort meldete sie sich auf einen besonders schwierigen Posten, an dem der Plan nur zu 30 Prozent erfüllt war. Ein Sumpfgelände mußte trockengelegt werden. Sie arbeitete bis an die Knie im Wasser stehend. Vier Kommunarden, darunter die einzige Frau der Kommune, traten aus, sie waren den Strapazen nicht gewachsen. Die achtzehn Übriggebliebenen aber hatten sich zu einer festen, kampffrohen Schar zusammengeschweißt und arbeiteten wie die Wilden. Es herrschte unter ihnen eine eiserne Disziplin. Sie beschlossen sogar, jeden, der länger als zwei Stunden die Arbeit versäumt, aus der Kommune zu werfen. Ein Kommunarde, der sich tatsächlich dieses Vergehens zu Schulden kommen ließ, wurde, obgleich alle ihn gern hatten, mitleidlos ausgeschlossen.
Bald war der Plan zu 200 Prozent erfüllt. Der Ruhm der Kommune Sorokin drang in die entferntesten Winkel des Werkes. Jetzt wurde sie systematisch an allen schwierigen und unbefriedigenden Punkten eingesetzt. Überall riß sie die anderen Arbeiter mit, so etwa wie einst im Kriege das Erscheinen einer ruhmgekrönten Jagdstaffel Zuversicht und Kampflust an die gefährdeten Frontabschnitte brachte. Es kam vor, daß die Kommunarden von den 24 Stunden des Tages 20 arbeiteten. Diese angespannte gemeinsame Tätigkeit schloß sie eng aneinander.
Es gelang ihnen, zwei Zelte zu beschaffen, wo sie gemeinsam wohnen und essen konnten. So entwickelten sie sich zu einer Vollkommune.
Das Beispiel zündete. Als Sorokin und seine Kameraden kamen, hatte es auf dem ganzen Werk 68 Stoßbrigaden mit 1.691 Udarniki gegeben, die einzige Kommune bildeten sie selbst.
Ein halbes Jahr später, im Herbst 1930, bestanden schon 253 Brigaden, darunter sieben Kommunen. Im Frühjahr 1931 stieg die Zahl der Stoßbrigaden weiter auf 339, die der Udarniki auf 7.023, die der Kommunen auf dreizehn. In Anerkennung seiner Verdienste erhielt der Brigadier Sorokin den Orden der Roten Fahne ...
48. Die Kollektivierung in der Landwirtschaft und die Folgen
Während die im April 1929 verabschiedete endgültige Fassung des 1. Fünfjahresplanes noch ein recht bescheidenes Kollektivierungsziel angepeilt hatte
- Ausdehnung des öffentlichen Sektors der Landwirtschaft auf 17,5 % der Ackerfläche
- und 15 % der Bruttogetreideproduktion bis 1933,
-
überbot die seit dem Sommer 1929 energisch betriebene Kollektivierungskampagne die kühnsten Erwartungen.
-
Binnen vier Monaten traten mehr Bauern den Kolchosen bei als in den vergangenen zwölf Jahren.
In einem Prawda-Artikel zum 12. Jahrestag der Oktoberrevolution schwärmte Stalin:
"Wenn die Entwicklung der Kollektiv- und Sowjetwirtschaften in einem gesteigerten Tempo weitergeht, so ist kein Grund vorhanden, daran zu zweifeln, daß unser Land in, sagen wir, drei Jahren zu einem der getreidereichsten Länder, wenn nicht zum getreidereichsten Land der Welt werden wird."
(Stalin: Werke, Bd. 12, S. 117)
- Einen kompakten Überblick über den Verlauf, Charakter und die Ergebnisse der in der Folgezeit noch rasanter vorangetriebenen Kollektivierungskampagne bietet der dokumentierte Auszug aus Richard Lorenz "Sozialgeschichte der Sowjetunion". Statistisches Material siehe dort Fußnoten 49.38 und 49.45.
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Der "beispiellose Erfolg auf dem Gebiet des kollektivwirtschaftlichen Aufbaus" - so behauptete Stalin in dem bereits zitierten Jubiläumsartikel - erkläre sich vor allem daraus, "daß die Partei die Leninsche Politik der Erziehung der Massen befolgte und die Bauernmassen durch Schaffung und Förderung der Genossenschaftsbewegung Schritt für Schritt an die Kollektiwirtschaft herangeführt hat".
In seinem 1923 verfaßten Artikel
"Über das Genossenschaftswesen" (LW 33, S. 453 - 461) entwickelt Lenin die These, daß sich, - nachdem der Staat über alle großen Produktionsmittel verfüge und die Staatsmacht in den Händen des Proletariats liege -
"unsere ganze Auffassung vom Sozialismus grundlegend geändert hat. Diese grundlegende Änderung besteht darin, daß wir früher das Schwergewicht auf den politischen Kampf, die Revolution, die Eroberung der Macht usw. legten und auch legen mußten. Heute dagegen ändert sich das Schwergewicht so weit, daß es auf friedliche organisatorische Kulturarbeit verlegt wird."
(LW 33, S. 460)
Es werden zwei Hauptaufgaben umrissen:
- die Umgestaltung des Apparates, "der absolut nichts taugt", und
- die kulturelle Arbeit für die Bauernschaft.
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"Und diese kulturelle Arbeit für die Bauernschaft verfolgt als ökonomisches Ziel den genossenschaftlichen Zusammenschluß".
- Unter diesen Voraussetzungen ist für Lenin "das einfache Wachstum der Genossenschaften mit dem Wachstum des Sozialismus identisch" (ebd).
- Als Hauptsache sieht er es an, "diesen Sozialismus praktisch so aufbauen zu lernen, daß jeder Kleinbauer an diesem Aufbau teilnehmen kann" (S. 454).
- Die NÖP wird in diesem Zusammenhang ausdrücklich als Chance, als "Fortschritt" angesehen, "als sie sich dem Niveau des allergewöhnlichsten Bauern anpaßt, als sie von ihm nichts Höheres verlangt."
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"Um aber durch die NÖP die Beteiligung ausnahmslos der gesamten Bevölkerung an den Genossenschaften herbeizuführen, dazu bedarf es einer ganzen geschichtlichen Epoche." (S. 456)
- Die Unterstützung des sozialistischen Staates für die Genossenschaften, das "neue Prinzip der Organisierung der Bevölkerung", soll im wesentlichen aus Darlehen (und anderen ökonomischen und finanziellen Privilegien) bestehen, "die, wenn auch nur um ein geringes, die Mittel übersteigen, die wir den Privatbetrieben, selbst den Betrieben der Schwerindustrie usw., als Darlehen gewähren" (S. 455).
Gerade von dieser langfristig angelegten Strategie aber hatte die KPdSU-Führung im Sommer 1929 endgültig Abschied genommen.
- Als ein Jahr zuvor - im Sommer 1928 - zutage getreten war, daß die als Notaktion zur Versorgung der Städte eingeleiteten gewaltsamen Getreidebeschaffungsmaßnahmen des Winters und Frühjahres, die "erneuten Rückfälle in außerordentliche Maßnahmen, administrative Willkür, Verletzung der revolutionären Gesetzlichkeit, Hofrevisionen, ungesetzliche Haussuchungen usw. .. die politische Lage des Landes verschlechtert und (den) Zusammenschluß zwischen Arbeiterklasse und Bauernschaft gefährdet" hatten (SW 11, S. 183), hatten Bucharin, Rykov und Tomskij eine prinzipielle Kurskorrektur, "Schritte in Richtung auf Lenins Kommunestaat" (Bucharin) und einen Äquivalententausch zwischen Stadt und Land gefordert.
- Nachdem sie im April 1929 als "rechte Opposition" ausgeschaltet worden waren, wurde hierüber (ebenso wie über die kurz vor der Ernte im Sommer 1929 dekretierte Ablieferungspflicht und die parallel eingeleitete Kollektivierungskampagne) nicht mehr öffentlich diskutiert.
Beschleunigt wurde das Kollektivierungstempo durch die Beschlüsse des ZK-Plenums vom November 1929, durch die ganze Gebiete vor die Aufgabe einer durchgehenden Kollektivierung gestellt wurden.
- Aus dieser Phase stammt Stalins Artikel "Zur Frage der Politik der Liquidierung des Kulakentums als Klasse" (21 .3.30).
- Die im Sommer 1929 einsetzende Phase der durchgängigen Kollektivierung sei nicht als Fortsetzung der alten Politik der Einschränkung der Ausbeutertendenzen des Kulakentums und der Verdrängung der kapitalistischen Tendenzen im Dorf mißzuverstehen, sondern es handle sich um eine Wendung zu einer neuen Politik der Liquidierung des Kulakentums als Klasse.
In den Herbst- und Wintermonaten 1929/30 wurde in schwindelerregendem Tempo kollektiviert.
- Während sich am 1.10.1929 7,6 % der bäuerlichen Haushalte zu Kolchosen zusammengeschlossen hatten,
- waren es am 1.3.1930 bereits 55 %!
Die oftmals gewaltsamen Kollektivierungsmethoden hatten vielerorts
- zu einer völligen Zerrüttung der landwirtschaftlichen Produktion geführt und
- in zahllosen Dörfern die Stimmung bis an den Siedepunkt angeheizt.
Um die prekäre Situation zu entschärfen, erschien in der Prawda vom 2.3.1930 Stalins Artikel
"Vor Erfolgen vom Schwindel befallen" .
- Die kollektiv-wirtschaftliche Bewegung müsse auf der Freiwilligkeit beruhen und die "Mannigfaltigkeit der Bedingungen" in den verschiedenen Regionen der Sowjetunion berücksichtigen.
- Als Organisationstypus der Kollektivwirtschaften wird das Artel propagiert (das den Kollektivbauern anders als in Kommunen u.a. das Hofland und einen Teil des Viehs zur privaten Nutzung läßt).
- Organisatorischen Niederschlag findet diese Politik in dem zur gleichen Zeit veröffentlichten Musterstatut des landwirtschaftlichen Artels vom 1.3.1930.
- Bemerkenswert an Stalins Artikel ist der Stil der Auseinandersetzung: Es werden nicht politische (Fehl-)Entscheldungen der Partei diskutiert, sondern schädliche Stimmungen sollen "entlarvt" und "ausgemerzt" werden, als deren Urheber als Linke verkappte, ominöse rechtsopportunistische Rechte ausgemacht werden.
Unmittelbares Resultat der Intervention:
- Die explosive Stimmung in den Dörfern kühlt sich ab,
- zugleich aber sinkt der Anteil der kollektivierten Haushalte
- von 55 % im März 1930
- auf 23,6 % im Juni 1930 ab.
- Klarer als sein Vorläufer von 1930 regelt das Musterstatut des landwirtschaftlichen Artels vom 17.2.1935
- die Rechte der Kolchosmitglieder auf Eigennutzung von Ackerland ("privates Hofland") und
- die ökonomischen Verpflichtungen des Artels gegenüber dem Staat.
- Das bis heute fortwirkende Dilemma der sowjetischen Landwirtschaft -
- Stagnation des vergesellschaftlichten Agrarsektors einerseits,
- individualistische Tendenzen vieler Kolchosmitglieder andererseits
- hat in dem hier festgeschriebenen Erfassungssystem (hohe Pflichtablieferungen zu einem Bruchteil der Produktionskosten etc.) seine historischen Wurzeln.
- Illustriert wird dies durch den ZK-Beschluß über "Maßnahmen zum Schutz der gemeinschaftlichen Kolchosländereien vor Verschleuderung" vom 27.5.1939.
- Durch ein verbindliches Minimum an Tagwerken versucht man Tendenzen von Kolchosmitgliedern entgegenzuwirken, sich zunehmend nur noch um ihre Eigenwirtschaften zu kümmern.
Die massive Anwendung von Zwang und Gewalt im Zusammenhang mit der Kollektivierung der Landwirtschaft wird hier nicht weiter behandelt, dazu sei auf das Kapitel über die Entwicklung des Repressionsapparates in diesem Reader verwiesen.
Im Juni 1989, Jupp
Anmerkungen:
Informationen nach: Gottfried Schramm: Industriealisierung im Eiltempo und kollektivierte Landwirtschaft unter Stalin, in: Handbuch der Geschichte Rußlands, Stuttgart 1983, S. 812
zit. nach Lorenz: Sozialgeschichte der Sowjetunion 1, S. 179 f.
Ein anschauliches Bild über die Wirkung von Stalins Artikel gibt Scholochows Roman "Neuland unterm Pflug", dessen 1. Band zunächst 1932 in Fortsetzungen in einer sowjetischen Zeitschrift erschien. Während Scholochow mit dem Putllowarbeiter Dawydow eine Figur gestaltet, die mit der neuen Aufgabe als Kolchosvorsitzender im großen und ganzen recht gut fertig wird, schildert Kopelew in "Und schuf mir einen Götzen" den weniger feinfühligen und erfolgreichen Kolchosleiter Tscherednitschenko.
49. Dokument 33: Richard Lorenz: Die Kollektivierung der Landwirtschaft
[aus: Ders.: Sozialgeschichte der Sowjetunion 1, 1917 - 1945, Frankfurt/M. 1976, S. 183 - 206]
V. Die Stalin-Ära I (1929 - 1945)
Die 1929 getroffenen Entscheidungen, die die Zukunft der sowjetischen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung bestimmten, wurden durch die vorausgegangene politische Entwicklung vorbereitet, in deren Verlauf sich sämtliche Machtfunktionen immer mehr in den Händen einer kleinen Führungsgruppe konzentrierten. Sicher war die sowjetische Führung während der zwanziger Jahre bemüht, die Tätigkeit einer Reihe politischer Institutionen und gesellschaftlicher Organisationen zu reaktivieren. So versuchte sie zunächst, das Räte-System - vor allem auf dem Lande - weiter auszubauen, wobei zahlreiche Bauern in die lokalen Verwaltungsorgane einbezogen wurden. Auch die Gewerkschaften spielten als Interessenvertretung der Arbeiterschaft eine wichtige Rolle. Die Organe der Zentralen Kontrollkommission sowie der Arbeiter- und Bauerninspektion, die 1923 zu einem einheitlichen gesellschaftlichen Kontrollsystem zusammengefaßt worden waren, bekämpften die Bürokratisierung des Partei- und Staatsapparats. Derartige Institutionen und Organisationen dienten jedoch letztlich immer nur dazu, die arbeitende Bevölkerung für eine bereits festgelegte Politik zu mobilisieren, während sie selbst keine weitergehenden Machtbefugnisse besaßen.
Auch Struktur und Funktion der Kommunistischen Partei, die allein über die Macht im Lande verfügte, hatten sich stark verändert. An die Stelle der Partei war in zunehmendem Maße der Parteiapparat getreten, der vom Zentralkomitee mit Hilfe der Kaderpolitik kontrolliert wurde. Das Zentralkomitee bestimmte weitgehend auch die Zusammensetzung der Parteitage und -konferenzen, so daß sich der bürokratische Zentralismus allmählich zum grundlegenden Strukturprinzip des gesamten Parteiaufbaus entwickelte. Bei der Lösung politischer Konflikte dominierten bereits in den zwanziger Jahren administrative Methoden. Das Zentralkomitee benutzte das Fraktionsverbot, das 1921 zur Beendigung der Gewerkschaftsdiskussion verhängt worden war , um die innerparteiliche Demokratie zunehmend einzuschränken und Ende 1927 die Linke Opposition aus der Kommunistischen Partei auszuschließen. Währenddessen gelang es Stalin, der als Generalsekretär schon 1922 - nach Lenins Worten -
"eine unermeßliche Macht in seinen Händen konzentriert" hatte , seinen persönlichen Einfluß noch bedeutend zu verstärken.
In den Jahren 1927 - 1929 konnte sich das bürokratische Regime, das sich jeder gesellschaftlichen Kontrolle entzog, endgültig etablieren. Der Widerstand, der gegen dieses Regime von der sogenannten Rechten Opposition ausging, wurde von Stalin mit Hilfe des zentralen Apparats rasch gebrochen. Der Staat dehnte seine Herrschaft durch die Übernahme neuer ökonomischer Funktionen erheblich aus. Im Zusammenhang mit der zwangsweisen Getreidebeschaffung entstand ein umfangreicher Expropriations- und Repressionsapparat, der auch die ländlichen Sowjets einschloß. Die Gewerkschaften verloren ihre relative Autonomie und dienten nun vor allem der Produktionserziehung und der Disziplinierung der Arbeiterschaft. Ähnlich wurden alle anderen politischen und wirtschaftlichen Organe in den ständig expandierenden staatlichen Verwaltungsapparat integriert, der immer mehr mit dem Parteiapparat zusammenwuchs. Auf diese Weise begann sich ein allumfassendes System außerökonomischen Zwangs herauszubilden. Die erstarkende Staatsgewalt, die sich von ihrer ursprünglichen sozialen Basis gelöst hatte und nun allen Klassen und Schichten der Bevölkerung in zunehmendem Maße als selbständige Macht gegenübertrat, vermochte willkürliche Entscheidungen zu treffen, die weder dem gesellschaftlichen Gesamtinteresse noch den besonderen Möglichkeiten entsprachen, wie sie unter den Bedingungen der Neuen Ökonomischen Politik in der Sowjetunion bestanden.
1. Der Weg zur Industriemacht
a) Die Kollektivierung der Landwirtschaft
Verlauf und Charakter der Kollektivierung
Im Sommer 1929, als sich der erbärmliche Zustand der meisten Bauernwirtschaften immer deutlicher abzeichnete, gab die sowjetische Führung ihre langfristige, an mannigfaltigen Übergangsformen orientierte Kollektivierungsstrategie auf, die sie bisher verfolgt hatte . Inzwischen hatten die Requisitioren und Repressalien, die seit dem Winter 1927/28 im Dorfe an der Tagesordnung waren, einen Prozeß der Liquidierung und Selbstliquidierung der größeren bäuerlichen Wirtschaften eingeleitet, wodurch die landwirtschaftliche Produktionsbasis immer mehr eingeschränkt wurde. Die Entwicklungsbedingungen sämtlicher Bauernwirtschaften, die bisher in irgendeiner Form Überschüsse für den Markt produziert hatten, hatten sich erheblich verschlechtert. Auch Steuererleichterungen und andere Vergünstigungen, die die Regierung im Frühjahr 1929 in verstärktem Maße noch gewahrte, blieben fast ohne Wirkung. Vor allem die Mittelbauern, die am Schicksal der größeren Betriebe sahen, welche Gefahren ein wirtschaftlicher Aufstieg mit sich brachte, zogen es vor, ihre Produktion einzuschränken oder zumindest zu stabilisieren. Zwar war es dem Staat unter großen Anstrengungen gelungen, die Lage der meisten Klein- und Zwergwirtschaften ein wenig zu verbessern; doch vermochten diese nicht das Produktionsdefizit auszugleichen, das durch den massenhaften Zusammenbruch größerer Betriebe entstanden war.
Darüber hinaus wurde durch die verstärkte staatliche Unterstützung, die die kleineren Höfe von den hohen Geld- und Naturalabgaben ausnahm und ihnen zusätzliche Hilfen gewährte, die ununterbrochene Vermehrung der allerkleinsten Wirtschaften gefördert. Auf diese Weise drohte weiten landwirtschaftlichen Regionen Ende der zwanziger Jahre die totale Verzwergung. Viele Landstücke gestatteten weder eine zweckmäßige Ausnutzung des einfachen bäuerlichen Inventars noch der eigenen Arbeitskraft.
"Durch die zunehmende Zersplitterung der bäuerlichen Parzellen wurden sie derart klein, daß nicht einmal so viel Raum blieb, um ein Huhn auslaufen lassen zu können." Der sich ausbreitende Verfalls- und Zersplitterungsprozeß, der von wachsender Unsicherheit, Rechtlosigkeit und Existenzangst auf dem Lande begleitet war, erreichte schließlich ein solches Ausmaß, daß die gesamte Landwirtschaft in eine schwere Krise geriet.
In dieser akuten Notsituation orientierte sich die sowjetische Führung nicht mehr an den konkreten Entwicklungsmöglichkeiten sowie den Einsichten der vorangegangenen Agrardebatte, sondern peitschte die Bauern in einer Art Flucht nach vorn, die Züge einer Verzweiflungsaktion trug, in die Kollektivierung hinein, um durch einen riesigen Entwicklungssprung mit einem Schlage alle wirtschaftlichen und sozialen Probleme des Landes zu lösen. Ursprünglich hoffte man, mit der Methode der gewaltsamen Kollektivierung nicht nur die totale Kontrolle über alle Nahrungsmittel- und Rohstoffressourcen zu erlangen, sondern zugleich die erweiterte Reproduktion und damit die verstärkte Akkumulationsfähigkeit der Landwirtschaft zu gewährleisten. Durch eine sprunghafte Erhöhung der Produktionsleistung sollten das bestehende Getreidedefizit beseitigt und ein Überschuß an Getreide erzielt werden.
"Und wenn die Entwicklung der Kollektiv- und Sowjetwirtschaften in einem gesteigerten Tempo weitergeht", erklärte Stalin Anfang November 1929,
"so ist kein Grund vorhanden, daran zu zweifeln, daß unser Land in, sagen wir, drei Jahren zu einem der getreidereichsten Länder, wenn nicht zum getreidereichsten Land der Welt werden wird." Zugleich sollten die wechselseitigen Beziehungen zwischen Industrie und Landwirtschaft auf eine völlig neue Grundlage gestellt werden. Wenn die Kollektivierung mit einem Schlage eine rapide Erhöhung der Produktivität ermöglichte, so konnte vor allem die Preisschere beseitigt werden, die bisher die Austauschbeziehungen zwischen Stadt und Land bestimmt und die Entwicklung des Dorfes behindert hatte. Das kollektivierte Dorf wäre nicht mehr von der allgemeinen wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung des Landes ausgeschlossen, so daß seine jahrhundertealte Rückständigkeit in kürzester Frist aufgehoben würde.
Die Kommunistische Partei verfügte jedoch weder über ein konkretes Programm noch über die erforderlichen organisatorischen Möglichkeiten, um derartige Zielsetzungen zu verwirklichen. Der Partei- und Staatsapparat war auf eine solche Aufgabe keineswegs vorbereitet. Die Partei war auf dem Lande immer noch äußerst schwach verwurzelt; auf je dreißig Dörfer und ländliche Siedlungen kam (1927) nur eine einzige Parteizelle. Zudem waren die Dorfparteizellen häufig von der Bevölkerung isoliert und vor allem nicht mit der landwirtschaftlichen Produktion verbunden. Auch die staatliche Zentralgewalt verfügte auf dem Lande nur über ein sehr weitmaschiges Verwaltungsnetz. Zwar hatte die Regierung die Verwaltungsreform inzwischen weitgehend abgeschlossen, wodurch an die Stelle der dreigliedrigen Einteilung: Amtsbezirk - Kreis - Gouvernement die zweiteilige Gliederung: Bezirk - Gebiet getreten war. Obwohl hierdurch die Dorfgemeinde stärker in das staatliche Verwaltungssystem einbezogen wurde, war dessen Einflußbereich nach wie vor gering, zumal nur selten Kommunisten an der Spitze von Dorfsowjets standen. Ende der zwanziger Jahre hatte man insgesamt etwa eine Viertelmillion städtischer Funktionäre und Arbeiter ins Dorf entsandt, die jedoch vorwiegend zur Getreidebeschaffung eingesetzt wurden; sie waren nicht mit den Problemen der bäuerlichen Arbeit vertraut und hatten vor allem keinerlei Vorstellungen vom Aufbau landwirtschaftlicher Großbetriebe. Der Versuch, das bestehende Agrarsystem mit Hilfe eines weitgehend unvorbereiteten Apparates, der sich vorwiegend aus der Stadt rekrutierte, in einer Art Blitzaktion radikal umzugestalten, trug von vornherein den Charakter politischen Abenteurertums.
Während die sowjetische Führung administrative Eingriffe in die bäuerliche Arbeits- und Lebensweise bisher abgelehnt hatte, forderte sie seit dem Sommer 1929 die regionalen und lokalen Behörden immer häufiger dazu auf, organisatorische Mittel einzusetzen, um das Kollektivierungstempo zu beschleunigen. Diese versuchten daraufhin, in Form der
"durchgängigen Kollektivierung" alle ortsansässigen Bauern (außer den Kulaken) - zunächst einzelner Dörfer und Siedlungen, später ganzer Amtsbezirke, Rayons und sogar Bezirke - zum Eintritt in die Kolchosen zu zwingen, ohne hierbei auf die besonderen lokalen Bedingungen und die unterschiedliche Situation der einzelnen sozialen Schichten Rücksicht zu nehmen. Auch die staatlichen Maschinen-Traktoren-Stationen, deren Aufbau seit dem Sommer 1929 forciert wurde, übten nun starken Druck aus, so daß sich ihre Funktion im Dorfe völlig veränderte. Selbst das Genossenschaftssystern in seiner bisherigen Form wurde aufgelöst bzw. umgestaltet, um der unmittelbaren Überleitung der Bauern in die Kolchosen zu dienen. So waren die Bauern von allen Seiten einem zunehmenden administrativen Druck ausgesetzt, wodurch der gesamte Kollektivierungsprozeß bald bürokratischen Charakter annahm.
Häufig machten die Funktionäre den Bauern übertriebene Versprechungen:
"Geht nur in die Kolchosen, man wird euch schon alles geben!" lautete die Devise. Da die Bauern aufgrund der offiziellen Propaganda vor allem die Zuteilung von Traktoren erwarteten, verschleuderten sie massenhaft Arbeitsvieh, so daß viele der neugegründeten Betriebe über keine Zugkraft verfügten. Die lokalen Partei- und Staatsorgane aber handelten in der Regel nach dem Motto
"Wer hat die meisten?", ohne sich weiter um den organisatorischen Aufbau der neuen Wirtschaften zu kümmern. So entstanden zahlreiche
"papierene Kolchosen", die nur in den Berichten der Behörden existierten. Außerdem lösten sich viele Kolchosen nach ihrer Gründung sofort wieder auf, da die Bauern an die Traditionen des Kleinbetriebs gewöhnt waren und keinerlei Vorstellungen hatten, wie die landwirtschaftliche Großproduktion zu organisieren war. Von der lokalen Administration aber konnten sie kaum Unterstützung erwarten, zumal diese selbst von der Zentrale keine konkrete Anleitung erhielt. Nach den vorliegenden Angaben schlossen sich zwar allein vom Juli bis September 1929 insgesamt mehr als 900.000 Bauernfamilien, meist aus der Dorfarmut, zu Kolchosen zusammen - das waren fast ebenso viele wie in den vergangenen zwölf Jahren zusammen. Dabei handelte es sich jedoch meist um instabile Betriebe, die über keinen festen Organisations- und Arbeitsplan verfügten und bei der geringsten Erschütterung auseinanderzufallen drohten.
Obwohl die Zentrale über die organisatorische Unfähigkeit der lokalen Behörden und der städtischen Aktivisten informiert war, trieb sie diese immer wieder dazu an, das Kollektivierungstempo zu beschleunigen. Eine besonders verhängnisvolle Rolle spielte in diesem Zusammenhang die Plenartagung des Zentralkomitees vom November 1929. Sie stellte nicht nur einzelne Dörfer und Siedlungen oder Rayons und Bezirke, sondern
"bereits ganze Gebiete vor die Aufgabe der durchgängigen Kollektivierung" . Molotov sprach sogar von einer unmittelbar bevorstehenden Kollektivierung ganzer Republiken. Er erklärte,
"daß wir bald, bereits im kommenden Jahr nicht nur über kollektivierte Gebiete, sondern auch über kollektivierte Republiken sprechen werden". Das Dorf habe sich in ein brandendes Meer verwandelt, das sich jeder planmäßigen Regulierung entziehe; es gehe jetzt darum, nicht im Rahmen eines Planjahrfünfts, sondern in Monatsfristen zu denken.
"Mehr Aufmerksamkeit für die Bedürfnisse und Aufgaben Ende 1929 und Anfang 1930 - darin besteht unsere Hauptaufgabe." Um den Mangel an moderner Technik zu mildern, beschloß die Plenartagung des Zentralkomitees den Aufbau von je zwei neuen Traktoren- und Mähdrescherwerken sowie die Erweiterung des landwirtschaftlichen Maschinenbauprogramms. Man war sich allerdings im klaren, daß die entstehenden landwirtschaftlichen Großbetriebe zunächst nur einen Bruchteil der erforderlichen maschinellen Technik erhalten konnten. Allein um die bereits bestehenden Kolchosen mit Traktoren auszurüsten, waren nach den vorliegenden Berechnungen fünf bis sechs Jahre nötig. Noch empfindlicher war der Mangel an Agrarfachleuten, zumal es an einer vorbereitenden Ausbildung gefehlt hatte. Auch die völlige Reorganisation des landwirtschaftlichen Ausbildungssystems, die das Zentralkomitee verfügte, konnte hier keine kurzfristige Abhilfe schaffen. So setzte man die Hoffnung nach wie vor auf städtische Funktionäre und Arbeiterbrigaden, die sowohl die landwirtschaftliche Großproduktion organisieren als auch politische Kontrollfunktionen im Dorfe übernehmen sollten. Außerdem beschloß die Plenartagung des Zentralkomitees, ein zentrales Volkskommissariat für die Landwirtschaft der gesamten UdSSR zu bilden, um so
"die Leitung der landwirtschaftlichen Produktion in einem einheitlichen Unionszentrum zu konzentrieren".
Im Winter 1929/30 kam es schließlich zu einem regelrechten Kollektivierungstaumel, der alle Gebiete - sowohl im europäischen als auch im asiatischen Teil der Sowjetunion - erfaßte. Es gab wohl kaum ein Dorf, das nicht in die Kollektivierungskampagne einbezogen wurde. Die sowjetische Führung mobilisierte weitere Teile des Partei- und Staatsapparats sowie der Roten Armee, um die ländlichen Behörden zu unterstützen. Außerdem wurden noch einmal 35.000 Arbeiter aufs Land geschickt. Der administrative Druck auf das Dorf erreichte jetzt seinen Höhepunkt. Sofern sich die Bauern weigerten, in die Kolchose einzutreten, drohte man ihnen, sie als Kulaken zu enteignen und als Staats- und Klassenfeinde zu behandeln.
Inzwischen hatte nach dem Abschluß der Getreidekampagne die wirtschaftliche Not auf dem Lande noch beträchtlich zugenommen. Während bislang vor allem die Dorfarmut in die Kolchosen eingetreten war, sahen nun auch viele Mittelbauern den einzigen Ausweg darin, sich registrieren zu lassen; hier schien ihnen und ihren Familien zumindest der Lebensunterhalt gesichert, den ihnen der eigene Hof immer weniger gewährte. So glich der Eintritt vieler Landwirte einer panikartigen Flucht, durch die sie sich der wirtschaftlichen Vernichtung und politischen Verfolgung zu entziehen suchten. Not und Hoffnungslosigkeit, administrativer Druck und Propaganda trieben die Bauern in solchen Massen in die Kolchosen, daß sich die Bewegung völlig überstürzte und schließlich jeder Kontrolle entglitt.
Die Kollektivierung berücksichtigte weder die konkreten ökonomischen und sozialen noch die höchst unterschiedlichen natürlichen Bedingungen des Landes. Zwar beschloß das Zentralkomitee Anfang Januar 1930, das Kollektivierungstempo nach den verschiedenen landwirtschaftlichen Zonen zu differenzieren. So sollten die wichtigsten Getreideanbaugebiete: der Nordkaukasus sowie das Untere und Mittlere Wolgagebiet, bis zum Herbst 1930 bzw. bis spätestens zum Frühjahr 1931, andere Getreideanbaugebiete wie die Ukraine, das Zentrale Schwarzerdegebiet, Sibirien, der Ural und Kazachstan bis zum Herbst 1931 bzw. bis spätestens zum Frühjahr 1932 kollektiviert werden; für die übrigen Gebiete, die die nördliche Zuschußzone und vor allem die nationalen Randrepubliken umfaßten, waren noch spätere Termine festgesetzt. Die regionalen und lokalen Behörden, die miteinander um die höchsten Prozentsätze wetteiferten, versuchten jedoch, die Kollektivierung jeweils in ihrem Bereich möglichst zuerst abzuschließen. So nahm auch die Zwangsanwendung immer schärfere Formen an. Hiervon waren die rückständigen östlichen Landesteile, wo der Widerstand gegen die Kollektivierung besonders stark war, am meisten betroffen. Schließlich sah sich selbst das Zentralkomitee veranlaßt, die dortigen Parteiorganisationen vor einem überstürzten Tempo zu warnen. Es gebe eine ganze Reihe von Gebieten, so schrieb die
Pravda Ende Februar 1930, in denen
"die für die vollständige Kollektivierung erforderlichen Voraussetzungen noch nicht herangereift sind, in denen die individuellen Ackerbau- und Viehwirtschaftsbetriebe für die Partei noch im Mittelpunkt stehen müssen, in denen die einfachsten Formen des genossenschaftlichen Zusammenschlusses der Massen, die Umstellung der Nomaden auf eine seßhafte Lebensweise auf der Tagesordnung stehen, in denen die sowjetischen Gesetze über die Einschränkung der Ausbeutung durch Kulaken und Basis bis heute noch nicht durchgeführt sind und wo diese Ausbeutung in den wildesten und barbarischsten Formen herrscht."
In der Regel überschritt die Kollektivierung alle ursprünglich gesteckten Grenzen, so daß sie für die Masse der Bauern den Charakter einer zwangsweisen Expropriation annahm, zumal sie für ihren eingebrachten Besitz keinerlei Entschädigung erhielten und auch keine höheren Arbeitseinkommen als Ausgleich erwarten konnten. Während man sich in den bisher bestehenden Kollektivwirtschaften meist auf die gemeinsame Ausführung der Feldarbeiten beschränkt hatte, ohne die individuelle Wirtschaft aufzugeben, wurde jetzt nicht nur das gesamte Land, sondern auch Gerät und Zugvieh kollektiviert. Der Mangel an Produktionsmitteln führte, wie die
Pravda schrieb
"in den jungen Kolchosen zur hundertprozentigen Vergesellschaftung der lebendigen Zugkraft und des einfachsten Inventars." Außerdem wurden - neben Wirtschaftsund Wohngebäuden sowie Saatgut und Futtermitteln - Milchkühe, Kleinvieh, Geflügel und selbst Küken einbezogen, obwohl sich die Bauern von ihrem Vieh besonders ungern trennten. In vielen Gebieten, vor allem in der Ukraine und in Sibirien, versuchte man, sofort Kommunen zu gründen, wobei der private Besitz von Vieh und Kleinvieh verboten wurde. Da die Bauern ihr Vieh vor dem Eintritt in die Kolchose häufig abschlachteten oder verkauften, erlitt die gesamte Viehwirtschaft empfindliche Verluste. Überdies fehlten für eine Kollektivierung des Viehs fast überall die materiellen und organisatorischen Voraussetzungen; in der Regel wurde es auf einem Hof oder Platz der Dorfgemeinde zusammengetrieben, wo es dann ohne Futter und Pflege einfach stehenblieb, da sich niemand mehr dafür verantwortlich fühlte.
"Unter der durchgängigen Kollektivierung leidet in erster Linie das Arbeitsvieh, für das es an Ställen und Futter fehlt", schrieb die
Pravda Anfang März 1930.
Daß die Kollektivierung auf einer zwangsweisen Expropriation, der Trennung der ländlichen Produzenten von ihren Produktionsmitteln, beruhte, wurde um so deutlicher, je mehr der betriebliche Konzentrationsprozeß auf dem Lande fortschritt. Während bis zum Sommer 1929 die kleinen Kollektivwirtschaften dominiert hatten, die im Durchschnitt 10 - 15 Höfe und eine Anbaufläche bis zu 80 Hektar umfaßten, strebte man seitdem immer größere Betriebe an, um - wie unterstellt wurde - die Vorteile der Mechanisierung und Arbeitsteilung besser nutzen zu können. So entwickelte sich schließlich im Winter 1929/30 eine regelrechte Gigantomanie. Man orientierte sich weitgehend an den staatlichen Getreidegütern, deren Betriebsgröße 40.000 - 50.000 Hektar, manchmal auch mehr betrug. Beispielsweise sahen die Richtlinien für das Gebiet der Unteren Wolga für mechanisierte Kolchosen eine Fläche von 50.000 - 70.000 Hektar und für nichtmechanisierte Kolchosen eine Fläche von 15.000 - 30.000 Hektar vor. Obwohl derartige Riesenbetriebe wieder in kleinere Produktionseinheiten aufgegliedert wurden, bedeuteten sie einen schroffen Bruch mit den bisherigen landwirtschaftlichen Arbeitsformen; sie vernichteten nicht nur die privatwirtschaftlichen Grundlagen des Dorfes, sondern zerstörten auch alle genossenschaftlichen Ansätze und bäuerlichen Kooperationsformen, die sich bislang entwickelt hatten. Selbst die Kollektivwirtschaften, die bereits früher entstanden waren, wurden wieder aufgelöst und in die neuen Großkolchosen eingegliedert. Auf diese Weise ging die Verbindung der Bauern mit dem Boden, die sich bisher noch produktionsfördernd ausgewirkt hatte, völlig verloren. Da die neuen Kolchosen von Anfang an staatlicher Reglementierung unterlagen, die sowohl ihre innere Arbeitsverfassung als auch Produktion und Absatz zu bestimmen versuchte, unterschieden sie sich in ökonomischer Hinsicht kaum von den Staatsbetrieben; ihre juristische Form als genossenschaftliche Vereinigung verdeckte lediglich die realen Eigentums- und Verfügungsverhältnisse. Die Bauern aber, die keinerlei Einfluß auf die Betriebsführung hatten, betrachteten sich als Knechte und sprachen häufig von einer
"neuen Leibeigenschaft".
Die zukünftigen Zielsetzungen der sowjetischen Agrarpolitik, wie sie sich zu Beginn der Massenkollektivierung abzeichneten, waren auf eine fortschreitende Industrialisierung der Landwirtschaft und die weitere Proletarisierung der Bauernschaft gerichtet. Sie spiegelten sich am deutlichsten in den Agrar-Industrie-Kombinaten, die zu jener Zeit projektiert und versuchsweise auch errichtet wurden. Viele regionale Plankommissionen strebten damals die Organisation solcher Riesenfabriken an, die ganze Wirtschaftsgebiete umfaßten und in denen die einzelnen Kolchosen und Sowchosen lediglich Unterabteilungen darstellten.
"Das agrar-industrielle Kombinat ist nicht einfach die Summe der zu ihm gehörenden Wirtschaften, sondern eine einheitliche Wirtschaft vom Typ eines Fabrikbetriebes", heißt es in einer zeitgenössischen Darstellung. Innerhalb solcher Kombinate wollte man vor allem Betriebe zur Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse sowie Ziegeleien, Kraftwerke und Reparaturwerkstätten errichten. Es wurde sogar vorgeschlagen, anstelle der Kolchosen und Sowchosen 5.000 - 10.000 große Agrar-Industrie-Kombinate zu gründen. Dabei war daran gedacht, die Vielzahl der kleinen Dörfer und Siedlungen später durch eine relativ geringe Anzahl großer Agrostädte zu ersetzen, in die dann die gesamte Landbevölkerung umgesiedelt werden sollte. Derartige Zielvorstellungen hatten allerdings unter den damaligen Verhältnissen, als alle erforderlichen materiellen Voraussetzungen fehlten, utopistischen Charakter.
Während die Kollektivierung in vollem Gange war, erreichte auch der Kampf gegen die Kulaken seinen Höhepunkt. Bereits seit dem Sommer 1929 waren die Kulakenwirtschaften, deren Zahl mit 1,1 Millionen beziffert wurde , dem völligen wirtschaftlichen und politischen Boykott ausgesetzt. Im Juli 1929 hatte das Zentralkomitee den Beschluß des Nordkaukasischen Regionsparteikomitees gebilligt, die Kulaken nicht in die Kolchosen aufzunehmen bzw. sie wieder auszuschließen. Die Plenartagung des Zentralkomitees vom November 1929 verallgemeinerte diese Direktive. Am 27. Dezember 1929 forderte Stalin schließlich eine energische Offensive, die zur
"Liquidierung des Kulakentums als Klasse" führen sollte. Inzwischen gab es jedoch - zumindest in den Getreideanbaugebieten - kaum noch größere bäuerliche Wirtschaften. Die schrittweise Enteignung seit dem Winter 1927/28 hatte zu einer allgemeinen Nivellierung unter der Bauernschaft geführt. Soweit das Vermögen der Kulaken nicht konfisziert worden war, hatten sie es gewöhnlich selber verschleudert. Auch die Gesetzgebung hatte dazu beigetragen, die Produktionsbasis der Kulaken immer weiter einzuschränken. Während der Getreidekampagne 1929 benutzten die Behörden die Verfügung über die allgemeine Ablieferungspflicht dazu, die Kulaken durch überhöhte Ablieferungssätze und Strafandrohungen zur Liquidation ihrer Wirtschaften zu zwingen. Bei der durchgängigen Kollektivierung fielen ihre Felder, die sich im Bereich der Dorfgemeinde befanden, an die Kolchosen. So war die Entkulakisierung praktisch bereits weitgehend abgeschlossen, als Stalin dazu aufrief,
"das Kulakentum [zu] zerschlagen und als Klasse [zu] liquidieren". Unter diesen Umständen mußte Stalins Aufforderung zu weiteren Repressalien auf dem Lande führen. Der Kampf gegen die Kulaken verwandelte sich in einen regelrechten Vernichtungsfeldzug, der zumindest teilweise mit ihrer physischen Liquidierung endete.
In der Regel wurden bei den regionalen und lokalen Parteikomitees besondere Stäbe gegründet, die die Zahl der Bauern festlegten, die jeweils unter die Enteignung fallen sollten. Entkulakisierungskommissionen, die bei den Dorfsowjets gebildet wurden, registrierten und konfiszierten das Vermögen der Kulaken und verjagten sie anschließend aus den Dörfern. Hierbei wurde jeder Widerstand mit Waffengewalt gebrochen; eine Reihe von Gebieten stand regelrecht unter Kriegsrecht. Die gesamte Entkulakisierungsaktion wurde von den Staatssicherheitsorganen kontrolliert, deren Aktivität auf dem Lande ständig zunahm. Man versuchte, die Kulaken in drei Gruppen zu unterteilen: Kulaken, die Widerstand leisteten, wurden kurzerhand erschossen oder in Konzentrationslagern zusammengefaßt, um sie von der übrigen Bevölkerung zu isolieren. Eine weitere Gruppe verbannte man in entlegene Landesteile, wo sie in der Forstwirtschaft, im Bauwesen, Bergbau oder auf Staatsgütern arbeiten mußte. Da sich solche Massendeportationen in den grausamsten Formen vollzogen, kamen viele Menschen dabei ums Leben. Eine dritte Gruppe von Kulaken schließlich erhielt nach ihrer Enteignung eine Hofstelle außerhalb des Kolchossystems zugewiesen, wo sie ohne eine ausreichende Produktionsgrundlage dahinvegetierte. Anfang Februar 1930 wurde diese allgemein übliche Praxis von der Gesetzgebung legalisiert.
Die terroristische Verfolgung der Kulaken trug wesentlich dazu bei, den Widerstand auch der übrigen Bauern gegen die Kollektivierung zu brechen. Auf dem Lande herrschten Angst und Schrecken. Jeder, der sich der Kollektivierung widersetzte, galt als
"Kulakendiener" und war von der völligen Enteignung bedroht. Die Bauernschaft war somit ganz und gar der Willkür der jeweiligen Behörden ausgeliefert, der sie sich nur durch den Eintritt in die Kolchose entziehen konnte.
Inzwischen feierte die Kollektivierungsstatistik wahre Triumphe. Nach offiziellen Angaben schlossen sich vom Oktober bis Dezember 1929 insgesamt 2,4 Millionen Bauernhöfe zu Kolchosen zusammen; das bedeutete im Durchschnitt fast 30.000 pro Tag. Das Kollektivierungstempo stieg jetzt von Monat zu Monat; so wurden im Januar 1930 fast 3 Millionen und im Februar etwa 7 Millionen Höfe neu registriert. Während die Kollektivierung im Oktober 1929 erst 76 Prozent der Bauernwirtschaften erfaßt hatte, waren es Mitte Dezember ca. 20 Prozent, am 20. Februar 1930 bereits 50 Prozent und am 10. März 58 Prozent. Die offizielle Propaganda erweckte den Eindruck, als habe die russische Bauernschaft in einem großen Sprung die sozialistische Revolution nachgeholt. Anfang März 1930 erklärte Stalin,
"daß die grundlegende Wende des Dorfes zum Sozialismus schon als gesichert betrachtet werden kann".
De facto herrschten zu jener Zeit auf dem Lande katastrophale Zustände. Die gewaltsame Kollektivierung bewirkte innerhalb weniger Monate die völlige Zerrüttung der landwirtschaftlichen Produktion. Mit Hilfe von Massenzwang, der in der Vernichtungsaktion gegen die Kulaken gipfelte, gelang es zwar, die alten wirtschaftlichen Grundlagen des Dorfes zu zerstören, nicht aber, eine neue Produktionsgrundlage zu schaffen. Soweit sich die neugebildeten Kolchosen nicht einfach wieder auflösten, waren sie infolge ihrer organisatorischen Schwäche zumeist nicht arbeitsfähig. Die restlichen bäuerlichen Einzelwirtschaften aber waren dem endgültigen Verfall preisgegeben. Unter den Bauern innerhalb und außerhalb der Kolchosen - herrschten Verbitterung und Empörung, die sich in der Regel in passivem Widerstand gegenüber allen behördlichen Anordnungen, manchmal aber auch in offenen Rebellionen äußerten. Die kollektivwirtschaftliche Bewegung war vollkommen diskreditiert. Es zeichnete sich die Gefahr ab, daß die Felder im Frühjahr unbestellt blieben. Die sowjetische Führung mußte daher versuchen, um jeden Preis zumindest zeitweilig eine Verständigung mit der Bauernschaft zu erzielen.
Angesichts der gefährdeten Frühjahrsbestellung veröffentlichte Stalin am 2. März 1930 den Artikel
Vor Erfolgen von Schwindel befallen, in dem er die zwangsweise Kollektivierung nun plötzlich scharf verurteilte. Wenig später forderte das Zentralkomitee die ländlichen Parteiorganisationen auf, jede Zwangsanwendung einzustellen; zugleich kritisierte es die Funktionäre, die sich
"der Bevölkerung gegenüber grob, unanständig, verbrecherisch verhalten (Plünderung, Aufteilung des Besitzes, Verhaftung von Mittelbauern und selbst armen Bauern usw.)". Um die Versorgung der Bevölkerung nicht noch mehr zu verschlechtern, revidierte man auch die Haltung gegenüber dem Markthandel.
"Die Schließung der Märkte ist zu verbieten", hieß es in der Direktive des Zentralkomitees,
"die Basare sind wieder zu eröffnen, und der Verkauf von Lebensmitteln auf dem Markt durch Bauern, darunter von Kolchosmitgliedern, ist nicht zu beschränken", Für die bisherige Fehlentwicklung wurden kurzerhand die lokalen Partei- und Staatsorgane verantwortlich gemacht. Mitglieder des Politbüros reisten an Ort und Stelle und wechselten die Leitungen einer Reihe von Gebiets- und Regionsparteiorganisationen aus. Im Rahmen einer Parteisäuberung wurden auf dem Lande massenhaft Funktionäre und Mitglieder ausgeschlossen und Repressalien ausgesetzt. Eine solche bürokratische Form der Korrektur, durch die sich die zentrale Führung ihrer Verantwortung zu entziehen suchte, konnte allerdings die Verwirrung und Orientierungslosigkeit innerhalb der Partei nur verstärken.
Die Bauern aber verstanden die öffentliche Kritik an den Zwangsmaßnahmen des Partei- und Staatsapparats als Legalisierung ihrer Austrittsbestrebungen. Obwohl die Austritte in der Regel mit materiellen Verlusten verknüpft waren, nahmen sie im Frühjahr 1930 Massencharakter an.
"Die in aller Eile gebildeten Kollektivwirtschaft begannen ebenso schnell dahinzuschwinden, wie sie entstanden waren", mußte Stalin eingestehen,
"und ein Teil der Bauernschaft, der gestern noch den Kollektivwirtschaften größtes Vertrauen entgegenbrachte, begann sich von ihnen abzuwenden". Da die Kollektivierung den Bauern statt der versprochenen Vorteile neue Schwierigkeiten gebracht hatte und ihre Einkommensverhältnisse im Durchschnitt sogar zu verschlechtern drohte, wollten sie wieder ihre eigenen Felder bestellen. Trotz rasch eingeleiteter Gegenmaßnahmen lösten sich deshalb die meisten Kolchosen wieder auf. In manchen Gebieten zerfielen fast alle Betriebe, so daß die Kollektivierung ganz von vorn beginnen mußte. Anfang Mai 1930 betrug der Anteil der kollektivierten Höfe im Landesdurchschnitt nur noch 23,6 Prozent. Obwohl die Regierung den Kolchosen Anfang April besondere Vergünstigungen einräumte (zweijährige Befreiung von der Viehsteuer, zinslose Saatgutanleihen für die Frühjahrsbestellung) und erneut Tausende von Funktionären und Rotarmisten ins Dorf schickte, setzte sich die Austrittsbewegung bis zum Sommer fort, so daß im August 1930 nur noch 21,4 Prozent der Bauernwirtschaften kollektiviert waren. Aber selbst diejenigen Bauern, die in den Kolchosen verblieben waren, versuchten, sich den Feldarbeiten soweit wie möglich zu entziehen. Ganz offensichtlich war das Kolchossystem innerhalb der Bauernschaft überhaupt nicht verwurzelt.
Die Betriebe, die die Austrittsbewegung überstanden hatten, versuchte man in eine einheitliche Organisationsform zu überführen, die sich formal an das landwirtschaftliche Artel anlehnte. Ein allgemein verbindliches Musterstatut, das am 2. März 1930 veröffentlicht wurde , sah vor, daß alle bäuerlichen Landanteile zu einer einzigen Fläche zusammengelegt und die Grenzraine beseitigt wurden. Das gesamte Zugvieh, Saatgut und die wichtigsten Ackergeräte gehörten der Artelwirtschaft; dagegen blieben das Hofland, ein Teil des Milch- und Kleinviehs sowie das Geflügel in persönlichem Besitz, so daß die individuelle Wirtschaft zumindest teilweise fortgeführt werden konnte. Durch dieses Zugeständnis wollte man die Bauern im nachhinein doch noch für die Kollektivierungspolitik gewinnen. Dabei wurde die Betriebsform des Artels ohne Rücksicht auf die unterschiedlichen örtlichen Bedingungen für die ganze Landwirtschaft - mit Ausnahme einiger Randgebiete - als verbindlich erklärt. Das bedeutete, daß sowohl die noch bestehenden genossenschaftlichen Vereinigungen als auch die Kommunen aufgelöst bzw. umgebildet werden mußten. Bereits im Jahre 1930 waren 73,9 Prozent der Kolchosen Artele; in den folgenden Jahren entwickelte sich diese Form zum ausschließlichen Betriebstypus.
Nach Abschluß der Erntearbeiten und der Beschaffungskampagne versuchte die sowjetische Führung, den Kollektivierungsprozeß erneut zu beschleunigen. Zwar wurde nun die propagandistische Arbeit unter den Bauern verglichen mit den Wintermonaten erheblich verstärkt. Daneben griff man jedoch - trotz der negativen Erfahrungen - wieder auf Zwangsmittel zurück. Unter starkem administrativen Druck traten erneut Millionen Bauern in die Kolchosen ein, so daß die Zahl der kollektivierten Höfe seit Oktober 1930 wieder eine steigende Tendenz aufwies. Besonderen Repressalien waren hierbei die Bauern in der Ukraine und im Nordkaukasus ausgesetzt, wo nun auch die allerletzten Kulakenwirtschaften liquidiert wurden. Durch vielfältige Formen administrativer Einschüchterung gelang es schließlich, bis zum Mai 1931 insgesamt 52,7 Prozent aller Bauernwirtschaften in Kolchosen zusammenzufassen. Im Laufe des Jahres wurde dann die Kollektivierung der Hauptgetreideanbaugebiete: Nordkaukasus, Steppenzone der Ukraine, Krim, Unteres und Mittleres Wolgagebiet, im wesentlichen abgeschlossen. Hier hatte man inzwischen mehr als vier Fünftel der Höfe kollektiviert. Im Herbst 1931 waren 61 Prozent der Bauernwirtschaften in Kolchosen zusammengefaßt, die über drei Viertel der gesamten Anbaufläche yerfügten. Die innere Stabilität der meisten neuen Betriebe war jedoch nach wie vor sehr gering. Das zeigte sich im Winter 1931/32, als die Bauern aus Protest gegen überhöhte Abgabeverpflichtungen und Viehrequisitionen wiederum massenhaft aus den Kolchosen austraten. Erst im folgenden Sommer gelang es, die neue Austrittsbewegung aufzuhalten. Ende 1932 wurde dann ungefähr das Kollektivierungsniveau vom Vorjahr erreicht. Die sowjetische Führung erklärte die Reorganisationsperiode kurzerhand für abgeschlossen; der Sozalismus habe nun auch in der Landwirtschaft
"vollständig und unwiderruflich", gesiegt.
Ergebnisse und Folgen der Kollektivierung
Um die Jahreswende 1932/33, nach dem formalen Abschluß der Reorganisationsperiode, waren insgesamt 14,7 Millionen Bauernwirtschaften (61,5 Prozent) in 211.700 Kolchosen zusammengefaßt. Im Durchschnitt entfielen auf eine Kolchose 71 Höfe mit 434 Hektar gemeinsamer Saatfläche, 42 Rindern, 15 Schweinen sowie 54 Schafen und Ziegen. Außerdem gab es inzwischen 4.446 große Staatsgüter, zumeist sogenannte Getreidefabriken. Die Sowjetunion war damit zum Land mit den größten Agrarbetrieben der Welt geworden. Kolchosen und Sowchosen bearbeiteten zusammen knapp vier Fünftel der Gesamtanbaufläche, die von 123 Millionen Hektar im Jahre 1928 auf 134,4 Millionen Hektar im Jahre 1932 - vorab durch Neulandgewinnung im Süden und Südosten - erweitert worden war. Auch der Mechanisierungsprozeß hatte im Laufe dieser Jahre gewisse Fortschritte gemacht; die Landwirtschaft hatte 148.000 Traktoren und eine große Zahl moderner Maschinen erhalten. Außerdem waren etwa 70.000 Spezialisten und mehr als 4,5 Millionen kurzfristig ausgebildeter Fachkräfte eingesetzt worden.
Die Leistungsfähigkeit des neuen Agrarsystems, in dem die sowjetische Führung den Triumph des Sozialismus in der Landwirtschaft erblickte, entsprach allerdings keineswegs den ursprünglichen Erwartungen. Infolge schlechter Betriebsorganisation und unrationeller Wirtschaftsführung arbeiteten die meisten Kolchosen und Sowchosen äußerst unrentabel. Vor allem mangelte es an erfahrenen Betriebsleitern, die in der Lage gewesen wären, die Agrarproduktion in großem Maßstab zu organisieren. Die Bauern standen den Problemen des landwirtschaftlichen Großbetriebs immer noch ziemlich hilflos gegenüber. Die Funktionäre, Arbeiter oder Rotarmisten, die man zu Hunderttausenden aufs Land geschickt hatte, waren nicht mit den besonderen Problemen der landwirtschaftlichen Produktion vertraut, um hier wirksame Abhilfe schaffen zu können. Außerdem verhinderten fortwährende Versetzungen und eine hohe Fluktuationsquote jede kontinuierliche Arbeit. Auch die technische Ausrüstung der Kolchosen war nach wie vor äußerst mangelhaft. Obwohl die sowjetische Landmaschinenindustrie ihre Produktion inzwischen stark erweitert und auch der Import von Traktoren und landwirtschaftlichen Maschinen zugenommen hatte, war die Kollektivierung der Mechanisierung immer weiter vorausgeeilt. Den meisten Betrieben diente als technische Grundlage nach wie vor einfaches bäuerliches Inventar. Im Jahre 1932 war in den Kolchosen erst knapp ein Fünftel der grundlegenden Feldarbeiten mechanisiert. Der Einsatz der neuen Traktoren vermochte längst nicht die Einbuße an tierischer Zugkraft auszugleichen, die die Massenkollektivierung der Landwirtschaft zugefügt hatte. Da außerdem ausgebildete Traktoristen sowie Ersatzteile und Reparaturwerkstätten fehlten, wurde der vorhandene Traktorenpark nur unzureichend ausgenutzt und war überdies einem enormen Verschleiß ausgesetzt.
Inzwischen hatte die sowjetische Führung auch versucht, die innere Organisation der Kolchosen zu verbessern. Hierzu gehörten vor allem ihre Bemühungen, eine allgemeingültige Arbeits- und Einkommensverfassung einzuführen. Als grundlegende arbeitsorganisatorische Einheit innerhalb der Kolchose sollte hierbei die Produktionsbrigade fungieren, die aus einem festen Mitgliederstamm bestand, bestimmte Felder sowie Vieh und Inventar zugeteilt bekam und jeweils für einen Wirtschaftsabscbnitt verantwortlich war. Die Versuche, die Einkommensordnung zu vereinheitlichen, stießen auf besondere Schwierigkeiten. Während in manchen Betrieben bei der Verteilung der Einkünfte noch die eingebrachten Vermögensanteile zugrunde gelegt wurden, dominierte in anderen das Bedarfsprinzip, d. h. die Verteilung nach der Kopfzahl. Die Regierung propagierte dagegen als einheitliches Maß der Arbeit und der Ertragsverteilung das sogenannte Tagewerk, das sich am traditionellen bäuerlichen Arbeitstag orientierte, wobei das industrielle Akkordsystem mit einer Beteiligung am Arbeitserfolg verknüpft werden sollte. Jedes Kolchosmitglied erhielt ein Arbeitsbuch, in das die von ihm geleisteten Tagewerke eingeträgen wurden. - Zu einer gewissen Festigung der Kolchosen trug schließlich das Verbot ständiger Neuaufteilungen des Grund und Bodens bei, der von den Kolchosen bewirtschaftet wurde. Anfang September 1932 wurde jeder Kolchose der Besitz des Bodens bestätigt, der sich in ihrer Nutzung befand. Allerdings gelang es zunächst nicht, derartige Verfügungen überall in die Praxis umzusetzen. In den meisten Kolchosen herrschte um die Jahreswende 1932/33 noch eine erhebliche Desorganisation, die einen normalen Produktionsablauf verhinderte.
Vor allem war die zwangsweise Kollektivierung mit einer bedeutenden Einschränkung der landwirtschaftlichen Produktionsbasis verbunden. Sie untergrub nicht nur für viele Jahre die Bedingungen einer erweiterten Reproduktion, sondern führte darüber hinaus zu einer massenhaften Vernichtung von Produktivkräften. In zahlreichen landwirtschaftlichen Produktionszweigen lagen die Verluste während der Kollektivierung weit höher als im Bürgerkrieg. Am stärksten war die Viehwirtschaft betroffen, deren Bestände zwischen 1928 und 1932 fast auf die Hälfte zusammenschrumpften. Dabei ging die Zahl der Pferde von 32,6 auf 17,3 Millionen, die Zahl der Rinder von 58,2 auf 33,5 Millionen, die Zahl der Schweine von 19,4 auf 9,9 Millionen und die Zahl der Schafe von 97,4 auf 34 Millionen Stück zurück. Dieser Rückgang, der sich teilweise in den beiden folgenden Jahren fortsetzte, bedeutete den schwersten Rückschlag, den die Kollektivierung der Landwirtschaft zufügte. Die Produktion tierischer Erzeugnisse, die im Jahre 1928 den Stand von 1913 um 37 Prozent übertroffen hatte, erreichte 1932 nur noch 75 Prozent des Vorkriegsniveaus (1933: 65 Prozent, 1934: 72 Prozent). Aber auch der Getreideanbau, dessen Verbesserung das Hauptziel der Kollektivierung bildete, war gegenüber den vorangegangenen Jahren zurückgegangen. Obwohl die Anbaufläche inzwischen von 92,2 Millionen Hektar auf 99,6 Millionen Hektar erweitert worden war, betrug die Getreideernte, deren Umfang im Jahre 1928 730,725 Millionen Doppelzentner erreicht hatte, 1931 nur 68o Millionen und 1932 lediglich 671 Millionen Doppelzentner. In den beiden folgenden Jahren waren die Ergebnisse noch geringer. Trotz großbetrieblicher Wirtschaftsweise und teilweiser Mechanisierung lagen die Erträge nicht nur unter dem Ernteniveau zur Zeit der Neuen Ökonomischen Politik, sondern sogar unter dem extrem niedrigen Vorkriegsstand. Besonders kümmerlich fiel die Getreideernte in den südlichen und südöstlichen Gebieten aus, wo sich die Kollektivierung in besonders rücksichtslosen Formen vollzogen hatte. Sowohl der produktive Verbrauch (Saatgut, Viehfutter) als auch der Verbrauch der Bevölkerung waren erheblich gesunken, zumal Anfang der dreißiger Jahre der Getreideexport forciert wurde. Hierunter hatte am meisten die landwirtschaftliche Bevölkerung selbst zu leiden, deren Verbrauch von 312,22 Millionen Doppelzentnern im Jahre 1928 auf 260 Millionen Doppelzentner im Jahre 1932 absank. Außerdem waren die Getreidevorräte der Landwirtschaft inzwischen derart geschrumpft, daß bei einer eventuellen Mißernte mit einer Hungerkatastrophe gerechnet werden mußte. Eine Ausnahme im allgemeinen Stagnations- und Verfallsprozeß bildete lediglich der Anbau einiger wichtiger technischer Kulturen, der auch während der landwirtschaftlichen Reorganisationsperiode weiter zunahm. Schließlich zerstörte die gewaltsame Kollektivierung auch weitgehend die traditionelle Dorfindustrie und das ländliche Heimgewerbe, die besonders in denjenigen Gebieten eine wichtige Rolle gespielt hatten, wo technische Kulturen wie Flachs, Hanf oder Baumwolle erzeugt wurden. Damit gingen zugleich die bäuerlichen Handfertigkeiten verloren, die bisher der industriellen Vorbereitung der Arbeitskräfte gedient hatten.
Im Gesamtergebnis führte die zwangsweise Kollektivierung zu einer katastrophalen Zerrüttung des landwirtschaftlichen Produktionsprozesses, durch den die Leistungsfähigkeit der Landwirtschaft noch unter das Niveau des primitiven kleinbäuerlichen Betriebs herabgedrückt wurde. Selbst das extrem niedrige Produktionsergebnis aber konnte nur unter großen Anstrengungen, mit Hilfe enormer Aufwendungen und unter Einsatz eines riesigen administrativen Apparates erzielt werden. Während die Landwirtschaft bisher im wesentlichen selbständig produziert und der Staat sich auf die Verbesserung der allgemeinen Rahmenbedingungen sowie die Anwendung indirekter ökonomischer Hebel beschränkt hatte, versuchte dieser jetzt, den gesamten landwirtschaftlichen Produktions- und Distributionsprozeß unmittelbar selbst zu organisieren. Das bestehende industrielle Leitungs- und Verwaltungssystem wurde so gleichsam auf die Landwirtschaft übertragen. Ins Dorf ergoß sich eine Flut von Anordnungen und Verfügungen, die auch die einfachsten Arbeitsvorgänge zu reglementieren versuchten. Obwohl die Bauern selbst am besten wußten, wann sie zu säen und zu ernten oder wie sie ein Pferd zu füttern hatten, mußten sie jetzt bei alledem eine Unzahl detaillierter Vorschriften beachten. Ihr Protest gegen das starre Reglement aber blieb wirkungslos. Je stärker der bäuerliche Widerstand war, um so mehr häuften sich die bürokratischen Eingriffe, so daß sich auf diese Weise ein regelrechter Teufelskreis herausbildete. Die kollektivierte Landwirtschaft war nur noch mit Hilfe eines ständig expandierenden Apparats in Gang zu halten, dessen finanzieller Unterhalt immer mehr Mittel verschlang, so daß sich die Produktionskosten ständig erhöhten. Dabei wurde der innere Leitungs- und Verwaltungsapparat der Kolchosen, zu dem Betriebsvorsitzende, Brigadiere, Wirtschsaftsheiter, Buchhalter, Rechnungsführer, Lagerverwalter, Wiegemeister, Sekretäre u. a. gehörten, von einem äußeren Apparat kontrolliert, der hierarchisch aufgebaut und nach dem Prinzip des bürokratischen Zentralismus organisiert war.
Ein solches bürokratisches Verwaltungssystem war nicht nur ungeheuer schwerfällig und kostspielig, es erstickte auch jede Eigeninitiative und erzog zu völliger Verantwortungslosigkeit, zumal die Kolchosbauern auch vom innerbetrieblichen Entscheidungsprozeß ausgeschlossen waren und den Anordnungen vom Staat eingesetzter Betriebsleiter Folge leisten mußten. Seit die Bauern eine aufgezwungene Arbeit verrichteten, wurden die Felder im Frühjahr und Herbst gewöhnlich so spät besät, daß sie oft nicht mehr abgeerntet werden konnten. Da die Zentralverwaltung nicht mit den vielfältigen landwirtschaftlichen Bedingungen vertraut war, kam es immer wieder zu Fehlanordnungen, die die lokalen Behörden jedoch nicht zu korrigieren wagten.
"Wenn befohlen wird, am 1. Juli mit der Ernte zu beginnen, so wird dieser Befehl ausgeführt, auch wenn das Getreide noch grün ist und der Betriebsleiter überzeugt ist, daß das Korn nachher verdirbt." So verursachten die administrativen Eingriffe der Zentrale hohe Verluste, durch die sich die Situation auf dem Lande weiter verschlimmerte.
Auch die Schwierigkeiten bei der Erfassung und Verteilung der Agrarerzeugnisse hatten sich - entgegen allen Erwartungen - zunächst erheblich verschärft. Mit der wachsenden Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage hatte sich vor allem der Kampf ums Getreide weiter zugespitzt. Da die Agrarproduktion gerade in jenen Jahren zurückging, in denen der industrielle Aufbau besonders intensiviert wurde und der Bedarf an Nahrungsmitteln und Rohstoffen außerordentlich anstieg, versuchte der Staat, mit allen Mitteln die Beschaffungsergebnisse zu maximieren. Er bot jedoch den Bauern kaum noch eine Gegenleistung an. Die Folge war eine verschärfte Zwangsanwendung, die auch militärische Gewalt einschloß. In der Regel wurde das Getreide von den Behörden unmittelbar nach dem Drusch beschlagnahmt. Während die Kolchosen und Sowchosen ursprünglich nur ihre Überschüsse abliefern mußten, forderte der Staat jetzt immer häufiger die Abgabe der gesamten Produktion, ohne den Betrieben ausreichend Saat- und Futtergetreide oder wenigstens ein Minimum zur Versorgung ihrer eigenen Mitglieder zu belassen. Oft mußten die Bauern selbst die geringfügige Getreidemenge wieder zurückgeben, die sie als Entgelt für geleistete Tagewerke erhalten hatten. Die Kolchosen, die versuchten, ein wenig Getreide für den Eigenverbrauch ihrer Mitglieder und die Fütterung oder als Reserve für besondere Notfälle zurückzuhalten, gerieten hierdurch immer stärker in Konflikt mit den Interessen der Staatsgewalt. Der Gegensatz zwischen Staat und individueller Bauernschaft, der sich bereits Ende der zwanziger Jahre herausgebildet hatte, verwandelte sich darüber in einen Gegensatz zwischen Staat und kollektivierter Bauernschaft. Dieser Konflikt barg auch für den Partei- und Staatsapparat ein erhebliches Risiko, falls es den Bauern gelingen sollte, die Kolchosen als Organisationsform zur Verteidigung der eigenen Interessen einzusetzen.
Während nach der klimatisch bedingten Rekordernte von 1930, die alle vorangegangenen Ernteergebnisse übertraf, den Bauern trotz hoher Beschaffungsquoten in der Regel ein Rest Getreide für die eigene Ernährung geblieben war, hatte die Mißernte im darauf folgenden Jahr verheerende Auswirkungen. Obwohl das Ernteergebnis niedriger lag, setzte der Staat die Beschaffungssätze hinauf, so daß den Kolchosen weder ein Futter- und Reservefonds, noch ein Minimum für Ernährungszwecke verblieb. Dadurch nahmen die Versorgungsschwierigkeiten in vielen landwirtschaftlichen Regionen weiter zu, und bereits im Winter 1931/32 herrschte in manchen Gebieten der Sowjetunion eine regelrechte Hungersnot. Auch der Kolchoshandel, den die Regierung im Mai 1932 legalisierte, brachte keine wesentliche Besserung, da die Bauern kaum noch über Vorräte verfügten, die sie zu freien Preisen verkaufen konnten. Durch die allgemeine Verschlechterung der Lebensverhältnisse verwandelte sich die Bauernschaft nun endgültig in einen Gegner des Kolchossystems. Ihre ablehnende Haltung kam vor allem in passivem Widerstand gegenüber den behördlichen Anordnungen und im Rückgang ihrer Arbeitsleistungen zum Ausdruck; sie schränkten die Feldarbeiten ein und ließen Vieh verhungern. Im Sommer 1932 befand sich ein großer Teil der Kolchosfelder in einem geradezu verwilderten Zustand. Obwohl die Bauern Hunger litten, weigerten sie sich, die Ernte einzubringen, da sie ihnen vom Staat ja doch wieder fortgenommen würde. In vielen Gebieten mußte man die Bauern mit Waffengewalt zu den Erntearbeiten zwingen. Um das gesamte Getreide für den Staat sicherzustellen, wurde am 7. August 1932 ein besonderes Gesetz erlassen, das jeden, der sich Getreide für den Eigenverbrauch nahm, mit Gefängnisstrafe oder Erschießen bedrohte.
So erreichte der Kampf ums Getreide im Jahre 1932 seinen Höhepunkt, wobei sich zugleich der Gegensatz zwischen Staatsgewalt und Bauernschaft aufs äußerste zuspitzte. Die Bauern kämpften um ein letztes Stück Brot, um nicht zu verhungern. In einer Reihe von Getreideanbaugebieten leisteten sie aktiven Widerstand gegen die staatlichen Beschaffungsorgane, wobei sie in der Regel von den Kolchosfunktionären unterstützt wurden. Auch in den Nomaden- und Halbnomadengebieten im Osten des Landes - vorab in Kazachstan - kam es zu jener Zeit zwischen der Bevölkerung und den Staatsorganen zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Die sowjetische Führung antwortete auf solche Widerstandsaktionen mit Massenrepressalien; Ende November 1932 forderte Stalin einen
"vernichtenden Schlag" gegen alle Kolchosen, die sich gegen die Interessen der Staatsgewalt stellten. In den Nordkaukasus und die Ukraine wurden Strafexpeditionen unternommen; die Sicherheitsorgane nahmen zahlreiche Verhaftungen, Aussiedlungen und Erschießungen vor; viele landwirtschaftliche Betriebe wurden hierbei regelrecht verwüstet. Um eine vermehrte Getreideerfassung zu erzwingen, bezog man den staatlichen Beschaffungsapparat sowie die lokalen Partei- und Staatsorgane in die Repressalien ein; in manchen Gebieten wurde die Hälfte der Parteimitglieder ausgeschlossen. Die sowjetische Führung ahndete nun jeden Widerstand gegen die staatlichen Requisitionen als
"Kulakensabotage". Da es inzwischen aber keine Kulaken mehr gab, wurde der Begriff
"Kulakendiener" auf alle diejenigen ausgedehnt, die die staatlichen Direktiven nicht aktiv unterstützten. In diesem Zusammenhang veranstaltete man sogenannte Schädlingsprozesse, in denen zahlreiche führende Spezialisten und Funktionäre der Sabotage der Lebensmittelversorgung beschuldigt wurden. Auf diese Weise versuchte die sowjetische Führung, Sündenböcke für die Fehlschläge der Kollektivierung zu finden und zugleich die wachsende Unzufriedenheit unter der Bevölkerung abzufangen.
Während es mit Hilfe äußerster Gewaltanwendung gelang, den Minimalbedarf der städtischen Bevölkerung an Brotgetreide einigermaßen zu decken und darüber hinaus noch 1,8 Millionen Tonnen Exportgetreide bereitzustellen, brach im Winter 1932/33 in weiten Teilen der Sowjetunion eine Hungersnot aus, die Millionen Opfer forderte. In erster Linie waren ehemalige landwirtschaftliche Überschußgebiete wie die Ukraine, der Nordkaukasus und das Gebiet der Unteren Wolga betroffen, wo Kollektivierung und Beschaffungskampagne besonders brutale Formen angenommen hatten. Hier verhungerten die Menschen massenweise.
"Die Männer starben zuerst, dann die Kinder, schließlich die Frauen", heißt es in einem literarischen Bericht. Die Viehwirtschaft wurde in diesen Gebieten fast völlig zugrunde gerichtet. Auf der Suche nach Arbeit und Brot verließen die Bauern scharenweise ihre Heimatdörfer, so daß ganze Landstriche verödeten und die Grundlagen der Landwirtschaft vernichtet wurden. Eisenbahnen, Straßen und andere Transportwege waren von Menschen überfüllt, die in die Städte gelangen wollten, um sich dort vor dem Hunger zu retten. Die überlebenden Bauern wurden mit Waffengewalt zu den Feldarbeiten gezwungen, wobei man sie häufig selbst in die Ackergeräte einspannte. Schließlich zwang auch die Disziplin des Hungers zur Arbeit. Nachdem der Staat in der Regel das gesamte Getreide beschlagnahmt hatte, erhielten die Kolchosmitghieder in Gestalt einer sogenannten Hungerhilfe von Tag zu Tag einen gering bemessenen Naturalvorschuß, mit dem sie sich am Leben erhalten konnten. So gelang es, die Bauern trotz zunehmender physischer Entkräftung zu erhöhten Arbeitsleistungen zu zwingen. Mit Hilfe der Hungerpeitsche wurde auf diese Weise sogar eine gewisse Konsolidierung des Kolchossystems erreicht.
Im übrigen versuchte die sowjetische Führung, eine elementare Arbeitsdisziplin mittels drakonischer Strafen durchzusetzen. Wer sich weigerte, eine ihm übertragene Arbeit auszuführen, wurde nach einer Verfügung vom 30. Januar 1933 mit dem Abzug von fünf Tagewerken bestraft und im Wiederholungsfall aus der Kolchose ausgeschlossen. Da ein ausgeschlossenes Kolchosmitglied kaum noch eine Existenzgrundlage auf dem Lande fand und ihm - infolge des Ende 1932 wiedereingeführten Paßsystems - auch die Städte und Industriegebiete verschlossen blieben, konnte es sich seinem Los in der Kolchose nicht entziehen. Auch mangelhafte Arbeit und fehlerhafte Buch- und Rechnungsführung sowie falsche bzw. ungenaue Angaben über die Ernteergebnisse oder ähnliche Nachlässigkeiten wurden nun als Diebstahl und Veruntreuung des Kolchoseigentums nach dem Gesetz vom 7. August 1932 bestraft. Um die gesamte Landwirtschaft noch stärker der zentralen Kontrolle zu unterwerfen, beschloß die sowjetische Führung die Errichtung eines neuen politisch-organisatorischen Apparats. Seit Anfang 1933 wurden bei den Maschinen-Traktoren-Stationen und den Sowchosen - vorab in den Getreideanbaugebieten - zeitweilig besondere Politische Abteilungen eingerichtet. Ihre wichtigsten Aufgaben bestanden darin, nachlässige und mangelhafte Arbeit als konterrevolutionäre Sabotage zu verfolgen, in allen Kolchosen
"Schädlingselemente" aufzuspüren und dabei den bestehenden landwirtschaftlichen Leitungs- und Kontrollapparat einer politischen Säuberung zu unterziehen. Sie wurden hierbei von den Organen des Sicherheitsdienstes unterstützt, die inzwischen eine zentrale Rolle im Dorfe spielten. Die gesamte Landwirtschaft sah sich so in eine Art Belagerungszustand versetzt; ihre innere Verfassung glich immer mehr einem riesigen Zwangsarbeitslager.
Anmerkungen: (der Eindeutigkeit im Gesamt-html-file wegen sind die Originalfussnotenziffern mit der Kapitelnummer (hier: 49) indiziert)
R. A. Medwedew, Die Wahrheit ist unsere Stärke. Geschichte und Folgen des Stalinismus. Frankfurt/M. 1973, S. 43 ff; 0. A. Narciewicz, The making of the Soviet state apparatus. Manchester 1970.
Diese Entwicklung wurde am deutlichsten von der Linken Opposition beschrieben. Die linke Opposition in der Sowjetunion; Deutscher, ´Trotzki´, Bd. 2; Daniels, Das Gewissen der Revolution; H. Brahm, Trockijs Kampf um die Nachfolge Lenins 1923 - 1926. Köln 1964; V. M. Ivanov, Leninizm i idejno-politiceskij razgrom trockizma. Leningrad 1970. Partija i oppozicija nakanune XV s-ezda V. P. K. (b). Sbornik diskussionnych materialov. Moskau/Leningrad 1928.
In der Gewerkschaftsdiskussion, die sich im Winter 1920/21 innerhalb der Kommunistischen Partei entwickelte, wurden vor allem unterschiedliche Auffassungen über die Rolle der Gewerkschaften in der sozialistischen Übergangsperiode vertreten. Der X. Parteitag im März 1921 nahm eine von Lenin vorgeschlagene Resolution über die Einheit der Partei an, in der es hieß: "Der Parteitag ordnet an, ausnahmslos alle Gruppen, die sich auf der einen oder anderen Plattform gebildet haben, unverzüglich aufzulösen, und beauftragt alle Organisationen, strengstens darüber zu wachen, daß keinerlei fraktionelle Handlungen zugelassen werden. Die Nichtausführung dieses Parteibeschlusses hat unbedingt und sofort den Ausschluß aus der Partei nach sich zu ziehen." KPSS v rezoljucijach i resenijach, Bd. 2, S. 220. Zugleich sollten jedoch der starre Zentralismus sowie die bürokratischen Leitungsformen beseitigt und die innerparteiliche Demokratie gefördert werden. So forderte der X. Parteitag "Methoden der umfassenden Erörterung aller wichtigen Fragen, die Diskussion über diese Fragen bei voller Freiheit der innerparteilichen Kritik, die Methoden der kollektiven Ausarbeitung der für die ganze Partei geltenden Beschlüsse ..." Ebenda, S. 250.
Lenin, Werke, Bd. 36, S. 577
Lewin, Russian Peasant and Soviet Power; ders., The immediate Background; 0. Schiller, Das Agrarsystem der Sowjetunion. Tübingen 1960; ders., Die Kollektivbewegung; N. Jasny, The Socialized Agriculture of the IJSSR. Plans and Performance. Stanford/Calif. 1949; Miller, One hundred thousand Tractors; B. Kerblay, Les marchs paysans en U.R.S.S. Paris 1968; O6erki istorii kollektivizacii selskogo rhozjajsrva v sojuznych respublikach. Sbornik. Red. V. P. Danilov. Moskau 1963; Moäkov, Zernovaja problema; S. P. Trapeznikov, Leninizns i agrarno-krestjanskq 007 ros. 2 Bde. Moskau 1967; Kollektivizaczja selskogo chozjajstva. Vainejsie postanovlenija Kommunistiteskoj partii i Sovetskogo Pravitelstva. 1927 - 1915. Moskau 1967; Jstortja kollektivizadi selskogo chozjajstoa SSSR. Bibliografivesksj ukazatel otecestoennoj literatury. Moskau 1968; A. M. Cinvikov, Sovetskaja istoriografqa socialistiveskogo preobrazovanija selskogo chozjajstoa SSSR. 1917 1969 gg. Moskau 1971.
Stalin. Werke. Bd. 13, S. 239.
Vgl. A. Essen, Puti stroitelstva SSSR. Moskau/Leningrad 1929.
9 Moäkov, Zernovaja problema, S. 53 ff.; M. L. Bogdenko, K istorii nacalnogo
etapa splosnoj kollektivizacii, in: ´Voprosy istorii´ (1963) Nr. 5; N. A. Ivnickij, 0 nacalnom etape splosnoj kollektivizacii, in: Voprosy istorii KPSS (1966) Nr. 4.
Kolchose: russisches Kurzwort aus kollektivnoe chozjajstvo = Kollektivwirtschaft.
Bericht des Instrukteurs Baranov, zitiert bei Ivnickij, ebenda S. 64.
Bericht von Kosior, zitiert bei B. A. Abramov, Kollektioizacija selskogo
chozjajistva v RSFSR, in: Ocerki istorii kollektivizacii, S. 96.
Sdvigi v selskom chozjajistve SSSR mezdu XV i XVI partijnymi s-ezdami. Moskau 1935, S. 22 ff.
KPSS v rezoljucijach i resenijach, Bd. 4, S. 358.
V. Molotov, 0 kolchoznom dvizenii, in: Bolsevik (1929) Nr. 22, S. 12.
KPSS v rezoljucijach i resenijach, Bd. 4, S. 358.
Diese Entwicklung wird gut dargestellt in den Berichten von 0. Hoetzsch, 0. Auhagen und 0. Schiller in den Zeitschriften Osteuropa und Berichte über Landwirtschaft. Zeitschrift für Agrarpolitik und internationale Landwirtschaft. N. F. Eine Bibliographie der genannten Autoren bringt Osteuropa (1975), Nr. 8/9.
KPSS v rezoljucijach i resenijach, Bd. 4, S. 383 - 386.
Pravda vom 27. Februar 1930.
Pravda vom 11. November 1929.
Dabei wurde in der Regel das Statut für landwirtschaftliche Kommunen aus dem Jahre 1919 zugrunde gelegt, in dem es hieß:
"Derjenige, der in eine Kommune einzutreten wünscht, sagt sich von jeglichem persönlichem Eigentum los und übergibt sein Hab und Gut (bewegliches und unbewegliches Vermögen, Geld) der Kommune.
Im Leben der Kommune gelten strikt folgende Regeln:
a) alles gehört allen, und niemand kann in der Kommune etwas sein eigen nennen, mit Ausnahme der Gegenstände des persönlichen Gebrauchs;
b) jeder arbeitet in der Kommune nach Maßgabe seiner Kräfte und erhält alles Notwendige in Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Lage in der Kommune;
c) überschüssige Produkte werden nach Abdeckung aller Bedürfnisse der Kommune der gesellschaftlichen Nutzung über die örtlichen Versorgungsorgane der Sowjetmacht zur Verfügung gestellt, und zwar im Austausch gegen Artikel, die die Kommune braucht."
A. A. Bicenko, Chrestomatija spravoönik. Po istorii kollektivnogo zemledelija v SSSR za gody 1918 - 1924. Moskau 1925; ders., K voprosam teoriiistoriikollektivizacii selskogo chozajstva. Moskau 1929.
Pravda vom 25. Februar 1930.
Mit diesem Begriff mußten sich auch die Funktionäre auseinandersetzen; er wurde sogar von M. I. Kalinin aufgegriffen, in: Izvestija vom 3. März 1930.
Im Jahre 1930 gab es in der sowjetischen Landwirtschaft ungefähr 300 Agrar-Industrie-Kombinate. Vgl. hierzu A. Alov-Lapsker, Agrarno-promyslennye kombinaty. Moskau 1931; V. Batjuikov, Stroitelstvo agrarno-promyslennych kolchoznych kombinatov. Moskau 1931.
Agrarno-promysennye kombinaty Sibiri, Teil I, Novosibirsk 1930, S. 15.
Lewin, Russian Peasant and Soviet Power, S. 482; N. A. Ivnickij, Klassovaja borba v derevne i likvidacija kulacestva kak klassa (1929 - 1932 gg). Moskau 1972.
Diese Zahl orientiert sich an einer Definition der Kulakenwirtschaften, die im Beschluß des Rates der Volkskomissare vom 21. Mai 1929 enthalten ist. Danach zählten zu den Kulakenwirtschaften alle bäuerlichen Betriebe, die eines der folgenden Merkmale aufwiesen: systematische Anwendung von Lohnarbeit; Besitz einer Mühle, Olschlägerei, Graupenmühle oder eines ähnlichen industriellen Betriebes, in dem ein Verbrennungsmotor angewandt wird; systematische Ausleihe komplizierter Maschinen mit Verbrennungsmotoren gegen Bezahlung; Handel, kommerzielle Vermittlung, Wucher oder andere Einkünfte, die nicht aus eigener Arbeit stammen.
Stalin, Werke, Bd. 12, S. 147.
Ivnickij, Klassovaja borba. - Die Behörden betrachteten die Entkulakisierung zunächst gewöhnlich als Selbstzweck, wobei das wirtschaftliche und persönliche Vermögen der enteigneten Bauern - ebenso wie zur Zeit der Agrarrevolution - unter die ärmere Dorfbevölkerung aufgeteilt wurde. Dadurch nahm die Verschleuderung der landwirtschaftlichen Produktivkräfte, die die Massenkollektivierung von Anfang an begleitete, noch zu. Erst Ende Januar 1930 wies das Zentralkomitee die lokalen Parteiorganisationen auf die unterschiedlichen Ziele der Entkulakisierung während der Agrarrevolution und der Kollektivierung hin. "Wir gehen nicht zurück zur bloßen Entkulakisierung von 1918", schrieb die Pravda, "als die Wirtschaft der verstreuten einzelbäuerlichen Betriebe mit ihrer Naturalwirtschaft und kleinen Warenproduktion als breiteste Basis für die Entwicklung des Kapitalismus faktisch ganz erhalten blieb, als Produktionsmittel, Inventar und Vermögen der einen Einzelwirtschaften nur an andere übergingen. [...] Wir rotten den Kapitalismus direkt bei den Wurzeln aus, indem wir Dutzende, Hunderttausende und Millionen von einzelbäuerlichen Betrieben vergesellschaften, indem wir von der kleinen Natural- und Warenwirtschaft, die täglich im Massenumfang Kapitalismus hervorbringt, zur sozialistischen Großlandwirtschaft übergehen. Wir führen keine Aufteilung, sondern die Vergesellschaftung durch." Pravda vom 1. Februar 1930. Das Vermögen der Kulaken war jedoch bereits weitgehend aufgeteilt worden, so daß es nun den ärmeren Bauern wieder abgenommen werden mußte, um es den Kolchose, zu übereignen. Mitte 1930 betrug der Anteil des enteigneten Kulakenvermögens am Wert des Grundkapitals der bestehenden Kolchosen insgesamt 34 Prozent.
Vgl. die zentralen Presseorgane in den Wintermonaten 1929/30. Detaillierte statistische Angaben sind enthalten in: Socialisticeskoe pereustrojstvo selskogo chozjajstva SSSR mezdu XV i XVI s-ezdami VKP (b). Red. S. V. Minaev. Moskau 1930, und Sdvigi v selskom chozjajstve SSSR mezdu XV i XVI partijnymi s-ezdami.
Stalin, Werke, Bd. 12, S. 168.
KPSS v rezoljucijach i resenijach, Bd. 4, S. 397. Auch die antireligiöse Kampagne sollte eingeschränkt werden. .Die Schließung von Kirchen im administrativen, fiktiv durch öffentliche, freie Willensbekundung der Bevölkerung bemäntelten Verfahren, ist konsequent einzustellen. Die Schließung von Kirchen ist nur dann zuzulassen, wenn das wirklich der Wille der überwiegenden Mehrheit der Bauern ist, und zwar nur nach Bestätigung durch Beschluß der Tagung des Gebietsexekutivkomitees. Bei beleidigender Verletzung der religiösen Gefühle von Bauern und Bäuerinnen sind die Schuldigen strengstens zur Verantwortung zu ziehen.. Ebenda.
Stalin, Werke, Bd. 12, S. 180.
Pravda. vom a. März 1930; abgedruckt in: G. Brunner/K. Westen, Die sowjetische Kolchosordnung. Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1970, S. 524 - 129.
Im Jahre 1935, als die Kollektivierung der Landwirtschaft im wesentlichen abgeschlossen war, wurde ein neues Musterstatut für verbindlich erklärt, das - im Unterschied zum Statut vom März 1930 - genaue Bestimmungen über die Arbeitsorganisation, die Verteilung der Einkünfte und die Ordnung der Bodennutzung enthielt. Außerdem legte das neue Statut die Größe des Hoflandes und das Ausmaß des persönlichen Eigentums im einzelnen fest. Die Hoflandparzelle (Gemüseacker, Garten) durfte den Umfang von einem viertel bis halben Hektar - in manchen Gegenden von 1 Hektar - nicht überschreiten. Außerdem war der persönliche Besitz von Hausvieh und kleinem Inventar gestattet. Brunner/Westen, Die sowjetische Kolchosordnung, S. 129 - 140; Vtoroj vsesojuznyj s-ezd kolchoznikov-udarnikov. 11 - 17 fevralja 1935 g. Stenograficeskij otcet. Moskau 1935.
Bereits in einer Resolution der XVII. Parteikonferenz vom 4. Februar 1932 hieß es:
"(...) In der Landwirtschaft erfolgte ein grundlegender Umschwung, der sich in der endgültigen Hinwendung der armen und Mittelbauernmassen zum Sozialismus ausdrückt. Die vorherrschende Stellung nehmen die sozialistischen Formen der Landwirtschaft (Kolchosen und Sowchosen) ein. Die Sowjetunion verwandelte sich aus einem Land der Klein- und Kleinstlandwirtschaft in das Land der größten Landwirtschaft der Welt, die auf der Grundlage der Kollektivierung, der Entwicklung der Sowchose und der breiten Anwendung maschineller Technik beruht. Dieser Sieg des Sozialismus, der die wichtigste und schwierigste Aufgabe der proletarischen Revolution löst, ist von welthistorischer Bedeutung".
KPSSO rezoljucijach i reseniyach, Bd. 5, S. 34. Die gemeinsame Plenartagung des Zentralkomitees und der Zentralen Kontrollkommission vom Januar 1932 erklärte, daß
"die historische Aufgabe, die verstreuten kleinen, individuellen Bauernwirtschaften auf den Weg der sozialistischen Großlandwirtschaft überzuleiten, gelöst wurde und sich die UdSSR aus einem kleinen bäuerlichen Land zu dem Land der größten Landwirtschaftsbetriebe entwickelte". Ebenda, S. 68.
Sieht man von den zahlenmäßigen Schwankungen ab, die durch die beiden großen Austrittsbewegungen entstanden, so ergibt sich folgende
Tabelle: Dynamik der Kollektivierung
- | 1929 | 1930 | 1931 | 1932 | 1933 |
Zahl der Kolchosen (in tausend) | 57,0 | 85,9 | 215,5 | 211,05 | 224,5 |
Zahl der den Kolchosen
angeschlossenen Bauernhöfe
(in Millionen) | 1,0 | 6,0 | 13,0 | 14,9 | 15,2 |
Kollektivierung
der Bauernhöfe (in Prozent) | 3,9 | 23,6 | 52,7 | 61,5 | 65,0 |
Stalin, Werke, Bd. 13, S. 287.
Istorija SSSR, Bd. VIII. Moskau 1967, S. 587 ff.
Informationen, die sich auf die Auswertung der zeitgenössischen sowjetischen Presse stützen, vermittelt 0. Schiller in seinen sachkundigen Darstellungen in: Berichte über Landwirtschaft, Jg. 1929 ff.
Kollektivizacija selskogo chozjajstva, S. 379. Vgl. auch Selskochozjajstvennyj bjulleten (1931) Nr. 8, S. 23.
Istorija SSSR, Bd. VIII, S. 588. Ähnliche Angaben finden sich auch in der zeitgenössischen sowjetischen Presse; sie wurden von Stalin im Rechenschaftsbericht an den XVII. Parteitag wiedergegeben. Stalin, Werke, Bd. 13, S. 286.
Istorija SSSR, Bd. VIII, S. 594
Eine detaillierte Getreide- und Futtermittelbilarnz für die Jahre 1928 - 1932 bringt Moskov, Zernovaja problema, Anlage.
Tabelle: Getreideexport (in tsd. t)
Jahr | tsd. t |
1929 | 260,1 |
1930 | 4.631,3 |
1931 | 5.177,9 |
1932 | 1.808,1 |
V. S. Kuzmin,
Istoriceskij opyt sovetskoj industrializacii. Moskau 1969, S. 69.
Vgl. 0. Schiller, Die Krise der sozialistischen Landwirtschaft in der Sowjetunion, in: Bericht über Landwirtschaft, 79. Sonderheft. Berlin 1933.
0. Schiller, Bedeutung und Aussichten der Agrarkollektivierung, in: Berichte über Landwirtschaft, Bd. XX, hier S. 431.
Schiller, Die Krise der sozialistischen Landwirtschaft; Moskov, Zernovaja problema S. 214 ff.
0. Schiller, Probleme des Kolchoshandels, in: Osteuropa, 8.Jg, Nr. 5
Bol´sevik (1933) Nr. 1 - 2, S. 19.
Medwedew, Die Wahrheit ist unsere Stärke, S. 128 ff.; Kondratevscina Moskau 1930.
Während die sowjetische Historiographie diese Hungersnot bis heute verschweigt, gibt es darüber eine Reihe literarischer Berichte, so beispielsweise vor. M. Alekseev in: Zvezda (1964) Nr. 1 und V. Tendrjakov in: Moskva (1968) Nr.3 Eine Zusammenfassung und Auswertung westlicher Untersuchungen bringt 0. G. Dalrymple, The Soviet Famine of 1932 - 1934, in: Soviet Studies (1963/64) Nr. 3, S. 250 - 284; dies., The Soviet Famine of 1932 - 1934 some further References, ebenda (1964/65) Nr. 4, S. 471 ff. Nach dieser Auswertung sind 1932/33 etwa 5,5 Millionen Menschen an Hunger gestorben.
I. Stadjuk, Ljudi ne angely, in: Neva (1962) Nr. 12.
Das Paßsystem, das aus der Periode der Leibeigenschaft stammte, war nach der Revolution abgeschafft worden.
KPSS v rezoljucsyach i resenijach, Bd. 6, S. 210 - 215.
50. Dokument 34: Stalin: Zur Frage der Politik der Liquidierung des Kulakentums als Klasse
[Zeitungsartikel, 21.1.1930; aus: Fragen des Leninismus, Moskau 1947, S. 35x - 362]
In Nr. 16 der
Krassnaja Swesda sind in dem im allgmeinen unstreitig richtigen Artikel
"Die Liquidierung des Kulakentums als Klasse" zwei Ungenauigkeiten in den Formulierungen enthalten. Mich dünkt, daß es notwendig ist, diese Ungenauigkeiten richtigzustellen.
1. In dem Artikel heißt es:
"In der Wiederherstellungsperiode betrieben wir die Politik der Einschränkung der kapitalistischen Elemente in Stadt und Land. Mit dem Beginn der Rekonstruktionsperiode sind wir von der Politik der Einschränkung zur Politik der Verdrängung der kapitalistischen Elemente übergegangen"
Diese Behauptung ist falsch. Die Politik der Einschränkung der kapitalistischen Elemente und die Politik ihrer Verdrängung unterscheiden sich nicht voneinander. Das ist ein und dieselbe Politik. Die Verdrängung der kapitalistischen Elemente des Dorfes ist ein unvermeidliches Resultat und ein Bestandteil der Politik der Einschränkung der kapitalistischen Elemente, der Politik der Einschränkung der Ausbeutertendenzen des Kulakentums. Die Verdrängung der kapitalistischen Elemente des Dorfes ist noch keine Verdrängung des Kulakentums als Klasse. Die Verdrängung der kapitalistischen Elemente des Dorfes ist die Verdrängung und Überwindung einzelner Teile des Kulakentums, die dem Steuerdruck, die dem System der Einschränkungsmaßnahmen der Sowjetmacht nicht standgehalten haben. Es ist klar, daß die Politik der Einschränkung der Ausbeutertendenzen des Kulakentums, die Politik der Einschränkung der kapitalistischen Elemente des Dorfes notwendigerweise zur Verdrängung einzelner Teile des Kulakentums führen muß. Deshalb kann die Verdrängung einzelner Teile des Kulakentums nicht anders betrachtet werden denn als unvermeidliches Resultat und Bestandteil der Politik der Einschränkung der kapitalistischen Elemente des Dorfes.
Diese Politik wurde bei uns nicht nur in der Wiederherstellungsperiode betrieben, sondern auch in der Periode der Rekonstruktionen, auch in der Periode nach dem XV. Parteitag (Dezember 1927), auch in der Periode der XVI. Konferenz unserer Partei (April 1929) wie auch nach dieser Konferenz bis zum Sommer 1929, als bei uns die Phase der durchgängigen Kollektivierung eintrat, als der
Umschwung in der Richtung auf die Politik der
Liquidierung des Kulakentums als
Klasse eintrat.
Betrachtet man die wichtigsten Parteidokumente, sagen wir vom XIV. Parteitag im Dezember 1925 (siehe die Resolution zum Bericht des ZK) bis zur XVI. Parteikonferenz im April 1929 (siehe die Resolution
"Über die Wege zur Hebung der Landwirtschaft"), so kann man nicht umhin festzustellen, daß die These von der
"Einschränkung der Ausbeutertendenzen des Kulakentums" oder der
"Einschränkung des Wachstums des Kapitalismus im Dorfe" stets neben der These von der
"Verdrängung der kapitalistischen Elemente des Dorfes", von der
"Überwindung der kapitalistischen Elemente des Dorfes" vorkommt.
Was bedeutet das?
Das bedeutet, daß die Partei die Verdrängung der kapitalistischen Elemente des Dorfes von der Politik der Einschränkung der Ausbeutertendenzen des Kulakentums, von der Politik der Einschränkung der kapitalistischen Elemente des Dorfes
nicht trennt
Der XV. Parteitag steht, ebenso wie die XVI. Parteikonferenz, völlig auf dem Boden der Politik der
"Einschränkung der Ausbeuterbestrebungen der landwirtschaftlichen Bourgeoisie" (Resolution des XV. Parteitags
"Über die Arbeit auf dem Lande"), auf dem Boden der Politik der
"Ergreifung neuer Maßnahmen, die die Entwicklung des Kapitalismus auf dem Lande einschränken" (siehe ebenda), auf dem Boden der Politik der
"entschiedenen Einschränkung der Ausbeutertendenzen des Kulaken" (siehe die Resolution des XV. Parteitags über den Fünfjahrplan), auf dem Boden der Politik der
"Offensive gegen den Kulaken" im Sinne des
"Übergangs zu einer weiteren, systematischeren und beharrlicheren Einschränkung des Kulaken und des Privathändlers" (siehe ebenda), auf dem Boden der Politik der
"noch entschiedeneren wirtschaftlichen Verdrängung" "der Elemente der privat-kapitalistischen Wirtschaft" in Stadt und Land (siehe die Resolution des XV. Parteitags zum Bericht des ZK).
Also ist a) der Verfasser des erwähnten Artikels im Unrecht, wenn er die Politik der Einschränkung der kapitalistischen Elemente und die Politik ihrer Verdrängung als voneinander verschieden hinstellt. Die Tatsachen besagen, daß wir es hier mit der einheitlichen Politik der Einschränkung des Kapitalismus zu tun haben, deren Bestandteil und Ergebnis die Verdrängung einzelner Teile des Kulakentums ist.
Also ist b) der Verfasser des erwähnten Artikels im Unrecht, wenn er behauptet, die Verdrängung der kapitalistischen Elemente des Dorfes habe erst in der Periode der Rekonstruktion, in der Periode des XV. Parteitags begonnen. In Wirklichkeit ging die Verdrängung sowohl vor dem XV. Parteitag, in der Wieder. herstellungsperiode, vor sich als auch nach dem XV. Parteitag, in der Rekonstruktionsperiode. In der Periode des XV. Parteitags wurde die Politik der Einschränkung der Ausbeutertendenzen des Kulakentums nur durch neue, zusätzliche Maßnahmen verstärkt, und im Zusammenhang damit mußte sich auch die Verdrängung einzelner Teile des Kulakentums verstärken.
2. In dem Artikel heißt es:
"Die Politik der Liquidierung des Kulakentums als Klasse folgt restlos aus der Politik der Verdrängung der kapitalistischen Elemente und ist die Fortsetzung dieser Politik in einer neuen Etappe."
Diese Behauptung ist ungenau und daher unrichtig. Es ist klar, daß die Politik der Liquidierung des Kulakentums als Klasse nicht vom Himmel fallen konnte. Sie wurde vorbereitet durch die gesamte vorhergehende Periode der Einschränkung und folglich auch der Verdrängung der kapitalistischen Elemente des Dorfes. Das bedeutet aber noch nicht, daß sie sich nicht von Grund aus von der Politik der Einschränkung (und Verdrängung) der kapitalistischen Elemente des Dorfes unterscheidet, daß sie eine Fortsetzung der Politik der Einschränkung sei. So reden, wie unser Verfasser redet, heißt den Umschwung in der Entwicklung des Dorfes seit Sommer 1929 in Abrede stellen. So reden, heißt die Tatsache in Abrede stellen, daß wir während dieser Periode eine Wendung in der Politik unserer Partei im Dorfe vollzogen haben. So reden, heißt eine gewisse ideologische Deckung für die rechten Elemente unserer Partei schaffen, die sich jetzt an die Beschlüsse des XV. Parteitags klammern, entgegen der neuen Politik der Partei, genau so wie sich seinerzeit Frumkin an die Beschlüsse des XIV. Parteitags klammerte, entgegen der Politik der Schaffung und Förderung von Kollektiv- und Sowjetwirtschaften.
Wovon ging der XV. Parteitag aus, als er die Verstärkung der Politik der Einschränkung (und Verdrängung) der kapitalistischen Elemente des Dorfes verkündete? Davon, daß das Kulakentum als Klasse trotz dieser Einschränkung des Kulakentums eine gewisse Zeit lang doch bestehen bleiben muß. Aus diesem Grunde ließ der XV. Parteitag das Gesetz über die Bodenpachtung in Kraft, obgleich er sehr wohl wußte, daß die Pächter in ihrer Masse Kulaken sind. Aus diesem Grunde ließ der XV. Parteitag das Gesetz über die Anwendung von Lohnarbeit im Dorfe in Kraft und forderte seine strikte Durchführung. Aus diesem Grunde wurde noch einmal die Unzulässigkeit der Enteignung der Kulaken kundgegeben. Widersprechen diese Gesetze und diese Beschlüsse der Politik der Einschränkung (und Verdrängung) der kapitalistischen Elemente des Dorfes? Gewiß nicht. Widersprechen diese Gesetze und diese Beschlüsse der Politik der Liquidierung des Kulakentums als Klasse? Gewiß! Also wird man diese Gesetze und diese Beschlüsse jetzt in den Rayons mit durchgängiger Kollektivierung, deren Bereich täglich und stündlich wächst, beiseite schieben müssen. Übrigens sind sie in den Rayons mit durchgängiger Kollektivierung durch den Verlauf der kollektivwirtschaftlichen Bewegung bereits beiseitegeschoben worden.
Kann man nach alledem behaupten, daß die Politik der Liquidierung des Kulakentums als Klasse die Fortsetzung der Politik der Einschränkung (und Verdrängung) der kapitalistischen Elemente des Dorfes ist? Es ist klar, daß man das nicht kann.
Der Verfasser des erwähnten Artikels vergißt, daß man die Klasse des Kulakentums, als Klasse, nicht durch Steuern und allerlei andere Einschränkungsmaßnahmen verdrängen kann, wenn man die Produktionsmittel mit dem Rechte der freien Bodennutzung in den Händen dieser Klasse beläßt und in unserer Praxis das Gesetz über die Anwendung von Lohnarbcit im Dorfe, das Pachtgesetz, das Verbot der Enteignung der Kulaken beibehält. Der Verfasser vergißt, daß man bei der Politik der Einschränkung der Ausbeutertendenzen des Kulakentumns nur auf die Verdrängung einzelner Teile des Kulakentums rechnen kann, was der Erhaltung des Kulakentums als Klasse für eine gewisse Zeit nicht widerspricht, sondern sie im Gegenteil voraussetzt. Um das Kulakentum als Klasse zu verdrängen, dazu genügt die Politik der Einschränkung und der Verdrängung einzelner Teile des Kulakentums nicht. Um das Kulakentum als Klasse zu verdrängen, muß man den Widerstand dieser Klasse in offenen Kampagnen brechen und ihr die Quellen ihrer Existenz und Entwicklung in der Produktion (freie Bodennutzung, Produktionsmittel, Pacht, Recht auf Anwendung von Lohnarbeit usw.) entziehen. Das ist denn auch die Wendung zur Politik der Liquidierung des Kulakentums als Klasse. Sonst ist das Gerede von der Verdrängung des Kulakentums als Klasse leeres Geschwätz, das nur den rechten Abweichlern genehm und vorteilhaft ist. Sonst ist keine ernsthafte, noch viel weniger aber eine durchgängige Kollektivierung des Dorfes denkbar. Das haben die armen und Mittelbauern unseres Dorfes, die das Kulakentum zerschmettern und die durchgängige Kollektivierung verwirklichen, gut begriffen. Manche unserer Genossen begreifen das anscheinend noch nicht.
Also ist die gegenwärtige Politik der Partei im Dorfe nicht die Fortsetzung der alten Politik, sondern eine Wendung von der alten Politik der Einschränkung (und Verdrängung) der kapitalistischen Elemente des Dorfes zur neuen Politik der Liquidierung des Kulakentums als Klasse.
Krassnaja Swesda Nr. 18
vom 21. Januar 1930
51. Dokument 35: Stalin: Vor Erfolgen vom Schwindel befallen (Zu den Fragen der kollektivwirtschaftlichen Bewegung)
[Zeitungsartikel, 2.3.1930; aus: Fragen des Leninismus, Moskau 1947, S. 363 - 369]
Von den Erfolgen der Sowjetmacht auf dem Gebiete der kollektivwirtschaftlichen Bewegung reden jetzt alle. Selbst die Feinde sind gezwungen zuzugeben, daß ernste Erfolge erzielt worden sind. Diese Erfolge sind in der Tat groß.
Es ist Tatsache, daß am 20. Februar d. J. bereits 50 Prozent der Bauernwirtschaften in der UdSSR kollektiviert waren. Das bedeutet, daß wir bis zum 20. Februar 1930 den Fünfjahrplan zu mehr als 200 Prozent erfüllt haben.
Es ist Tatsache, daß die Kollektivwirtschaften bis zum 28. Februar d. J. bereits über 36 Millionen Doppelzentner Saatgut für die Sommeraussaat bereitgestellt haben, d. h. über 90 Prozent des Plans, also ungefähr 220 Mill. Pud. Es muß anerkannt werden, daß das Aufbringen von 220 Mill. Pud Saatgut in den Kollektivwirtschaften allein - nach der erfolgreichen Erfüllung des Getreidebeschaffungsplans - eine gewaltige Errungenschaft darstellt.
Wovon zeugt das alles?
Davon, daß die grundlegende Wendung des Dorfes zum Sozialismus schon als gesichert betrachtet werden kann.
Man braucht nicht zu beweisen, daß diese Erfolge von größter Bedeutung für das Schicksal unseres Landes, für die ganze Arbeiterklasse als die führende Kraft unseres Landes und schließlich für die Partei selbst sind. Von den unmittelbaren praktischen Ergebnissen ganz zu schweigen, haben diese Erfolge eine gewaltige Bedeutung für das innere Leben der Partei selbst, für die Erziehung unserer Partei. Sie flößen unserer Partei Mut und Glauben an ihre Kräfte ein. Sie erfüllen die Arbeiterklasse mit dem Glauben an den Sieg unserer Sache. Sie führen unserer Partei neue Millionenreserven zu.
Daher die Aufgabe der Partei: die erzielten Erfolge zu verankern und sie planmäßig für den weiteren Vormarsch auszuwerten.
Aber Erfolge haben auch ihre Schattenseite, besonders wenn sie verhältnismäßig
"leicht", sozusagen
"unerwartet", erzielt werden. Solche Erfolge erzeugen zuweilen Eigendünkel und Überheblichkeit:
"Wir können alles!",
"Für uns ist alles ein Kinderspiel!" Diese Erfolge machen nicht selten die Menschen trunken, wobei sie vor Erfolgen von Schwindel befallen werden, das Gefühl verlieren für das richtige Maß, die Fähigkeit verlieren, die Wirklichkeit zu verstehen, das Bestreben tritt zutage, die eigenen Kräfte zu überschätzen und die Kräfte des Gegners zu unterschätzen, es kommt zu abenteuerlichen Versuchen, alle Fragen des sozialistischen Aufbaus
"im Handumdrehen" zu lösen. Da ist kein Platz mehr für die Sorge um die Verankerung der erzielten Erfolge und ihre planmäßige Auswertung für den weiteren Vormarsch. Wozu brauchen wir die erzielten Erfolge zu verankern, wir sind auch so imstande,
"schnurstracks" zum vollständigen Siege des Sozialismus zu gelangen:
"Wir können alles!",
"Für uns ist alles ein Kinderspiel!"
Daher die Aufgabe der Partei: einen entschiedenen Kampf gegen diese für die Sache gefährlichen und schädlichen Stimmungen zu führen und sie aus der Partei auszumerzen.
Man kann nicht behaupten, daß diese für die Sache gefährlichen und schädlichen Stimmungen in den Reihen unserer Partei irgendwie stark verbreitet wären. Doch sind diese Stimmungen immerhin in unserer Partei vorhanden, wobei kein Grund für die Behauptung vorliegt, daß sie sich nicht verstärken werden. Und wenn sich diese Stimmungen bei uns einbürgern, dann kann nicht daran gezweifelt werden, daß die kollektivwirtschaftliche Bewegung bedeutend geschwächt werden wird und die Gefahr des Scheiterns dieser Bewegung zu einer realen Tatsache werden kann.
Es ist daher Aufgabe unserer Presse, diese und ähnliche antileninistischen Stimmungen systematisch zu entlarven.
Einige Tatsachen:
1. Die Erfolge unserer kollektivwirtschaftlichen Politik erklären sich unter anderem daraus, daß diese Politik auf der Freiwilligkeit in der kollektivwirtschaftlichen Bewegung und auf der Berücksichtigung der Mannigfaltigkeit der Verhältnisse in den verschiedenen Gebieten der Sowjetunion beruht. Man kann nicht mit Gewalt Kollektivwirtschaften schaffen. Das wäre dumm und reaktionär. Die kollektivwirtschaftliche Bewegung muß sich auf die aktive Unterstützung der Hauptmassen der Bauernschaft stützen.
Man darf nicht Musterbeispiele des kollektivwirtschaftlichen Aufbaus aus den entwickelten Gebieten mechanisch auf unentwickelte Gebiete übertragen. Das wäre dumm und reaktionär. Eine solche
"Politik" würde die Idee der Kollektivierung mit einem Schlage diskreditieren. Man muß bei der Bestimmung des Tempos und der Methoden des kollektivwirtschaftlichcn Aufbaus sorgfältig die Mannigfaltigkeit der Verhältnisse in den verschiedenen Gebieten der Sowjetunion berücksichtigen.
In der kollektivwirtschaftlichen Bewegung stehen bei uns die Getreidegebiete an erster Stelle. Weshalb? Erstens, weil wir in diesen Gebieten die größte Anzahl bereits erstarkter Sowjet- und Kollektivwirtschaften besitzen, die den Bauern die Möglichkeit gegeben haben, sich von der Kraft und Bedeutung der neuen Technik, von der Kraft und Bedeutung der neuen, kollektiven Organisierung der Wirtschaft zu überzeugen. Zweitens, weil diese Gebiete im Kampfe gegen das Kulakentum zur Zeit der Getreidebeschaffungskampagnen eine zweijährige Schule durchgemacht haben, was die Sache der kollektivwirtschaftlichen Bewegung erleichtern mußte. Schließlich deshalb, weil diese Gebiete in den letzten Jahren in stärkstem Maße mit den besten Kadern aus den Industriezentren versehen wurden.
Kann man sagen, daß diese besonders günstigen Verhältnisse auch in den anderen Gebieten, z.B. in den Getreide-Zuschußgebieten, wie es unsere nördlichen Gebiete sind, oder in Gebieten mit noch immer zurückgebliebenen Nationalitäten, sagen wir in Turkestan, gegeben sind?
Nein, das kann man nicht sagen.
Es ist klar, daß der Grundsatz, die Mannigfaltigkeit der Verhältnisse in den verschiedenen Gebieten der UdSSR zu berücksichtigen, neben dem Grundsatz der Freiwilligkeit eine der ernstesten Voraussetzungen für eine gesunde kollektivwirtschaftliche Bewegung ist.
Was geht aber zuweilen bei uns in Wirklichkeit vor? Kann man sagen, daß der Grundsatz der Freiwilligkeit und Berücksichtigung der örtlichen Besonderheiten in einer Reihe von Gebieten nicht verletzt wird? Nein, das kann man leider nicht sagen. Es ist z. B. bekannt, daß man in einer Reihe nördlicher Gebiete der Zuschußzone, wo verhältnismäßig weniger günstige Bedingungen für die sofortige Organisierung von Kollektivwirtschaften bestehen als in den Getreidegebieten, nicht selten versucht, die Vorbereitungsarbeit zur Organisierung von Kollektivwirtschaften zu ersetzen durch beamtenmäßiges Dekretieren auf dem Gebiete der kollektivwirtschaftlichen Bewegung, durch papierne Resolutionen über das Wachstum der Kollektivwirtschaften, durch Organisierung von Kollektivwirtschaften auf dem Papier, die in Wirklichkeit noch nicht vorhanden sind, obwohl es über ihre
"Existenz" einen ganzen Haufen ruhmrediger Resolutionen gibt. Oder nehmen wir einige Rayons in Turkestan, wo die Bedingungen für die sofortige Organisierung von Kollektivwirtschaften noch weniger günstig sind als in den nördlichen Gebieten der Zuschußzone. Es ist bekannt, daß es in einer Reihe von Rayons in Turkestan bereits Versuche gegeben hat, die fortgeschrittenen Gebiete der Sowjetunion
"einzuholen und zu überholen", indem gedroht wurde, Militärgewalt anzuwenden und jenen Bauern, die vorläufig noch nicht in die Kollektivwirtschaften eintreten wollen, das zur Bewässerung nötige Wasser zu entziehen und ihnen keine Industriewaren zu liefern.
Was kann es Gemeinsames geben zwischen dieser
"Politik" nach der Art des Unteroffiziers Prischibejew und der Politik der Partei, die sich auf die Freiwilligkeit und Berücksichtigung der örtlichen Besonderheiten bei dem kollektivwirtschaftlichen Aufbau stützt? Es ist klar, daß es zwischen ihnen nichts Gemeinsames gibt noch geben kann.
Wem nützen diese Verzerrungen, diese bürokratische Dekretierung der kollektivwirtschaftlichen Bewegung, diese ungebührlichen Drohungen gegen Bauern? Niemand sonst als unseren Feinden!
Wozu können sie führen, diese Verzerrungen? Zur Stärkung unserer Feinde und zur Diskreditierung der Ideen der kollektivwirtschaftlichen Bewegung.
Ist es nicht klar, daß die Urheber dieser Verzerrungen, die sich für Linke halten, in Wirklichkeit dem rechten Opportunismus Wasser auf die Mühle leiten?
2. Einer der größten Vorzüge der politischen Strategie unserer Partei besteht darin, daß sie es versteht, in jedem gegebenen Augenblick das wichtigste Kettenglied der Bewegung auszuwählen, das sie ergreift, um dann die ganze Kette zu einem allgemeinen Ziele zu ziehen und die Lösung der gestellten Aufgabe zu erreichen. Kann man sagen, daß die Partei das wichtigste Kettenglied der kollektivwirtschaftlichen Bewegung im System des kollektivwirtschaftlichen Aufbaus bereits ausgewählt hat? Jawohl, das kann und muß man sagen.
Welches ist dieses wichtigste Kettenglied?
Vielleicht die Genossenschaft zur gemeinsamen Bodenbestellung? Nein, sie ist es nicht. Die Genossenschaften zur gemeinsamen Bodenbestellung, in denen die Produktionsmittel noch nicht vergesellschaftet sind, sind eine bereits überholte Stufe der kollektivwirtschaftlichen Bewegung.
Vielleicht die landwirtschaftliche Kommune? Nein, auch die Kommune ist es nicht. Die Kommunen sind vorläufig noch Einzelerscheinungen in der kollektivwirtschaftlichen Bewegung. Für die landwirtschaftlichen Kommunen als vorherrschende Form, bei der nicht nur die gesamte Produktion, sondern auch die Verteilung vergesellschaftet ist, sind die Bedingungen noch nicht herangereift.
Das wichtigste Kettenglied der kollektivwirtschaftlichen Bewegung, ihre im gegebenen Augenblick vorherrschende Form, die man jetzt anpacken muß, ist das landwirtschaftliche Artel.
Im landwirtschaftlichen Artel sind die wichtigsten Produktionsmittel, hauptsächlich die der Getreidewirtschaft, vergesellschaftet:
Arbeit, Bodennutzung, Maschinen und sonstiges Inventar, Arbeitsvieh, Wirtschaftsgebäude. Nicht vergesellschaftet sind im Artel: das Hofland (kleinere Gemüse- und Obstgärten), Wohnhäuser, ein gewisser Teil des Milchviehs, Kleinvieh, Geflügel usw. Das Artel ist das Hauptglied der kollektivwirtschaftlichen Bewegung, weil es die zweckentsprechendste Form zur Lösung des Getreideproblems ist. Das Getreideproblem aber ist das Hauptglied im System der gesamten Landwirtschaft, weil ohne seine Lösung weder das Problem der Viehzucht (Klein- und Großvieh) gelöst werden kann, noch das Problem der gewerblichen Nutzpflanzen und Spezialkulturen, die der Industrie die wichtigsten Rohstoffe liefern. Aus diesem Grunde ist das landwirtschaftliche Artel im gegenwärtigen Augenblick das Hauptglied im System der kollektivwirtschaftlichen Bewegung.
Davon geht das
"Musterstatut" der Kollektivwirtschaften aus, dessen endgültiger Text heute veröffentlicht wird.
Davon haben auch unsere Partei- und Sowjetfunktionäre auszugehen; eine ihrer Pflichten besteht darin, dieses Statut eingehend zu studieren und restlos in die Tat umzusetzen.
Das ist die Einstellung der Partei im gegenwärtigen Augenblick. Kann man sagen, daß diese Einstellung der Partei ohne Verstöße und Verzerrungen in die Tat umgesetzt wird? Nein, das kann man leider nicht sagen.
Es ist bekannt, daß in einer Reihe von Gebieten der Sowjetunion, wo der Kampf um die Existenz der Kollektivwirtschaften bei weitem noch nicht beendet ist und wo die Artels noch nicht verankert sind, Versuche gemacht werden, aus dem Rahmen des Artels heraus und sofort zur landwirtschaftlichen Kommune hinüberzuspringen. Noch ist das Artel nicht verankert, sie aber
"vergesellschaften" schon Wohnhäuser, Kleinvieh und Geflügel, wobei diese
"Vergesellschaftung" in bürokratisch-papierne Dekretierung ausartet, denn noch fehlen die Bedingungen, die eine solche Vergesellschaftung notwendig machen. Man könnte glauben, das Getreideproblem in den Kollektivwirtschaften sei bereits gelöst, es stelle eine bereits überholte Stufe dar, die grundlegende Aufgabe bestehe gegenwärtig nicht in der Lösung des Getreideproblems, sondern in der Lösung des Viehzucht- und Geflügelzuchtproblems. Es fragt sich, wem diese törichte
"Arbeit" nützt, durch welche die verschiedenen Formen der kollektivwirtschaftlichen Bewegung in einen Topf geworfen werden? Wem nützt dieses dumme und für die Sache schädliche Vorauseilen?
Den Kollektivbauern reizen durch
"Vergesellschaftung" der Wohnhäuser, des gesamten Milchviehs, des gesamten Kleinviehs, des Geflügels, während das Getreideproblem noch nicht gelöst, die Artelform der Kollektivwirtschaften noch nickt verankert wurde - ist es nicht klar, daß eine solche
"Politik" nur unseren geschworenen Feinden gelegen kommen und vorteilhaft sein kann? Einer dieser eifrigen
"Vergesellschafter" geht sogar so weit, daß er im Artel eine Anordnung erläßt, worin er vorschreibt,
"in dreitägiger Frist in jeder Wirtschaft das gesamte Geflügel zu registrieren", die Funktion besonderer
"Kommandeure" zur Registrierung und Beaufsichtigung einzuführen,
"in den Artels die Kommandohöhen zu besetzen", den
"sozialistischen Kampf zu leiten, ohne den Posten zu verlassen" und selbstverständlich auch - das ganze Artel fest in der Faust zu halten. Was ist das - eine Politik zur Leitung der Kollektivwirtschaft oder eine Politik zu ihrer Zersetzung und Diskreditierung? Ich rede schon gar nicht von den, mit Verlaub zu sagen,
"Revolutionären", die die Organisierung des Artels mit dem Herunterholen der Kirchenglocken beginnen. Die Kirchenglocken herunterholen - man denke nur, was für eine rrrevolutionäre Tat!
Wie konnte es in unserer Mitte zu diesen törichten
"Vergesellschaftungs"-Übungen, zu diesen lächerlichen Versuchen kommen, über seinen eigenen Schatten zu springen, zu Versuchen, die es sich zum Ziel setzen, die Klassen und den Klassenkampf zu umgehen, in Wirklichkeit aber unseren Klassenfeinden Wasser auf die Mühle leiten? Dazu konnte es nur in der Atmosphäre unserer
"leichten" und
"unerwarteten" Erfolge an der Front des kollektivwirtschaftlichen Aufbaus kommen. Dazu konnte es nur kommen durch die törichten Stimmungen in den Reihen eines Teiles der Partei:
"Wir können alles!",
"Für uns ist alles ein Kinderspiel!" Dazu konnte es nur durch die Tatsache kommen, daß einige unserer Genossen vor Erfolgen von Schwindel befallen wurden und für einen Augenblick die Klarheit des Verstandes und die Nüchternheit des Blickes verloren haben.
Um die Linie unserer Arbeit auf dem Gebiete des kollektiv-wirtschaftlichen Aufbaus auszurichten, muß diesen Stimmungen ein Ende gemacht werden.
Darin besteht gegenwärtig eine der nächsten Aufgaben der Partei.
Die Kunst der Führung ist eine ernste Sache. Mai: darf nicht hinter der Bewegung zurückbleiben, denn zurückbleiben heißt sich von den Massen loslösen. Man darf aber auch nicht vorauseilen, denn vorauseilen heißt die Verbindung mit den Massen verlieren. Wer die Bewegung führen und zu gleicher Zeit die Verbindung mit den Millionenmassen bewahren will, der muß den Kampf an zwei Fronten führen - sowohl gegen die Zurückbleibenden als auch gegen die Vorauseilenden.
Unsere Partei ist deshalb stark und unbesiegbar, weil sie es als Führerin der Bewegung versteht, ihre Verbindungen mit den Millionenmassen der Arbeiter und Bauern zu wahren und zu mehren.
Prawda Nr. 60
vom 2. März 1930
Anmerkungen: (der Eindeutigkeit im Gesamt-html-file wegen sind die Originalfussnotenziffern mit der Kapitelnummer (hier: 51) indiziert)
Unteroffizier Prischibejew - der typische Kommißstiefel, ungehobelter Hüter der Ordnung und der Sitten. Hauptgestalt einer gleichnamigen Erzählung von A. P. Tschevow. (Der Übers.)
Prawda vorn 2. März 1930.
52. Dokument 36: Musterstatut des landwirtschaftlichen Artels von 1935
[aus: Georg Brunner/Klaus Westen: Die sowjetische Kolchosordnung (mit Dokumenten), Stuttgart etc. 1970, S. 129 - 140]
(gekürzt)
Bereits im März 1930 - in der Hochphase der Kollektivierung - war die erste Fassung eines
"Musterstatuts des landwirtschaftlichen Artels" beschlossen worden. Die Veränderungen 1935 betrafen vor allem
-
eine Ausweitung und präzisere Abgrenzung des privaten Viehbestandes sowie des Hoflands, das die Bauern auf eigene Rechnung bewirtschafteten;
-
Festschreibung der Arbeitsbrigaden als zentrale Organisationseinheit mit einem festen Bestand an Leuten, fester Zuteilung von Land, Arbeitsvieh, Geräten und Maschinen (entsprechend einem ZK-Beschluß von Februar 1932 mit Bewertung der "Tagwerke" der Einzelmitglieder nach der Leistung der Brigade und Entlohnung der Brigadiere abhängig vom Arbeitsergebnis der Brigade);
-
klare Prioritäten bei der Verteilung der Einkünfte des Artels (mit der praktischen Konsequenz, daß oft gar keine Geldeinkünfte unter die Bauern verteilt wurden, dagegen ein großer Verwaltungsaufwand und ehrgeizige Bauprojekte betrieben wurden).
angenommen vom Zweiten Allunionskongreß der Kolchos-Stoßarbeiter, bestätigt vom Rat der Volkskommissare der Union der SSR und dem Zentralkomitee der VKP(b) am 17. Februar 1935* * Gemeint ist das Artel-Statut von 1935 (Dok. 169).
1. Ziele und Aufgaben
1. Die werktätigen Bauern der ländlichen Gemeinden (Kosakensiedlungen, Dörfer, Vorwerke, Siedlungen in Mittelasien und im Kaukasus) eines Bezirkes schließen sich freiwillig zu landwirtschaftlichen Artels zusammen, um mit gemeinschaftlichen Produktionsmitteln und in gemeinsamer, organisierter Arbeit eine kollektive, d. h. gesellschaftliche Wirtschaft auszubauen, den vollständigen Sieg über die Kulaken, über alle Ausbeuter und Feinde der Werktätigen zu sichern, den endgültigen Sieg über Elend und Unwissenheit, über die Rückständigkeit der kleinen Einzelwirtschaften sicherzustellen, eine hohe Arbeitsproduktivität zu entwickeln und somit ein besseres Leben für die Kolchosbauern zu garantieren.
Der Weg über die Kolchosen, der Weg des Sozialismus, ist der einzig richtige Weg für die werktätigen Bauern. Die Artelmitglieder verpflichten sich, ihr Artel zu stärken, ehrlich zu arbeiten, die Einnahmen des Kolchos entsprechend der Arbeit zu verteilen, das gesellschaftliche Eigentum zu schützen, das Wohl des Kolchos zu wahren, die Traktoren und Maschinen zu schonen, gut für die Pferde zu sorgen, die Aufgaben ihres Arbeiter- und Bauernstaates zu erfüllen - und somit ihren Kolchos bolsdiewistisdi und alle Kolchosbauern wohlhabend zu machen.
II. Über den Grund und Boden
2. Alle Gemarkungen, die früher die Bodenanteile der Artelmitglieder trennten, werden beseitigt, und alle Feldanteile werden in eine geschlossene landwirtschaftliche Nutzfläche verwandelt, die der kollektiven Nutzung durch das Artel unterliegt.
Der zu einem Artel gehörende Grund und Boden ist (wie auch der gesamte Grund und Boden in der UdSSR) staatliches Eigentum des ganzen Volkes. Entsprechend den Gesetzen des Arbeiter- und Bauernstaates wird er dem Artel zur unbefristeten Nutzung, d. h. auf ewig überlassen und darf weder gekauft oder verkauft noch an das Artel verpachtet werden.
Jedem Artel wird durch das Bezirksexekutivkomitee der Sowjets eine staatliche Urkunde über die unbefristete Nutzung des Grund und Bodens verliehen, in der die Größe und die genauen Grenzen des vom Artel genutzten Grund und Bodens bestimmt werden, wobei eine Verkleinerung dieses Grund und Bodens unzulässig, eine Vergrößerung jedoch zulässig ist, und zwar entweder auf Kosten des freien Grund und Bodens aus dem Staatsfonds oder auf Kosten des überschüssigen Landbesitzes der Einzelbauern, mit dem Ziel, jegliche Gemengelage zu beseitigen.
Aus der vergesellschafteten landwirtschaftlichen Nutzfliche wird jedem Kolchoshof ein kleines Stückchen Land in Form von Hofland (für Garten und Gemüsegarten) zur persönlichen Nutzung zugeteilt.
Die Größe des Hoflandes, das ein Kolchoshof zur persönlichen Nutzung erhält, kann zwischen 1/4 und 1/2 Hektar schwanken (ohne Berücksichtigung der mit Wohnhäusern bebauten Fläche); in einzelnen Bezirken kann sie (sogar) bis zu 1 Hektar betragen. -
III. Über die Produktionsmittel
4. Vergesellschaftet werden: das gesamte Arbeitsvieh, das landwirtschaftliche Inventar (Pflüge, Sämaschinen, Eggen, Melkmaschinen, Mähdrescher), Saatgutvorräte, Futtermittel in dem Umfange, wie sie zum Unterhalt des vergesellschafteten Viehs notwendig sind, Wirtschaftsgebäude, die zur Wirtschaftsführung des Artels notwendig sind und alle Betriebe, die landwirtschaftliche Produkte verarbeiten.
Nicht vergesellschaftet werden und in persönlicher Nutzung des Kolchoshofes bleiben: Wohnhäuser, das persönlich genutzte Vieh und Geflügel, Wirtschaftsgebäude, die für die Haltung des Viehs, das der Kolchoshof zur persönlichen Nutzung hat, notwendig sind.
Bei der Vergesellschaftung des landwirtschaftlichen Inventars bleibt das kleine landwirtschaftliche Inventar, das für die Bearbeitung des Hoflandes notwendig ist, in der persönlichen Nutzung der Artelmitglieder.
Von dem vergesellschafteten Arbeitsvieh stellt der Artelvorstand im Bedarfsfalle gegen Bezahlung einige Pferde zur Besorgung der persönlichen Belange der Artelmitglieder zur Verfügung.
5. Jeder Kolchoshof in den Getreide-, Baumwoll-, Zuckerrüben-, Flachs-, Hanf-, Kartoffel-, Gemüse-, Tee- und Tabakanbaubezirken kann zur persönlichen Nutzung 1 Kuh, bis zu 2 Stück Rinderjungvieh, 1 Mutterschwein mit Ferkeln oder, wenn der Kolchosvorstand es für notwendig erachtet 2 Mutterschweine mit Ferkeln, bis zu insgesamt 10 Schafe und Ziegen, eine beliebige Menge an Geflügel und Kaninchen und bis zu 20 Bienenvölker halten.
Jeder Kolchoshof in den Ackerbaubezirken mit entwickelter Viehzucht kann zur persönlichen Nutzung 2 - 3 Kühe, außerdem Jungvieh, 2 - 3 Mutterschweine mit Ferkeln, 20 - 25 Schafe und Ziegen, eine beliebige Menge an Geflügel und Kaninchen und bis zu 20 Bienenvölker haltcn.
Jeder Kolchoshof in den Bezirken mit nichtnomadisch oder halbnomadisch betriebener Viehzucht, in denen der Ackerbau nur eine geringe, die Viehzucht dagegen die wichtigste Rolle spielt, kann zur persönlichen Nutzung 4 - 5 Kühe, außerdem Jungvieh, 30 - 40 Mutterschweine mit Ferkeln, eine beliebige Menge an Geflügel und Kaninchen, bis zu 20 Bienenvölker, außerdem 1 Pferd oder 1 Mutterstute oder 2 Kamele oder 2 Esel oder 2 Maultiere halten.
VI. Die Mittel des Artels
9. In das Artel Eintretende müssen einen Eintrittsbeitrag in Höhe von 20 bis 40 Rubel pro Hof zahlen; die Höhe der Summe hängt von der Leistungsfähigkeit ihrer Wirtschaft ab. Die Eintrittsbeiträge bilden den unteilbaren Fonds des Artels.
11. Von der vom Artel erzielten Ernte und den tierischen Produkten hat das Artel folgende Leistungen zu tragen:
-
a) es erfüllt seine Verpflichtungen gegenüber dem Staat in bezug auf Ablieferungen und die Rückgabe von geliehenem Saatgut, es bezahlt entsprechend einem rechtsverbindlich abgeschlossenen Vertrag die MTS für ihre Arbeit in Naturalien und erfüllt die Aufkaufverträge;
-
b) es verteilt den jährlichen Bedarf an Saatgut für die Aussaat und an Futtermitteln für das Vieh sowie Reserven für Mißernten und Futtermangel, legt unangreifbare, jährlich zu erneuernde Saatgut- und Futtermittelfonds in Höhe von 10 bis 15 % des jährlichen Bedarfs an;
-
c) es legt laut Beschluß der Vollversammlung Hilfsfonds für die Invaliden, die alten Leute, die vorübergehend Arbeitsunfähigen, die notleidenden Familien der Rotarmisten, für die Unterhaltung von Kinderkrippen und Waisen an - alle diese Fonds betragen höchstens 20 % der Bruttoproduktion;
-
d) es bestimmt das von der Vollversammlung der Artelmitglieder festzulegende Ausmaß der Menge der Produkte, die an den Staat und auf dem Markt verkauft werden;
-
e) die gesamte übrige Ernte des Artels und die tierischen Produkte verteilt das Artel entsprechend den Arbeitseinheiten an die Mitglieder.
12. Aus den Geldeinkünften leistet das Artel folgende Zahlungen:
- a) es führt die gesetzlich festgelegten Steuern an den Staat ab und zahlt die Versicherungsbeiträge;
-
b) es kommt für die notwendigen Ausgaben aus laufenden Betriebsunkosten auf, wie z. B.: für laufende Reparaturen der landwirtschaftlichen Geräte, für die tierärztliche Behandlung des Viehs, für die Schädlingsbekämpfung u. a.;
-
c) es begleicht die Verwaltungs- und Wirtschaftsausgaben des Artels, dafür werden höchstens 20 % der Geldeinkünfte abgezweigt;
-
d) es bestimmt die Mittel für kulturelle Zwecke, wie z. B.: Ausbildung von Brigadeleitern und anderen Kadern, Einrichtung von Kinderkrippen, Beschaffung von Radiogeräten u. ä.;
-
e) es ergänzt den unteilbaren Fonds des Artels für den Ankauf von landwirtschaftlichen Geräten und Vieh, für die Bezahlung des Baumaterials, für die Abrechnung mit den zu Bauarbeiten herangezogenen Arbeitern, für die laufenden Einzahlungen bei der Landwirtschaftsbank, die sich aus den langfristigen Krediten ergeben. Die für die Auffüllung der unteilbaren Fonds abgezweigten Mittel betragen 10 bis höchstens 20 % der Geldeinkünfte des Artels;
-
f) es verteilt die gesamten übrigen Geldeinkünfte des Artels entsprechend den geleisteten Arbeitseinheiten unter den Artelmitgliedern.
VII. Organisation und Bezahlung der Arbeit, Arbeitsdisziplin
Die Arbeit wird vom Brigadeleiter unmittelbar zwischen den Artelmitgliedem aufgeteilt; der Brigadeleiter ist verpflichtet, die Arbeitskraft eines jeden Kolchosbauern seiner Brigade aufs beste zu nutzen, er darf deshalb keine Vettern- und Günstlingswirtschaft bei der Arbeitsverteilung zulassen und muß strikt die Qualifikation, Erfahrung und Konstitution eines jeden berücksichtigen. Bei werdenden und stillenden Müttern ist es jedoch erforderlich, Arbeitserleichterungen zu gewähren und sie für einen Monat vor und nach der Niederkunft unter Zuerkennung eines Verdienstes in Höhe der Hälfte der durchschnittlich von ihnen geleisteten Arbeitseinheiten von der Arbeit zu befreien.
15. Die landwirtschaftlichen Arbeiten im Artel werden in Akkordarbeit durchgeführt.
Für jede landwirtschaftliche Arbeit werden vom Artelvorstand Leistungsnormen und Normen für die Bestimmung des Wertes jeder Arbeit ausgearbeitet und von der Vollversammlung bestätigt.
Für jede Arbeit werden unter Berücksichtigung des Zustandes des Arbeitsviehs, der Maschinen und des Bodens Leistungsnormen aufgestellt, die von einem gewissenhaft arbeitenden Kolchosbauern erfüllt werden können. Jede Arbeit, wie z. B.: 1 Hektar pflügen, 1 Hektar einsäen, 1 Hektar Baumwolle häufeln, 1 Hektar Flachs ziehen, 1 Tonne Getreide dreschen, 1 Zentner Zuckerrüben ausgraben, 1 Hektar Flachs rösten, 1 Liter Milch melken usw. wird in Arbeitseinheiten bewertet, wobei die erforderliche Qualifikation des Arbeiters, die Kompliziertheit, Schwierigkeit und Wichtigkeit der Arbeit für das Artel berücksichtigt werden.
Das Jahresergebnis der Arbeit und das Einkommen eines jeden Kolchosbauern mit Ausnahme des Rechnungsführers muß vom Brigadeleiter und Artelvorsitzenden beglaubigt werden. Das Verzeichnis mit der Anzahl der von jedem Artelmitglied geleisteten Arbeitseinheiten wird zur allgemeinen Kenntnisnahme mindestens zwei Wochen vor der Vollversammlung, die die Verteilung der Arteleinnahmen bestätigt, ausgehängt.
Wenn eine Feldbaubrigade infolge guter Arbeit auf den ihr zugeteilten Abschnitten eine Ernte einbringt, die über dem Koldsosdurchschnitt liegt, oder wenn eine Viehzuchtbrigade infolge besserer Arbeit einen hohen Milchertrag der Kühe, Wohlgenährtsein des Viehs und verlustlose Aufzucht des Jungviehs erreicht, so erhalten die Mitglieder dieser Brigade vom Artelvorstand einen Zuschlag bis zu 10 % der insgesamt von ihnen geleisteten Arbeitseinheiten, hervorragende Stoßarbeiter der Brigade erhalten bis zu 15 % und der Brigadeleiter und Farmleiter bis zu 20 %.
Wenn eine Feldbaubrigade infolge schlechter Arbeit von den ihr zugeteilten Abschnitten eine Ernte einbringt, die unter dem Kolchosdurchschnitt liegt, oder wenn eine Viehzuchtbrigade infolge schlechter Arbeit einen geringeren als den durchschnittlichen Milchertrag, einen schlechteren Ernährungsstand des Viehs und verminderte Aufzucht des Jungviehs erzielt, so werden den Mitgliedern dieser Brigade vom Artelvorstand vom Entgelt bis zu 10 % der insgesamt von ihnen geleisteten Arbeitseinheiten in Abzug gebracht.
Die Verteilung der Arteleinnahmen unter den Mitgliedern erfolgt ausschließlich nach der Anzahl der von jedem Artelmitglied geleisteten Arbeitseinheiten.
18. Jeder Diebstahl von gesellschaftlichem Kolchos- und Staatseigentum, jede schädliche Einstellung gegenüber dem Vermögen und Vieh des Artels und den Maschinen der MTS betrachtet das Artel als Verrat an der gemeinsamen Sache des Kolchos und als Hilfe für die Volksfeinde.
Personen, die einer solchen verbrecherischen Unterminierung der Grundlagen der Kolchosordnung schuldig sind, werden vom Artel zur Belegung mit schärfsten Strafen im Rahmen der Gesetze des Arbeiter- und Bauernstaates den Gerichten übergeben.
53. Dokument 37: Maßnahmen zum Schutz der gemeinschaftlichen Kolchosländereien vor Verschleuderung
[aus einem Beschluß des ZK der KPR(B) und des Rates der Volkskommissare der UdSSR vom 27.5.1939; in: Helmut Altrichter/Heiko Haumann: Die Sowjetunion. Von der Oktoberrevolution bis zu Stalins Tod. Bd. 2, Wirtschaft und Gesellschaft, München 1987, S. 438 - 440]
Die Verschleuderung und Verschwendung der gemeinschaftlichen Kolchosländereien zugunsten der Eigenwirtschaften der Kolchosmitglieder vollzieht sich auf verschiedene Arten gesetzwidriger Zumessungen von Hofgarten-Land über die im Statut vorgesehene Norm hinaus, sei es unter dem Vorwand vorgetäuschter Familientrennungen, wobei ein Haushalt betrügerischerweise zusätzlich Hofgarten-Land für Familienmitglieder erhält, die vorgeben, getrennt zu leben, oder durch direkte Zuteilung von Hofgarten-Land an die Kollektivbauern auf Kosten der gemeinschaftlichen Kolchosfelder.
Als Ergebnis dieser gegen Kolchose und Staat gerichteten Praxis werden die Interessen der gemeinschaftlichen Wirtschaft der Kolchose, deren Grundlage das gemeinschaftliche Kolchosland ist, den auf Privateigentum bedachten und habgierigen Elementen geopfert, die die Kolchose mit dem Ziel der Spekulation und des persönlichen Profits ausnutzen.
In einer Reihe von Kolchosen hat sich die Praxis herausgebildet, das Hofgarten-Land des Kolchosbauern tatsächlich in Privateigentum des Kolchoshofes umzuwandeln, über das nicht die Kolchose, sondern der Kolchosbauer nach Belieben verfügt:
er verpachtet es oder behält das Hofland zur eigenen Nutzung, auch wenn er nicht selbst in der Kolchose arbeitet.
Die Verschleuderung und Verschwendung der gemeinschaftlichen Kolchosländereien begünstigen Durcheinander und Unordnung in der Bodcnbewirtschaftung der Kolchosen, wenn die Hofgarten-Landstücke und die gemeinschaftlichen Kolchosländereien derart miteinander vermischt sind, daß die Hofgarten-Landstücke nicht rund um die Höfe angeordnet sind, sondern die Kolchosfelder zerschneiden, die Hofgarten-Ländereien nicht von den Feldern abgegrenzt sind, eine Registrierung der Felder und der Hofgarten-Ländereien fehlt.
Aus der Zeitschrift
Krokodil (1939)
Bauer, der sein privates Grundstück auf Kosten der Kolchose bearbeitet
All diese und ähnliche Tatsachen einer Verletzung des Statuts des landwirtschaftlichen Artels und eines Aufblähens, der persönlichen Wirtschaft der Kolchosbauern führen dazu, daß die persönliche Wirtschaft den Charakter einer Nebenwirtschaft verliert und sich manchmal in die hauptsächliche Einnahmequelle des Kolchosbauern verwandelt.
Infolgedessen gibt es in den Kolchosen einen bedeutenden Teil vorgeblicher Kolchosbauern, die entweder überhaupt nicht oder lediglich zum Schein in den Kolchosen arbeiten und einen großen Teil der Zeit ihrer persönlichen Wirtschaft widmen ... Eine solche Lage, in der sich in den Kolchosen ein Teil der Kolchosbauern der Teilnahme an der gemeinschaftlichen Arbeit entzieht, führt zu einem künstlichen Mangel an Arbeitskräften in den Kolchosen, während in Wirklichkeit die Mehrheit der Rajons der UdSSR in den Kolchosen über eine große Zahl überflüssiger Arbeitskräfte verfügt, deren Nutzung zur Arbeit in den Kolchosen nicht nur den scheinbaren Arbeitskräftemangel beseitigen könnte, sondern auch einen bedeutenden Teil von Arbeitskräften für die Industrie und für die Übersiedlung in die landreichen Rajons der UdSSR freisetzen würde, wo tatsächlich ein Arbeitskräftemangel herrscht.
Das CK der VKP/b und der Rat der Volkskommissare der UdSSR beschließen:
3. Jeder Versuch, die gemeinschaftlichen Ländereien der Kolchose zugunsten der persönlichen Wirtschaft der Kolchosbauern zu verringern, und ebenso jede Vergrößerung der Hofgarten-Landstücke über das Ausmaß hinaus, das im Statut des landwirtschaftlichen Artels vorgesehen ist, werden als kriminelles Verbrechen betrachtet, und die Schuldigen werden gerichtlich zur Verantwortung gezogen.
14. Da es in den Kolchosen nicht nur ehrlich Schaffende gibt, die 200 bis 600 und mehr Tagewerke im Jahr erarbeiten, die überwältigende Mehrheit der Kolchosbauern bilden und die Hauptkraft der Kolchosbewegung darstellen, sondern auch einen gewissen Teil arbeitsfähiger Kolchosbauern, die im Laufe eines Jahres nicht mehr als 20 bis 30 Tagewerke erarbeiten, aber weiterhin zu den Kolchosbauern zählen und die Kolchose belasten, wird es für zweckmäßig gehalten, von 1939 an für jeden arbeitsfähigen Kolchosbauern - Mann oder Frau - ein verpflichtendes Minimum an Tagewerken im Jahr festzusetzen:
a) 1OO Tagewerke in den Baumwollanbau-Rayons
b) 60 Tagewerke in ...~*
c) 80 Tagewerke in allen übrigen Rajons der UdSSR.
Den Kolchosen wird empfohlen zu bestimmen, die arbeitsfähigen Kolchosbauern und -bäuerinnen, die im Laufe eines Jahres weniger als die oben festgelegte Norm erarbeiten, so zu betrachten, als seien sie aus der Kolchose ausgeschieden und der Rechte als Kolchosbauer verlustig gegangen.
* Es folgt eine Aufzählung von weniger fruchtbaren Gebieten.
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last update : Thu Nov 10 21:06:27 CET 2005 Seminar-AG - KB (Nord)
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