Exzerpte
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Team |
Peter Heilbronn |
Thema |
Luxemburgs Frage Unterkonsumtion - Überproduktion - Krise
( excerpt )
|
Original |
Autor |
Klaus Winter |
Titel |
"Unterkonsumtion und allgemeine Krise des Kapitalismus" |
Quelle |
Aufsätze zur Diskussion, Nr. 34, Dezember 1985, in 4 Teilen (trend-online) |
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Verweis |
[
lokales Original ] |
Status |
in Arbeit |
Letzte Bearbeitung |
12/1999, 07/2003 |
Home |
www.mxks.de
|
1. Gleichgewicht zwischen Produktion und Konsumtion ?
2. Unterkonsumtion und chronische Überproduktion (Kautsky 1902)
2.1. Die Rolle der Konsumtion
2.2. Die 'Krisentheorie der 'orthodoxen' Marxisten'
2.3. Die Periode allgemeiner, chronischer Überproduktion
3. Rosa Luxemburgs Akkumulationstheorie
3.1. Das 'Problem' der Akkumulation und seine 'Lösung'
3.2. Die Unmöglichkeit der auf das Kapital gegründeten Produktionsweise
4. Eugen Vargas Verständnis der Marxschen Krisentheorie
4.1. Das Mißverständnis von Produktion und Konsumtion
4.2. Die Identität von Akkumulation und Überproduktion
4.3. Die Überproduktion in der Form ihres 'scheinbaren Verschwindens'
5. Zur Theorie der allgemeinen Krise des Kapitalismus bei E. Varga
5.1. Die Stagnation der kapitalistischen Wirtschaft
5.2. Die Rolle der Rationalisierung
5.3. Die Verschärfung des Marktproblems
5.4. Die Annäherung an den 'reinen' Kapitalismus
5.5. Versuche der Abgrenzung von Rosa Luxemburg
Kurzbeschreibung
Eine Kritik der Luxemburgschen Akkumulationstheorie in bezug auch auf Kautsky
und Varga. Sie stehen alle in bestimmtem Widerspruch zu Marx' Darstellung im
'Kapital'. Die Gemeinsamkeiten und Folgerichtigkeit der Fehler ist klar
herausgestellt und empfielt sich als Einstieg in diese Problematik.
Eine parallele Bearbeitung des Problems bezüglich Luxemburg - Lenin befindet
sich z.B. in den Ergänzungsheften der Gruppe Internatnionaler Kommunisten
(GIK).
An den Grundzügen lassen sich gut Parallelen zu heutigen Argumentationslinien
finden, z.B. zu der Nachfragestärkung keynesianischer Sozialdemokraten
oder
Globalisierungsgegner, oder die Position von Krisis mit dem Ausgehen der
abstrakten Arbeit.
1. Gleichgewicht zwischen Produktion und Konsumtion ?
{
Die Fußnoten sind in Klammern ausgedrückt: (Nummer), und beziehen sich auf das
Original, wie alle Zitate. Die Seitenanmerkungen in [ ] sind ausnahmslos von
mir.
(d.V.)}
"
In dem vorliegenden Artikel wird die Auseinandersetzung mit der Theorie der
allgemeinen Krise des Kapitalismus fortgesetzt, nachdem sie in einem früheren
Beitrag(1) als ein Ausgangspunkt und fort existierender Hintergrund für die
Entstehung der Theorie des staatsmonopolistischen Kapitalismus dargestellt
worden war.
"
| [Ziel] |
"
'Der Theorie der allgemeinen Krise des Kapitalismus lag die Annahme eines
permanenten 'Marktproblems' zugrunde, d.h. die Auffassung, daß infolge der
beschränkten Konsumtion der
Massen der
Produktenwert grundsätzlich nicht vollständig realisiert werden
kann.'"
(Lehrbuch der Politischen Ökonomie von 1955 (1c))
Auseinandersetzung mit: 1902 Kautsky -> darauf aufbauend Luxemburg ->
darauf Varga
2. Unterkonsumtion und chronische Überproduktion (Kautsky 1902)
2.1. Die Rolle der Konsumtion
Tugan-Baranowski's Studien zur Krisentheorien seiner Zeit und Marx
"Nach Marx sei die treibende Macht der kapitalistischen Produktion die
Profitrate,
deren Fall - hervorgerufen durch die relative Zunahme des konstanten
Kapitals gegenüber dem
variablen - auf einem gewissen Punkt zu ungenügender Verwertung, Überfluß
an Kapital und
Einschränkung der Produktion führe. Im Fall der Profitrate zeige sich
daher die Schranke der
kapitalistischen Produktion."
- nach Marx : also die Höhe der Profitrate entscheidet ueber die Höhe der
Produktion
- Tugan-Baranowskis : erkannte eine solche Schranke nicht an
=> Profit als treibendes Moment der Prod. entspringt sowohl c (konstantes
Kapital und v (variables Kapital) => kein tendentieller Fall der
Profitrate
- Kautsky : dagegen mit Marx der Mehrwert(M) wird nur von v
geschaffen
- aber die Höhe des Konsums entscheidet ueber die Höhe der Prod:
"Mit anderen Worten: nicht die Erhaltung des
Kapitals und seine größtmögliche Verwertung, sondern die Reproduktion der
Arbeiter und der
Genuß und Luxus der Kapitalisten ist der Maßstab der Produktion. Der
Kapitalismus wird damit als
eine auf den Gebrauchswert gerichtete Produktionsweise aufgefaßt. Marx
hatte das Gegenteil
behauptet:..."
2.2. Die 'Krisentheorie der 'orthodoxen' Marxisten'
Unterkonsumtion ist die Grundlage der Krise, aber da diese Unterkonsumtion
Merkmal aller Klassengesellschaften sei, stand ihnen immer das
ausgleichende Moment der Konsumtion der Ausbeuter entgegen.
- Im Kap aber sind diese auch zum sparen angehalten. Die 'Maschine' zwingt
zur Akkumulation. Also Akkumulation läuft zu Lasten der Konsumbefriedigung
der Kaptalisten.
- Dieses führt notwendig zur Ausweitung der Produktion von
Konsummitteln.
| [Argumente Kautskys] |
dazu
- schon Marx betont das dies Illusion ist, es geht um
Mehrwert/Akkumulation, nicht um privaten Konsum
- falscherweise nimmt Kautsky an, Gesamtproduktion und Prod. v.
Konsumtionsmittel
fallen in eins, Konsumtion von Produktionsmitteln = Prod. v.
Konsumtionsmitteln
wie bei Smith fällt der Austausch c -> c, Abteilung I&II -> I, weg
{
Dieser Kauf von Produktionsmittelproduzenten, also von Abteilung I unter
einander, und Abteilung II zu I, hat gerade heute ja riesenhafte Ausmaße
erreicht. Das konstante Kapital ist riesenhaft gegenüber dem variablen Kapital
gewachsen. Somit auch der Wertanteil seiner Reproduktion am
Gesamptprodukt, trotz seiner Verwohlfeilerung. Die Einstiegsstufe selbst neuer
Produktionszweige an Kapitalwert steigt stetig ins Unermeßliche. Reichte früher
für eine Software-Firma ein Mann und sein PC, so sind das heute Teams mit
Infrastruktur, Vertrieb, Rechtshilfen und Hardwarepool. Programme können nicht
mehr von Einzelpersonen, sondern werden von großen Teams erstellt.
(d.V.)}
- darum Luxemburgs Kritik Kautskys Widerspruch zu 'Kapital' Bd. II
"
Daß der Verbrauch der Produktionsmittel nichts anderes ist als Produktion
von Konsumtionsmitteln, ist nur ein anderer Ausdruck des Dogmas von A.
Smith, daß der Wert der verbrauchten Produktionsmittel in den Wert
der Konsumgüter eingeht - oder daß der Wert des gesamtgesellschaftlichen
Produkts mit dem Einkommen der Arbeiter und Kapitalisten (= v + m) bezahlt
wird.
"
So geht es also Kautsky um ein (Un)Gleichgewicht von Produktion und Konsumtion.
"Nach dieser falschen Vorstellung scheint die Akkumulation mit
Überproduktion identisch zu sein, nämlich mit der Produktion eines
nicht absetzbaren Produkts infolge der Unterkonsumtion nicht nur der
Arbeiter, sondern auch der Kapitalisten. [Herv. v. mir]
"
"Dieses falsche Verständnis der Akkumulation verwandelt das Smithsche
Dogma, 'daß die
Konsumenten in letzter Instanz den ganzen Produktenwert den Produzenten
zahlen müssen'(16) in
die These, daß Arbeiter und Kapitalisten ihn durch ihren Konsum gar nicht
bezahlen können. Um
den Wert des gesellschaftlichen Produkts zu realisieren, müssen also
Konsumenten außerhalb der
kapitalistischen Produktionsweise ausfindig gemacht werden. [Herv. v.
mir]
"
2.3. Die Periode allgemeiner, chronischer Überproduktion
Folgerung Kautskys: wenn alle nichtkapitalistischen Konsumenten getilgt sind,
dann kommt es zur chronischen Überproduktion. Dies führt aber im
Gegensatz zu den Revisionisten zu Klassengegensatzverschärfungen.
3. Rosa Luxemburgs Akkumulationstheorie
3.1. Das 'Problem' der Akkumulation und seine 'Lösung'
"In einer umfangreichen Antwort auf ihre Kritiker wies Rosa Luxemburg
darauf hin, daß ihre Akkumulationstheorie auf 'Grundsätzen' beruht, die
Kautsky schon 1902 im Zusammenhang mit der seines Erachtens 'allgemein von
den orthodoxen Marxisten' angenommenen Krisentheorie genannt hatte:
'1. daß Kapitalisten und Arbeiter allein für die Akkumulation keinen
ausreichenden Markt darstellen;
2. daß die kapitalistische Akkumulation eines 'zusätzlichen Marktes'
in nichtkapitalistischen Schichten und Nationen bedürfe.'(21)"
Luxemburg vollzog nicht den Fehler Kautskys nach (kein c -> c), musste sich aber
dahinterliegende Fragen stellen.
"Es war also - auch ganz abgesehen von dem Problem der
Krisenerklärung(24) - 'die Grundfrage des
Verhältnisses von Produktion und Konsumtion vom Standpunkt des
Reproduktionsprozesses'(25) zu
klären. Denn wie kann die Akkumulation in einer aus Arbeitern und
Kapitalisten bestehenden
Gesellschaft stattfinden, wenn einerseits die Erweiterung der Produktion
durch eine Einschränkung der
Konsumtion erkauft wird, während sie andererseits auf einer gestiegenen
Nachfrage beruhen muß? 'Wo
rührt nun die ständig wachsende Nachfrage her, die der fortschreitenden
Erweiterung der Produktion im
Marxschen Schema zugrunde liegt?'(26) Den Hintergrund dieser Frage bildet
Rosa Luxemburgs
Auffassung, daß die Kapitalisten 'gerade durch die Annahme der
Akkumulation Nichtabnehmer ihres
Mehrwerts'(27) sind."
Luxemburg: die Produktion ist wie bei Kautsky auf die Konsumtionsmittel
gerichtet, so Akkumulation Konsumtionsverzicht, aber gleichzeitig
Überproduktionsspeicher. Trotzdessen landet sie wieder bei außerkapitalistischen
Konsumenten.
- dabei zeigt die Akkumulation ja gerade, daß der Kapitalist Konsument von
Nicht-Konsumtionsmitteln ist, sondern als Kapital Produktionsmittel c+
kauft mit einem Teil seines Profites und entsprechend neue Arbeiter v+.
"Daß die Kapitalisten sich untereinander die zur Erweiterung
der Produktion bestimmten Produktionsmittel abkaufen, ist daher für Rosa
Luxemburg keine Antwort auf die Frage, woher die zusätzliche Nachfrage für die
Erweiterung der Produktion kommt, "denn schließlich haben die B, B', B' ' (die
Käufer zusätzlicher Produktionsmittel; d.V.) ... wohl nicht deshalb auf einen
Teil der Konsumtion verzichtet und ihre Produktion erweitert, um nachher ihr
vermehrtes Produkt - nämlich Produktionsmittel - einander abzukaufen.(29) Wenn
man den Kapitalismus als eine auf größtmögliche
Aneignung von
Mehrwert gerichtete Produktionsweise versteht, dann versteht es sich von
selbst. daß der angeeignete
Mehrwert seinerseits wieder zur Produktion von noch größeren
Mehrwertmassen verwendet wird und
daß die Nachfrage nach zusätzlichen Produktionsmitteln gerade dem maßlosen
Bereicherungstrieb der
Kapitalisten entspringt. Aber an dieser Antwort geht Rosa Luxemburg
vorbei."
| [Der Kern] |
Luxemburg schreibt:
"
"Das Marxsche Schema der erweiterten Reproduktion entspricht somit nicht den
Bedingungen der Akkumulation, solange diese fortschreitet; sie läßt sich nicht
in die festen Wechselbeziehungen und Abhängigkeiten zwischen den beiden großen
Abteilungen der gesellschaftlichen Produktion (Abteilung der Produktionsmittel
und Abteilung der Konsumtionsmittel) bannen. die das Schema formuliert."(33)
"
3.2. Die Unmöglichkeit der auf das Kapital gegründeten Produktionsweise
- auch die zusätzlichen Arbeiter bei Akkumulation kommen nach
Luxemburg wesentlich aus den nichtkapitalistischen Bereichen und
nicht
aus der industriellen Reservearmee
- das Kapital zerstört so mit seiner Expansion gerade das, was es voraussetzt,
die nichtkapitalistischen Bereiche
{
Wäre zu untersuchen, wie sie die drastische Erhöhung der Arbeitslosigkeit zu den
'30 hin gesehen hat.
(d.V.)}
"
Neben der Rolle, die die vorkapitalistischen Produktionsformen als Vorrat für
die Ausdehnung des Marktes spielten, wies Rosa Luxemburg auf die Bedeutung hin,
die ihnen als Reservoir zusätzlicher Arbeitskräfte für die kapitalistische
Akkumulation zukam. Daß sich das Kapital die verfügbaren Arbeitskräfte im Prozeß
der Akkumulation durch Bildung der industriellen Reservearmee und Vermehrung der
Bevölkerung(36) selbst schafft, schien ihr nicht einleuchtend. Ihrer Meinung
nach war die Akkumulation nur insofern möglich, als die zusätzlich benötigten
Arbeitskräfte aus den nichtkapitalistischen Schichten und Ländern bezogen werden
konnten.
"
Aber
"
Die historischen Bedingungen für die Entstehung des Kapitals haben ihr Resultat
bewirkt und gehören der Vergangenheit an, sind aber keine notwendige
Voraussetzung für seine Weiterentwicklung.(40) Die Bedingungen und
Voraussetzungen des Werdens, des Entstehns des Kapitals unterstellen eben, daß
es noch nicht ist. sondern erst wird; sie verschwinden also mit dem wirklichen
Kapital, mit dem Kapital, das selbst, von seiner Wirklichkeit ausgehend, die
Bedingungen seiner Verwirklichung setzt."(41)
"
"
Weil die Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise auf dem Kapital
selbst und seinen immanenten Gesetzen beruht und aus ihnen zu erklären ist,
hatte Marx im "Kapital"' von den nichtkapitalistischen Formen der Produktion -
abgesehen von der Darstellung der ursprünglichen Akkumulation - abstrahiert.
"
"
Aber diese Tendenz hatte für Rosa Luxemburg einen ganz anderen Inhalt als für
Marx. Die Akkumulation des gesellschaftlichen Kapitals in ihrer Reinheit - ohne
Hinzuziehung nichtkapitalistischer Produzenten - darzustellen, hielt sie für
"irreführend"(45). Denn Marx hatte erläutert, daß und wie die Akkumulation auf
der Basis des Kapitals funktioniert , während sie erklärt, daß auf dieser
Grundlage die Akkumulation nicht funktionieren kann.
"
| [Widerspruch zu Marx] |
4. Eugen Vargas Verständnis der Marxschen Krisentheorie
In einem Abschnitt über die "Verschärfung des Markt Problems im Kapitalismus"
wies Varga 1938 auf den Zusammenhang hin, der zwischen seiner Auffassung der
Marxschen Krisentheorie und der Erklärung des Absatzmangels in der Periode der
allgemeinen Krise des Kapitalismus besteht. "Die allgemeine Erörterung des
zyklischen Ganges der kapitalistischen Reproduktion und der unvermeidlichen
periodischen Wiederkehr der industriellen Krisen fällt außerhalb des Rahmens
dieser Arbeit. Wir wollen an dieser Stelle nur auf die entscheidende Rolle, die
der 'Konsumtionskraft der Gesellschaft' zufällt, hinweisen, weil deren
fortschreitende relative Einschränkung die Hauptursache des tendenziell
chronischen Absatzmangels in der Periode der allgemeinen Krise des Kapitalismus
ist." Die zentrale Bedeutung der "Konsumtionskraft der Gesellschaft" für die
Erklärung der Krisen hatte Varga in verschiedenen Darstellungen der Marxschen
Krisentheorie hervorgehoben, unter anderen in seinem Bericht über das l. Viertel
des Jahres 1931.(47)
4.1. Das Mißverständnis von Produktion und Konsumtion
"
Dort knüpfte er an die Ausführungen von Marx an, daß "die Bedingungen der
unmittelbaren Exploitation und die ihrer Realisierung ... begrifflich
auseinander(fallen)". Wahrend erstere nur durch die Produktivkraft der
Gesellschaft beschränkt sind, ist die Realisierung der Ausbeutung neben der
Proportionalität der Produktionszweige durch die Konsumtionskraft der
Gesellschaft beschränkt..
"
-
Varga : es kann kein Gleichgewicht geben zw. Prod. und Kons.
- gesamte Konsumtionskraft = v + ( m - Akkumulation) < (v + m), ist somit
zu klein
- v sinkt, also der Konsumtionsanteil der Arbeiter und müsste
ausgeglichen werden durch (m - Akkumulation), dies kommt zu Kautsky's Argument
verschärfend hinzu
"
Über die Rolle des konstanten Kapitals äußerte sich Varga an dieser Stelle nicht
weiter, dafür schenkte er dem "Abzug der zur Akkumulation verwendeten Summen"
besondere Beachtung: "Der Prozeß der Akkumulation selbst ergibt zwangsmäßig eine
Disproportion, indem die Kapitalisten einen Teil des angeeigneten Mehrwerts
statt zum Kauf der Waren der Abteilung II immer wieder zum Ankauf von Waren der
Abteilung I, zur Ausdehnung der Stufenleiter der Produktion verwenden, während
gleichzeitig parallel mit der Erhöhung der Produktivität der Arbeit ein Sinken
des Wertes der Arbeitskraft, eine relative Verminderung von v eintritt, was die
Konsumtionskraft der Arbeiter verhindert. Es muß daher immer wieder eine
relative Überproduktion in Abteilung II entstehen."(52)
"
"
Als Maß für das Funktionieren der kapitalistischen Reproduktion erscheint hier
wieder die vollständige Konsumtion des Mehrwerts - während die Akkumulation als
Abweichung von einem "Gleichgewicht" von Produktion und Konsumtion erscheint und
sich auf Kosten der Konsumtionsfähigkeit der Gesellschaft vollzieht.
"
| [Der gleiche Fehler] |
4.2. Die Identität von Akkumulation und Überproduktion
"
"Der Prozeß der Akkumulation", schließt Varga, "ist daher identisch mit einer
ständigen relativen Überproduktion".(53)
"
4.3. Die Überproduktion in der Form ihres 'scheinbaren Verschwindens'
"
"Akkumulation, d.h. Verwendung eines Teils des Wertprodukts nicht zur
individuellen Konsumtion, sondern zur Vergrößerung des Kapitals, bedeutet aber
eine ständige, relative. - periodisch latente, periodisch offene
Überproduktion."(58) Nicht mehr die Entstehung der Überproduktion ist jetzt zu
erklären, sondern warum sie zeitweise verborgen, nicht sichtbar ist. "Warum
zeigt sich", fragt Varga, "diese fortwährende, relative Überproduktion" einmal
in Form einer allgemeinen Überproduktionskrise, während sie in den Phasen des
Aufschwungs und der Hochkonjunktur scheinbar ganz verschwindet?"(59)
"
"
Wie dieser periodische Wechsel von scheinbarem Verschwinden und offenem
Hervortreten der beständigen Überproduktion möglich ist, wird von Varga damit
beantwortet, daß der Aufschwung zuerst nur in der Produktion von
Produktionsmitteln stattfindet, wo die Schranke der Konsumtion sich nicht
geltend mache.
"
5. Zur Theorie der allgemeinen Krise des Kapitalismus bei E. Varga
5.1. Die Stagnation der kapitalistischen Wirtschaft
"
Seit dem Beginn der 20er Jahre hatte Varga die mit dem l. Weltkrieg einsetzende
neue Periode der kapitalistischen Entwicklung studiert und sich bemüht,
allgemeine Merkmale zu finden, die sie als Verfalls- oder Niedergangsperiode des
Kapitalismus charakterisieren.
"
"
- die Spaltung der Welt in zwei einander entgegengesetzte Wirtschaftssysteme und
den Kampf zwischen ihnen
- die Epoche der kolonialen Revolutionen und das Entstehen eines eigenen
Kapitalismus in den Kolonien und abhängigen Ländern
- die chronische Unterbelastung der Betriebe
- das Vorhandensein von Millionenarmeen Arbeitsloser, "die sich aus
Reservearmeen in ständige Arbeitslosenarmeen verwandelt haben".(64)
"
- hier kommt dasselbe Argument zur allgemeinen Krise
"
Somit führt die Zunahme der Verelendung der Arbeiterklasse nach dem zweiten
Weltkrieg zur Vertiefung des Wider Spruches zwischen dem Streben des Kapitals
nach Erweiterung der Produktion und der Verringerung der effektiven
Nachfrage
der Gesellschaft, was zu einer Überproduktionskrise führen mußte; deshalb
konnte auch von einer 'Phase der Prosperität' der amerikanischen Wirtschaft nach
Kriegsende gar nicht die Rede sein. Es gab nur einen kurze Zeit dauernden
'Boom' infolge der nichtbefriedigten Nachfrage während des Krieges."(68)
[Herv. v. mir]
"
{
Man sollte sich die heutigen Volkswirtschaftler ansehen und die
Nachfrage-Keynesianer wenn sie versuchen die heutige Krise zu erklären, alles
alte Hüte.
(d.V.)}
"
Einerseits wiederholt Varga hier den Grundgedanken seiner Krisenerklärung:
infolge der Akkumulation
kann der Konsum der Kapitalisten "nicht völlig Ersatz bieten" für die
beschränkte Konsumtionsfähigkeit der Arbeiterklasse und dies umso weniger, je
mehr die Nachfrage der Arbeiter infolge des steigenden Ausbeutungsgrades
sinkt. Gleichzeitig dient ihm derselbe Gedanke zur Erklärung des
Ausbleibens der Prosperität.
"
5.2. Die Rolle der Rationalisierung
"
Bereits in den oben angeführten Ausführungen zur Krisentheorie von Marx
(1931) hatte Varga die Verkürzung der Krisenzyklen mit der Steigerung des
Widerspruchs zwischen Konsumtion und Produktion erklärt.(69) In einem
der anschließenden Abschnitte über die "allgemeine Krise des Kapitalismus" ging
er ausführlicher auf die Bedeutung der Rationalisierung ein. Er verstand
darunter "eine Reihe von Maßnahmen", "die der Erhöhung des Profits dienen
sollen"(70) - zum einen durch Herabsetzung der Produktionskosten (vor allem
durch Erhöhung der Arbeitsproduktivität), zum andern aber auch "durch Aneignung
höherer Gewinne im Weg verschärfter Monopolbildung".(71)
"
"
Das Problem dieser Erklärung, daß die allgemeine Krise des Kapitalismus
ihre ökonomische Wurzel in der Rationalisierung habe, besteht darin, daß
sie einen qualitativen Unterschied zwischen einem Stadium des "aufsteigenden
Kapitalismus" und einem des "niedergehenden Kapitalismus" nicht ermöglicht. Denn
Rationalisierungen, Produktion von relativem Mehrwert und Erhöhung der
organischen Zusammensetzung des Kapitals gab es auch im "aufsteigenden
Kapitalismus". In Wirklichkeit macht auch Varga nur einen graduellen
quantitativen Unterschied, wenn er anerkennt: "Die Rationalisierung ist daher
nichts prinzipiell Neues; sie ist nur eine besonders systematische, bewußte,
gehäufte Anwendung jener Mittel, die die Kapitalisten in ihrer Jagd nach dem
Profit stets anwenden, mit dem Unterschied, daß die Erhöhung der Produktivität
der Arbeit relativ zurücktritt gegenüber der Ausbeutung der Arbeiter bei
gleichem oder vermindertem Lohn."(73)
"
| [Nur quantitativ neues] |
"
Ebenso wie dabei nur zu klären war, wieso diese ständige Überproduktion
periodisch latent gehalten werden konnte, so fragt es sich jetzt, warum sie
erst in der Phase des niedergehenden Kapitalismus chronisch offen in Erscheinung
tritt und durch welche Einflüsse in der Periode des aufsteigenden Kapitalismus
der an sich vorhandene Absatzmangel wettgemacht wurde.
"
5.3. Die Verschärfung des Marktproblems
Varga :
"
"warum ... nun das Marktproblem in der Periode der allgemeinen Krise
besonders scharf geworden (ist)"
"
Momente gegen das Marktproblem, diese nehmen selbst immer weiter ab:
- Ausdehnung durch Einbeziehung ehemals nicht-kapitalitischer Produzenten
- Ausdehnung in die Kolonien (Absatzmärkte, billige Rohstoffe)
Begünstigend hingegen
- Monopolbildung mit Konsumeinschränkung
- Ruin der Bauernschaft
- Währungskrise
"
Daß das Marktproblem in der Periode der allgemeinen Krise des Kapitalismus zum
Grundproblem geworden ist, zeigt an, daß das Kapital schon weitgehend oder
ganz ohne die Stützen eines nichtkapitalistischen Umfelds auskommen muß.
Die chronische Überproduktion oder die Tendenz des Marktproblems, chronisch akut
zu sein, erweist sich daher als Grundzug des "reinen" Kapitalismus, der
nur aus Arbeitern und Kapitalisten besteht, in dem aber die inneren
Bewegungsgesetze
des Kapitals rein hervortreten. [Herv. v. mir]
"
5.4. Die Annäherung an den 'reinen' Kapitalismus
Varga sieht in den USA die absolute Abnahme von v an der Produktion,
nicht die relative.
"
Diese absolute Abnahme der Zahl der vom Kapital angewandten Arbeiter sah Varga
als den von Marx im "Kapital" vorausgesagten notwendigen Entwicklungsgang
der kapitalistischen Produktionsweise an. Marx hatte jedoch nur von einem
relativen Sinken des variablen Kapitals im Verhältnis zum konstanten Kapital
gesprochen.
"
| [Absolute Abnahme von v] |
{
Hier sollte man sich die gleichwirkenden Argumentationen der KRISIS-Gruppe mal
ansehen.
(d.V.)}
"
Er antwortet, daß die Ausdehnung der Produktion, die mit steigender
Beschäftigung verbunden war, bisher dadurch möglich gewesen war, "daß die
früher mit der Bauernwirtschaft verbundene Handwerkstätigkeit immer mehr aus
der Bauernwirtschaft herausgelöst und durch Fabriksproduktion ersetzt wurde
... aus den Bauern wurden Farmer, d.h. kleine Agrarkapitalisten. Die in der
Landwirtschaft hierdurch freigewordenen Kräfte fanden Unterkunft durch extensive
Ausdehnung der Landwirtschaft auf neue Gebiete und durch Erweiterung der
industriellen Produktion ..."(87)
"
| [Warum jetzt die Krise] |
{
Und wieder stellt sich die gleiche Frage wie bei der Kurzschen
Argumentation, welche er mit der 3.Industriellen Revolution und deren
Rationalisierungspotential mit folgender absoluter Abnahme von v und damit von
m, beantwortet. Varga hingegen mit Abnahme der bremsenden Faktoren.
(d.V.)}
"
Daß die absolute Verminderung der Zahl der Industrie-Arbeiter zu einer Einengung
der Konsumtionsfähigkeit der Arbeiterklasse führen mußte, liegt auf der Hand.
Die Rationalisierung wirkte jetzt - frei von den störenden Gegenwirkungen des
nichtkapitalistischen Milieus - doppelt: sie senkte den Wert der Arbeitskraft
und damit die Konsumtionsfähigkeit des einzelnen Arbeiters, und sie senkte die
Zahl der Arbeiter. "Die Annäherung des wirklichen Kapitalismus an den reinen
Kapitalismus von Marx führt also zu einer Verschärfung des Widerspruchs zwischen
Produktionsund Absatzmöglichkeiten, führt zu einer rascheren Folge von
tiefgehenden Wirtschaftskrisen ..."(90)
"
5.5. Versuche der Abgrenzung von Rosa Luxemburg
"
Rein theoretisch genommen besteht selbstverständlich kein Hindernis für die
Realisierung des Mehrwerts." "... Aber die reale Wirklichkeit des Kapitalismus
ist von dieser theoretischen Konstruktion sehr verschieden .."( 92). Ist also
nach Vargas Meinung im "reinen Kapitalismus" die Realisierung des Mehrwerts
möglich oder nicht? Wenn Marx unter der Voraussetzung des "reinen"
Kapitalismus die inneren Bewegungsgesetze des Kapitals - wie Varga sagte -
aufgedeckt hat und dabei nachgewiesen hat, daß und wie der Mehrwert realisiert
wird, dann müßte Varga die von ihm gestellte Frage bejahen. Aber andererseits
besteht die Annäherung des "wirklichen" Kapitalismus an den "reinen"
Kapitalismus gerade in einer zunehmenden Verschärfung des Widerspruchs von
Produktions- und Absatzmöglichkeiten.
"
| [Varga's Selbstwiderspruch] |
"
Wenn aber die Verwirklichung des "reinen" Kapitalismus in der zunehmenden
Verschärfung des Marktproblems sichtbar wird, dann muß man die Folgerung
ziehen, daß Vargas "Bild des reinen Kapitalismus" durchaus nicht übereinstimmt
mit jener "theoretischen Konstruktion", in der "selbstverständlich kein
Hindernis für die Realisierung des Mehrwerts" besteht. Vargas "reiner"
Kapitalismus kann nur der Inbegriff chronischer Überproduktion sein. Er
stimmt zwar nicht mit der Marxschen Auffassung der inneren Gesetze des Kapitals,
dafür um so mehr mit der Vorstellung Rosa Luxemburgs über ein, im reinen
Kapitalismus sei die Realisierung des ganzen Produktenwerts eine
unlösbare Aufgabe.
"
"
... Die theoretische Unmöglichkeit der Akkumulation ohne 'dritte
Personen',
wie Rosa Luxemburg behauptete, und die historische Tatsache, daß durch die
Verwandlung der Bauern in Farmer der kapitalistische Absatzmarkt eine einmalige
starke Erweiterung erfahren hat, sind zwei verschiedene Dinge. Diese zwei Dinge
sind keineswegs gleichbedeutend und dürfen nicht identifiziert werden."(93)
"
"
"Wie geht die Ausweitung des inneren Marktes vor sich? Sie geht schematisch,
schlagwortartig ausgedrückt, so vor sich, daß aus dem Bauer ein Farmer wird,
das heißt aus dem Bauer, der in erster Linie für seine eigenen Bedürfnisse
produziert, ein 'Produzent für den Markt' wird, der seine Erzeugnisse verkauft
und dafür Erzeugnisse der kapitalistischen Industrie kauft."(94) Damit war
tatsächlich die Ausweitung des inneren Marktes an die nichtkapitalistischen
Vorräte gebunden.
"
- der Unterschied besteht also gar nicht
"
Vargas Abgrenzungsversuche demonstrieren eher ihr Scheitern und weisen auf den
engen Zusammenhang zwischen seinen und Rosa Luxemburgs Auffassungen hin.
Allen hier dargestellten Auffassungen - einschließlich der Ansichten Kautskys -
ist gemeinsam, daß sie in der Akkumulation einen Verzicht auf Konsum, daher
eine Überproduktion auf der Basis zweier unzureichender Konsumentenklassen,
Arbeitern und Kapitalisten, sehen; daß daher die mit der Akkumulation
erforderliche Erweiterung des kapitalistischen Marktes wesentlich an die
Existenz und Vernichtung nichtkapitalistischer Schichten gebunden ist. Für
die nur "theoretische Konstruktion" einer kapitalistischen Gesellschaft, in der
der Mehrwert auch bei Akkumulation vollständig realisiert werden kann, war
weder in Vargas Bild des "wirklichen" Kapitalismus noch in seiner Krisentheorie
Platz - aber ebensowenig in seinem Bild des "reinen" Kapitalismus, der sich
gerade durch die Tendenz zunehmender chronischer Überproduktion ankündigte.
"
| [Fazit] |
^
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last update : Mon Aug 29 21:02:33 CEST 2005 Peter Heilbronn
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