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Beschreibung Referat zum Seminar 'Was ist eigentlich Kapitalismus?'
Team: Clabauter
Thema: Einführung in die Unterabschnitte 1 & 2 von Kapitel 1'Die Ware' in 'Das Kapital' Bd. 1 von Karl Marx
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Letzte bearbeitung: 07.01.2000

I. Referat zum Seminar 'Was ist eigentlich Kapitalismus?'

Thema: Einführung in die Unterabschnitte 1 & 2 von Kapitel 1'Die Ware' in 'Das Kapital' Bd. 1 von Karl Marx

(Clabauter, Stuttgart, 7. 1. 2000)

Überblick zur Verfahrensweise

Das Ziel dieses Referats ist ein Doppeltes: Zum einen ist es als Darstellung der ersten beiden Unterabschnitte von Marx’ Kapital Bd. I gedacht, die überschrieben sind mit '1. Die zwei Faktoren der Ware: Gebrauchswert und Wert (Wertsubstanz, Wertgröße) 2. Doppelcharakter der in den Waren dargestellten Arbeit.' Das erste Ziel besteht also darin eine grobe Einführung der hier auftretenden Begriffe »Ware«, »Gebrauchswert«, »Wert«, »Wertsubstanz«, »Wertgröße« und »Arbeit« zu bieten. Das Ergeb-nis oder besser gesagt, das vorläufige Ergebnis dieser Begriffsklärung haltet ihr in Händen, in Form des Handouts (siehe Anlage S. 18 u. 19). Der Hinweis, daß es sich um ein vorläufiges Ergebnis handelt ist mir wichtig; denn die Aussagen, die in der Tabelle auf dem Handout augenscheinlich als Definitionen auftreten, erweisen sich als sehr trügerisch, wenn man glaubt, damit zu wissen, was nun Ware, Wert, Arbeit usw. sei.

Einen ersten Eindruck davon zu geben, warum das trügerisch ist, stellt das zweite Ziel dieses Referats dar. Es geht zweitens darum, einen ersten Eindruck zu vermitteln, von Marx’ Behauptung, daß seine Darstellung zugleich Kritik ist. Der Untertitel seines unvollendeten Werks 'Das Kapital' lautet ja 'Kritik der politischen Ökonomie'. Doch was bedeutet eigentlich Kritik auf der Ebene der Theorie, also der Ebene der systematischen Darstellung eines bestimmten Gegenstandes? Dies umfassend zu klären bedürfte höchstwahrscheinlich einiger weiterer Semi-nare. Doch auf einen wichtigen Aspekt des Begriffs »Kritik« möchte ich noch kurz eingehen und der macht sich am Terminus »Erscheinung« fest. Erscheinung beinhaltet den Begriff des Scheins, der sozusagen von einem Etwas abgestrahlt wird. Traditionell liegt ein wichtiger Aspekt von Kritik, in der sukzessiven (d.h. allmählich voranschreitenden) Durchdringung eines Scheins hin auf ein unbegriffen Wirksames, also hin zu diesem unbekannten Etwas. Der Schein ist das, was uns unmittelbar begegnet. Dieser Schein ist nun in einer theoretischen Darstellung in Wissen zu überführen.

In der umgangssprachlichen Verwendung von Schein gibt es gleich zwei Redeweisen. Hier bedeutet Schein einmal, daß etwas irrtümlich angenommen ist, d.h. was bloß scheinbar der Fall ist. Zum anderen gibt es eine positivere Bedeutung von Schein, z.B. in der Redeweise, ein Schein liege da vor, wo anscheinend etwas da ist, wo etwas mindestens wahrscheinlich ist und einer weiteren Klärung bedarf. Insofern ist diese zweite Bedeutung von Schein ein relativ seriöser Ausgangspunkt für eine nähere Betrachtung. Bei einer Klärung des unbekannten Etwas wird normalerweise der irrtümliche Schein, das Scheinbare, die Verzerrungen usw. abgesondert, um zu dem, was anscheinend da ist zu gelangen. Es können hierbei also beide umgangssprachlichen Bedeutungen von Schein stehen gelassen werden. Doch um zu wissen, was fal-scher Schein ist, müßten wir dieses Etwas ja bereits kennen, zu dem wir ja erst gelangen wollen.

Es ist also nicht so einfach mit dem Schein, und seine theoretische Durchdringung ist, wie Marx es nennt, eine 'geschichtliche Tat', also rückführbar auf Praxis. Die einzelnen Etappen zur Durchdringung sind, auch dann wenn sie evtl. nicht weiterführen, dennoch notwendige Etappen.

Warum ich darauf eingegangen bin, liegt am Resultat dieser beiden Unterabschnitte, das ich nun kurz vorwegnehmen will, die 'Kritik der politischen Ökonomie' ist ja kein Kriminalro-man, wenngleich nicht weniger spannend: Die allmähliche Durchdringung des Scheins des Kapitalismus auf das unbegriffen Wirksame führt die Menschheit und ihre Theoretiker, d.h. in unserem Fall die Ökonomen (etwa Adam Smith), zunächst auf ein Resultat, das die Spezifik des Kapitalismus und damit seine Historizität, aus den Augen verliert. Das Ergebnis ist nicht gänzlich falsch, aber unzulänglich, denn es läßt den Kapitalismus als naturnotwendig und somit als ewig erscheinen. In diesem Sinne ist das bisherige Ergebnis ein verkehrtes Resultat. Darauf werde ich am Schluß meiner Darstellung noch einmal zurückkommen.

1. Die zwei Faktoren der Ware: Gebrauchswert und Wert (Wertsubstanz, Wertgröße)

Also reden wir nicht länger drum herum, sondern schauen uns einfach mal an, wie Marx an-fängt und wie er im weiteren vorgeht. Steigen wir mal beim ersten Satz auf S. 49 ein. Hier steht zu lesen:

'Der Reichtum der Gesellschaften, in welchen kapitalistische Produktionsweise herrscht, erscheint als eine »ungeheure Warensammlung«, die einzelne Ware als seine Elementarform. Unsere Untersuchung beginnt daher mit der Analyse der Ware.' [Marx: Das Kapital, MEW Bd. 23, S. 49]

Die unmittelbar angetroffene »ungeheure Warensammlung« erscheint dem Blick des Käufer-publikums, z.B. in einer Ladenstraße oder in einem Kaufhaus. Es ist also ein Anfang der allen, die in einer bürgerlichen Gesellschaft aufgewachsen sind, bekannt ist. In einer Gesellschaft in der kaum etwas lebensnotwendiges vom Verbraucher unmittelbar her-gestellt, sondern alles gekauft wird, steckt in dem Warenberg fast die ganze Welt der brauch-baren Dinge. Und diese Dinge sind, solange sie zum Verkauf stehen - und nur solange sind sie Waren -, permanent ausgestellt. Anders als beispielsweise im Museum oder in einem Zoo, wo auch etwas ausgestellt wird, ist das Interesse mit dem man Waren angeblickt werden, ein Inte-resse, das bestimmt ist durch ein vages Habenkönnen mittels Kauf. Der Hinblick auf die ungeheure Warensammlung, diese besondere Sichtweise der Dinge, ent-steht nicht im Kopf, denn immer schon sind die gesellschaftlichen Verhältnisse da. (Dieser Hinblick ist also einer auf praktischem Grund.) Die Käuflichkeit der Dinge - und nichts anderes heißt zunächst praktisch, daß sie Waren sind - ist die Art und Weise ihrer allgemeinen Zugänglichkeit.

In der Perspektive des Schaufensterbummels liegt demnach etwas, was die Dinge einerlei er-scheinen läßt. Mit einerlei Geld, nur der Menge nach unterschieden, sind sie käuflich.

Alle haben ihr Preisschild; alle sind sie prinzipiell käuflich; ihre Käuflichkeit ist nur durch das Geldquantum des Käufers beschränkt. D.h., daß im Gegensatz zur ungeheuren Mannigfaltig-keit, die diese »ungeheure Warensammlung« charakterisiert - eine Mannigfaltigkeit an Ge-brauchsdingen, die in der vorkapitalistischen Geschichte ohne jedes Beispiel ist, daß im Ge-gensatz zur ungeheuren Mannigfaltigkeit das Einerlei steht, als das sie in gewisser Hinsicht betrachtet werden.

Es gibt da also etwas, was, im Gegensatz zu diesem unendlichen Formenreichtum stehend, Einheit stiftet. Es ist etwas Einheitliches, was die ungeheure Warensammlung in einer ge-schlossenen Perspektive zusammenschließt.

Das ist der Grund, daß die Analyse dieser denkbar großen Mannigfaltigkeit von Gebrauchs-dingen, der ungeheuren Warensammlung, beginnen kann mit der Einzelheit - der Ware. Weggelassen (abstrahiert) wird also gleich zu Beginn die Vielverschiedenheit. Diese Abstraktion erfolgt auf dem praktischen Grund der einerlei machenden Macht des Gel-des, der nur quantitativ unterschieden, qualitativ unterschiedslosen Zugänglichkeit aller Wa-ren, wie unterschieden sie sonst auch immer sind.

Die erste logische Auflösung dieses konfus Vielgestaltigen führt damit zu einer Elementar-form, die der einzelnen Ware. Alle möglichen Exemplare der »ungeheuren Warensammlung«, bei aller möglichen Verschie-denheit, gleichen sich in einer Hinsicht, indem sie alle durch die Warenform bestimmt sind. Erst im Fortgang der weiteren Untersuchung kann sich erweisen, ob diese Form, die Waren-form, 'logisches Element' für komplexere (verbundene) Formen ist.

Die Ware ist zunächst dadurch bestimmt, daß sie ein nützliches Ding ist. Diese Bestimmung stammt nicht von Marx, ist also nicht pure Willkür eines Theoretikers, sondern erweist sich durch unseren alltäglich-praktischen Gebrauch, d.h. 'Die Ware ist zunächst ein äußerer Gegenstand, ein Ding, das durch seine Eigen-schaften menschliche Bedürfnisse irgendeiner Art befriedigt. Die Natur dieser Bedürf-nisse, ob sie z.B. dem Magen oder der Phantasie entspringen, ändert nichts an der Sa-che. Jedes nützliche Ding, (...) ist unter doppeltem Gesichtspunkt zu betrachten, nach Qualität und Quantität. Jedes solches Ding ist ein Ganzes vieler Eigenschaften und kann daher nach verschiedenen Seiten nützlich sein. Diese verschiedenen Seiten und daher die mannigfachen Gebrauchsweisen der Dinge zu entdecken ist geschichtliche Tat. So die Findung gesellschaftlicher Maße für die Quantität der nützlichen Dinge. Die Verschiedenheit der Warenmaße entspringt teils aus der verschiedenen Natur der zu messenden Gegenstände, teils aus Konvention. Die Nützlichkeit eines Dings macht es zum Gebrauchswert. [Marx: Das Kapital, MEW Bd. 23, S. 49-50]

Der Gebrauchswert

Als Gebrauchswert definiert Marx demnach nicht bestimmte Inhalte oder Eigenschaften; er bezieht den Begriff auch nicht auf bestimmte Bedürfnisse oder auf bestimmte Dinge, die diese bestimmten Bedürfnisse befriedigen, sondern er läßt alle derartige Bestimmtheit weg. Er hält nur an einer einzigen Bestimmung fest, und das ist die, daß diese Dinge 'menschliche Bedürf-nisse irgendeiner Art' befriedigen . Ebenso wenig interessiert hier die Art, wie die Sache das Bedürfnis befriedigt usw.

Also hier wird abstrahiert vom Unterschied zwischen körperlichen und geistigen Bedürfnissen und wie das Ding oder eine Sache solche Bedürfnisse befriedigen. Festgehalten wird nur eins: daß überhaupt eine Beziehung zwischen einem bestimmten Ding und einem bestimmten Be-dürfnis da ist, daß überhaupt diese Ding-Bedürfnis-Beziehung da ist.

Hinter Ding steht dann der Inbegriff aller Dinge für uns, die Natur, und hinter Bedürfnis ste-hen wir, deren Bedürfnis es ist, die Menschen. Der Begriff Gebrauchswert ist dann ein Bezie-hungsbegriff, der am nützlichen Ding eine bestimmte Art von Beziehung zwischen Mensch und Natur faßt. Alle besonderen Verkörperungen dieser Beziehung werden weggelassen. 'Gebrauchswerte' heißt es jetzt, 'bilden den stofflichen Inhalt des Reichtums, wel-ches immer seine gesellschaftliche Form sei.' [Marx: Das Kapital, MEW Bd. 23, S. 50]

Ausgegangen war Marx allerdings von der Frage nach dem Reichtum, dessen gesellschaftliche Form die besondere der Ware ist. Und nach rascher Verengung des Gesichtsfeldes von der Perspektive der ungeheuren Warensammlung auf die einzelne Ware als deren Elementarform, scheint die Untersuchung dieser Elementarform nun etwas gefaßt zu haben, was die stoffli-che Grundlage des Reichtums aller möglichen Formen von Gesellschaft ist. Hat die Analyse ihr Thema, die Ware, bis dahin verfehlt?

Doch nun kommt ein jäher Wechsel. Die bisherige Analyse hat sich in Einseitigkeit erschöpft und schlägt um in die entgegengesetzte Einseitigkeit. Das Scharnier dieses Umschlags bildet eine letzte Spezifik des Gebrauchswerts, worin sich nun doch das Spezifische fassen läßt, das ihm zukommt nur soweit er Gebrauchswert einer Ware ist:
'In der von uns zu betrachtenden Gesellschaftsform bilden sie (die Gebrauchswerte, Anm. CB) zugleich die stofflichen Träger des - Tauschwerts.' [Marx: Das Kapital, MEW Bd. 23, S. 50]
Dieser Tauschwert wird im Folgenden ebenso einseitig entwickelt wie bisher der Gebrauchs-wert.

Rekapitulation:

Gefragt war: Was ist die Ware? Das Ergebnis auf die Frage werden zwei Bestimmungen sein. Die erste Antwort - die Ware ist Gebrauchswert - stößt darauf, daß aber Gebrauchswert der stoffliche Inhalt des Reichtums jeder nur denkbaren Gesellschaft ist. Die Spezifik der kapita-listischen Gesellschaft geht aber hier verloren, von der wir schließlich ausgegangen sind. Die Frage nach dem Spezifischen des Reichtums der kapitalistischen Gesellschaft bleibt offen, bis dann als letzte Bestimmung des Gebrauchswerts der Ware die überleitende Bestimmung ge-funden wird: In der von Marx zu untersuchenden Gesellschaftsform (was dieselbe Ausgangs-frage beinhaltet, wegen der dieses Seminar anberaumt wurde: Was ist eigentlich Kapitalis-mus?) ist der Gebrauchswert zugleich Träger des Tauschwerts; und nun wird die zweite Ant-wort - die Ware ist Tauschwert - entwickelt.

Der Tauschwert

Die Ware hat also zwei (objektive) Bestimmungen, völlig unabhängig davon, ob wir das als Theoretiker sehen oder nicht; sie ist eben erstens für den Gebrauch bestimmt, zweitens für den Verkauf bestimmt - vielmehr umgekehrt, zuerst muß der Verkauf kommen, diese Bestimmung hat offensichtlich Vorrang.

Lassen wir den Tauschwert weg, ist die Ware als Ware verschwunden, denn praktisch würde der Verlust des Tauschwerts bedeuten, daß die Ware unverkäuflich geworden, als Ware rui-niert ist, und nur ein gewöhnliches mehr oder weniger nützliches Ding bleibt übrig (z.B. Luft ist nützlich, sogar lebensnotwendig, jedoch keine Ware). Nehmen wir den Gebrauchswert von einer Ware weg, ist ihr Tauschwert vernichtet, denn etwas Unbrauchbares ist auch untausch-bar.

Zu einer weiteren Untersuchung der Ware läßt Marx die Ware in den Tausch gehen (auch nichts, was von Marx hinzugedichtet wird, sondern etwas das alltäglich praktisch geschieht). Er untersucht den Tauschwert, indem er das Tauschverhältnis untersucht. Die Verwirklichung des Tauschwerts ist der Tausch und das ist die Erfüllung seiner Bestim-mung. Den Tauschwert kann man also nur bestimmen, wenn man zunächst den Tausch unter-sucht. Wie kommt Marx dazu?

'Der Tauschwert erscheint zunächst als das quantitative Verhältnis, die Proportion, worin sich Gebrauchswerte einer Art gegen Gebrauchswerte anderer Art austauschen, ein Verhältnis, das beständig mit Zeit und Ort wechselt. Der Tauschwert scheint daher etwas Zufälliges und rein Relatives, ein der Ware innerlicher, immanenter Tauschwert (valeur intrinsèque) also eine contradictio in adjecto.' [Marx: Das Kapital, MEW Bd. 23, S. 50-51]

Bei der Frage nach dem Tauschwert landet man also wieder beim Terminus Gebrauchswert, jetzt aber bei einem äußerlichen Verhältnis zweier Gebrauchswerte. Marx konstatiert hier ei-nen ersten Widerspruch.

Wir haben hier den Widerspruch, daß der der Ware 'innewohnende' Tauschwert ein 'äußerli-ches', mit 'Zeit und Ort' beständig wechselndes Verhältnis sein soll. Wie kann eine innere Bestimmung ein äußeres Verhältnis sein? Und wie kann auf die Frage nach dem Tauschwert, nachdem man eigens den Gebrauchswert vorher abschließend behandelt hat, nun wieder der Gebrauchswert, sogar im Plural erscheinen? Um diese gefundenen Unklarheiten aufzulösen, betrachtet Marx daher näher, was geschieht, wenn getauscht wird. Die Beobachtung der Tauschpraxis zeigt dann: Der Tauschwert 'ist' viele Tauschwerte. Daß dem so ist weiß jedeR; es ist also eine Tatsache, die Sache des alltägli-chen Tuns. Auch der Tauschwert ist ein Beziehungsbegriff, er bezeichnet eine Ding-Dingrelation.

Aus der Tatsache, daß der Tauschwert jetzt als Tauschwerte, d.h. in der Mehrzahl, erscheint, werden zwei logische Schlußfolgerungen gezogen, die eigentlich zwei Seiten derselben Me-daille betreffen:
'Es folgt daher erstens: Die gültigen Tauschwerte derselben Ware drücken ein Glei-ches aus.' Also sind sie nichts als unterschiedliche Ausdrücke des Gleichen.

'Zweitens aber: Der Tauschwert kann überhaupt nur die Ausdrucksweise, die »Er-scheinungsform« eines von ihm unterscheidbaren Gehalts sein.' [Marx: Das Kapital, MEW Bd. 23, S. 51]

Jeder Ausdruck dieses 'Gleichen' kann nur ungleiche Ausdrucksweise eines von jeder Aus-drucksweise unterscheidbaren gleichen Gehalts sein. Das meint auch der Begriff der »Erschei-nung«; denn er hat die Verschiedenheit (Nichtidentität) von Erscheinung und Erscheinendem schon als Begriff an sich.

Wesentlich ist, daß die Erscheinung eine taube Nuß sein kann, wenn man nicht klärt, was das Erscheinende ist (und, nach welchen Gesetzen es gerade so und nicht anders erscheint, d.h. im Modus der Notwendigkeit). Die Suche nach diesem Gehalt - ein anderes Wort für Erscheinen-des - wird den Fortgang nun bestimmen.

Doch betrachten wir zunächst noch einmal ein erstes Verhältnis von Tauschwert und Gebrauchswert genauer und gehen dementsprechend im Text noch einmal zurück.

Der Gebrauchswert als solcher ist nur der Möglichkeit nach da, er muß verwirklicht werden. Eine der Bestimmungen des Gebrauchswerts, die Marx gegeben hat betraf diese Notwendig-keit:
'Der Gebrauchswert verwirklicht sich nur im Gebrauch oder der Konsumtion.' [Marx: Das Kapital, MEW Bd. 23, S. 50]

Der Gebrauch verbraucht mehr oder weniger den Gebrauchswert und vernichtet damit auch das von ihm Getragene, den Tauschwert. Die erste Bestimmung vernichtet sich, indem sie sich verwirklicht und auch das, was sie trägt, die zweite Bestimmung. Weil dieses Verhältnis die beiden Bestimmungen, trotz ihres totalen Unterschieds, sie mitein-ander verklammert, muß z.B. auch jedeR, der/die auf den Wert der Waren bedacht ist, d.h. z.B. der/die La-denbesitzerIn, ihren Gebrauchswert außerordentlich pfleglich behandeln, d.h. ihn im Modus der Möglichkeit erhalten und streng wachen, daß keineR den Gebrauchswert ohne Kauf für sich verwirklicht.

Zurück:

Wir sind bei der Betrachtung des Tauschwerts und daß er im Austausch viele Tauschwerte ist auf die Schlußfolgerung gestoßen, daß es einen von seiner Erscheinungsform unterschiedenen Gehalt geben muß.

Aus der Mannigfaltigkeit der Tauschwerte einer Ware schlußfolgert Marx zunächst, daß der Tauschwert als bloße Erscheinungsform bestimmt werden muß. Und um den Begriff des Tauschwerts zu erarbeiten, muß zur bloßen Erscheinung das Wesen aufgefunden werden, muß also den von jedem einzelnen Tauschwert unterscheidbaren Gehalt und das ihm praktisch Zugrundeliegende aufgefunden werden.

Greifen wir zur Begriffsklärung weiter vor: der Gehalt der Erscheinungsform Tauschwert, das in dieser Form Erscheinende, wird Wert genannt. Bei der Bestimmung des Werts wiederum gebraucht Marx einen weiteren philosophisch sehr aufgeladenen Begriff, den der Substanz. Substanz bezeichnet den Bestand eines bestehenden Etwas und den Stoff, woraus dieses Etwas besteht. Sie ist also eine bestimmte Verbindung von Stoff und Form.

Nachdem die unterschiedlichen Waren auf den Produktcharakter als ihr Gemeinsames redu-ziert worden sind, kann gesagt werden: 'Diese Dinge stellen nur noch dar, daß in ihrer Produktion menschliche Arbeitskraft verausgabt, menschliche Arbeit aufgehäuft ist. Als Kristalle dieser ihnen gemein-schaftlichen gesellschaftlichen Substanz sind sie Werte - Warenwerte.' [Marx: Das Kapital, MEW Bd. 23, S. 52]

Noch einmal zurück: Beim Tausch zwischen zwei Waren muß es ein 'Drittes' in der Tausch-gleichung geben, im Bsp. von Marx ein Drittes in der Tauschgleichung «1 Qtr. Weizen und ebenfalls in a Ztr. Eisen», ein Gemeinsames in den unterschiedlichen Dingen: 'Daß ein Gemeinsames von derselben Größe in zwei verschiednen Dingen existiert, in 1 Quarter Weizen und ebenfalls in a Ztr. Eisen. [Marx: Das Kapital, S. 58 MEW Bd. 23, S. 51]

Das Dritte kann weder sein wie das Erste, noch wie das Zweite, noch kann es in einer Natur-eigenschaft der Dinge bestehen. Begründung: Die natürlichen, körperlichen Eigenschaften der Dinge können für uns nur praktisch einzig in der Form relevant werden, die der Begriff Gebrauchswert erfaßt. Warum aber haben die Gebrauchswerte aufs Austauschverhältnis zweier Waren keinen Einfluß? Begründung: Wo immer getauscht wird, werden Dinge gleich-gesetzt, d.h. ein Gebrauchswert gilt an sich so viel wie ein anderer, nur in der jeweiligen Men-genbeziehung, in ihrer Proportion, markieren sich Unterschiede. Folglich: Wo immer ge-tauscht wird, 'ist es grade die Abstraktion von ihren Gebrauchswerten, was das Austauschverhältnis der Waren augenscheinlich charakterisiert.' [Marx: Das Kapital, MEW Bd. 23, S. 51-52]

Es bleibt nur noch eine Eigenschaft, die mit der Entqualifizierung nicht weggelassen ist, und das ist die von Arbeitsprodukten. 'Mit dem nützlichen Charakter der Arbeitsprodukte verschwindet der nützliche Cha-rakter der in ihnen dargestellten Arbeiten, es verschwinden also auch die verschiede-nen konkreten Formen dieser Arbeiten, sie unterscheiden sich nicht länger, sondern sind allzusamt reduziert auf gleiche menschliche Arbeit, abstrakt menschliche Arbeit.' [Marx: Das Kapital, MEW Bd. 23, S. 52]

Die Analyse geht im weiteren nun in die Tiefe der Wertsubstanz.

Nur verschiedene Gebrauchswerte werden getauscht. Kein Mensch tauscht Gleiches gegen Gleiches, das würden alle für Unsinn halten. Die Verschiedenheit der Waren schließt aber aus, daß das 'Dritte' auf der Ebene der Gebrauchswerte, der Ebene der Verschiedenheit, zu finden ist. Auf der Ebene des 'Dritten' müssen die Waren gleich sein, damit sie getauscht werden können.

Wir haben also die Ebene der Ungleichheit, auf der ein Tausch erst in Gang kommen kann; und wir haben eine Ebene der Gleichheit auf der jeder Tausch sich vollzieht. Die Verschie-denheit zweier Waren ist nach der einen Seite konstituierend für den Tausch; nach der anderen Seite ist das Gegenteil dessen, nämlich das Absehen (Abstrahieren) von dieser Verschieden-heit ebenso konstituierend für den Tausch. Inwiefern scheinen diese Behauptungen logisch, trotz ihrer Gegenlogik? Weil diese 'Logik' dieser Voraussetzungen alltäglich-praktisch ist, eben weil es sinnlos wäre, etwas wegzugeben, wenn man das Gleiche dafür eintauscht, so wie es auch sinnwidrig wäre, wenn man etwas wegtauschen würde, ohne zumindest etwas Wertgleiches dafür einzutau-schen. D.h., während Verschiedenheit konstitutiv, begründende Voraussetzung ist, Unterschiedliches gegen Unterschiedliches gesetzt wird, wird im Vollzug vom Unterschied abstrahiert. Die Erfüllung der Tauschwertbestimmung geschieht über die Abstraktion von Gebrauchswerten, das Absehen davon. Man kann also sagen: Die Bestimmungen Gebrauchswert und Tauschwert widerstreiten einander in ihrem Zusammenhang. Wenn die zweite sich verwirk-licht, wird von der ersten abgesehen. Dieses Absehen ist kein gedanklich-theoretischer Akt, sondern es vollzieht sich in der alltäglichen Praxis, immer, wenn getauscht wird. Wenn also zwei Menschen tauschen, müssen sie ihre Waren als Gebrauchswerte abstoßen. Man kann also sagen: Die Verwirklichung des Tauschwerts der Ware stößt ihren Gebrauchs-wert ab. Andererseits vernichtet die Verwirklichung des Gebrauchswerts der Ware ihren Wert. Die beiden Bestimmungen geraten also in ein gegensätzliches Verhältnis zueinander. Dieser Ge-gensatz ist kein ruhiger, keiner der bloßen Gegenüberstellung, sondern ein 'tätiger', denn hinter seinen beiden Seiten stehen entgegengesetzte Interessen. Indem die beiden aktiv Gegen-sätzlichen aber beides Bestimmungen der Ware sind oder indem die miteinander handelnden Personen sich an ein und derselben Ware für gegensätzliche Bestimmungen interessieren -, wird es ein Gegensatz innerhalb der Ware selbst und das heißt Widerspruch. Die Kategorie Widerspruch bezeichnet also derartige 'innere Gegensätze'.

Diese widersprüchlichen Seiten werden nun einander gegenübergestellt: 'Als Gebrauchswerte sind die Waren vor allem verschiedner Qualität, als Tauschwerte können sie nur verschiedner Quantität sein, enthalten also kein Atom Gebrauchswert.' [Marx: Das Kapital, S. 59. MEW Bd. 23, S. 52] Von nun an wird man bei allen Aussagen über die Ware klar zu unterscheiden haben, ob man von der Ware als Gebrauchswert oder als Tauschwert spricht. Denn die Ware ist sowohl das Eine als auch sein Gegensatz als auch beide zusammen. Als Tauschwerte enthalten die Waren 'kein Atom Gebrauchswert'. Aber erst der Tauschwert macht den Gebrauchswert zur Ware.

Grundlage des Tauschwertes (Wertsubstanz)

Nachdem das Verhältnis der beiden Bestimmungen soweit bestimmt ist, kann die Grundlage der zweiten, des Tauschwerts, freigelegt werden. Als Grundlage des Tauschwerts war ein 'Drittes' erschlossen worden. Um es darzustellen, tut Marx nichts anderes, als so zu verfah-ren, wie 'augenscheinlich' bei jedem Tausch verfahren wird. Er läßt die Darstellung von der Tauschabstraktion treiben und sieht systematisch ab von allem mit der Gebrauchswertseite der Waren Zusammenhängenden: 'Sieht man nun vom Gebrauchswert der Warenkörper ab, so bleibt ihnen nur noch eine Eigenschaft, die von Arbeitsprodukten.' [Marx: Das Kapital, MEW Bd. 23, S. 52]

Nun wird abgesehen von allem sinnlich Bestimmten, Konkret-Nützlichem, d.h. allem Gebauchswertartigem, jede qualitative Bestimmtheit sei es der Arbeitsprodukte, sei es der pro-duktiven Arbeit. Zurück bleibt das Residuum, d.h. ein Rückstand oder ein Rest, nämlich der der Arbeitsprodukte: 'Betrachten wir nun das Residuum der Arbeitsprodukte. Es ist nichts von ihnen übriggeblieben als dieselbe gespenstige Gegenständlichkeit, eine bloße Gallerte unter-schiedsloser menschlicher Arbeit, d.h. der Verausgabung menschlicher Arbeitskraft ohne Rücksicht auf die Form ihrer Verausgabung.' [Marx: Das Kapital, MEW Bd. 23, S. 52]

Das entscheidend Wichtige steht aber schon ein Satz davor. Denn indem ich die Ware reduziert habe auf bloßes Arbeitsprodukt, ist sie nicht länger Produkt einer bestimmten Arbeit, einer bestimmten produktiven Arbeit, sondern nur noch von Arbeit schlechthin unter Abse-hung von jeder qualitativen Bestimmtheit: 'Mit dem nützlichen Charakter der Arbeitsprodukte verschwindet der nützliche Charakter der in ihnen dargestellten Arbeiten, es verschwinden also auch die verschiede-nen konkreten Formen dieser Arbeiten, sie unterscheiden sich nicht länger, sondern sind allzusamt reduziert auf gleiche menschliche Arbeit, abstrakt menschliche Arbeit.' [Marx: Das Kapital, S. 59. MEW Bd. 23, S. 52]

Die Berufsspezifika, die spezifischen Tätigkeiten zur Herstellung dieses oder jenes Dings, 'sie unterscheiden sich nicht länger', werden also unterschiedslos, 'sondern sind allzusamt redu-ziert auf gleiche menschliche Arbeit, abstrakt menschliche Arbeit.' Zu sagen, daß diese Dinge nur noch darstellen, daß zu ihrer Herstellung menschliche Arbeitskraft verausgabt ist, egal in welcher Form, heißt zugleich sagen, daß die Arbeit, die in diesen Dingen steckt, nur als menschliche Arbeit schlechthin zählt. 'Als Kristalle dieser gemein-schaftlichen' - gemeinschaftlich, der logische Beiklang des Wortes wird jetzt - so hoffe ich - mitgehört, war doch das Gemeinsame der Unterschiedlichen gesucht -, also Kristalle dieses Dritten, 'dieser ihnen gemeinschaftlichen gesellschaftlichen Substanz sind sie Werte - Waren-werte.' [Marx: Das Kapital, S. 59. MEW Bd. 23, S. 52]

Einschub: Arbeitskraft, Arbeit, Wert

Was unterscheidet nun eigentlich Arbeitskraft, Arbeit und Wert? Wenn es nun bei Marx heißt, die Arbeit ist 'wertbildende Substanz' (Kapital S. 53, 2. Absatz), aber an anderer Stelle wiederum, die Arbeit selber hat keinen Wert, dann hat man Schwierigkeiten, die beiden Aussagen auf einen Nenner zu bringen. Das Problem löst sich ganz leicht auf, wenn man die Daseinsweisen (modi) betrachtet, in denen Arbeit hier vorkommt. Was heißt es denn zu sagen: Arbeit ist wertbildend? Doch dies, daß beim Arbeiten Wert gebildet wird, daß in jeder Sekunde Arbeit ein Stück Wert mehr dem Arbeitsgegenstand angefügt worden ist. Als tätige Bewegung ist eben die Arbeit selber der Wert noch nicht, so wenig wie etwa das Stricken das Gewebe. So strickt die Arbeit gleichsam Masche für Masche des 'gespenstischen' Wertgewebes, aber sie ist selber nicht das Gewebe, sondern eben das Verfertigen desselben.

Wie verhält sich nun die Arbeitskraft zur Arbeit? So wie Möglichkeit zur Wirklichkeit. D.h., von Arbeitskraft sprechen wir dann, wenn die subjektive Möglichkeit zu arbeiten ausgedrückt werden soll. Arbeitskraft = Potenz. Was enthält sie als Potenz, als Möglichkeit? Sie enthält z.B. die Möglichkeit der Wertbildung. Im Gegensatz dazu ist die Arbeit dann die Wirklichkeit der Wertbildung. Wie verhält sich nun die Wertbildung zum Wert?

Die Wertbildung läßt den Wert zurück; indem sie vergeht, entsteht der Wert. Entsprechend den drei Zeiten Zukunft, Gegenwart, Vergangenheit kann man sagen: Arbeitskraft ist mögli-che zukünftige Arbeit, Arbeit ist die gegenwärtige Verwirklichung und Verausgabung von Arbeitskraft, Wert ist vergangene und vergegenständlichte Arbeit. Entsprechend verwendet auch Marx den Ausdruck 'vergangene' oder 'tote Arbeit', im Gegensatz zur 'lebendigen Arbeit', die den Wert bildet. Dann hätten wir also diese drei Begriffe: 'mögliche Arbeit' für Arbeitskraft; 'verwirklichende Arbeit' oder 'lebendige Arbeit' als Wertbildungsvorgang; der gebildete 'Wert', vom Standpunkt der Arbeit aus gesehen 'vergegenständlichte Arbeit', 'tote Arbeit', vergangene, dem Produkt ankristallisierte Arbeit.

Wertgröße

Nachdem die 'gemeinschaftliche gesellschaftliche Substanz' der Waren aufgedeckt ist, als deren Kristallisation sie 'Werte' sind, bewegt sich die Untersuchung weiter in der Tiefe der Arbeit, des Produzierens. Es gibt jetzt nach der Grunderkenntnis der Wertsubstanz eine Reihe von Folgeerkenntnissen, eine Art von erster Ernte einzubringen. Ich begnüge mich nun damit, sie wie in einem Katalog aufzuführen.

Aus der Entdeckung der Arbeit als Substanz des Werts ergibt sich die Frage: Wie bestimmt sich die Wertgröße? Die Antwort ist: Arbeit wird quantifiziert als Arbeitszeit (vgl. Marx: Kapital, MEW Bd. 23, S. 53).

Nachdem diese Bestimmung da ist, taucht sofort das Folgeproblem auf: Wenn einer faul oder ungeschickt ist und länger braucht, müßte das Produkt seiner Arbeit nicht wertvoller als das in weniger Arbeitszeit Hergestellte sein? Das Problem wird gelöst, indem eine Reihe von Begriffen als Durchschnittsbegriffe charakterisiert werden. Diese Durchschnittsbegriffe werden von Marx als 'gesellschaftliche Begriffe' eingeführt. Er bestimmt die Begriffe 'gesellschaftlich', d.h., es gilt ihm jede vorkommende Größe nur als gesellschaftliche Durchschnittsgröße ihrer Art, die Arbeitskraft als 'gesell-schaftliche Durchschnittsarbeitskraft' (Marx: Kapital, MEW Bd. 23, S. 53), die Geschicklich-keit, Arbeitsintensität nur als 'Durchschnittsgrad des Geschicks', Durchschnittsintensität, und schließlich die der einzelnen Ware als 'Durchschnittsexemplar ihrer Art' (Marx: Kapital, MEW Bd. 23, S. 54). Die Arbeitszeit, die zur Herstellung eines Artikels notwendig ist und daher seine Wertgröße bestimmt, wird erfaßt als die im Durchschnitt notwendige oder 'gesell-schaftlich notwendige Arbeitszeit'. Nachdem diese einzelnen Folgebestimmungen eingeführt sind, kann die erste voll ausdefinierte Aussage gemacht werden: Der Wert einer Ware ist bestimmt durch die zu ihrer Her-stellung gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit. Nun wird (auf S. 54, Marx: Kapital, MEW Bd. 23) ein weiterer wichtiger Folgebegriff eingeführt, der wie die anderen Folgebegriffe nur eine Ausführungsbestimmung der Wertbestim-mung ist. Wenn nämlich von der gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit zur Herstellung eines Gegenstandes die Rede ist, dann ist implizit eine bestimmte 'Fruchtbarkeit' der Arbeit unterstellt, ein Grad von Ergiebigkeit: die Produktivkraft der Arbeit. Das heißt, die Fruchtbar-keit der Arbeit, die durch den Ausstoß von Produkten einer bestimmten Art pro Quantum Ar-beitszeit gemessen wird, wird definiert als ihre Produktivkraft. - Zu notieren bleibt, daß sich die Konsequenz dieser Bestimmung der Produktivkraft dann schlagend zeigt, wenn sie sich ändert. Sie ist bestimmt durch das Verhältnis der Zeitmenge an Arbeit zu der durch sie her-vorgebrachten Menge an Gebrauchswerten einer bestimmten Art. Jede Vergrößerung der Pro-duktivkraft vergrößert die Produktmenge; den Wert dieser größeren Produktionsmenge läßt sie dagegen nicht größer werden, als vor der Änderung der Wert der kleineren Produktmenge war. Andererseits verringert die Vergrößerung der Produktivkraft folglich den Wert des ein-zelnen Produktes. 'Allgemein: Je größer die Produktivkraft der Arbeit, desto kleiner die zur Herstellung eines Artikels erheischte Arbeitszeit, desto kleiner die in ihm kristallisierte Arbeits-masse, desto kleiner sein Wert. Umgekehrt, je kleiner die Produktivkraft der Arbeit, desto größer die zur Herstellung eines Artikels notwendige Arbeitszeit, desto größer sein Wert. Die Wertgröße einer Ware wechselt also direkt wie das Quantum und um-gekehrt wie die Produktivkraft der sich in ihr verwirklichenden Arbeit.' [Marx: Das Kapital, MEW Bd. 23, S. 55]

Daß bei steigender Produktivkraft der Arbeit eine Entwertung des einzelnen Produkts stattfindet, ist ein ökonomisches Gesetz; d.h. es läßt sich mathematisch als Proporz ausdrücken. Die-ses Gesetz ist ungeheuer wichtig in der Entwicklung des Kapitalismus. Was als innerer Gegensatz der Ware aufgefunden worden ist, zeigt sich hier als gegensätzliche äußere Bewegung der Größen Gebrauchswert und Wert. Auf die Ware Arbeitskraft übertra-gen, die ja mittelbar auch Arbeitsprodukt ist, bedeutet diese Gesetzmäßigkeit: Je fruchtbarer die Arbeit wird, desto wertloser wird die Ware Arbeitskraft werden.

Den Abschluß des Unterabschnitts 1 bildet eine Sammlung von Fällen, in der die beiden Bestimmungen der Ware, Gebrauchswert und Wert, in den verschiedenen Kombinationsmög-lichkeiten aufgeführt werden. Darauf möchte ich nun nicht näher eingehen, da sie meist Stoff für endlose Diskussionen abzugeben drohen und für den weiteren Verlauf nicht gar so wichtig sind.

2. Doppelcharakter der in den Waren dargestellten Arbeit

Gehen wir zum Unterabschnitt 2 über, der überschrieben ist mit 'Doppelcharakter der in den Waren dargestellten Arbeit'. Er beginnt mit einem Blick zurück: 'Ursprünglich erschien uns die Ware als ein Zwieschlächtiges, Gebrauchswert und Tauschwert.' [Marx: Das Kapital, MEW Bd. 23, S. 56]

Nun, ganz ursprünglich sicher nicht, sondern es war ja bereits Resultat einer näheren Betrachtung der Ware. Dieses Resultat hat sich jedenfalls sofort in die Darstellung der Arbeit fortgesetzt. Dieser Punkt, sagt Marx, ist der 'Springpunkt', 'um den sich das Verständnis der politischen Ökonomie dreht'. (Marx: Das Kapital, MEW Bd. 23, S. 56) So wie die Ware einerseits Gebrauchswert, andererseits Wert ist, so ist die warenproduzierende Arbeit einerseits gebrauchswert-produzierende Arbeit, andererseits wertbildende Arbeit. Gebrauchswerte, also nützliche Dinge, produziert sie in bestimmter konkret-nützlicher Form, als Schneiderei im Unterschied zur Weberei, als Tischlerei im Unterschied zur Klempnerei usw. Hier wird also der Begriff der konkret-nützlichen Arbeit geprägt, nach der anderen Seite hin sein Gegenbegriff der gleichen, abstrakt-menschlichen Arbeit überhaupt. Wie zuvor aufgewiesen worden ist, daß eine der konstitutiven Voraussetzungen für den Tausch die qualitative Unterschiedenheit dessen ist, was im Tausch gegeneinander gesetzt wird, so wird hier die gesellschaftliche Schlußfolgerung gezogen: Daß Warenproduktion überhaupt vorkommt, setzt die qualitative Unterschiedenheit der Arbeit der einzelnen Produ-zenten voraus, kurz: gesellschaftliche Arbeitsteilung. Dieser Begriff muß nun deshalb eingeführt werden, weil sich in der großen Mannigfaltigkeit unterschiedlicher Gebrauchswerte, wie sie die 'ungeheure Warenansammlung' ausmachen, die entsprechend große Mannigfaltigkeit konkret-nützlicher Arbeitsformen widerspiegelt. Gesellschaftliche Teilung der Arbeit ist also notwendige Voraussetzung für Warenproduktion. Ist aber auch die Umkehrung dieser Aussage möglich?

Die Umkehrung, Warenproduktion als notwendige Voraussetzung für gesellschaftliche Teilung der Arbeit zu unterstellen ist sinnwidrig. Denn, daß Arbeitsteilung ohne Warenproduk-tion möglich ist, wird von Marx zum einen historisch belegt und zum anderen auch mit einem alltäglich zu beobachtenden Beispiel: 'in jeder Fabrik ist die Arbeit systematisch geteilt, aber diese Teilung nicht dadurch vermittelt, daß die Arbeiter ihre individuellen Produkte austauschen.' [Marx: Das Kapital, MEW Bd. 23, S. 57]

Um das Verhältnis von gesellschaftlicher Teilung der Arbeit und Warenproduktion bestimmen zu können, wird eine erste Bestimmung der Produktionsverhältnisse erforderlich, die gegeben sein müssen, damit es zur Warenproduktion überhaupt kommen kann. Diese Produk-tionsverhältnisse lassen sich soweit in zwei Bedingungen zusammenfassen. Setzt man Arbeitsteilung als Bedingung voraus, kann gesagt werden:
'Nur Produkte selbständiger und voneinander unabhängiger Privatarbeiten treten einander als Waren gegenüber.' [Marx: Das Kapital, MEW Bd. 23, S. 57]

Die zweite Bedingung besteht darin, daß die unterschiedlichen nützlichen Arbeiten in einer solchen Gesellschaft 'unabhängig voneinander als Privatgeschäfte selbständiger Produzenten betrieben werden' [Marx: Das Kapital, MEW Bd. 23, S. 57]

Das Entscheidende ist der Zusammenhang von Arbeitsteilung und Privatheit der Produktion. Voraussetzung und Resultat von Privatproduktion ist wiederum das Privateigentum. Es ist auch und gerade bei der Betrachtung privatarbeitsteiliger Warenproduktion sehr wichtig, die Arbeitsteilung zu begreifen als gesellschaftliches System. Privatproduktion bedeutet zwar, daß jedeR nur für sich arbeitet. Aber Arbeitsteilung bedeutet andererseits ja, daß jedeR ArbeiterIn zugleich für andere mitarbeitet in einer bestimmten nützlichen Form. Insgesamt ergibt sich, daß nur arbeitsteilige Privatproduktion Warenproduktion ist, aber nicht jede Privatproduktion ist gleich Warenproduktion. Nach der Arbeitsteilung taucht - bei der weiteren Entfaltung des Begriffs der Gebrauchswerte produzierenden 'konkret-nützlichen Arbeit' - der Begriff der Vermittlung wieder auf (vgl. Fußnote 10): Der Gebrauchswert, vielmehr 'das Dasein von Rock, Leinwand, jedem nicht von Natur vorhandnen Element des stofflichen Reichtums, mußte immer vermittelt sein durch eine spezielle, zweckmäßig produktive Tätigkeit, die besondere Naturstoffe besondren menschlichen Bedürfnissen assimiliert.' [Marx: Das Kapital, MEW Bd. 23, S. 57]

Arbeit als Vermittlerin des menschlichen Lebens ist der Basisprozeß, naturnotwendigewig für die Menschheit. Ohne sie ist kein menschliches Leben, also auch kein bewußtes, somit auch keine Theorie möglich. Diese einseitige Tätigkeit, die den Naturstoff nicht läßt, wo und wie er ist, die ihn umformt, ihn aneignet, angleicht, um ihn brauchbar und genießbar zu machen, diese Tätigkeit ist es, was die auseinanderliegenden Extreme Natur und Mensch zum Menschen hin vermittelt, was also den Naturstoff vermenschlicht, zum Lebensmittel - im ganz allgemeinen Sinn zu verstehen - macht, um dem Menschen seinen natürlichen Lebensprozeß zu ermöglichen. Damit der Mensch leben kann, muß er Naturstoffe aufnehmen, muß er in einen Stoffwechselprozeß mit der Natur eintreten. Er kann aber den Naturstoff nicht ohne weiteres so aufneh-men, wie er ist.

Das, was in Ruhe war, das Gemeinsame der beiden Waren, ist hier in Bewegung als genau die Tätigkeit, deren ruhigem Resultat wir einerseits in den Gebrauchswerten, soweit sie Arbeits-produkte sind, andererseits im Wert begegnet sind. Hinsichtlich der Gebrauchswertproduktion oder der konkret-nützlichen Arbeit sind wir nun wieder bei allgemeinhistorischen und gesellschaftlich unspezifischen Bestimmungen gelandet: 'Als Bildnerin von Gebrauchswerten, als nützliche Arbeit, ist die Arbeit daher eine von allen Gesellschaftsformen unabhängige Existenzbedingung des Menschen, ewige Naturnotwendigkeit, um den Stoffwechsel zwischen Mensch und Natur, also das menschliche Leben zu vermitteln.' [Marx: Das Kapital, MEW Bd. 23, S. 57] Wie schon zu Anfang scheint es hier wiederum so zu sein, als ob Marx sein Thema, 'die kapitalistische Produktionsweise', aus den Augen verloren hat. Doch nun kommt wiederum die Gegenbewegung, und es wird die Arbeit als wertbildende untersucht.

Was jetzt untersucht werden muß, ist die spezifische Organisationsform des Stoffwechsels mit der Natur, die in der Warenproduktion vorherrscht. Und hier genügt es nicht, daß die Arbeit als tätige Vermittlerin eingegriffen hat. Das heißt zum je vereinzelten, konkret-spezifischen produktiven Stoffwechsel, worin jeder besondere Produzent besonderen Formwechsel von Naturstoff herbeiführt - der eine formt das Erz zu Metall um, der andere schmiedet das Metall zum Pflug, der nächste baut Getreide an usw. bis der Kreis der Lebensmittel auf einem gegebenen Entwicklungsniveau geschlossen ist, - und diese besonderen Produzenten tauschen untereinander ihre besonderen Produkte als Mittel zum 'Stoffwechsel des Menschen mit der Natur'. Es kommt nun zum Stoffwechsel in der Gesellschaft. Wo die Arbeit geteilt verrichtet wird, wo also Arbeitsteilung herrscht, da muß zum je besonderen, arbeitsteilig betriebenen produktiven Stoffwechsel mit der Natur (der den Formwechsel von Naturstoff im Sinne eines menschlichen Bedürfnisses durch Arbeit und Naturkräfte her-beiführt) ein sozialer Stoffwechsel hinzukommen, bevor jedes Individuum über eine Zusam-menstellung aller notwendigen Arten von Lebensmitteln verfügt und seinen individuellen kon-sumtiven Stoffwechsel mit der Natur speisen, also sein Leben erhalten kann. In der von uns untersuchenden Gesellschaftsform verläuft der soziale Stoffwechsel in der Form von Warenaustausch. Daß produziert worden ist, reicht nicht aus; erst wenn ausge-tauscht worden ist, kann individuell konsumiert werden, also der 'physiologische Stoffwech-sel des Menschen mit der Natur' im engeren Sinne zustande kommen. Die Herrschaft des Privateigentums erlaubt es hier nicht anders.

Als Bildnerin von Gebrauchswerten entfaltet sich die Arbeit zwar gesellschaftlich nach der Seite der Mannigfaltigkeit, als gesellschaftliche Teilung des gesellschaftlichen Arbeit; an sich aber ist sie so als naturnotwendig-ewig, als Existenzbedingung des Menschen gefaßt. Als Bildnerin von Gebrauchswerten ist die Arbeit nicht in ihrer gesellschaftlichen Spezifik gefaßt. Als wertbildende Arbeit ist sie es dagegen wohl. Indem sich die Untersuchung zuspitzt auf die Arbeit als wertbildende, spitzt sie sich auf die für den Untersuchungsgegenstand, die bürgerli-che Gesellschaft, spezifische gesellschaftliche Form der Arbeit zu. Der Begriff, den Marx nun weiter ausarbeitet, ist der vielzitierte, der der abstrakt-menschlichen Arbeit. Abstrakt kann sinnvollerweise nur dort gesagt werden, wo von etwas abstrahiert wird, etwa wo Arbeit unter Absehung von ihrer Berufsspezifik und von der Beziehung auf ihren besonderen Gegenstand betrachtet wird. Sobald wir vergessen, daß da ein Abstrakti-onsprozeß vorausging, ist der Begriff abtrakt-menschliche Arbeit widersinnig. Wo also nicht ausdrück-lich um den Gegensatz zum Weggelassenen, hier: zum konkret-nützlichen Charakter Gebrauchswerte produzierender Arbeit geht, sollte man von gleicher menschlicher Arbeit sprechen, menschlicher Arbeit überhaupt.

Im Schlußsatz des zweiten Unterabschnitts werden die beiden Bestimmungen der warenpro-duzierenden Arbeit zusammengefaßt, wie im ersten Unterabschnitt die beiden Bestimmungen der produzierten Ware zusammengefaßt worden sind: 'Alle Arbeit ist einerseits Verausgabung menschlicher Arbeitskraft im physiologischen Sinn, und in dieser Eigenschaft gleicher menschlicher oder abstrakt menschlicher Ar-beit bildet sie den Warenwert. Alle Arbeit ist andrerseits Verausgabung menschlicher Arbeitskraft in besondrer zweckbestimmter Form, und in dieser Eigenschaft konkreter nützlicher Arbeit produziert sie Gebrauchswerte.' [Marx: Das Kapital. MEW Bd. 23, S. 61] Wenn man genau hinsieht, stößt man nun bei beiden Bestimmungen der warenproduzierenden Arbeit letztlich schon wieder auf Natur. Es ist offensichtlich nicht richtig, daß nur die gebrauchswert-produzierende Arbeit als natur-notwendiger, von jeder Gesellschaftsform unabhängiger Vorgang die 'Naturbasis' des menschlichen Lebenkönnens darstellt, im Gegenteil, hier ist zwar der Arbeitsprozeß seiner inhaltlichen Seite nach 'Naturprozeß', z.B. das Verbrennen von Kohle ist Naturprozeß (und kein gesellschaftlicher Prozeß), auch das Verbrennen von Eiweiß in unserem Körper usw. Und letztlich reduziert sich die gleiche menschliche Arbeit auf einen physiologischen Prozeß. Wir stoßen also bei beiden Bestimmungen auf eine Naturbasis-Ebene. Denn Physiologie - Physis ist Natur. Und 'Verausgabung menschlicher Arbeitskraft im physiologischen Sinn' heißt also nichts anderes, als daß es ein Naturprozeß ist. Hier, wo Marx wie schon am Anfang seiner Analyse der 'kapitalistischen Produktionsweise' auf dem Abstellgleis 'Natur-Ebene' gelandet zu sein scheint, läßt sich erklären, wie es kommt, daß er nicht einfach in der bisherigen Weise fortfahrt. Jetzt hat er ja an sich die Ebene der Produktion erreicht, und man könnte annehmen, er würde nun endlich 'materialistisch' aufbauen und die Lohnarbeit und das Verhältnis von Lohnarbeit und Kapital darstellen. Wa-rum macht er das nicht? Daß die Darstellung nicht geradlinig verläuft deutet er schon auf S. 53 (Ende des 1. Absatzes) an:
'Der Fortgang der Untersuchung wird uns zurückführen zum Tauschwert als der not-wendigen Ausdrucksweise oder Erscheinungsform des Werts, welcher zunächst jedoch unabhängig von dieser Form zu betrachten ist.' [Marx: Das Kapital, MEW Bd. 23, S. 53]

Und auf S. 55 haben die Herausgeber in einer Fußnote den letzten Satz des entsprechenden Abschnitts der ersten Auflage von Marx’ 'Kapital' zitiert: 'Wir kennen jetzt die Substanz des Werts. Es ist die Arbeit. Wir kennen sein Größenmaß. Es ist die Arbeitszeit. Seine Form, die den Wert eben zum Tausch-Wert stempelt, bleibt zu analysieren.' [Anm., MEW Bd. 23, S. 55]

Mit der Analyse dieser Form wird es im Unterabschnitt 3 'Die Wertform oder der Tauschwert' weitergehen. Aber warum denn? Es fängt dort wieder an mit <>, das kennen wir doch schon, oder nicht? Warum also ist es nötig noch einmal bei der Analyse dieser 'Form' anzusetzen? Die Antwort will ich hier wenigstens andeuten, obwohl ich dazu vorgreifen muß:
Der Fortgang der Darstellung verläuft deswegen über die Analyse und Entwicklung der Wertform, weil auch die wirkliche Geschichte (im Rückblick betrachtet) vermittels der Entwick-lung der Wertform weiterge-gangen ist. Es war nur mittelbar eine vom Arbeitsprozeß ausge-hende Dynamik, die die Ge-schichte vorangetrieben hat, indem sie die Gesellschaft hat weiter-entwickeln lassen. Die Ent-wicklung erhält zwar aus der Ebene des Arbeitsprozesses die ent-scheidenden Anstöße und Triebkräfte in Gestalt der Entwicklung der Produktivkräfte; diese ist überhaupt der Hebel, der in Verhältnissen der Privatproduktion die Teilung der Arbeit, die sich in Form von enormer Produktivitätssteigerung auszahlt, vorantreibt. Aber unmittelbar war es die Eigendynamik der Tauschbeziehungen - hinter der allerdings der Druck von Produktion und Konsumption bzw. Bedürfnis stand -, die eine Verselbständigung des Wertes hervortrieb. Dergestalt verselbständigt als entfremdete und verdinglichte gesell-schaftliche Macht (als Kommando über tote und bald auch über lebendige Arbeit), trat der Wert als ungeheure Energien entfesselnde ökonomische Gewalt in die Geschichte ein, mit all den Fol-gen, die es hatte, daß die Ware sich verdoppelte in Ware und Geld, daß damit das Ver-hältnis des Tausches aufgespalten wurde in Verkauf und Kauf, daß dadurch Bedingungen geschaffen wurden, die die Kapitalform des Werts hervorbrachten, bis schließlich vermittels der Ware Arbeitskraft, 'das Kapital' (von dem wir ja noch gar nicht wissen was es ist) die Produktion unterordnen konnte. So hat sich (wenn wir einmal abstrahieren von allen zufälligen Umständen und von entge-genwirkenden, überhaupt allen außerökonomischen Faktoren, die es aber dennoch im Hinter-kopf zu behalten gilt) der Kapitalismus herausgebildet, und daher kann Marx die Warenform der Arbeitsprodukte oder Wertform der Ware als die 'ökonomische Zellenform' (MEW Bd. 23, S. 12) bezeichnen, aus der sich der ausgebildete Organismus der bürgerlichen Gesellschaft ebenso genetisch entfaltet hat, wie er als vollentfalteter aus ihr als seinem einfachst-elemanta-ren Bauelement sich zusammensetzt. Damit ist nach Marxens Entdeckung zugleich die einzige Möglichkeit bestimmt, die kapialistische Produktionsweise logisch zwingend darzustellen. Deshalb muß die Darstellung über die Formanalyse gehen und kann nicht wie hier über die Substanzanalyse weitergehen.

Noch einmal:
Bei der Analyse des Tauschwerts nach der Seite seines Gehalts und dessen Substanz waren wir mit Marx in eine Dimension vorgestoßen, die sich mit dem Stichwort 'Naturbasis' cha-rakterisieren läßt. Sowohl konkret-nützliche Arbeit als auch abstrakt-menschliche Arbeit re-duzierten sich letztlich auf Naturprozesse, bzw. auf naturnotwendige, von der spezifischen Gesellschaftsform insoweit unabhängige Prozesse. Die Frage ist aber: Wenn wir hier nun wieder nichts als Natur haben, wo fassen wir dann das gesellschaftlich Spezifische, das den Kapitalismus, die bürgerliche Gesellschaft im Unterschied z.B. zur feudalen oder zur antiken Gesellschaft? Die Antwort lautet: Wenn es über die Substanz nicht geht, dann muß es über die Form gehen; d.h. das gesellschaftlich Spezifische, seine Historizität, wird nur erfaßt vermöge der Form-analyse. Sie ermöglicht es die besondere ökonomische Rolle, die die Arbeit unter Abstrak-tion von ihrer konkreten Nützlichkeit in der warenproduzierenden Gesellschaften spielt, zu begreifen. Aber warum sind wir bei der Betrachtung der Substanz immer wieder auf die Naturbasis zurückgeworfen worden, obwohl wir die gesellschaftliche Ebene betrachten wollten? Weil wir den Wert, von seiner Erscheinungsform her fassen wollten und der allgemeine Gegenstand des Werts, 'das heißt der Wert als Wert sich gar nicht ausdrücken läßt, sondern nur in verkehrter Gestalt ‘erscheint’, nämlich als Verhältnis von zwei Gebrauchswerten.' (Back-haus, S. 44) Indem wir also von der Oberfläche der bürgerlichen Gesellschaft, der augenscheinlichen »un-geheuren Warenansammlung« ausgingen, sind wir dem Wert nur in seiner verkehrten Gestalt auf die Spur gekommen. 'Verkehrt' ist jedoch nicht gleichbedeutend mit 'falsch'. Es war nicht sinnlos was wir bis dahin gemacht haben. Die Erscheinung, daß sich der Tauschwert als Verhältnis zweier Gebrauchswerte darstellt ist wirkliche Erscheinung, es ist eine Tatsache. Doch was bedeutet dann 'verkehrt'?

Hegel der den Terminus 'verkehrte Welt' geprägt hat drückt dies so aus: die verkehrte Welt, hat die Welt, die sie verkehrt, an sich selbst. Denken wir doch z.B. an den Spruch etwa bei der Aufführung einer Satire: 'Das ist aber eine verkehrte Welt, wenn die Herren die Knechte spielen und die Knechte die Herren'. Eine sol-che satirische Theateraufführung läßt uns über die Ungerechtigkeit der Wirklichkeit einiges erfahren, vielleicht sogar mehr als eine trockene Analyse. Doch es ist nicht Marx, der die Verkehrung hineinbringt. Seine Darstellung ist, wie wir gesehen haben, diejenige, wie sich die Wirklichkeit selbst darstellt. Indem die verkehrte Welt sich als verkehrte darstellt, spricht sie die Verkehrtheit der bestehenden Welt aus. In diesem Sinne ist die verkehrte Welt kein bloß unmittelbarer Gegensatz zu der Erscheinung. Es handelt sich in Wahrheit nicht um den Gegensatz zweier Welten. Es ist vielmehr die Rea-lität, die die beiden Seiten in sich hat, sich in dem Gegensatz entzweit und damit sich auf sich selbst bezieht. Die Marxsche Darstellung ist, indem er die Erscheinungsform des Wertes, d.h. seiner empirschen Tatbestände, vorführt, eine ‚zynische’ Darstellung der Wirklichkeit, d.h. hier, ihrer ei-genen Verkehrtheit.

Soweit so gut, halten wir die wesentlichen Begriffe der beiden Unterabschnitte in ihren ersten Bestimmungen fest, die auch im weiteren Verlauf noch wichtig sind und von Marx weiter entwickelt werden: è siehe Handout

- Handout -

Begriffe aus den ersten zwei Unterabschnitten,
'1. Die zwei Faktoren der Ware: Gebrauchswert und Wert (Wertsubstanz, Wertgröße)' und '2. Doppelcharakter der in den Waren dargestellten Arbeit', (aus: Karl Marx’ Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie. Band I, Der Pro-duktionsprozeß des Kapitals. I. Abschnitt Ware und Geld. 1. Kapitel Die Ware. MEW Bd. 23, S. 49-61)] Zum Tausch produzierter, gesellschaftlicher Gebrauchswert, welche unter 'freien' Verhältnissen à kapitalistische Produktionsweise (auf dem Markt) getauscht werden. Nicht unter 'Zwangsverhältnissen': Sklaverei, Feudalismus. 'Nur Produkte selbständi-ger und voneinander unabhängige Privatarbeiten treten einander als Waren gegenüber' (57)'Um Waren zu produzieren, muß er (der Produzent) nicht nur Gebrauchswert produ-zieren, sondern Gebrauchswert für andere, gesellschaftlichen Gebrauchswert' (55)Zwei Bestimmungen der Ware: Gebrauchswert und Wert Gebrauchswert: Eine Bestimmung der Ware, wie der Tauchwert.Verwirklicht sich nur im Gebrauch oder Konsumption. Wenn er verwirklicht ist, 'ver-braucht', negiert ist, ist auch der Tauschwert vernichtet. à Gebrauchswerte müssen 'gepflegt' werden, um den Wert realisieren zu können. Der Gebrauchswert ist 'Träger' des Tauschwerts (in einer Gesellschaftsformation, in welcher die kapitalistische Pro-duktionsweise (vor)HERRscht). Muß nicht immer auch Wert sein. 'Die Gebrauchswerte bilden den stofflichen Inhalt des Reichtums, welches immer seine gesellschaftliche Form sei.'(50)Stichworte:Nützlichkeit (50.1); Quantität / Qualität1 (49.3); Verwirklicht sich im Gebrauch (50.1); Ding-Bedürfnisrelation (49.2); unabhängig von der Gesellschaftsformation, stofflicher Inhalt des Reichtums (50.1); Produkt verschiedener, konkreter und nützlicher Arbeit (50.3); unabhängig von der Arbeitszeit. Tauschwert: eine Bestimmung der Ware, wie der Gebrauchswert;'notwendige Ausdrucksweise oder Erscheinungsform des Werts' (53). Nur als quanti-tatives Verhältnis mindestens zweier Gebrauchswerte, also immer relational auf eine andere Ware bezogen.Stichworte:Keine Eigenschaft der Dinge (kein Atom GW, 52.2); Quantitatives Austauschverhältnis der GW; Verwirklicht sich im Austausch; Ding-Dingrelation; Abhängig von Gesell-schaftsformation (erst in Kap 1.2 und 1.3); Als Erscheinung Produkt gleicher, abstrakt menschlicher Arbeit (52.3); Verschiedene Tauschwerte (= Austauschverhältnis) einer Ware drücken ein Gleiches aus (51.1); abhängig von gesellschaftlich notwendiger Ar-beitszeit. Wert: Rein quantitativ auf eine Ware bezogen; drückt vergangene, vergegenständlichte Arbeit aus (ausgedrückt in gesellschaftlich notwendiger Arbeitszeit). Marx spricht beim Wert so auch von 'vergangener' oder 'toter' Arbeit im Gegensatz zur 'lebendigen' Arbeit, welche Wert bildet.Stichworte:Gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit als Wertmaß (54.1); Gemeinsame Wertgrößen verschiedener Waren drücken sich im verschiedenen Tauschwert einer Ware aus (53.1). Wertsubstanz: abstrakt menschliche Arbeit Wertgröße: Quantum der materialisierten, gesellschaftlich notwendigen Arbeitskraft zur Herstel-lung eines Gebrauchswertes. Wechselt 'direkt wie das Quantum und umgekehrt wie die Produktivkraft der sich in ihr verwirklichten Arbeit' (55) Arbeit: Hat selbst keinen Wert, ist aber wertbildend. Wirklichkeit der Wertbildung (im Gegen-satz zur Möglichkeit: Arbeitskraft). Arbeit ist die gegenwärtige Verwirklichung und Verausgabung von Arbeitskraft. analytische Trennung Konkret-nützliche Arbeit:'Verausgabung menschlicher Arbeitskraft in besondrer zweckbestimmter Form, und in dieser Eigenschaft konkreter nützlicher Arbeit produziert sie Gebrauchswerte.' (61); engl. work'...ewige Naturnotwendigkeit, um den Stoffwechsel zwischen Mensch und Natur, also das menschliche Leben zu vermitteln.' (57) à unabhängig von einer Gesellschaftsformation. Abstrakt-menschliche Arbeit:Von der Herstellung von Gebrauchswerten abstrahiert bleibt abstrakt-menschliche Arbeit, der spezifische Moment der in warenproduzierenden Gesellschaft auftre-tenden Arbeit. 'Verausgabung menschlicher Arbeitskraft im physiologischen Sinn, und dieser Eigen-schaft gleicher menschlicher oder abstrakt menschlicher Arbeit bildet sie den Wa-renwert.' (61); engl. labour Arbeitskraft: Die Potenz, die Möglichkeit zu Arbeiten, also Wert oder Gebrauchswert zu bilden (vgl. Arbeit). Mögliche zukünftige Arbeit. In früheren Texten spricht Marx auch von 'Ar-beitsvermögen'. Arbeitskraft wird im Kapitalismus als Ware gefaßt. Gesellschaftlichnotwendige Ar-beitszeit:Wert einer Ware Dies ist ' Arbeitszeit, erheischt um irgendeinen Gebrauchswert mit den vorhandenen gesellschaftlich-normalen Produktionsbedingungen und dem gesellschaftlichen Durch-schnittsgrad von Geschick und Intensität der Arbeit darstellt' (53) à ist abhängig von gesellschaftlichen Produktionsbedingungen, von der Produktivkraft. Gesellschaftlicher Durchschnittsbegriff (zeitlich wie gesellschaftlich). Produktivkraft: 'Die Produktivkraft der Arbeit ist durch mannigfache Umstände bestimmt, unter ande-ren durch den Durchschnittsgrad des Geschickes der Arbeiter, die Entwicklungsstufe der Wissenschaft und ihrer technologischen Anwendbarkeit, die gesellschaftliche Kombination des Produktionsprozesses, den Umfang und die Wirkungsfähigkeit der Produktionsmittel, und durch Naturverhältnisse.' (54)'Produktivkraft ist natürlich stets Produktivkraft nützlicher, konkreter Arbeit und be-stimmt in der Tat nur den Wirkungsgrad zweckmäßiger produktiver Tätigkeit in gegeb-nem Zeitraum.(60); Produktivkraft steigert sich immer nur in Bezug auf eine bestimmte Arbeit, z.B. Weberei, also konkret nützlicher Arbeit. Weiter ist Produktivkraft ein Mo-ment jeder Produktionsweise und abstrakt-menschliche Arbeit, als analytisches Moment gibt es sie nur in der kapitalistischen Produktionsweise.
Ware:
1) Wichtig, weil die Frage auftauchen kann, ob sich GW und TW entsprechend der Unterscheidung Qualität und Quantität auseinanderlegen lassen. Aber z.B. der GW von Kohle hängt nicht nur von der stofflichen Qualität, sondern auch von der zur Verfügung stehenden Menge.

Anhang

Bestimmung

In unserem alltäglichen Sprachgebrauch wird der Begriff 'Bestimmung' für eine bestimmte Art erkenntnismäßi-ger Aneignung verwendet. Diese Aneignung bezieht sich auf fremde Gegenstände und zwar so, dass sie an be-stimmten Merkmalen gleichsam festgenommen werden, für ‚wahr’-gemommen werden. Wo bestimmt wird, da ist zunächst Unbestimmtheit und, unter dem Anspruch des Wissens - des Wissenwollens, besteht die Notwendigkeit, zu bestimmen. Notwendigkeit heißt somit, dass es nicht anders sein kann, ohne dass wir den Anspruch des Wissens aufgeben. In diesem Sinne heißt Bestimmung, die Identifikation von etwas zu-nächst Unbekanntem. Anhand von Merkmalsunterscheidungen wird zunächst noch Unbekanntes erschlossen und bekannt gemacht, so wie z.B. ein Detektiv (Joseph Matula!) vorgeht, wenn er eine Spur verfolgt. Bei einem De-tektiv gibt es meist eine Mischung zwischen einem Arsenal von Regeln, die ihm bewußt sind und seinem soge-nannten Instinkt, als unbewußte Regeln. Er unterstellt dabei, dass es möglicherweise eine Regel gibt, die sich im Nachhi-nein zeigt, aber es kann genauso gut sein, dass es keine gibt, doch die Möglichkeit, der Referenzbereich für den Begriff Re-gel, ist gegeben. Wissenschaftstheoretisch wird ein solches Vorgehen - in Bezug auf Forschung und Theorie - als Abduktion bezeichnet, als eine besondere Schlussform im Gegensatz zur Deduktion und zur Induktion. Deduktion bedeutet das Schließen von einer allgemeinen Regel, etwa einem Gesetz, und einer konkreten Prämisse auf einen konkreten Befund und erklärt ihn dadurch. Induktion dagegen ist das Schließen von einem Befund und einem vorausliegen-den Fall auf die Gültigkeit einer Regel. Das ist ein unsicherer Schluß. Abduktion ist das Schließen von einem bestimmten Befund auf das Vorliegen eines Falles unter einer impliziten Regel. Implizit bedeutet hier, dass das Wissen über die Regel nicht vorliegt. Eine implizite Regel muß nicht bewußt sein. Die meisten Regeln werden uns etwa erst dann bewußt, wenn gegen sie verstoßen wird. Die Leistung der Bestimmung ist – um im Bild zu Bleiben – sozusagen ein ‚erkennungsdienstlicher’ Vorgang. Ein Fremdwort von Bestimmung ist 'Determination' und von der Determination wurde schon in der antiken Philosophie gesagt, dass die Determination einer Sache einengend geschieht, indem sozusagen ein zunächst breiter Kreis von Verdächtigen sukzessive verkleinert wird, indem über bestimmte, verengende Merkmale immer mehr ausgeschieden werden. Gelingt die Determination, dann bleibt schließlich nur ein Individuum bzw. eine individuelle Art übrig. Die Bewegung ist also - etwas vereinfacht dargestellt - die der Einengung, sie kommt von den Grenzen her, sie grenzt das Aufzufindende im Ausschließungsverfahren ein. Hegel stellt diesen Akt der Bestimmung in seiner Begriffslehre als besonders wichtig heraus und benützt eine Formulierung von Spinoza: omnis determinatio est negatio, übersetzbar als: Jede positive Bestimmung ist negative Bestimmung. D.h., jede Bestimmung ist somit zugleich Verneinung von anderen möglichen Bestimmungskandidaten. Es ist dies also auch ein Abstraktionsprozeß (vgl. Begriff Abstraktion in Fußnote 4); doch hinzukommt, dass der Abstraktionsprozeß seine Umkehrung erhält, denn das Ziel ist das Individuelle, das Konkrete, als Komplex von vielen Bestimmungen; erst dann bekommt man einen Begriff von einer Sache. Der Begriff steht also am Ende dieses Prozesses. Bestimmung ist also auch unter dem Mantel der Theorie ein Tätigkeitsprozeß, also ein praktischer Prozeß mit dem Zweck der Theoriebildung. Auf die Seite der alltäglich-menschlichen Praxis hin orientiert findet der Akt der Bestimmung seinen substanziellen Grund: Den ‚harten Kern’ des theoretischen Akts der 'Bestimmung' bilden die Notwendigkeiten der Arbeit, die wiederum der Stoffwechselprozeß des Menschen mit der Natur ermöglichen muß. Die hier bisher getroffene Bestimmung des Begriffs »Bestimmung« ist noch subjektiv vereinseitigt, d.h. der Be-stimmungsakt ist hierbei mit den Objekten nur äußerlich verknüpft. Im Alltag hat bekanntlich »Bestimmen« eine unmittelbar praktische Bedeutung, eine hierarchische: Wer bestimmt über wen? So kommen dann Begriffe zu-stande wie z.B. Selbstbestimmung oder Mitbestimmung. Auch Entscheiden heißt hier, ganz allgemein gesagt, Bestimmung eines zunächst Unbestimmten. Bestimmen heißt hier im Kern praktische Zweckbestimmung und enthält offensichtlich eine doppelte Dimension von Herrschaft: Herrschaft von Menschen über Natur und Men-schen. Es gibt noch einen dritten Sprachgebrauch, der sich im zweiten, letztgenannten spiegelt und der in mythischen Äußerungen religiöser oder pseudoreligiöser Art vorkommt: die schicksalhafte Bestimmung, eine Art überirdi-sche Vorsehung. Der Begriff Bestimmung umfasst also drei Dimensionen, die theorie-praktische Dimension, die alltags-praktische Zweckbestimmung und die mythische schicksalhafte Bestimmung. In Bezug darauf, dass die Ware die doppelte Bestimmung, einerseits Gebrauchswert zu sein, andererseits Tauschwert, so ist hier der zweite praktische Wortsinn erfüllt, d.h. zwei praktische Bestimmungen, Entscheidun-gen über die Verwendung von Arbeitskraft und Hilfsmitteln usw. gingen der Existenz der Ware voraus. Die Ware wurde 'praktisch bestimmt', bevor der Theoretiker (zunächst Adam Smith) sein Werk beginnt und die Ware 'theoretisch bestimmt'. Aber man kann auch erahnen, dass der mythische Wortsinn, der im praktischen Tun entsteht und die Menschen ihr Tun als schicksalhaft empfinden, sich auch beim Theoretiker niederschlägt, wenn dieser Gebrauchswert und Tauschwert als 'natürlich' - und somit ewig schicksalhaft – bezeichnet.

Zu Daseinformen (Modi) und Negation der Negation

Möglichkeit, Wirklichkeit und Notwendigkeit sind sogenannte Daseinformen, zwischen denen ein Modalgefälle herrscht. Etwas oberflächlich kann man sagen, dass Hegel in seiner Begriffslehre für alle dieser drei Modi den Oberbegriff Realität verwendet. Wirklichkeit ist bei Hegel die Übersetzung des lateinischen Begriffs actualitas (Wirksamkeit) und nicht die Über-setzung von realitas. Actualitas ist dasjenige, was uns betroffen macht, (actus = wirken) das uns zum Gegen-stand von Betroffenheit macht. Actualitas ist das schon Gewordene im Gegensatz zu dem noch nicht Geworde-nen, sondern erst Möglichen. In diesem Sinne ist der Gegenbegriff zu Wirklichkeit, der der Möglichkeit. Mög-lichkeit heißt also die (noch) nicht verwirklichte Realität. Insofern kann man auch sagen, dass etwas real möglich ist, heißt somit, dass es verwirklicht werden kann oder auf seine Verwirklichung harrt, auch wenn es evtl. nie zu dieser Verwirklichung kommen wird, im Gegensatz zu etwas, das nicht möglich ist. Notwendigkeit dahingegen bezeichnet das Nicht-Anders-sein-Können. In Bezug auf das Modalgefälle ist also Notwendigkeit ein weitaus strengerer Begriff als Wirklichkeit, weil bei Wirklichkeit es ebenfalls möglich ist, dass etwas zufällig geworden ist. D.h. Wirklichkeit umfasst also sowohl Zufall als auch Notwendigkeit. Man sieht leicht, dass dabei Notwendigkeit etwas mit Gesetzmäßigkeit zu tun hat. In diesen Zusammenhang muß also so-wohl der Gesetzesbegriff von Hegel, als auch der von Marx gestellt werden, d.h. es handelt sich um einen anderen Gesetzesbegriff als beim naturwissenschaftlich-technischen. Möglichkeit, Wirklichkeit und Notwendigkeit gehören alle zum Realitätsbegriff, sie bezeichnen also allesamt unterschiedliche Seiten, Aspekte oder Momente ein und derselben Realität. Wie verhält sich nun der Realitätsbegriff zu den Begriffen Sein, Wesen, Erscheinung und Gesetz (in der Hegel-schen Logik)? In aller unzulänglichen Kürze: Die Lehre vom Wesen ist der Hauptteil der Hegelschen Begriffslogik. Das Sein bildet dabei sozusagen die äußere Schicht der Wirklichkeit, ihre Oberfläche, dasjenige, was unmittelbar in der Wahrnehmung gegeben ist; auf der Ebene des Seins ist die Welt diskret, d.h., sie besteht aus, wenn auch untereinander verbundenen, so doch trotz-dem isolierten Gegenständen – Hegel nennt dies Dasein. Das Wesen - das ist die innere Welt, die tiefen Zusam-menhänge (jedoch als Allge-meinheiten im Gegensatz zum Substanzbegriff, der zusätzlich das Individuelle, das Besondere betrifft), das, was dem Sein zugrunde liegt, auch das Aufgehobene vergangener Entwicklungsstufen: Hegel weist auf die ethymolo-gische (d.h. die Herkunft von Wörtern betreffend) Verbindung von Wesen und dem Partizip Perfekt von Sein, ge-wesen, hin. In der Sphäre des Seins gehen die Begriffe ineinander über, sie sind ständiger Veränderung unterworfen; auf der Ebene des Wesens aber vereinigen sie sich miteinander und 'schei-nen' kaum, denn sie sind reflektiert, d.h. sie werden widergespiegelt in Anderem (z.B. im Bewusstsein). 'Das Wesen ist Reflexion; die Bewegung des Werdens und Übergehens, das in sich selbst bleibt.' (Hegel Bd. 5, S. 3) Als Sein wird Etwas ein Anderes, als Wesen ist Etwas das Andere. Das Wesen in seiner Existenz ist die Erscheinung. Das bedeutet, daß es das Wesen nicht in 'reiner Gestalt' ge-ben kann, an und für sich, es ist immer nur in den Erscheinungen der objektiven Welt vorhanden. Ihrerseits exis-tieren letztere aber nicht an und für sich, sie sind immer Ausdruck eines bestimmten Wesens. Das Wesen er-scheint, und die Erscheinung ist wesentlich. Das Wesen ist tiefer, aber die Erscheinung ist reicher. Das Wesentli-che und Identische in den Erscheinungen ist nun das Gesetz. Es ist nicht jenseits der Erscheinung, sondern ist in ihr unmittelbar gegenwärtig. Das Reich der Gesetze ist das ruhige Abbild der erscheinenden Welt. Die Einheit von Wesen und Erscheinung bildet die Realität. Von der unmittelbaren Existenz unterscheidet sich die Realität durch zwei Merkmale, die sie zu einer konkreteren und inhaltsreicheren Kategorie machen: Die Rea-lität enthält in sich erstens die Möglichkeit und zweitens die Notwendigkeit, wie oben gesagt wurde. Doch ist dies nun genauer zu fassen: Die Realität ist nicht nur die realisierte Möglichkeit (Wirklichkeit), sondern das sind auch die realen Möglichkeiten der Entwicklung, die sich eröffnen, was heute existiert. Diese reale Möglichkeit muß man von der formellen Möglichkeit unterscheiden. Formell möglich ist alles, was sich nicht widerspricht. Eine strenge Grenze, die den einen Typus der Möglichkeit von dem anderen unterscheidet, existiert nicht. Eine belie-bige abstrakte Möglichkeit kann unter sich veränderten Bedingungen zu einer realen Möglichkeit werden, d.h. in die Realität eingehen und danach verwirklicht werden. Dasjenige, was real möglich ist, ist, nach He-gel, notwen-dig. Folglich ist die Notwendigkeit auch eine Komponente der Realität. Wie das Wesen er-scheint auch die Notwendigkeit vor uns nicht unmittelbar, sondern sie ist immer in die Form ihres Gegensatzes - die Zufälligkeit - gekleidet. Das Zufällige ist etwas, was sein kann und nicht sein kann, was dieses, aber auch ein anderes sein kann, etwas, dessen Sein oder Nichtsein den Grund nicht in sich selbst, sondern in einem anderen hat. Die Aufgabe der Wissenschaft und im besonderen der Philosophie besteht nach Hegel darin, die unter dem Schein der Zufälligkeit verborgene Notwendigkeit zu erkennen. Die Lehre vom Wesen wird mit der Kausalität abgeschlossen. Die Ursache erzeugt eine ihr gleiche Wirkung. In diesem Sinne ist die Kausalbeziehung tautologisch und unmittelbar. Nach Hegel ist die Ursache nicht die Ge-samtheit der Faktoren, die die Entstehung einer gegebenen Erscheinung bedingen, sondern Ursache ist nur das, was der Erscheinung vorausgeht und genetisch mit ihr verbunden ist. Der kausale Zusammenhang ist nur ein Moment in der universellen Abhängigkeit der Erscheinungen, das künstlich herausgesondert wird und den uni-versellen Zusammenhang nur unvollständig ausdrückt. Die Kausalitätsbeziehung wird erweitert, wenn man zum Begriff der Wechselwirkung übergeht; das Verursachende verändert nicht nur das, worauf es wirkt, sondern es selbst ist nach Ausüben der Wirkung nicht mehr dasselbe; außerdem ist in der Wirkung nicht einfach das passive Resultat sichtbar, sondern das aktive Element, welches seinerseits die Ursache beeinflußt. Indem Ursache und Wirkung wechselseitig wirken, tauschen sie gleichsam beständig die Plätze, oder vielmehr: sind zugleich sie selbst und ihr Gegenteil. Kausalität ist also nur denkbar in Verbindung mit Zufälligkeit. Die zuletzt behandelten Kategorien - Wirklichkeit, Möglichkeit, Notwendigkeit, Zufälligkeit, Kausalität, Wech-selwirkung - legen die Frage nach der Freiheit nahe. Man müßte von hier aus übergehen zu Fragen der Teleolo-gie, d.h. von Ursache-Wirkungsmechanismen zu Zweck-Mittel-Relationen übergehen, man würde weiter in den handlungstheoretischen Bereich kommen und somit zu ersten Bestimmungen des Hegelschen Arbeitsbegriffs; doch lasst uns hier einmal mit der Kurzdarstellung abbrechen. (Man sieht, dass Hegel viel materialistischer argu-mentiert, als man von ihm allgemein annimmt – denn auch bei ihm geht das Sein der geistigen Reflexion voraus!). Zum Hegelschen Freiheitsbegriff sagt auch Engels würdigend: 'Für ihn (Hegel, Anm. CB) ist die Freiheit die Einsicht in die Notwendigkeit. ‘Blind ist die Notwendigkeit nur, insofern dieselbe nicht begriffen wird’. Nicht in der geträumten Unabhängigkeit von den Naturgesetzen liegt die Freiheit, sondern in der Erkenntnis dieser Ge-setze, und in der damit gegebenen Mög-lichkeit, sie planmäßig zu bestimmten Zwecken wirken zu lassen.' (Engels, Anti-Dühring) Das bedeutet aber keinesfalls, daß Naturgesetzmäßigkeiten und Notwendigkeiten ver-schwinden, sondern lediglich dass in der Er-kenntnis ihrer die Möglichkeit besteht, sie für menschliche Zwecke einzusetzen (z.B. in der Technik, auch mit allen negativen Folgen).

Positivität und Negativität, Negation und Negation der Negation: Von den Daseinsformen ausgehend wird nun deutlicher, was die Ausdrücke positiv und negativ bei Hegel be-deuten. Sie sind keinesfalls als wertende Begriffe zu verstehen, sondern das Positive ist lediglich das Affirmative, es bezeichnet Gesetztsein, Fixiertsein und damit zugleich Erstarrung. Das Negative ist sozusagen dasjenige, was an der Erstarrung zu rütteln vermag, dasjenige im Raum der realen Möglichkeiten, das nicht gesetzt ist. Da es Hegel - salopp ausgedrückt - um die Verflüssigung von erstarrten Begriffen geht und Marx um die Verflüssigung affirmativer Verhältnisse, kommt dem Begriff Negativität oder - im Vollzug – dem Begriff Negation eine große Bedeutung zu. Die Nega-tion bedeutet nicht die Vernichtung des Gegenstandes, sondern vielmehr seine Entwick-lung. Was heißt nun Negation der Negation? Negation der Negation ist nicht wie in der formalen Logik die Rückkehr zur Position. Wenn man in der formalen Logik ein «a» hat, dann ist die Negation davon «Øa» und die Nega-tion der Negation ist natür-lich wieder «a» (ØØa = a). Im Bereich der Hegelschen Bestimmungen verhält es sich anders (und daran nichts irrationa-les, wie K. R. Popper un-terstellt und es verstößt auch nicht gegen den formalen Satz des Wider-spruchs): Man hat ein «a», das ein mögliches «a» ist; also formal: M(a) Nun versucht man dieses «a» zu bestimmen, dann stellt man fest: Irgendeine Bestimmung ist äquivalent mit der Nichtmöglichkeit des Andersseins dieses «a»: a º ØM(Øa) (1) Wenn man sich dieses «a» jetzt genauer anschaut, wird man feststellen, daß, um dieses «a» als solches zu bestimmen, man auch ein «Øa» setzen müssen und das ist äquivalent mit der Nichtmöglichkeit des «a»: Øa º ØM(a) (2) (1) und (2) widerspricht sich natürlich, aber in einem ganz anderen Sinn, als beim Satz des Widerspruchs: Es ist eine unter-schiedliche Gestaltung eines Modalgefälles. Wenn man ein Etwas in einer Richtung bestimmt hat, dann hat man nicht mehr die Möglichkeit es in einer anderen Richtung zu bestimmen, denn es ist gesetzt. Andere mög-liche Bestimmungen widersprechen dem. Bsp. aus dem Kapitel 'Wahrnehmung' der Hegelschen 'Phänomenologie des Geistes' auf der Ebene begriffli-cher Bestimmungen von Einheit und Vielheit: Satz 1) Das Wesen eines Gegenstandes ist sein Einssein. Satz 2) Das Wesen des Gegenstandes ist die Vielheit (von Eigenschaften). à unbestimmte Negation. Satz 3) Das Eine ist das Allgemeine àNegation der Negation oder bestimmte Negation. 1) & 2) sind zwei verschiedene mögliche Bestimmungen, die in Widerspruch zueinander ste-hen. Wenn man mit diesen Unterschieden umgehen möchte, wenn man diese wechselseitige Negation negieren will, dann braucht man irgend eine Regel, die eine dieser beiden Bezeich-nungen auszeichnet; oder eine Regel, die die beiden Be-zeichnungen auf einer anderen Ebene miteinander vermittelt. D.h. man braucht eine Regel, die diese wechselsei-tige Negativität, also deren Unterschied aufhebt, indem man sie unter eine einzelne Regel bringt. Damit ist man schon im Bereich der Reflexion. Man denkt über Ebenen der Bestimmung nach. Bspw. liegt in obigen Aussage-sätzen ein 'Missverständnis' der beiden ersten Aussagen darin, daß sie am Besonderen kleben (Um hier ein eventuelles Missverständnis auszuräumen: Hegel bleibt natürlich nicht beim Allgemeinen stehen; sondern diese Erörterung bildet lediglich ein Zwischenstadium). Jedes Ding der Wahrnehmung leidet in diesem Sinne an ei-nem Widerspruch. Im Aufzei-gen der Eigenschaften gerät die Wahrnehmung in einen Widerspruch zwischen Beson-derheit und Allgemeinheit. Ein Ding ist Eins, sofern es sich von anderen Dingen unterscheidet. Es ist aber auch Vieles, weil es für-mich oder für-ein-anderes in unzählige Bestimmtheiten (hier: Eigenschaften) zerfällt; daraus folgt der Widerspruch. Bei Aussage 2) kommt die Vielheit der Ei-genschaften bspw. auch anderen Dingen zu, d.h. die Eigenschaften sind allgemeine Eigen-schaften. Also ist die Getrenntheit des Dinges von anderen gerade sein Bezug zu anderen Din-gen. Soweit zu diesem Beispiel. Die Negation der Negation ist also die Aufhebung des Ausschließlichkeitscharakters einer Bestimmung im Ver-hältnis zu der, wie Hegel sagt 'Totalität', der Gesamtheit der möglichen Bestimmungen von etwas.

Identität von Identität und Nicht-Identität (bei Hegel)

Hier beispielhaft erörtert an der Beziehung des Ganzen und seinen Teilen: Die Isolierung von Teilen bzw. Momenten ist die Voraussetzung dafür, zu reflektieren. Gleichzeitig ist das Ganze die Voraussetzung der einzelnen Teile bzw. Momente. Hegel dekliniert die Beziehung der Teile zum Ganzen hinauf und gleichzeitig dekliniert er vom Ganzen zu den Teilen herunter. Er vermittelt schließlich diese beiden Ansätze. 'Das Ganze ist das Wahre'. Der Grundgedanke dabei ist, daß wenn man im Ganzen das Ganze von seinen Teilen so unter-scheidet, daß man es als eine gesonderte Entität anordnet, dann ist das so fixierte Ganze selbst nur ein Teil des Ganzen neben den anderen Teilen; also muß das ‘wahre Ganze’ als die Einheit des von den Teilen auch zu unterscheidenden Gan-zen und der Teile gedacht werden. Ebenso beim Einen: Das Eine, das dem Vielen nur gegenübersteht, ist selbst nur eines unter Vielem; also muß das wahre Eine als Einheit in der Vielheit und damit als Einheit von Einheit und Vielheit (Totalität) gedacht werden. Dementsprechend ist auch das wahre Allgemeine als Einheit seiner selbst und des Besonderen zu denken. Des-weiteren sind so auch die Verhältnisse der Begriffe von Wesen und Erscheinung, von Grund und Begründetem, Substanz und Akzidens zu verstehen. Zum Verhältnis von abstrakt und konkret (Zusatz zu Fußnote 4): Der zentrale Kritikpunkt Hegels ist die 'schlechte Abstraktheit', d.h. die richtige und notwendige Unter-scheidung von z.B. Allgemeinem und Besonderem als ein reales Getrenntsein mißzuverstehen. Ganz gleichgültig, wie man das wahre Ganze, die Totalität, das Abso-lute denkt - als das Allgemeine, das Wesen, das Eine: nach Hegel denkt man es nur dann 'konkret', wenn man es als etwas denkt, das es selbst ist und zugleich sein Gegen-teil, das also mit dem, was es nicht ist, identisch ist. Im konkreten Einen ist nach Hegel das Eine vom Vie-len zu unterscheiden, also nicht identisch mit dem Vielen; als abstrakt Eines ist es selbst bloß eines unter dem Vielen, also identisch mit dem Vielen; beides muß man in einem Gedanken vereinigen - in dem des einen konkreten Einen, in dessen Identität Einheit und Vielheit zu-gleich identisch und nichtidentisch sind. Kritik (zum theoretischen Aspekt von Kritik) Wortsinn Kritik: krinein (griech.), unterscheiden, entscheiden.

Immanente Kritik:

Die Kritik der politischen Ökonomie untersucht die Bedingungen zu den [bei den von Marx harangezogenen bürgerlichen Ökonomietheorien (Smith, Ricardo, ...)] nur vorausgesetzten Gegenständen. Analog zu Hegels 'Phänomenologie des Geistes' hält sich die Marxsche Kritik an die Kriterien, die die zu kriti-sierende Position selbst aufstellt. Sie argumentiert also nicht von einem dritten Standpunkt aus, der selbst zu rechtfertigen wäre und die Kritik legt nichts dem Gegenstand äußerliches hinein. So ist die Möglichkeit der Kritik relativ einfach gesichert. Die Bedingungen der Kritik werden Gegenstand der Kritik, oder die immanente Kritik löst ihre Kriterien auf. Marx übernimmt also die genetischen Momente des Darstellungs- und Begründungszusammenhangs in modifi-zierter Weise von Hegel, so z.B. - die sukzessive Durchdringung des Scheins hin auf das unbegriffen Wirksame, - der Aspekt von Reflexion auf die Voraussetzungen, der in der Rekonstruktion der eigenen Genese liegt (bei Marx gefaßt als Situierung der Theorie im historischen Kontext), - die Form der Begründung, die darin besteht, die eigene Theorie als Konsequenz der kritisierten darzustellen. Wie Hegel begreift auch Marx Kritik als geschichtliche Bewegung. Den Unterschied zu Hegel deutet Marx in der Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie an (der Kontext hierbei ist der Widerspruch der gesetzgebenden Gewalt und der Widerspruch des politischen Staats): 'Die vulgäre Kritik verfällt in einen entgegengesetzten dogmatischen Irrtum. So kritisiert sie z.B. die Konstitu-tion. Sie macht auf die Entgegensetzung der Gewalten aufmerksam etc. Sie findet überall Widersprüche. Das ist selbst noch dogmatische Kritik, die mit ihrem Gegenstand kämpft, so wie man früher etwa das Dogma der heili-gen Dreieinigkeit durch den Widerspruch von eins und drei beseitigte. Die wahre Kritik dagegen zeigt die innere Genesis der heiligen Dreieinigkeit im menschlichen Gehirn. Sie be-schreibt ihren Geburtsakt. So weist die wahrhaft philosophische Kritik der jetzigen Staatsverfassung nicht nur Widersprüche als bestehend auf, sie erklärt sie, sie begreift ihre Genesis, ihre Notwendigkeit. Sie faßt sie in ihrer eigentümlichen Bedeutung. Dies Begreifen besteht aber nicht, wie Hegel meint, darin, die Bestimmungen des logischen Begriffs überall wiederzuerkennen, sondern die eigentümliche Logik des eigentümlichen Gegenstandes zu fassen.' [Marx: Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie, vgl. MEW Bd. 1, S. 296, Her-vorhebung CB] Dies führt zur Ideologiekritik.

Ideologiekritik:

Im allgemeinsten Sinn bestimmt Marx Ideologie als Selbstdeutung einer sozialen Praxis, einer Produktionsweise und zugleich als eine Form sozialer Praxis. Da die Theorie den Schein oder das System scheinbarer Zusammen-hänge als Vermittlungsstelle zwischen ökonomischer Theorie und ökonomischer Gegenständlichkeit begreift, hat sie einmal das Problem der Isomorphiebedingungen für Modelle anzugeben nicht (d.h. anzugeben, welche Beziehung die aufge-stellten Modelle zur empirisch beobachtbaren Realität haben, d.i. ob die Modelle angemessen sind), wie heutzutage die bürgerliche Ökonomie. Zweitens kann sie das Ideologische der ökonomischen Theorien erklären, indem sie deren Grundannahmen als abgezogen vom scheinbaren Zusammenhang darstellt. Marx begreift Kritik als geschichtliche Bewegung. Seiner eignen Position kommt dabei die Bedeutung zu, Kritik und Schein als solche zu begreifen. Die vorhergehenden Positionen, die Marx kritisiert, werden als eine sich selbst undurchsichtige Kritik angesehen. Die Notwendigkeit seines Verfahrens begründet Marx in einer Argumentation, die sich in drei Schritten nachvoll-ziehen läßt: 1. Zunächst hebt die Kritik ab auf die verschiedenen Inkonsistenzen der klassischen Arbeitswerttheorie. Gegen-über der sich ebenfalls als immanent gebenden subjektivistischen Kritik (v.a. seitens der Junghegelianer) vertei-digt Marx aber den systemati-schen Zug der klassischen Arbeitswertlehre. 2. Als Konsequenz der erörterten Inkonsistenzen wird angegeben, daß die Fragen der klassischen politischen Ökonomie unter den Bedingungen ihrer generellen Fragestellung gar nicht zu beantworten sind. 3. hebt die 'Form- und Fetischtheorie' darauf ab, die Weise der bisherigen ökonomischen Fragestellung(en) als selbst noch der Struktur und Erscheinung des Gegenstandes geschuldet darzustellen. Marx Gegenstand sind primär die zentralen ökonomischen Vergesellschaftungsmechanismen. Er begreift sie als allgemeine Bedingungen kapitalistischer Reproduktion, unter denen spezifische ökonomische Entwicklungen und politisches Handeln allererst möglich sind. Und er begreift die Analyse der Kategorien in Wertbestimmungen als Bedingungen der Möglichkeit, empirische Erscheinungen zu begreifen.

Kritik und Darstellung:

Um das Verhältnis von Kritik und Darstellung zu beschreiben, können unterschieden werden: 1. Die Kritik ist als Forschung Voraussetzung der Darstellung. Es geht also nicht darum, vorgefundene Theoreme in ein dialektisches Schema zu pressen. Die Trennung von kritischer Forschung und dialektischer Darstellung ist aber nicht Marx’ letztes Wort. An La-salle schreibt er in Bezug auf den Anspruch der 'Kritik der politischen Ökonomie' (KpÖ): 'Die Arbeit, um die es sich zunächst handelt, ist Kritik der ökonomischen Kategorien oder, if you like, das System der bürgerlichen Ökonomie kritisch dargestellt.' Die Darstellung ist also selbst Kritik. Was ist darunter zu verstehen? 2. Die Darstellung ist Kritik, indem die begriffliche Entwicklung der ökonomischen Produktionsverhältnisse zugleich die ihrer mangelhaften Auffassung in der politischen Ökonomie ist. 3. Sie ist immer auch normative Kritik. Der emanzipatorische Gehalt der KpÖ zielt auf die Aneignung der ent-fremdeten Gattungskräfte, der Unterordnung der Sachverhältnisse unter die Assoziation freier und gleicher Men-schen. Die theoretische Kritik eröffnet so die Bedingungen der Möglichkeit für eine praktische Kritik. 4. Die Darstellung ist Kritik im Sinne der Untersuchung der ökonomischen Kategorien. z.B.: 'Der Schein der Selbständigkeit, den die Geldform des Kapitalwerts in der ersten Form seines Kreislaufs (des Geldkapitals) besitzt, verschwindet in dieser zweiten Form, welche somit die Kritik der Form I bildet, und sie auf eine nur besondre Form reduziert.' [Marx: Das Kapital, (vgl. MEW Bd. 24, S. 78)] Kritik meint hier - im erstmals von Kant eingeführten Sinn - Geltungsbegründung und -Begrenzung der Kategorien. Sie läßt sich in zwei Bedeutungen thematisieren, einer historischen und einer im engeren Sinn begrifflichen. Die historische Begrenzung der Gültigkeit der Kategorien resp. ökonomischen Formen ist motiviert, das zu wi-derlegen, was Marx im weitesten Sinn 'bürgerliche Ideologie' nennt, die Darstellung der bürgerlichen Produkti-onsverhältnisse als natürlicher und ewiger. Geltungsbegründung und -begrenzung bedeutet hier: Die in der Analyse der Kategorien dargestellten Verlaufsge-setzlichkeiten (z.B. Gesetze des Geldumlaufs, der ökonomischen Zyklen, des Kapitalumschlags) werden spezifi-schen Bereichen zugewiesen, die ihrerseits nur unter angebbaren Bedingungen existieren und deshalb auf einen weiteren Begründungszusammenhang verwiesen sind.

Kritik und Begründung:

Zwei Weisen der Systematisierung:
1. Die immanente Kritik (der Kategorien) ist über das rückwärtsgehende Begründen ausgearbeitet zum Einholen der Voraussetzungen (orientiert sich methodisch weitgehend an Hegel).
2. Gegenständliche Relevanz und Gültigkeit der Theorie für die kapitalistische Produktionsweise überhaupt si-chert die Darstellung der ökonomischen Produktionsverhältnisse, d.i. die der ökonomischen Vergesellschaf-tungsmechanismen, der funktionalen Kreisläufe der Reproduktion etc., als Darstellung ihrer davon gar nicht abzutrennenden verkehrten Erscheinungsweise. Sie erklärt die einzelnen Inkonsistenzen der ökonomischen Theo-rie wie die der ökonomischen Theoriebildung überhaupt (Abgesehen von der Öffnung der Bedingungen der Möglichkeit für eine revolutionäre Kritik im praktischen Sinne besteht auch hier eine Originalität der Marxschen Methode gegenüber der Hegelschen).
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