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Team Otto Morf
Thema GESCHICHTE UND DIALEKTIK IN DER POLITISCHEN ÖKONOMIE - Zum Verhältnis von Wirtschaftstheorie und Wirtschaftsgeschichte bei Karl Marx ( original )
Status fertiggestellt 1948
Letzte Bearbeitung 10/2004
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- Widmung
2. Auflage Vorwort
1. Auflage Vorwort
1. Zur Problemstellung
1.1. Wirtschaftstheorie und Wirtschaftsgeschichte
1.2. Der Lösungsversuch von Marx
1.3. Die Kritik Schumpeters
1.4. Zu beantwortende Fragestellungen
2. Textkritische Untersuchungen zur Grundlegung der Methodologie
2.E. Einleitung
2.A) Die logischen Kategorien als ontologische Bestimmungen: »Einleitung zur Kritik der Politischen Ökonomie«
2.B) Die Erscheinungsform der logischen Kategorien als entfremdete, verdinglichte Kategorien: »Ökonomisch-philosophische Manuskripte«
Erster Anhang Das Privateigentum, seine negative und positive Aufhebung
2.C) Die prozessuale Einheit von Wesen und Erscheinung
a) Methodologisches aus dem »Kapital«
b) Zur Frage der materialistischen Dialektik
c) Zur Systematik der politischen Ökonomie
3. Zusammenfassung
3.2. Realobjekt und Erkenntnisobjekt
3.3. Verdinglichung und Entfremdung
3.4. Zur Frage des Gesetzesbegriffes bei Marx
3.5. Rationalismus und Empirie
3.5a. Zur Kritik Schumpeters
3.6. Über einige Fragen der Methodologie
2. Anhang : Zwei Lösungsversuche des Verhältnisses von Theorie und Geschichte
a. Erich Rothacker
b. Othmar Spann
4. Das Verhältnis von Wirtschaftstheorie und Wirtschaftsgeschichte
4.1. Prozessuale Einheit von Theorie und Geschichte
4.2. Zur Frage der Ideologie
4.3. Verhältnis zur Historischen Schule (Recht und Nationalökonomie) und zu den Klassikern
4.4. Rationale und anschauliche Theorie (Salin)
4.5. Schluß

- Widmung

In Erinnerung an meinen verstorbenen Freund
Roman Rosdolsy

2. Auflage Vorwort

Mit dieser Neuauflage der seit einigen Jahren vergriffenen Studie über das Verhältnis von Wirtschaftstheorie und Wirtschaftsgeschichte bei Karl Marx kommt der Verfasser einem Wunsche des Verlages nach. Sie ist bis auf einige unbedeutende Änderungen ein Nachdruck der Ausgabe von 1955. Der Verfasser würde heute manches anders schreiben, vieles eingehender behandeln. Er zog es indessen vor, was als Ganzes konzipiert war, in seiner ursprünglichen Gestalt stehen zu lassen.

Der Marx-Forschung haben sich mit der Publikation der "Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie" völlig neue Aspekte eröffnet, und so war es unumgänglich, auf die bisher unbekannten Vorarbeiten zur Kritik der politischen Ökonomie und des "Kapitals" einzugehen. Der sogenannte Rohentwurf aus den Jahren 1857/58 vermittelt Einsichten in die wissenschaftliche Arbeitsweise von Marx, die sowohl im Hinblick auf die Früh- wie auf die Spätschriften von eminenter Bedeutung sind.

In einem ersten Anhang zu der vorliegenden Arbeit wird als ergänzende Erweiterung das Verhältnis von Kapital, Grundeigentum und Lohnarbeit, wie es von Marx in den "Grundrissen" analysiert worden ist, dargestellt; in einem zweiten Anhang das Problem der wirtschaftlichen Entwicklung und des Wirtschaftswachstums. Wenn in dem ersten Anhang vornehmlich logisch-begrifflich verfahren wird, so in dem zweiten bewußt historisch. Der Verfasser hofft, daß diese beiden Teile zum besseren Verständnis der Beziehung von Theorie und Geschichte bei Marx beitragen mögen.

1. Auflage Vorwort

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Meine Arbeit verdankt ihre Entstehung einer intensiven Beschäftigung mit Fragen der marxistischen Methode. Das Studium der Staatswissenschaften legte es mir nahe, die Besonderheit dieser Methode an dem Verhältnis von Wirtschaftstheorie und Wirtschaftsgeschichte bei Marx zu untersuchen, das heißt an der Quelle selbst. Obwohl es nicht an allgemeineren prinzipiellen Darstellungen fehlt - die indessen meist in der apodiktisch vorgetragenen Form ihr Ziel verfehlen und sich in nicht allzu seltenen Fällen einer petitio principii schuldig machen -‚ so ist doch bis heute noch keine systematische Entwicklung auf diesem Gebiete versucht worden. Dem landläufigen Vorwurf, daß Betrachtungen methodologischer Art müßig seien, kann hier nicht entgegengetreten werden; die vorliegende Arbeit als Ganzes muß dafür einstehen, daß dieser Vorwurf nur in einem bestimmten Sinne, in dem wir ihn auch erheben würden, Geltung hat: nämlich da, wo die Methode, als nicht gegenstandsbezogen allgemein-abstrakte Gültigkeit beansprucht. Diese einseitige Auffassung hat zu einer zunehmenden Methodenfremdheit - man kann ohne Übertreibung sagen: Methodenaversion - geführt, die wir nicht teilen.

Daß dies neuerdings empfunden wird, beweist die Vorrede Amonns zu seinem Buche "Volkswirtschaftliche Grundbegriffe und Grundprobleme"*1 wie auch Eucken in seinen "Grundlagen der Nationalökonomie"*2 , und es ist symptomatisch, daß im Vorwort zur ersten Auflage dieses fast rein "methodologischen" Buches betont wird, daß das "Emporwuchern methodologischer Reflexionen" ein "Krankheitszeichen für jede Wissenschaft" sei. Dies konnte uns nur in der Meinung bestärken, daß es kein von

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vorneherein resultatloses Unterfangen sei, über die, wie Salin mit Recht erwähnt, "noch immer äußerst wichtige Frage des Verhältnisses von Theorie und Geschichte"*3 Klarheit zu gewinnen.

Wenn wir den besonderen Fall des Verhältnisses von Wirtschaftstheorie und Wirtschaftsgeschichte bei Marx untersuchen und würdigen, so liegt darin auch ein allgemeines und durchaus aktuelles Interesse. Die moderne Theorie hat neue Wege eingeschlagen. Nun scheint uns, daß selbst dort, wo der Bruch mit der klassischen Auffassung radikal vollzogen wird (zum Beispiel beim Übergang von der objektiven zur subjektiven Kostentheorie), dies nicht allein ein Produkt entwickelterer und subtilerer Analyse ist, sondern zu einem wesentlichen Teil Produkt einer veränderten historischen Situation, das heißt, daß nicht intern fachwissenschaftliche, sondern extern reale Bestimmungsgründe diese Veränderung bewirkten. Implizite werden wir auf dieses Problem zu sprechen kommen, denn auch bei Marx wandelt sich, wie wir sehen werden, die Methode im Vergleich zu seinen Vorgängern auf dem Gebiete der Nationalökonomie.

Unter dem Material, das uns für die Untersuchung vorlag, mußte und konnte eine bewußte Auswahl getroffen werden. Der Kenner der Schriften von Marx wird sofort bemerken, daß diese und jene Arbeit fehlt, daß dieses oder jenes Zitat noch hätte verwendet werden können. Hierüber ist folgendes zu sagen: Alle Arbeiten von Marx, die unser Thema betreffen, und dazu gehören fast ausnahmslos alle (inklusive Briefwechsel), wurden herangezogen. Die nähere Prüfung ergab - was sich im Laufe der Arbeit dann auch bestätigte -, daß Vollständigkeit zu erstreben im Interesse der Klarheit unsinnig gewesen wäre und nur den Gang der Untersuchung durch ermüdende Wiederholungen und Verweise in die Länge gezogen hätte. So kommt Marx als politischer Schriftsteller, als Wirtschaftstheoretiker und als Wirtschaftshistoriker nur so weit zur Sprache, wie daraus direkt etwas über das Verhältnis von Wirtschaftstheorie und Wirtschaftsgeschichte gewonnen werden kann. Es sollte nicht der Akribie und der quellenkundlichen Forschung wegen lückenlos alles zusammengetragen werden. Wir verzichteten darauf, jene Belege aufzuführen, die früher schon Gesagtes neu formulierten oder an besonderen Beispielen exempliflzierten. Das Hauptgewicht wur-

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de auf die Quellen gelegt, die in einem mehr oder weniger systematischen Zusammenhang über das oben erwähnte Verhältnis Aufschluß geben, und die für die Fortentwicklung der Theorie bestimmend waren. Die strenge Folgerichtigkeit des Marxschen Denkens von den Frühschriften um 1844 an bis zum "Kapital" bekräftigte uns in unserem Vorgehen. Wir konnten uns nach reiflicher Überlegung ohne weiteres entschließen, explizite auf die Behandlung der "Heiligen Familie", der "Deutschen Ideologie" und anderer Schriften zu verzichten.

Die Auseinandersetzungen um das Verhältnis von Theorie und Geschichte sind verhältnismäßig späte Produkte wissenschaftlichen Bemühens, und es war selbstverständlich, daß unsere Arbeit daran anzuknüpfen hatte, da die Kritik an der Marxschen Methode aus dem Arsenal dieser Diskussionen schöpft. Allerdings konnte es auch hier wiederum nicht unsere Aufgabe sein, alle an diesen Diskussionen beteiligten namhaften Forscher zu Worte kommen zu lassen. Wenn wir die so bedeutenden Beiträge von Max Weber im Text nicht berücksichtigten, dann nicht etwa, weil wir sie unterschätzten, sondern weil es dann ebenso recht und billig gewesen wäre, auch die Arbeiten von Windelband, Dilthey und Rickert miteinzubeziehen. Es braucht wohl weiter nicht besonders betont zu werden, daß hier Vollständigkeit anzustreben, dem Ziel unserer Arbeit widerspräche, und daß anstelle einer systematischen Einführung ein ziemlich voluminöser problemgeschichtlicher Extrakt träte.

Wenn wir im vorletzten Kapitel als Anhang die Versuche Othmar Spanns und Erich Rothackers, das Verhältnis von Theorie und Geschichte zu lösen, einer Kritik unterwerfen, so war es nicht unsere Absicht, an zwei zufällig gewählten Beispielen zu exemplifizieren. Die beiden Beispiele treten aus allen andern heraus, weil sie wirklich die Probleme sehen und über das oberflächliche Einerseits und Anderseits wie über die oberflächliche Vermittlung der beiden Seiten hinauszugehen trachten. Spann und Rothacker versuchen eine in sich eindeutige Vermittlung von Wirtschaftstheorie und Wirtschaftsgeschichte. Ihre kritische Behandlung läßt, nachdem der methodologische Teil abgeschlossen vorliegt, einige wesentliche Kontraste zur Marxschen Auffassung noch schärfer hervortreten und das Verständnis der dialektischen Methode vertiefen.

Der aufmerksame Leser wird im Fortschreiten von Kapitel zu Kapitel den inneren Gang der Untersuchung ohne weiteres ein-

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sehen. Es mag aber doch nicht überflüssig sein - in Anbetracht einiger Exkurse, die den Fluß des Ganzen hie und da unterbrechen -‚ an dieser Stelle den Aufbau der Arbeit zu skizzieren. Die "Problemstellung" führt in das Thema ein. Es wird darin weniger Wert gelegt auf eine dogmengeschichtliche Darstellung als auf die klare Herausarbeitung des Gegenstandes. Die text-kritischen Untersuchungen wenden sich dem eigentlichen Gegenstande zu; es ist eine Darstellung in explizierter Form, in der in drei Teilen die Elemente zur Lösung der in der "Problemstellung" aufgeworfenen Fragen sich zusammenschürzen. Die "Zusammenfassung" greift in der besprochenen Folge die Probleme wieder auf, aber nun vertieft und erweitert in systematischem und kritischem Sinne. Mit dem Kapitel "Das Verhältnis von Wirtschaftstheorie und Wirtschaftsgeschichte", einer logisch-theoretischen und historischen Klärung, schließt die Arbeit ab.

Die Arbeit ist als Ganzes zu nehmen; jedes Kapitel baut auf dem vorhergehenden auf. Was zu Beginn vereinfacht oder fragwürdig erscheinen mag, ist als Vorläufiges zu betrachten. Das vorletzte und letzte Kapitel fassen das Ergebnis zusammen, indem sie wieder aufgreifen, was vereinfacht und in Frage gestellt wurde.

Der Leser wird nach der Lektüre auch ohne weiteres verstehen, daß nicht Dialektik als Kunstlehre behandelt wurde - also ein formaldialektisches Prinzip der Wahrheitsfindung zu erwarten war; dies widerspricht grundsätzlich der Marxschen Auffassung, ist aber an dieser Stelle nicht vorweg zu behandeln.

Daß im ganzen eine betont philosophische Note vorherrscht, geht zu Lasten des Stoffes, nicht des Verfassers. Allerdings glaubt er, darin ein Plus und nicht ein Minus zu sehen, wenn auch der spezialisierte Fachkollege diese Meinung nicht teilen und eine "handgreiflichere" Kost bevorzugen mag. Gerade die neuere Literatur über das vorliegende Thema, das auch dem zünftigen, spezialisierten Nationalökonomen manchen überaus bemerkenswerten Beitrag verdankt, bestärkt uns in der Meinung, daß die von einer andern Wissenschaft eingehandelte Münze meist ungenützt in den Strumpf gelegt wird. Die Freude an einem unproduktiven Schatz hat nur einen eingebildeten, höchstens ästhetischen Wert. Ohne diese Münze aber, ob gut oder schlecht verwendet, ist noch keine der Beachtung werte Arbeit auf diesem Gebiet entstanden. Alle Gegner auf dem Schlachtfelde der Methodologie fochten mit Waffen, die sie wenigstens

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einer philosophischen Disziplin entnahmen: der Logik. Und welche Vorteile der geschulte Fechter daraus gezogen hat, belegt die Geschichte der Methodenstreite. Wir glauben, daß das, was heute jede Wissenschaft in ängstlicher Sorge um ihr Sonderrecht von sich fernhält, mit der Zeit fallen wird, und daß ein geschulter Methodologe auch ein guter Fachwissenschaftler sein muß, daß diese zwei Eigenschaften sich geradezu bedingen und nicht ausschließen. Unsere Arbeit enthält implizite auch eine Antwort auf diese Frage. Im übrigen halten wir es in philosophischen Fragen mit Marx:
"Wenn.., einzelne Individuen die moderne Philosophie nicht verdauen und an philosophischer Indigestion sterben, so beweist das nicht mehr gegen die Philosophie, als es gegen die Mechanik beweist, wenn hie und da ein Dampfkessel einzelne Passagiere in die Luft sprengt." (Marx)*4

1. Zur Problemstellung

In diesem Kapitel soll das Verhältnis von Wirtschaftstheorie und Wirtschaftsgeschichte - reduziert auf die zwei gegensätzlichsten Auffassungen -‚ wie es im allgemeinen in der Literatur auftritt, dargelegt und in Frage gestellt werden. Ein Eingehen auf vermittelnde Haltungen, die nur besondere Spezifizierungen oder Schattierungen dieser Auffassungen sind, erübrigt sich. Dem Leser wird nicht entgehen, daß der positive Teil, das heißt die Analyse des Problems am Fall Marx, zugleich eine Auseinandersetzung mit den von uns als negativ charakterisierten extremen und vermittelnden Haltungen enthält. Die summarische Zusammenfassung des negativen Teils findet somit ihre notwendige Ergänzung in den Ausführungen des positiven Teils, ihre implizite, wenn auch nicht in allen Teilen ausgeführte Kritik. Dies müßte einer ausführlichen dogmengeschichtlichen und systematisch-theoretischen Arbeit vorbehalten bleiben.

1.1. Wirtschaftstheorie und Wirtschaftsgeschichte

1. Wirtschaftstheorie und Wirtschaftsgeschichte stehen sich als zwei verschiedene Verfahrensweisen gegenüber. Während die Theorie allgemeine, typische Regeln, Zusammenhänge, Gesetzlichkeiten des Wirtschaftens erforscht, richtet die Geschichte ihr Augenmerk auf die einmaligen, besonderen, unwiederholbaren Zustände, Ereignisse und Erscheinungen des wirtschaftlichen Lebens. Wenn auch beiden Verfahren derselbe Gegenstand der Erkenntnis zugrunde liegt, die Wirtschaft und ihre Besonderungen - einmal in einer allgemeinen, dann in einer spezifischen Form -‚ so unterscheiden sie sich doch grundlegend in bezug auf das Erkenntnisziel. Das Objekt wird von zwei Aspekten aus gesehen, wovon der eine anscheinend den andern ausschließt, das heißt die Theorie das Besondere, Individuelle, Einmalige, die Geschichte das Allgemeine, Regelhafte, Gesetzmäßige.

In der üblichen Gegenüberstellung, von der auf logische Un-

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vereinbarkeit der beiden Methoden zu schließen wäre, also auf grundsätzliche Unvereinbarkeit von Wirtschaftstheorie mit Wirtschaftsgeschichte und vice versa, verwirklicht sich die Theorie im deduktiven, isolierenden, abstraktiven Verfahren in Systemen, Modellen, Funktionen, Theoremen, die eine Zahl von Fällen einem allgemeinen Satz, Gesetz, einer Regel subsumieren, während die Geschichte anderseits den einzelnen Fall in seiner äußeren, nur ihn charakterisierenden Erscheinung beschreibt, das Geschehen in eine Summe induktiv gewonnener, deskriptiv-morphologisch fixierter Fälle auflöst. Theorie und Geschichte unterscheiden sich prinzipiell: die eine dadurch, daß sie allgemeine, zeitlos gültige Abläufe erfassen, das heißt, gedanklich unabhängig von den besonderen Objekten, den Prozeß, in dem sich das Wirtschaften vollzieht, verständlich machen will, die andere dadurch, daß sie besondere, historisch-konkrete Vorfälle beschreibt, das heißt, die einzelnen Objekte als singulare Phänomene zum Gegenstand ihres Verfahrens macht.

2. Eine kurze Charakterisierung der Kontroverse Schmollen/Menger*1.1 soll dies noch verdeutlichen. Die Debatte Schmollen/Menger kann als das klassische Beispiel des Gegensatzes von Wirtschaftstheorie und Wirtschaftsgeschichte gelten. Beide Forscher haben dasselbe Ziel vor Augen, nur daß es jeder auf eine besondere Art und Weise zu erreichen sucht, Schmoller auf dem detailwissenschaftlichen, empirischen Wege, Menger auf dem nationaltheoretischen, Schmoller mittels des induktiven, Menger mittels des deduktiven Verfahrens. Wenn jeder immer wieder

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Teile des Verfahrens des andern vindiziert, keiner den Vorwurf entgegennehmen will, auf seiner Position reiner Purist zu sein, so geht doch dem einen als Mittel Geschichte vor Theorie, dem andern Theorie vor Geschichte. Jeder beansprucht für sich das Recht, das wirtschaftliche Geschehen bewußtseinsmäßig adäquat reproduzieren zu können, ohne die Seite, die der Gegner im Auge hat, zu vernachlässigen. Entscheidend war der jeweilige Ausgangspunkt der Analyse bei dem einen und bei dem andern, weil darin implizite enthalten war, daß das eine ohne das andere, daß Geschichte ohne Theorie und Theorie ohne Geschichte möglich sei. Nachträgliche Konzessionen, die von beiden Seiten gemacht wurden, können an dieser Tatsache nichts ändern.

Der Sinn des Methodenstreites konnte also nur darin liegen, daß über den Ansatz des Verfahrens eine grundsätzliche Meinungsverschiedenheit herrschte, daß der Primat einem von zwei möglichen Wegen zugesprochen wurde, und daß darüber wissenschaftlich entschieden werden könne und müsse. Ohne den besonderen Akzent, den jeder seiner Haltung beimaß, wäre der Streit auf einer mittleren Linie zu schlichten gewesen. Der Ausgang der Kontroverse hat einmal mehr bewiesen, daß die Beilegung zugunsten Mengers nicht befriedigen konnte, und zwar hat sich dies am Wiederaufleben der Diskussionen um dieses Problem nach dem ersten Weltkrieg zur Genüge gezeigt. Die Krisis des Historismus war nicht überwunden.

Geht Geschichte der Theorie voraus, das heißt das empirische, unserer Beobachtung und Erfahrung zugängliche Material, der individuelle Vorgang, der sichtbare äußere Zustand, dann kann nur Detailforschung am factum brutum für die wissenschaftliche Arbeit problemlösend sein. Diese individuelle Zuständlichkeit, das Detail des Wirtschaftsganzen ist das alleinige Material unserer Arbeit, und diese besteht vorerst im Beschreiben und Ordnen der konkreten Eigentümlichkeiten des Gegenstandes. Wir haben uns unvoreingenommen dem Objekt, das uns die Geschichte vorlegt, bzw. das wir aus der Geschichte aussondern, zu nähern, es nach seinen Merkmalen, Besonderungen, Eigenarten zu gliedern, uns über sein konkretes Dasein zu verständigen. Das Objekt ist völlig indeterminiert und besitzt nur die Eigenschaft seiner geschichtlichen Existenz, das heißt eines ganz zufälligen raumzeitlichen Auftretens. Das konkrete Sein des Gegenstandes ist seine außerhalb des Subjektes liegende phänomenologische Tatsächlichkeit, sein individuell historisches Vorkommen. Was als wirt-

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schaftshistorisch relevante Tatsache zu gelten hat, ist vorerst durchaus nicht evident, denn wir sehen uns einem ungeordneten Aggregat von Fakten und Ereignissen gegenüber, das wir zu ergründen haben. Die Wirtschaftsgeschichte muß konsequenterweise darauf verzichten, hier einen Vorentscheid zu treffen. Wirklichkeitserkenntnis heißt also, die Wirklichkeit in der Fülle ihrer Erscheinungen selbst sprechen lassen, in der Überzeugung, daß dies das adäquateste Vorgehen zu ihrer Erfassung ist. Wenn die Wirtschaftsgeschichte eine systematische Wissenschaft sein will - und Schmollen bejaht dies, wenn er betont, daß dem Historismus das Generalisieren durchaus nicht fern liege, sondern daß er eben nur darin nicht so voreilig sei wie die Theorie*1.2 -‚ so kann die Möglichkeit vom Konkreten, Einzelnen zum Allgemeinen zu gelangen, nur von ihrem methodologischen Ansatz aus entschieden werden, bei Schmollen von der detailwissenschaftlich-deskriptiv-monographischen Methode aus. Wir beschäftigen uns folglich nicht mit einer autonomen, nur für historische Fakten gültigen Methode, sondern mit einer Methode, die darauf Anspruch erhebt, von der Geschichte zur Theorie zu gelangen, das heißt den Gegensatz wie die Vereinbarkeit des Besonderen und Allgemeinen zu erklären.

Geht Theorie der Geschichte voraus, das aus abstrakt-theroretischen Prämissen gewonnene Teil- oder Gesamtbild der Wirtschaft, dann kann nur die rationalistisch-konstruktive Forschung für die wissenschaftliche Arbeit problemlösend sein. Die Theorie verfährt umgekehrt als die Geschichte. Begriffsbildung, Systematik und ideales Modell sind für sie Voraussetzung der Erfassung wirtschaftlicher Fakten und Vorgänge. Sie abstrahiert bewußt von den konkret-individuellen Merkmalen des Gegenstandes, um die uns verständlich und vernünftig scheinende Allgemeinheit seines Daseins zu erreichen. Diese gedanklich abstraktive Arbeit bedient sich der Fakten als sekundärer Phänomene, sie sind ihr das illustrativ notwendige, besondere Material, das Experimentierfeld ihres Verfahrens. Die den Folgerungen gegenüber a priori gesetzten Prämissen*1.3 sind unabhängig von den Besonde-

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rungen des Objektes, sie sind allgemeingültig. Im Gegensatz zur Objektgerichtetheit des Empinikers vollzieht sich der Erkenntnisakt des Theoretikers primär von der Subjektseite her, die die Positionen des Erkenntnisweges setzt. Die kategoriale Welt des Theoretikers ist das struktive Element der geistigen Reproduktion der Wirklichkeit; es ist das systematisierte Begriffsnetz, das ihm Wirklichkeitserkenntnis vermitteln soll und ihm zu diesem Zwecke auch als unentbehrliches Instrument für die Aufstellung funktioneller Modelle dient. Wie auch immer die Theorie geartet: wir haben es mit Systematisierungen, Typisierungen, Regelhaftigkeiten, Denkgebilden, Modellen zu tun, aus denen die Theorie der Wirtschaft sich ergibt. Kann die Geschichte nicht a priori über die Auswahlprinzipien der Fakten entscheiden, so kann die Theorie nicht a priori über das Gestaltungsprinzip der Systematik entscheiden. Für die Wirtschaftstheorie heißt Wirklichkeitserkenntnis also, den Geltungsbereich ihrer rationaltheoretischen Methode im Näherungsverfahren zu bestimmen. Umgekehrt wie in der Geschichte vollzieht sich hier mit dem gleichen Ziel dieselbe Bewegung: vom Allgemeinen zum Konkret-Historischen. Ebenso wie die deskriptiv-morphologische Methode beansprucht auch die rationaltheoretische nicht einen logisch abgrenzbaren Wissensbereich, sondern sie beabsichtigt, von der Theorie zur Geschichte zu gelangen, das heißt den Gegensatz wie die Vereinbarkeit des Allgemeinen und Besonderen zu erklären.

"Reine" Theorie und "reine" Empirie sind späte Formen der wissenschaftlichen Entwicklung. Während die eine nur den internen, aus logischen Prämissen entwickelten Sinnzusammenhang im Auge hat, beschäftigt sich die andere nur mit den atheoretischen, äußeren Formen der Zuständlichkeit des Objektes. Die Beschränkung ist hier zugleich ein grundsätzlicher Verzicht*1.4 .

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Anders die historisierende Theorie (geschichtliche Theorie) und die theoretisierende Empirie (theoretische Geschichte), die von methodisch verschiedenen Ansätzen aus Wirklichkeitserkenntnis erstreben und bei denen sich aus dem Gegensatzpaar Theorie und Geschichte das Geltungsproblem stellt, das heißt die eindeutige Vermittlung, das Ineinanderübergehen beider Seiten.

In beiden Fällen muß die Kluft zwischen der Objektivität der Gegenstände, dem Äußerlichsein der Fakten und ihrer begrifflichen wie systematischen Erfassung überbrückt werden. Die detailwissenschaftlich-empirische Methode glaubt dem Objekt selbst dieses Geheimnis abringen zu können, während die rationaltheoretische diese Möglichkeit ohne vorherige Ausarbeitung des Begriffsapparates und Systematisierungszusammenhanges leugnet. Will die eine Seite ohne nähere Bestimmung dessen, was historisch-konkrete Fakten sind, zur Theorie durchstoßen, so die andere ohne nähere Bestimmung dessen, was Theorie ist, zur Geschichte. Hat das eine Vorgehen erst zu erweisen, wie Geschichte ohne nähere Bestimmung Geschichte ist und damit zugleich den Charakter der Individualbegriffe, so hat das andere Vorgehen zu erweisen, wie Theorie ohne nähere Bestimmung Theorie ist und damit zugleich den Charakter der Abstraktionsbegriffe und Allgemeinbegriffe. Die Bezeichnung der konkret-historischen Vorfälle setzt den Begriff voraus, wie anderseits der Abstraktionsbegriff einen Gegenstand voraussetzt, von dem er abstrahiert werden kann. Im Historismus wie in der Rationaltheorie wird das Subjekt-Objekt-Verhältnis als ein durch die Methode zu überbrückendes Verhältnis eines sich äußerlichen Gegensatzpaares verstanden. Denn ist der Begriff dem Faktum, das Faktum dem Begriff zufällig, dann kann das Begreifen kein notwendiges sein, Form und Inhalt sind kontingente Momente.

Eine eingehendere Darstellung und Kritik dieser Auffassungen erübrigt sich an dieser Stelle, da in den folgenden Teilen am Marxschen Beispiel darauf zurückzukommen ist. Wir lassen indessen hier eine kurze Zusammenfassung des Marxschen Verfahrens folgen, das sich eine Überwindung der kontemplativen Subjektivität, wie sie aus dem, prinzipiellen Dualismus des Subjekt-Objekt-Verhältnisses folgt, zum Ziele setzt.

1.2. Der Lösungsversuch von Marx

Im Gegensatz zu den für Marx sich ausschließenden, keine Vermittlung zulassenden Haltungen des rein empirischen Historismus und der Rationaltheorie, faßt er das Problem unter dem Gesichtspunkt der Einheit des Objekt-Subjekt-Verhältnisses und

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die Methode als die die Einheit vermittelnde Seite des Gegenstandes selbst. In diesem Falle verhalten sich Wirtschaftstheorie und Wirtschaftsgeschichte als die Vektoren eines Parallelogramms, worin die vektorielle Summe, die Resultante, die geschichtlich-objektive Entwicklung ist, bzw. ihre bewußte geistige Aneignung. Für Marx sind die beiden Vektoren (Empirie und Rationaltheorie), die als Tendenzen in verschiedener Richtung vom Gegenstande aus verlaufen, gleich abstrakt, bzw. gleich konkret. Abstrakt, insofern die Theorie in ihrer Vereinzelung ohne Inhalt bleibt, die Geschichte ohne Form, konkret, insofern die Theorie in der Geschichte (im besonderen Objekt) ihren Inhalt findet, die Geschichte in der Theorie ihre Form. Theoretische Geschichte und geschichtliche Theorie sind nur zwei Ausdrucksweisen ein und desselben Verfahrens, wovon keines das andere ausschließen kann. Das historisch-konkret Besondere ist nur eine besondere Form des Allgemeinen, das Allgemeine nur die allgemeine Form des Besonderen. Beide Seiten sind gleich wirklich, aber jede nur in Einheit mit der andern. Sind die logischen Kategorien, wie es Marx meint, wirkliche Kategorien, dann müssen sie sich in der Wirklichkeit selbst finden lassen, dann kann die Methode nicht aus dem Gegenstand herausgenommen und ihm entgegengestellt werden. Das Verhältnis von Wirtschaftstheorie und Wirtschaftsgeschichte bei Marx kann somit nur auf der Grundlage seiner Methodologie verstanden werden.

1.3. Die Kritik Schumpeters

3. Bevor wir uns der Marxschen Methodologie zuwenden, möchten wir noch einige kritische Einwände, die gegen sein Verfahren erhoben werden, zu Worte kommen lassen. Dies vor allem, weil es uns erlaubt, tiefer in die Problematik des Gegenstandes einzudringen. Die Eigenart der Marxschen Methode wie die Konsequenzen seiner Lehre haben es mit sich gebracht, daß die kritische Literatur sich immer wieder mit den Grundfragen seines Verfahrens auseinandergesetzt hat. Wie das Werk von Schumpeter "Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie"*1.5 beweist, hat das Interesse an diesem Problem, das ja weit über den speziellen Rahmen der Marx-Kritik hinausgeht, nicht nachgelassen. Bemerkenswert ist die Tatsache, daß die Argumentation, die in den

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älteren Schriften zu finden ist, sich nicht wesentlich verändert hat. In den Arbeiten von Plenge*1.6 , Plenge-Schülern*1.7 , von Hammacher*1.8 , wie auch in den "Epochen der Dogmen- und Methodengeschichte" von Schumpeter*1.9 wird darauf hingewiesen, daß in der Marxschen Lehre streng zu scheiden sei zwischen Spekulation und Wirklichkeit. - Da die Schumpetersche Kritik sich bei der Durchsicht der einschlägigen Literatur als stellvertretend erweist und sie um so mehr beachtet werden darf, als sie von einem gewissenhaften, historisch geschulten Forscher und originellen Vertreter der modernen Theorie erhoben wird, legen wir den weiteren Ausführungen seine "Epochen der Dogmen- und Methodengeschichte" und sein Buch "Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie" zugrunde. Es braucht wohl kaum betont zu werden, daß auf die meisten Einwände erst in den später folgenden Abschnitten ausführlich eingegangen wird.

Den Kern der Schumpeterschen Kritik finden wir da, wo er über das Verhältnis Marx‘ zu Hegel spricht: "Wenn Marx in der Tat aus metaphysischen Spekulationen materielle Gedankenelemente oder auch nur die Methode erborgt hätte, so wäre er ein armer Schächer, nicht wert, ernst genommen zu werden. Aber er hat es nicht getan. Er selbst sagt uns in der Einleitung zur zweiten Auflage (des "Kapitals". - 0. M.)*1.10 wie es sich damit verhält: Kein metaphysischer Obersatz, nur - richtige oder falsche - Tatsachenbeobachtung und Analyse hat ihn in seiner Werkstatt beschäftigt. Nur hatte er eine Vorliebe für die ja so ansteckende Ausdrucksweise Hegels akquiriert, und er ließ dieser Neigung bei der Darstellung die Zügel schießen*1.11 ." Schumpeters Folgerung ist somit, daß die theoretische Leistung Marx‘ unabhängig

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von seinem Verhältnis zur Hegelschen Dialektik entstehen konnte und auch entstanden sei*1.12 . Die Bestimmung des Verhältnisses von Obersatz - Tatsachenbeobachtung - Analyse, die uns unmittelbar zu den Fragen der Methode führt, wird sich im Laufe der Untersuchung ergeben. Jedenfalls muß eine mehrschichtige und eingehende Analyse des Marxschen Werkes dafür einstehen. Wichtig in diesem Zusammenhang ist folgendes: Für Schumpeter geht in metaphysische Obersätze auch die dialektische Methode ein, der er die wissenschaftliche Detailforschung entgegenstellt. Wir haben uns also, wie Schumpeter es tut, zu fragen, ob "alle seine (Marx‘) positiven Resultate auf andere, und zwar nationalökonomische Quellen zurückgehen"*1.13 und ob die dialektische Methode die Bezeichnung "Methode" nicht verdient*1.14 denn: "Das Wesen der Sache berührt sie nicht*1.15 ."

Schumpeter fährt fort: "Ebensowenig war Marx‘ Methode ´historisch´, wie Engels sagt. Denn das einzige Moment, das diese

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Behauptung stützen könnte, die Unterscheidung verschiedener Entwicklungsstufen, in denen - aber nur zum Teil - verschiedene ´Gesetze´ gelten, teilt Marx mit allen Klassikern, wenn diese auch weniger Wert darauf legten*1.16 ."
Diese Auffassung hat Schumpeter später revidiert, wenn auch nicht in allen Teilen aufgegeben: "Er (Marx) war der erste Ökonom von Spitzenrang, der sah und systematisch lehrte, wie ökonomische Theorie in historische Analyse und wie historische Erzählung in histoire raisonnee verwandelt werden kann*1.17 ." Daß Marx‘ Methode in einem besonderen Sinne sich durch das Historische auszeichnet, wird noch auszuführen sein.

Schumpeter scheidet im Marxschen Werk einen soziologischen und einen ökonomischen Teil. Der erste baue auf einer allgemeinen Geschichtstheorie auf, die ökonomische Geschichtsauffassung*1.18 , im letzteren erhalte die Detailforschung wieder das Wort*1.19 . Mit dieser Auffassung wird, wie an anderer Stelle (siehe S. 24), nach zwei Seiten hin argumentiert: Der historische Materialismus*1.20 habe sich auf die Dauer nicht bewährt, hingegen

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sei die ökonomische Detailforschung beachtlich. Schumpeter schreibt ferner: "... vor allem ist der große Zug selbständig, mit dem Marx seine Theorie in weite soziologische Zusammenhänge

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gestellt*1.21 ."
Hier ist der Gedanke des Vorhandenseins zweier Elemente noch viel deutlicher ausgesprochen. Das Marxsche Werk wiese demnach eine innere Diskrepanz auf, es fänden sich in besonderer Verbindung zwei disparate Elemente darin vor*1.22 .
Bevor wir uns der Kritik Schumpeters an Marx in seinem Buche "Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie" zuwenden, möch-

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ten wir die Gruppierung der Teile, die Schumpeter ausgesondert hat, schematisch darstellen: Dies wäre die formale und materiale Gliederung des Marxschen Werkes, wobei die materialistische Geschichtsauffassung und die Soziologie verfahrensmäßig den Obersätzen entsprächen, Tatsachenbeobachtung und Analyse inhaltlich der Ökonomie.
Schumpeter bemerkt, er habe in seinem Buch "Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie" auf eine "nichttechnische Art und Weise"*1.23 das zusammengefaßt, was er jahrzehntelang über Marx gelehrt hat. Wenn man die Darstellung mit derjenigen in den "Epochen der Dogmen- und Methodengeschichte" vergleicht, so stimmt dies weitgehend, wenn auch die Argumentation in verschiedenen Punkten differenziert worden ist*1.24 . Die neuere Darstellung wirkt in der "nichttechnischen Art und Weise" freier, und so entstand auch die viel apodiktischere Form, was aber für die Kritik, im Rückblick auf die ältere Arbeit, korrigiert werden kann. Sie ist aber insofern von besonderem Interesse, als eine plausible Erklärung für die Gliederung und das Verhältnis der einzelnen Teile des Marxschen Werkes gesucht wird.

In der ersten Fassung der Kritik ist nach Schumpeter bei Marx das "philosophische Gewand"*1.25 für die Detailforschung belanglos, das heißt, was als metaphysische Obersätze erscheint, geht nicht in das Resultat der wissenschaftlichen Arbeit ein. Anders in der zweiten Fassung, wo für die Gültigkeit der Analyse die Tatsachenbeobachtung allein nicht mehr genügt, sondern der visionären Sicht die Möglichkeit des Korrektivs der theoretischen Leistung zugesprochen wird. Schumpeter betont verschiedentlich, daß dieser Vision ein "intuitiv" erkannter Wahrheitsgehalt zugrunde liege*1.26 . Wenn er die visionäre Sicht als Mittelglied in die Marxsche Lehre einsetzt, dann ist sie einerseits negativ (als

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"Mangel"erscheinung) mit der Spekulation verbunden, anderseits positiv (als Fundierung) mit der detailwissenschaftlichen Arbeit. Wir erhalten das letzte Schema der Erklärung: wo die Vision, wie aus der Kritik folgt, nur die uneingestandene Rechtfertigung für die eine wie für die andere Seite wäre. Damit bricht aber nicht nur das System in sich zusammen, sondern auch der positiv-detailwissenschaftliche Teil, Tatsachenbeobachtung und Analyse: aus methodologischem Unvermögen, denn selbst die Fakten, wie sie Marx verarbeitet hat, bedürfen ja des visionären Korrektivs.

Da nach Schumpeter die "meisten vorgebrachten Argumente - sowohl in Marxschen als in mehr populären Bahnen - falsch sind"*1.27 , und da vom Standpunkt der Wissenschaft das Argument ohne die Analyse nichts ist, so bliebe nur die vom wissenschaftlichen Untergrund völlig losgelöste "prophetische" Sicht*1.28 auf die dem Kapitalismus immanenten Kräfte und auf die ihn ablösende Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, den Sozialismus*1.29 . Damit wäre aber der Prozeß, durch den sich diese Wandlung vollziehen soll, aufs neue zu bestimmen, was in diesem Zusammenhang gleichbedeutend ist mit der Frage nach der problemlösenden Methode*1.30 .
Kein Wissenschaftler wird daran Zweifel hegen, daß seine Methode - wenn vielleicht nur als verfeinerte oder dann als grund-

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legend neue - die richtige ist, und daß darin zugleich eindeutig bestimmt ist das Band zwischen Erkenntnisweg und Erkenntnisziel. Anderseits bedarf die Verfeinerungsthese einer konkreteren Fassung, denn abstrakt verstanden, würde sie uns in eine auswegslose Lage versetzen, da wir, ohne genau bestimmen zu können warum, nie über die ununterbrochene Selbstrelativierung unserer Erkenntnis hinauskämen. In diesem Zusammenhang könnte das zeitlich letzte Verfahren des visionären Elementes nicht weniger entbehren, da es für die Zukunft nur wieder Vorstufe einer andern verfeinerten Methode ist. Wir bedürfen zweifellos, um den objektiven Sinn der Selbstrelativierung zu verstehen, eines Maßes, das kein rein geisteswissenschaftliches sein kann, ein Maß, das die Immanenz des Erkenntnisaktes transzendiert. Die Marxsche Lösung einer Verbindung von historisch-soziologischer mit theoretisch-systematischer Analyse, von der wir sprechen werden, versteht das Verhältnis von Erkenntnisweg und Erkenntnisziel aus der Seinsrelevanz und Seinsgebundenheit der Erkenntniselemente. Das Resultat des Erkenntnisaktes kann in diesem Falle keine rein sachliche Koordination scheinbar*1.31 voraussetzungslos analysierter Fakten oder voraussetzungslos gesetzter Prämissen sein.

Hier bricht das grundsätzlich Neue an der Marxschen Methode durch. Sie kann nicht mehr verstanden werden, wie im allgemeinen Methodologie verstanden wird: als Unterfall der Logik, der sie als Methodenlehre angegliedert ist, das heißt als ein äußeres Verfahren, als Lehre von den Methoden, von den Werkzeugen, oder, wie man heute sagt, von dem Instrumentarium, das zu wissenschaftlicher Erkenntnis in den einzelnen Fachwissenschaften und Teildisziplinen führt, sondern sie ist untrennbar mit dem Gegenstand selbst verbunden, das heißt, sie ist historisch und

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theoretisch zugleich. Damit ist die Frage nach der Methodenvielheit oder Methodeneinheit aufgeworfen.
Von dem Schumpeterschen Verfahren sagt Salin, "daß er bereit ist, wenn das ihm gerade vorliegende Problem es erfordert, jedes zweckmäßige theoretische Werkzeug zu ergreifen, gleichviel, wo es fabriziert wurde"*1.32 . Steht im Erkenntnisakt das Subjekt in Einheit mit dem Objekt, nicht in einem äußeren Reflexionszusammenhang, so kann die Einzelmethode nur von der Methodeneinheit her begriffen werden, so daß auch Methodeneinheit und Methodenvielheit in untrennbarer Einheit zueinander stehen und eine gegenseitige Durchdringung zulassen. In der Methodenvielheit, auf die aus dem äußeren Reflexionszusammenhang von Subjekt und Objekt geschlossen wird, steht das Instrumentarium stets in der Vereinzelung und mit andern Methoden nur in der zufälligen Beziehung des Nebeneinanders und der Gleichwertigkeit, wobei dann über die Frage nach Geltungsmöglichkeit und Geltungsbereich der einzelnen Methode entschieden werden muß. Schumpeter weiß um die Tragweite dieser Frage; so erwähnt er unter anderem in seiner Auseinandersetzung mit Marx: "... - alles wird überdeckt durch ein einziges Erklärungsschema*1.33 ." Eine weitere Stelle illustriert sehr gut die als äußerst bedauerliche Unzulänglichkeit empfundene Atomisierung des Erkenntqisprozesses: "Die Synthese im allgemeinen, das heißt die Koordination der Methoden und Ergebnisse verschiedener Verfahren, ist eine schwierige Sache, die wenige anzupacken fähig sind. Infolgedessen wird sie gewöhnlich überhaupt nicht in Angriff genommen, und von den Studierenden, die nur einzelne Bäume zu sehen gelehrt werden, hören wir unzufriedene Rufe nach dem Wald. Es gelingt ihnen nicht, zu realisieren, daß das Übel zum Teil ein embarras de richesse ist und daß der Wald der Synthese einem intellektuellen Konzentrationslager merkwürdig ähnlich sehen mag*1.34 ." Eine Entscheidung, wie oder ob die Synthese möglich ist - der Vergleich mit einem "intellektuellen Konzentrationslager" läßt auf eine negative Beantwortung schließen -‚ wird nicht getroffen. Anderseits bemerkt Schumpeter, daß dies zeitliche Gründe haben mag*1.35 .
Seit dem Versagen der jüngeren historischen Schule ist man

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diesem Argument gegenüber skeptisch geworden, denn auch Schmoller zum Beispiel hatte ja mehr als nur Detailforschung und Abfassung von wirtschaftshistorischen Monographien vor Augen. Er schreibt: "Einen vollendeten Überblick über die Wissenschaft der Volkswirtschaftslehre zu geben, überschreitet heute die Kräfte jedes einzelnen... Ich wollte die Volkswirtschaftslehre von falschen Abstraktionen durch exakte historische, statistische, volkswirtschaftliche Forschung befreien, aber doch stets zugleich generalisierender Staats- und Wirtschaftshistoriker so weit bleiben, als wir nach meiner Überzeugung heute schon dazu festen Grund unter den Füßen haben*1.36 ." Der Wissenschaftshistoriker habe es immer als falschen Vorwurf empfunden, wenn man ihm vorhielt, "er strebe nur nach Schilderung, nicht nach allgemeiner Erkenntnis der Gesetzmäßigkeiten des wirtschaftlichen Lebens", denn: "Nur mit einer solchen vom Ganzen aus entworfenen Darstellung kann man den größeren Zwecken aller wissenschaftlichen Erkenntnis dienen*1.37 ." Die Gründe müssen also

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tiefer liegen, als an der mangelhaften enzyklopädischen und methodischen Erarbeitung des Stoffes, denn niemand wird heute noch glauben, daß er mit dem methodischen Rüstzeug der historischen Schule je die "vom Ganzen aus entworfene Darstellung" des wirtschaftlichen Lebens wird geben können. Gerade in dieser Hinsicht drängt sich die Klarstellung des Verhältnisses von Wirtschaftstheorie und Wirtschaftsgeschichte auf.

Es sei an dieser Stelle betont, daß die Untersuchung stets Sinn und Aufgabe der Wissenschaft vor Augen hat, somit auf das hinstrebt, was gerade innerstes Anliegen von Schumpeter ist, wenn er, unserer Meinung nach, "positiv- detailwissenschaftlich" und spekulationsfrei vereinfachend einander gleichsetzt.

1.4. Zu beantwortende Fragestellungen

4. In den Diskussionen um Verfahrensfragen wird meist aus dem Auge verloren, daß das Begreifen eines Verfahrens nicht unbedingt Hand in Hand geht mit dem Vollzug des Verfahrens. So wenig zum Beispiel eine fehlerhaft gelöste eingekleidete mathematische Aufgabe gegen die allgemeinen methodologischen Prinzipien der Mathematik spricht, so wenig sprechen überhaupt einzelne logische Schnitzer gegen die Methodologie, deren Anwendung eben eine vielfältige, langdauernde Übung und gewissenhafte Arbeit verlangt. Dieser Gesichtspunkt sollte in der Kritik nie außer acht gelassen werden. Unsere Arbeit wird nur auf logische Einwände eingehen, wo sie als Einwände gegen das Prinzip der Methode selbst auftreten. Es braucht kaum besonders betont zu werden, daß sie als solche nur zu widerlegen sind, wenn sie das Prinzip unberührt lassen, bzw. sich in dieses als inhaltliche Erweiterungen oder Korrekturen einfügen lassen*1.38 .
Am entschiedensten hat Georg Lukács diesen Standpunkt ver-

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fochten:
"... angenommen - wenn auch nicht zugegeben -‚ die neuere Forschung hätte die sachliche Unrichtigkeit sämtlicher einzelner Aussagen von Marx einwandfrei nachgewiesen, so könnte jeder ernsthafte ´orthodoxe´ Marxist alle diese neuen Resultate bedingungslos anerkennen, sämtliche einzelnen Thesen von Marx verwerfen - ohne für eine Minute seine marxistische Orthodoxie aufgeben zu müssen. Orthodoxer Marxismus bedeutet also nicht ein kritikloses Anerkennen der Resultate von Marx´ Forschung, bedeutet nicht einen ´Glauben´ an diese oder jene These, nicht die Auslegung eines ´heiligen´ Buches. Orthodoxie in Fragen des Marxismus bezieht sich vielmehr ausschließlich auf die Methode." (Lukács)*39
Die Kritik schlug bis heute immer den umgekehrten Weg ein: den Weg von der "detailwissenschaftlichen" Untersuchung zur Widerlegung der Thesen von Marx, um damit auch die Methode als "spekulativ", "visionär" in Bausch und Bogen zu verwerfen und den Marxismus überhaupt. Nichts ist naheliegender, wenn die "Tatsache" das Erfahrungsobjekt und so als Leitfaden die reine Empirie zugrunde gelegt werden. Diese unmittelbare Identifizierung von Gegenstand, Methode und Theorie erlaubt es ohne weiteres, jedes System aus den Angeln zu heben, ohne daß vorgängig die Voraussetzungen jeder detailwissenschaftlichen Arbeit geprüft werden. Die unterschiedene Weise des Nachdenkens ist hier im Stoff a priori enthalten. Woher die Betrachtung ihren Gegenstand bezieht und was ihn für die Betrachtung auszeichnet, kann so nicht in Frage gestellt werden.

Wenn Hegel in den "Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte" schreibt: "Auch der gewöhnliche und mittelmäßige Geschichtsschreiber, der etwa meint und vorgibt, er verhalte sich nur aufnehmend, nur dem Gegebenen sich hingebend, ist nicht passiv mit seinem Denken und bringt seine Kategorien mit und sieht durch sie das Vorhandene...*1.40 ", so ist das in Anbetracht der Prätentionen der "voraussetzungslosen" Wissenschaft kein Gemeinplatz mehr, was übrigens die Marx-Kritik im allgemeinen zur Genüge beweist*1.41 .

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Was wir im ersten Teil der "Problemstellung" bei der Darstellung des historischen und rationaltheoretischen Verfahrens gegenüber dem Marxschen Verfahren in Frage stellten, findet sich bei der Betrachtung der Schumpeterschen Kritik, die vom Standpunkt einer Verbindung von empirischer mit rational-theoretischer Arbeit erhoben wird. Wir werden uns also mit der Beantwortung folgender Fragen zu beschäftigen haben:
  1. Welche Stellung nimmt das Verfahren in der Wissenschaft ein?
  2. Ist die Methode nur ein Instrumentarium, das sich dem besonderen Charakter der Fachwissenschaft oder Teildisziplin anpaßt?
  3. Methodenvielheit oder Methodeneinheit?
  4. Unter welcher Beziehung von Erkenntnisweg und Erkenntnisziel ist Wirtschaftstheorie und Wirtschaftsgeschichte möglich?
  5. Welches Verhältnis besteht zwischen Wirtschaftstheorie und Wirtschaftsgeschichte?

2. Textkritische Untersuchungen zur Grundlegung der Methodologie

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2.E. Einleitung

Aus der "Problemstellung" geht hervor, daß die Aufhellung des Verhältnisses von Wirtschaftstheorie und Wirtschaftsgeschichte die engere Grenze, in der es sich der rein verbalen Fassung gemäß scheinbar bewegt, in verschiedener Hinsicht überschreitet (im Verhältnis von historisch-soziologischer und detailwissenschaftlich-positiver Analyse), und daß es nicht genügt, auf dem Wege einer Formaldefinition die Lösung zu suchen, ohne vorher grundsätzlich auf die Verfahrensfrage eingegangen zu sein.

Es ist geradezu charakteristisch, daß nach den Versuchen von Gottl*2.1 und Spann*2.2 , die Jecht in seiner Akademischen Antrittsrede an der Universität Halle über "Wirtschaftsgeschichte und Wirtschaftstheorie"*2.3 , als unwiderlegliche Beweise für die Einheit von Geschichte und Theorie anführt und an die jede künftige Theorie anzuknüpfen habe - wenn auch unter Berücksichtigung der neueren Erkenntnisse der Phänomenologie -‚ der Historismus-Streit in den zwanziger Jahren in unverminderter Stärke wieder ausbricht und die Geister leidenschaftlich beschäftigt. Es war durchaus kein Streit, der sich allein auf dem Gebiete der Wirtschaftswissenschaften abspielte, wo sich die abstrakt-theoretischen Tendenzen - mit stark mathematischem Einschlag - unter dem Einfluß der Grenznutzenschule, besonders unter dem des angelsächsischen Zweiges der modernen Theorie, durchgesetzt hatten, sondern ein Streit, der das Gesamt der Wissenschaften überhaupt ergriff. Einige Namen mögen dies wieder in Erinne-

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rung rufen: Meinecke*2.4 , Troeltsch*2.5 , Mannheim*2.6 , Rickert*2.7 , Karl Barth*2.8 , Emil Brunner*2.9 und andere.

Wer an dieser Auseinandersetzung um die Grundlagen der Wissenschaft nicht teilnehmen wollte, trieb die detailwissenschaftliche Forschung weiter und vermied somit den Konflikt, der ihm Folge einer unzulässigen Grenzüberschreitung zu sein schien. Die Einsichtigen aber gaben ohne weiteres zu, daß dieser Konflikt ihre Arbeit nicht nur an der Peripherie berührte, sondern daß er sich auf ihrem eigensten Boden abspielte. Das Beispiel von Schumpeter spricht in dieser Beziehung eine deutliche Sprache, ferner die Arbeiten von Werner Sombart, darunter besonders sein Buch "Die drei Nationalökonomien"*2.10 , und auch Walter Euckens "Die Grundlagen der Nationalökonomie"*2.11 , wo der Anspruch erhoben wird, in dem "pointierend-abstrahierenden Verfahren" eine Lösung der "großen Antinomie" von Theorie und Geschichte zu geben.

Welche Schlüsse sind aus diesem Tatbestand zu ziehen? Ohne Zweifel müssen tiefgehende Veränderungen den Gang der Wissenschaften - woran die Erschütterungen der Nachkriegszeit einen nicht geringen Anteil hatten - beeinflußt haben, denn sowohl die Klassiker wie Marx empfanden nie in diesem Ausmaß die Problematik dieser Frage. Sie wurde explizite von den Klassikern gar nie formuliert, von Marx in einer im Vergleich zur heutigen Fragestellung verschiedenen Weise. Wenn wir das Verfahren des letzteren untersuchen, glauben wir - sei es auch nur indirekt - etwas zum Verständnis der Nach-Marxschen-Entwicklung beitragen zu können.
1. Die Darstellung bietet einige Schwierigkeiten.
Eine erste, die mit der Fixierung des Denkprozesses in seiner mitteilbaren Form zusammenhängt: die Diskursivität des verstandesmäßigen Denkens, das uns nicht erlaubt, einen Denkkomplex simultan, als auf

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einmal überschaubares Ganzes zur Anschauung zu bringen*2.12 . Dies nötigt uns stets zu Wiederholungen, was einerseits in der Gliederung des Stoffes immer wieder neue Aufgaben stellt, anderseits nie vor Mißverständnissen bewahren kann. Diese Gefahr ist besonderst akut, wo die Auseinandersetzung nicht an Aktualität eingebüßt hat. So sehen wir uns immer wieder gezwungen, das Auseinander und Nebeneinander der Argumentation und Analyse wieder aufzunehmen, zusammenzufassen und zu erweitern. Die Teile ersetzen im Verhältnis zueinander weder das Ganze, noch ersetzt das Ganze die Teile.
2. Eine zweite Schwierigkeit, der man sich ebensowenig wie der ersten entziehen kann, liegt in der Interpretation.
Der Exeget will mit anderen Worten als sie im untersuchten Text enthalten sind, diesen seinem innersten Sinne nach zugänglich machen und kommentieren, Exegese und Kommentar verschlingen sich in zwiefacher Weise: Einesteils soll die Lehre, Theorie, oder was immer es sei, den Intentionen des Autors gemäß intelligibel gemacht, andernteils in den unausgesprochenen vielseitigen Bezügen aufgehellt werden. Wird das erstere im allgemeinen als Gegenstand philologischer Akribie aufgefaßt, so das letztere als Gegenstand zeitgeschichtlicher Forschung und systematischer Reflexion. Wir können uns anhand von Dogmen- und Problemgeschichten leicht davon überzeugen, wie oft sich immanente mit transzendenter Urteilsbildung verflechten, bevor Theorie und System dargestellt sind, und wie das Ganze aus dem rückblickenden Aspekt deformiert, "modernisiert" wird. Und doch liegt dem vielzitierten Satze Kants, daß man einen Autor besser verstehen müsse, als er sich selber verstanden habe, die berechtigte Forderung zugrunde, über das unmittelbare Verständnis hinauszugehen, da sich darin nur ein Einzelnes, Unverbundenes erschließt, das in sich selbst die Forderung nach dem mittelbaren Zugang enthält und nach rückwärts wie vorwärts diesem Zugang offen ist. Liegt so das Objekt eingebettet in ein Kontinuum, das wechselnde Aussichten eröffnet, in dem das Verhältnis von immanenter und transzendenter Kritik sich neu gestalten kann, so muß der Wissenschaftler sich immer vor Augen halten, daß die tragenden Elemente eines Systems nur in der sachgemä-

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ßen Interpretation eine adäquate Kommentierung zulassen. Nirgends wird dies deutlicher, als wo eine einmalige geistesgeschichtliche Situation ihrem allgemeinsten Sinn und ihrer besonderen Bedeutung nach erschlossen werden muß, und wo aus der zunehmenden Fülle an Material das Verständnis des Gegenstandes zu gewinnen und die Interpretation auf den objektiven Sinn der Lehre zu richten ist.
3. Wer mit der Marxschen Theorie einigermaßen vertraut ist, weiß, daß es nicht möglich ist - ohne schwerwiegenden Mißverständnissen ausgesetzt zu sein -‚ die Methode sozusagen im Destillat vorzuführen, die materiale Seite ob der formalen zu vernachlässigen, abgesehen davon, daß dem Marxismus zu einer solchen radikalen Trennung jede Voraussetzung fehlt. Der Darstellung wegen und um der Bedeutung der Methode willen*2.13 , werden wir uns indessen befleißigen, den konkreten Stoff nicht über das notwendige Maß hinaus anzuhäufen.


2.A) Die logischen Kategorien als ontologische Bestimmungen: »Einleitung zur Kritik der Politischen Ökonomie«

Textkritische Untersuchung 1


Um die in der "Problemstellung" aufgeworfenen Fragen nach dem Verhältnis von metaphysischen Obersätzen, Tatsachenbeobachtung und Analyse, von Methodeneinheit und Methodenvielheit usw. abzuklären, müssen wir Marx dort zu Worte kommen lassen, wo er explizite über das von ihm angewandte Verfahren spricht. Wir werden zu diesem Zwecke später auch das von Schumpeter erwähnte Nachwort zum "Kapital" heranziehen. Nur eine sorgfältige textkritische Arbeit kann uns davor bewahren, in die verallgemeinernden Klischees zu verfallen, die, einmal statuiert, sich von Buch zu Buch fortschleppen.

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1. Die erste zusammenhängende Darstellung der Methode bei Marx findet sich in der "Einleitung zur Kritik der politischen Ökonomie" (1859). Die "Kritik der politischen Ökonomie" war als erstes Heft einer größeren Arbeit gedacht, die in zwangsloser Folge erscheinen sollte, die Frucht einer fünfzehnjährigen Arbeit, wie Marx in einem Brief an Ferdinand Lassalle vom 22. Februar 1858 schreibt (Kr, S. 204. MEW, Bd. 29, S. 551). Die Einleitung zur "Kritik" entstand im August 1857, blieb indessen Fragment, da Marx sich nicht entschließen konnte, sie seiner Arbeit voranzustellen, weil "jede Vorwegnahme erst zu beweisender Resultate störend scheint, und der Leser, der mir überhaupt folgen will, sich entschließen muß, von dem einzelnen zum allgemeinen aufzusteigen" (Kr, S. 3. MEW, Bd. 13, S. 7).


2. Auf erstes Zusehen hin steht uns nach Marx in der Forschung folgender Weg offen:
Wir können von der realen, konkreten Voraussetzung ausgehen, in der politischen Ökonomie zum Beispiel von der Bevölkerung. Diese erweist sich aber als inhaltsleere Abstraktion, wenn wir ihre Gliederung, die Klassen und die Elemente, auf welchen diese wiederum beruhen, Kapital, Grundeigentum, Lohnarbeit, weglassen. Die letzteren Kategorien unterstellen ferner Austausch, Teilung der Arbeit, Preise usw. Ohne den analytischen Gang von dem vorgestellten Konkreten zu immer dünneren Abstrakta und zu den einfachsten Bestimmungen bliebe die Vorstellung des Ganzen chaotisch und vollkommen unbestimmt (Kr, S.235. MEW, Bd. 13‚ S. 631). Und Marx fährt fort: "Von da wäre nun die Reise wieder rückwärts anzutreten, bis ich endlich wieder bei der Bevölkerung anlangte, diesmal aber nicht als bei einer chaotischen Vorstellung eines Ganzen, sondern als einer reichen Totalität von vielen Bestimmungen und Beziehungen" (Kr, S. 235. MEW, Bd. 13, S. 631).

Wirklich konkret ist also für Marx die Totalität nicht in ihrer Ungeschiedenheit, in der noch ungegliederten Anschauung, sondern erst in der begrifflich geordneten und in allgemeinste einfache Kategorien gekleideten Form einer Vielheit von Bestimmungen und Beziehungen, und erst da, wo "diese einzelnen Momente mehr oder weniger fixiert und abstrahiert waren, begannen die ökonomischen Systeme" (Kr, S. 236. MEW, Bd. 13, S. 632), die von dem Einfachen aufsteigen zum Ganzen. "Das letztere ist offenbar die wissenschaftlich richtige Methode: Das Konkrete ist konkret, weil es die Zusammenfassung vieler Be-

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stimmungen ist, also Einheit des Mannigfaltigen
"
(Kr, S. 236. MEW, Bd. 13, S. 632; von uns ausgezeichnet. - 0. M.).

Die Totalität, das Ganze wird für das Denken erst konkret, wenn es seinem wirklichen Inhalte nach aufgelöst ist und im geistigen Reproduktionsakt wieder zusammengefaßt wird. So schreibt Marx schon in der "Misère de la Philosophie" (1847) über Ricardo: "Ricardo constate la vrit de sa formule (der Arbeitswerttheorie. - 0. M.) en la faisant driver de tous les rapports conomiques, et en expliquant par ce moyen tous les phnomnes, mme ceux qui au premier abord semblent la contredire, comme la rente, l‘accumulation des capitaux et le rapport des salaires aux profits, c‘est l prcisment ce qui fait de sa doctrine un système scientifique..." (MEGA, I, 6, S. 135. MEW, Bd. 4, S. 81; von uns ausgezeichnet. - 0. M.). Diese Auffassung der Totalität scheidet sich streng von dem apriorischen Vorrang der "Ganzheit", den eine "universalistische", "organizistische" oder "romantische" Wirtschaftslehre (die übrigens mit Recht, wenn auch notwendigerweise in verzerrter Form und vereinseitigend, in der marxistischen ihren Antipoden sieht) für den Gang der Analyse vindiziert, die Analyse jedoch letztlich verunmöglicht, da die begrifflos oder konstruktiv definitorisch gefaßte "Ganzheit" nicht in den Prozeß der geistigen Verarbeitung eingeht, deshalb indeterminiert oder unableitbar bleibt und in der unbestimmten, begrifflosen oder konstruktiv-definitorischen Form stets wieder unverändert aufgenommen wird. Ihr Begriff verharrt in der Unmittelbarkeit oder verbal bestimmten Form, die die Vermittlung ausschließt und so auch die konkrete Bestimmung von Inhalt und Gestalt*2.14 .

Wo Wissenschaft möglich sein soll, fragt sie nach Inhalt und Form der Totalität und gewinnt erst Gewißheit, wo sie das Konkrete aus der "Verarbeitung von Anschauung und Vorstellung" (Kr, S. 237. MEW, Bd. 13, S. 632) im begrifflichen Reichtum material und formal entwickelt hat. Offensichtlich ist das Verhältnis der Totalität zu den einfachen Kategorien ein in einer Einheit zusammengefaßtes gegenseitiges, da in der Auflösung, Verflüchtigung und Wiederzusammenfassung sich sowohl das Ganze in seinen Teilen, wie der Teil sich im Ganzen wiederfindet. Dieser Produktionsakt ist somit die bewußte Aneignung der Totalität, die vordem nur in der Vorstellung gegeben war,

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das wissenschaftliche Begreifen des gesellschaftlichen und individuellen Daseins des Menschen. Daß das Begreifen der Totalität ein realgeschichtliches Werden voraussetzt, deutet Marx an, wo er davon spricht, daß die ökonomischen Systeme da beginnen, wo die einfachsten Bestimmungen "mehr oder weniger fixiert und abstrahiert waren" (siehe oben). Die Immanenz dieser Entwicklung, die nach Marx in dialektischer Bewegung über sich hinaustreibt, ist stets von neuem zu bestimmen. Darüber später.

Die Eigentümlichkeit des geistigen Produktionsaktes läßt den Schein entstehen, als ob nicht das Konkrete als gesellschaftlich-objektive Gegenständlichkeit in der Vorstellung gegeben ist, sondern als ob es eine Schöpfung des menschlichen Bewußtseins sei, da wir es erst im Prozeß der Zusammenfassung vieler Bestimmungen und Verhältnisse als Konkretes uns aneignen. Gegen Hegel wendet Marx ein - und damit berühren wir den Kern seiner Hegel-Kritik - daß die "wissenschaftlich richtige Methode" vom "Abstrakten zum Konkreten aufzusteigen, nur die Art des Denkens ist, sich das Konkrete anzueignen, es als ein geistig Konkretes zu reproduzieren. Keineswegs aber der Entstehungsprozeß des Konkreten selbst" (Kr, S. 236. MEW, Bd. 13, S. 632; Auszeichnungen von uns. - 0. M.), da die "einfachste ökonomische Kategorie" nie existieren könne "außer als abstrakte, einseitige Beziehung eines schon gegebenen konkreten, lebendigen Ganzen" (Kr, S. 236. MEW, Bd. 13, S. 632). Es ist derselbe Einwand, den Marx im Nachwort zur zweiten Auflage des "Kapitals" wieder erhebt: "Für Hegel ist der Denkprozeß, den er sogar unter dem Namen Idee in ein selbständiges Subjekt verwandelt, der Demiurg des Wirklichen, das nur seine äußere Erscheinung bildet" (K, I, S. 18. MEW, Bd. 23, S. 27). Dem Bewußtsein erscheine "die Bewegung der Kategorien als der wirkliche Produktionsakt - der leider nur einen Anstoß von außen erhält - dessen Resultat die Welt ist" (Kr, S. 236/37. MEW, Bd. 13, 5. 632; von uns ausgezeichnet. - 0. M.). Dies sei so weit richtig, "als die konkrete Totalität als Gedankentotalität, als ein Gedankenkonkretum, in fact ein Produkt des Denkens, des Begreifens ist" (Kr, S. 237. MEW, Bd. 13, S. 632), was jedoch nur eine Tautologie sei, denn keineswegs sei das Gedankenkonkretum Produkt "des außer oder über der Anschauung und Vorstellung denkenden und sich selbst gebärenden Begriffs, sondern der Verarbeitung von Anschauung und Vorstellung in

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Begriffe"
(Kr, S. 237. MEW, Bd. 13, S. 632)*2.15 . In diesem Falle bedeutet die Vorstellung des Ganzen eine andere Stufe der Wirklichkeit als die in ihrem Reichtum begrifflich gefaßte Totalität; wir haben es aber in beiden Fällen mit dem Wirklichen zu tun und verstehen darunter nicht erst, wie es das "philosophische Bewußtsein" tut, die "begriffene Welt als solche" (Kr, S. 236. MEW, Bd. 13, S. 632), also nicht die Geburt der Welt aus dem Begriff, denn: das "reale Subjekt bleibt nach wie vor außerhalb des Kopfes in seiner Selbständigkeit bestehen; solange sich der Kopf nämlich nur spekulativ verhält, nur theoretisch. Auch bei der theoretischen Methode daher muß das Subjekt, die Gesellschaft, als Voraussetzung stets der Vorstellung vorschweben" (Kr, S. 237. MEW, Bd. 13, S. 633).

Den Anfang der politischen Ökonomie als systematischer Wisenschaft - als entwicklungsgeschichtlicher Standort - sieht Marx da, wo die einzelnen Bestimmungen, die einfachen ökonomischen Kategorien sich veräußerlichen, gegenüber dem Ganzen "mehr oder weniger fixiert und abstrahiert" (Kr, S. 236. MEW, Bd. 13, S. 632) sind*2.16 . Wo sie noch unentwickelt keine allgemeine Formbestimmung darstellen, "fangen (die Ökonomen des 17. Jahrhunderts) immer mit dem lebendigen Ganzen, der Bevölkerung, der Nation, Staat, mehreren Staaten etc, an..." (Kr, S. 236. MEW, Bd. 13, S. 632). Hier hat die Totalität in ihrer Unmittelbarkeit noch durchaus den Vorrang. Marx hat dies indessen nicht ohne weiteres verallgemeinert, sondern sich die Frage gestellt, ob zum Beispiel "diese einfachen Kategorien (das heißt die Abstrakta, von denen die systematische Wissenschaft ihren Anfang nimmt, um zum Konkreten zu gelangen. - 0. M.) nicht auch eine unabhängige historische oder natürliche Existenz vor den konkretern" (Kr, S. 237. MEW, Bd. 13, S. 633)

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haben, und er geht in diesem Zusammenhang auch auf die Frage ein, ob nicht ebenso in einer entwickelten Totalität einfachere Kategorien fehlen können. Beide Fälle können historisch belegt werden, stellen aber im Vergleich zu der modernen Gesellschaft Sonderfälle dar, die sich aus der spezifisch gesellschaftlich-historischen Situation, in der sie auftreten, ergeben.


2.1. Die einfachere Kategorie findet sich ausgebildet in einem noch unentwickelten Ganzen:

"Insofern entspräche der Gang des abstrakten Denkens, das vom Einfachsten zum Kombinierten aufsteigt, dem wirklichen historischen Prozeß" (Kr, S. 238. MEW, Bd. 13, S. 633), da die einfachere Kategorie in ihrer ausgebildeten Form in einer noch nicht allseitig entwickelten Totalität vorhanden ist. Wohl könnte sich eine einfachere Kategorie in einem noch nicht allseitig entwickelten Ganzen voll ausbilden, das "konkretere Substrat" bleibe indessen "immer vorausgesetzt" (Kr, S. 237. MEW, Bd. 13, S. 633). So unterstelle zum Beispiel der Besitz immer die konkretere Rechtskategorie der Familie (oder Herrschafts - und Knechtschaftsverhältnisse), wenn es auch richtig sei, zu sagen, "daß Familien, Stammesganze existieren, die nur noch besitzen, nicht Eigentum haben" und die einfachere Kategorie "also als Verhältnis einfacher Familien- oder Stammesgenossenschaften im Verhältnis zum Eigentum" (Kr, S. 237. MEW, Bd. 13, S. 633) erscheine. In diesem Falle ist die einfachere Kategorie Ausdruck von Verhältnissen, "in denen das unentwickelte Konkrete sich realisiert haben mag, ohne noch die vielseitigere Beziehung oder Verhältnis, das in der konkretem Kategorie geistig ausgedrückt ist, gesetzt zu haben ..." (Kr, S. 238. MEW, Bd. 13, S. 633), während es im entwickelteren Konkreten mittelbar als ein "untergeordnetes Verhältnis" (Kr, S. 238. MEW, Bd. 13, S. 633) enthalten ist, das als einfache Kategorie zur Allgemeinheit schlechthin geworden ist und das Konkrete nach allen Seiten hin durchdringt. Marx bemerkt, "daß die einfachere Kategorie herrschende Verhältnisse eines unentwickeltern Ganzen oder untergeordnete Verhältnisse eines entwickeltern Ganzen ausdrücken kann, die historisch schon Existenz hatten, ehe das Ganze sich nach der Seite entwickelte, die in der konkretem Kategorie ausgedrückt ist" (Kr, S. 238. MEW, Bd. 73, S. 633). Im zweiten Fall ist die einfachere Kategorie in eine Vielzahl von Verhältnissen eingegliedert, die den konkreten Gehalt der Totalität bestimmen, während es im ersten Fall das ausgebildete Verhältnis eines

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noch unentwickelten Ganzen ist. So weist Marx darauf hin, daß historisch Geld existierte bevor Kapital, Banken, Lohnarbeit (als konkretere Kategorien) existierten (Kr, S. 238. MEW, Bd. 13, S. 633).


2.2. In einem sehr entwickelten Ganzen können einfachere Kategorien fehlen:

Höchste Formen des Wirtschaftens (Kooperation, entwickelte Teilung der Arbeit usw.) können zum Beispiel ohne Geld auskommen: Peru, slawische Gemeinwesen. Im Altertum findet sich das Geld nur bei Handelsnationen, bei den Griechen und Römern nur in der Periode ihrer Auflösung, ohne jedoch alle ökonomischen Verhältnisse zu durchdringen. Das Geld beseitigte weder Naturalsteuer und Naturallieferung noch griff es auf das Ganze der Arbeit über (Kr, S. 238/39. MEW, Bd. 13, S. 634).

Marx folgert: Während bei a) und b) die betreffende Kategorie immer nach einer Seite hin beschränkt bleibt, die konkretere nicht in der einfacheren, die einfachere nicht in der konkreteren ihre volle Vermittlung findet, ist dies vereinseitigte Verhältnis bei c) nicht mehr vorhanden*2.17 .

Ausführlicher legt Marx seine Auffassung an der einfachen Kategorie der Arbeit dar. Die Darstellung ist hier ausdrücklich eine historische, eine Darstellung der Arbeit in ihrer Allgemeinheit (als unspezifisches Abstraktum, Arbeit schlechthin) als "eine ebenso moderne Kategorie wie die Verhältnisse, die diese ein-

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fache Abstraktion erzeugen"
(Kr, S. 239. MEW, Bd. 13, S. 634)*2.18 , das heißt, daß erst in einem entwickelteren Ganzen die Vorstellung von der Allgemeinheit der Arbeit sich ausbildet und schließlich begrifflich fixiert ist. Das Monetarsystem zum Beispiel fasse den Reichtum "noch ganz objektiv, als Sache außer sich im Geld" (Kr, S. 239. MEW, Bd. 13‚ S. 634), während das Manufaktur- und kommerzielle System ihn aus dem Gegenstand in die subjektive Tätigkeit verlege, wenn auch in der Begrenztheit als geldmachend. Demgegenüber sähen die Physiokraten das Objekt

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nicht mehr in der Verkleidung des Geldes, "sondern als Produkt überhaupt, als allgemeines Resultat der Arbeit", allerdings dieses Produkt "als immer noch naturbestimmtes Produkt - Agrikulturprodukt, Erdprodukt par excellence" (Kr, S. 239. MEW, Bd. 13, S. 634/35). Mit Adam Smith erfolgt der entscheidende Schritt. Er setzt die Arbeit in ihrer unbestimmtesten, allgemeinsten Form als Reichtum zeugende Tätigkeit schlechthin, als universell herrschende Kategorie, in die auch das Produkt, "die Allgemeinheit des als Reichtum bestimmten Gegenstandes" (Kr, S. 239. MEW, Bd. 73, S. 635) als vergangene, vergegenständlichte Arbeit wieder aufgelöst wird.

Das bewußte Verständnis, das die Arbeit als "einfachste und urälteste Beziehung" (Kr, S. 240. MEW, Bd. 13, S. 635) des produzierenden Menschen auffaßt, "setzt eine sehr entwickelte Totalität wirklicher Arbeitsarten voraus, von denen keine mehr die alles beherrschende ist" (Kr, S. 240. MEW, Bd. 13, S. 635), denn die allgemeinsten Abstraktionen entstehen "überhaupt nur bei der reichsten konkreten Entwicklung, wo eines vielen gemeinsam erscheint, allen gemein. Dann hört es auf, nur in besondrer Form gedacht werden zu können" (Kr, S. 240. MEW, Bd. 13, S. 635 Auszeichnungen von uns. - 0. M.), was bei den Physiokraten zum Beispiel noch der Fall war, die eine besondere Form der Arbeit, die Agrikulturarbeit, als allein produktiv bezeichneten. Anderseits ist diese abstrakte Kategorie "nicht nur das geistige Resultat einer konkreten Totalität von Arbeiten" (Kr, S. 240. MEW, Bd. 13, S. 635), sondern das Produkt einer Gesellschaftsform, "worin die Individuen mit Leichtigkeit aus einer Arbeit in die andre übergehn und die bestimmte Art der Arbeit ihnen zufällig, daher gleichgültig ist" (Kr, S. 240. MEW, Bd. 13, S. 635). Diese Allgemeinheit der Arbeit als Abstraktum tritt also nach zwei Seiten real in Erscheinung: Es hat
  1. seine in der äußeren Form an eine besondere Gattung Arbeit gebundene Eigenschaft abgestreift, es ist die einfache Bestimmung einer "konkreten Totalität von Arbeiten" und ist
  2. Resultat von Produktionsverhältnissen, in denen die Arbeit weitgehend von den Hemmungen sozialer und technischer Schranken befreit ist.
Damit wird die Arbeit zu einer als Reichtum schaffende Tätigkeit unspezifischen Bestimmung; der gedanklichen Abstraktion entspricht eine wirkliche, und somit wird "der Ausgangspunkt der modernen Ökonomie erst praktisch wahr" (Kr, S. 240. MEW, Bd. 13, S. 635), das heißt die moderne Ökonomie erst möglich. Diese Wissens-

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form ist an ein entwickeltes Ganzes (die kapitalistische Gesellschaft) gebunden und versteht die Arbeit erst, wo sie als Universalkategorie auftritt als "eine uralte und für alle Gesellschaftsformen gültige Beziehung" (Kr, S. 240. MEW, Bd. 13‚ S. 635).

An diesem Beispiel stellt Marx fest, "wie selbst die abstraktesten Kategorien, trotz ihrer Gültigkeit - eben wegen ihrer Abstraktion - für alle Epochen, doch in der Bestimmtheit dieser Abstraktion selbst ebensosehr das Produkt historischer Verhältnisse sind und ihre Vollgültigkeit nur für und innerhalb dieser Verhältnisse besitzen" (Kr, S. 24:. MEW, Bd. 13, S. 636; Auszeichnungen von uns. - 0. M.).

Daß die Arbeit als allgemein bestimmte, neutrale geistige Kategorie erscheinen kann, setzt eine entwickelte Organisation der Gesellschaft voraus, und zwar, wie wir gesehen haben, eine Organisation, in der die Abstraktion dieser Kategorie wirklich wird, das heißt in den bestehenden Verhältnissen "intensiv und extensiv" ihre volle Ausbildung erfährt und jede nur partielle Gültigkeit verliert. Sie tritt somit auf einer bestimmten historischen Stufe aus ihrer unentwickelten partikularen Form heraus, wird allgemeine Bestimmung und dringt in ihrer Allgemeinheit in den Vorstellungskreis der Individuen. Dies ist die Geburtsstunde der politischen Ökonomie als systematischer Wissenschaft. Je mehr anderseits das Konkrete in zahlreiche abstrakte (immer im Sinne realer Daseinsformen) Kategorien und deren vielfältigen Verhältnisse zerfällt, um so mehr tritt es in der Bewußtseinssphäre zurück, um so schwieriger gestaltet sich seine geistige Verarbeitung und Aneignung.

Dieser bestimmte Grad der Realisierung der einfachen Kategorie als konstitutives, allgemein herrschendes Element einer entwickelten Totalität zeigt ferner, wie Marx immer wieder betont, daß es sich nicht um eine im Denkprozeß rein logisch gewonnene Kategorie handelt, sondern um eine historische, die ihre "Vollgültigkeit" erreicht haben muß, um ein die gesellschaftlichen Verhältnisse allseitig kennzeichnendes Merkmal zu werden. Marx bemerkt - und dies ist für die Geschichte der Wissenschaft aufschlußreich -‚ daß erst von hier aus der Zugang zum Verständnis aller untergeordneten Gesellschaftsformen offen steht, denn Höheres in untergeordneten Formen könne nur verstanden werden, wenn Höheres schon bekannt sei (Kr, S. 241. MEW, Bd. 13, S. 636). "Die bürgerliche Ökonomie liefert so den Schlüssel zur antiken etc.", da die bürgerliche Gesellschaft "die entwickeltste

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und mannigfaltigste historische Organisation der Produktion"
(Kr, S. 240. MEW, Bd. 13, S. 636) ist, während früher die Partikularität der einzelnen Bestimmungen innerhalb eines unentwikkelten Ganzen auch nur eine partikulare Sicht der Dinge ermöglichte. Allerdings dürfen die historischen Unterschiede nicht verwischt und die Kategorien nicht einfach identifiziert werden, denn nur cum grano salis sei es wahr, "daß die Kategorien der bürgerlichen Ökonomie eine Wahrheit für alle andren Gesellschaftsformen besitzen" (Kr, S. 241. MEW, Bd. 13, S. 636), und zwar nur insofern sie in den früheren Gesellschaftsformen entsprechenden Verhältnissen innerhalb des Ganzen aufgefaßt werden.

Es ist das gegensätzliche Verhältnis der höchsten Entwicklungsform in ihrer begrifflich allseitig bestimmten Totalität zu den früheren Formen, das diese Wahrheit relativiert, das aber anderseits der nun als strenge Wissenschaft konstituierten politischen Ökonomie es ermöglicht, die einfachen Kategorien in ihrer differentia specifica zu erfassen. So könne man, sagt Marx, Tribut und Zehnten nur verstehen, wenn man zum theoretischen Verständnis der Grundrente gelangt sei, woraus man aber nicht schließen dürfe, daß Tribut und Zehnt mit der Grundrente identisch seien (Kr, S. 241. MEW, Bd. 13, S. 636). Wenn die Grundrente in ihrer besonderen Stellung im Gesamt des Wirtschaftsprozesses bestimmt ist, so ist nicht allein ihr ökonomisches und soziales Dasein bestimmt, sondern auch das Maß, an dem historisch frühere Formen gemessen werden können.

Das Verständnis der früheren Entwicklungsstufen setzt noch ein Zweites voraus, wenn es einer einseitigen Auffassung des geschichtlichen Prozesses entgehen will: die Selbstkritik der bestehenden Gesellschaft. "So kam die bürgerliche Ökonomie erst zum Verständnis der feudalen, antiken, orientalen, sobald die Selbstkritik der bürgerlichen Gesellschaft begonnen" (Kr, S. 242. MEW, Bd. 13, S. 637). Ein wirkliches Verständnis früherer Produktionsverhältnisse gewinnt die politische Ökonomie als strenge Wissenschaft erst da, wo sie neben dem Kampfe gegen die alte Gesellschaft zur Selbstkritik übergegangen ist.

Da jedoch das Subjekt, die bürgerliche Gesellschaft mit ihren Daseinsformen und Existenzbestimmungen (den Kategorien) in der Wirklichkeit und im Kopfe gegeben ist (als Anschauung und Vorstellung), ist Wissenschaft nicht erst möglich, "wo nun von ihr als solcher die Rede ist" (Kr, S. 242. MEW, Bd. 13‚ S. 637),

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sondern schon da - wenn auch nicht in systematischem und strengern Sinne -‚ wo die Daseinsformen und Existenzbestimmungen der neuen Gesellschaft sich ausbilden und entfalten.


3. Damit leitet Marx zum Aufbau der politischen Ökonomie über.
"In allen Gesellschaftsformen ist es eine bestimmte Produktion, die allen übrigen, und deren Verhältnisse daher auch allen übrigen, Rang und Einfluß anweist" (Kr, S. 242. MEW, Bd. 13, S. 637). Herrschte bis dahin das Grundeigentum, in dem "die Naturbeziehung noch vorherrschend" (Kr, S. 243. MEW, Bd. 13, S. 638) ist, in den verschiedenen Formen und Verhältnissen, so beginnt mit der bürgerlichen Gesellschaft die Herrschaft des Kapitals, das heißt die Herrschaft eines gesellschaftlich-historisch geschaffenen Elementes (Kr, S. 243. MEW, Bd. 13, S. 638). Das Kapital steht im Mittelpunkt aller Beziehungen und Bestimmungen, "das Kapital ist die alles beherrschende ökonomische Macht der bürgerlichen Gesellschaft" (Kr, S. 243. MEW, Bd. 13, S. 638) und kann verstanden werden ohne die Grundrente, die Grundrente jedoch nicht ohne das Kapital. Das Kapital bildet so "Ausgangspunkt wie Endpunkt" und muß "vor dem Grundeigentum entwickelt werden" (Kr, S. 243. MEW, Bd. 13, S. 638.).

Wer in Marx einen typischen Vertreter des Historismus sieht, wird nicht ohne weiteres begreifen, daß im Aufbau der politischen Ökonomie die logische Folge der Kategorien (als die wissenschaftlich einwandfreie Methode) gegenüber der historisch-genetischen den Vorrang hat; diese scheinbare Verkehrung, in der nicht wie bei Hegel die Idee der Demiurg des Wirklichen ist, ist indessen - wie aus der textkritischen Untersuchung hervorgeht - nur eine solche des historischen Werdens selbst, in der das Verhältnis von logischer und historischer Kategorie ein in der Einheit zusammengefaßtes ist, was zu der Meinung verführen kann, dem Logisch-Theoretischen werde überhaupt der Primat eingeräumt. Dies ist jedoch nur der Schein, der allerdings als wirklicher Schein - da es sich bei den abstrakten Kategorien um Existenzbestimmungen, Daseinsformen handelt - den geistigen Produktionsakt, der hiervon ausgeht, in der oben erwähnten Verkehrung darstellt und seines Ursprunges entkleidet. Marx bezeichnet es geradezu als "falsch, die ökonomischen Kategorien in der Folge aufeinander folgen zu lassen, in der sie historisch die bestimmenden waren" (Kr, S. 243. MEW, Bd. 13‚ S. 638)

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und gebraucht das Wort "untubar", womit er sagen will, daß nicht das Konkrete, Reale, dessen Verständnis die Besonderung in die abstrakten Bestimmungen voraussetzt, an den Anfang gestellt werden kann, sondern daß die Form der Kategorien, wie sie in der bürgerlichen Gesellschaft erscheint, die Einteilung des Stoffes bestimmt. Es ist die höhere Stufe der gesellschaftlichen Entwicklung, die den Blick frei macht für Vergangenes, da sie das letzte Glied ist und als aufgehobene Momente alle Existenzformen früherer Gesellschaftsstufen beinhaltet, zugleich aber auch die "verschiedene Stellung, die dieselben Kategorien in verschiedenen Gesellschaftsstufen" (Kr, S. 244. MEW, Bd. 13, S. 638) einnehmen, verständlich macht.
In der "Einleitung" findet sich der Plan, nach dem Marx seine "Kritik der politischen Ökonomie", abzufassen gedenkt: Die Einteilung geht den Weg von den abstrakten Bestimmungen zum Konkreten.
  1. Die allgemeinen Abstrakta (die mehr oder minder allen Gesellschaftsformen zukommen, jedoch immer in besonderen historischen Verhältnissen sich verwirklichen).
  2. ... "die Kategorien, die die innre Gliederung der bürgerlichen Gesellschaft ausmachen" und worauf die drei großen Klassen beruhen: Kapital, Grundeigentum, Lohnarbeit, ihre Beziehung zueinander.
    Stadt und Land (Teilung der Arbeit)*2.19 .
    Die drei großen gesellschaftlichen Klassen. Austausch zwischen denselben. Zirkulation.
    Privates Kreditwesen
  3. Die bürgerliche Gesellschaft als Ganzes: der Staat. In Beziehung zu sich selbst betrachtet.
    Die "unproduktiven" Klassen.
    Steuern, Staatsschuld.
    Öffentlicher Kredit.
    Die Bevölkerung.
    Die Kolonien.
    Auswanderung.
  4. Internationales Verhältnis der Produktion.
    Internationale Teilung der Arbeit.

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    Internationaler Austausch.
    Aus- und Einfuhr.
    Wechselkurs.
  5. Der Weltmarkt.
    Die Krisen. (Kr, S. 244/45. MEW, Bd. 13, S. 639)

2.B) Die Erscheinungsform der logischen Kategorien als entfremdete, verdinglichte Kategorien: »Ökonomisch-philosophische Manuskripte«


Textkritische Untersuchung II

Bevor wir eine vorläufige Klärung der in der "Problemstellung" aufgeworfenen Probleme versuchen - was auf Grund der "Einleitung zur Kritik der politischen Ökonomie" nur zum Teil möglich wäre - ist es nötig, einen Schritt weiter zu gehen. Dies auch darum, weil in der Marx-Kritik verschiedene Einwände vorgebracht werden, die prima facie richtig scheinen, und weil sich selbst bei Marx Belege finden, die diese Einwände scheinbar stützen. Hammacher schreibt zum Beispiel, daß die Ansichten, die Marx in der "Einleitung" vertritt, sich später gewandelt hätten, und daß hier die größte Änderung vorliege, die der Marxismus im Laufe seiner Entwicklung erfahren hat: "... die empirische Methode (von uns ausgezeichnet. - 0. M.), die Marx im Jahre 57 vorschlägt, (unterlag) seiner metaphysischen durch Hegel bestimmten Seele, und er wiederholte den Weg, der von Sokrates zu Platon führt: aus dem Gedanken, daß nur das Allgemeine Ausgangspunkt und Gegenstand der Erkenntnis sei, wurde ihm der andere, daß allein dies Allgemeine die wahrhafte Wirklichkeit, die innere Gesetzmäßigkeit sei"*2.20 . Wir werden untersuchen, welchen Sinn dieser Einwand, der nach Hammacher den Übergang von der Empirie zur Spekulation kennzeichnet, hat, das heißt den Plan von 1857 mit dem von 1866*2.21 vergleichen und die Veränderungen analysieren*2.22 .

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Marx berührt diese Frage auch im Vorwort zur ersten Auflage des "Kapitals". Er bezeichnet das "Kapital" als die Fortsetzung seiner 1859 erschienenen "Kritik der politischen Ökonomie" und fügt hinzu, daß die Abschnitte über die Geschichte der Wert-und Geldtheorie weggefallen seien und die Darstellung verbessert (K, I, S. 5). Aus einer Änderung der Darstellung kann jedoch nicht ohne weiteres auf einen prinzipiellen methodischen Wandel geschlossen werden, wie dies Hammacher meint.

Zur Zeit, da Hammachers Buch erschien (1909) und einige Jahre später die "Epochen der Dogmen- und Methodengeschichte" Schumpeters (1914), waren von den Frühschriften Marx‘ nur seine Doktordissertation*2.23 und die "Heilige Familie"*2.24 bekannt, nicht aber die "Ökonomisch-philosophischen Manuskripte" und die "Deutsche Ideologie"*2.25 .

Wir haben absichtlich die "Einleitung zur Kritik der politischen Ökonomie" an den Anfang gestellt, nicht allein darum, weil Marx hier zum erstenmal, wenn auch noch nicht bis in alle Einzelheiten ausgeführt, seine Konzeption der wissenschaftlichen Methode darlegt, sondern weil unseres Erachtens von hier aus am besten sowohl die Frühschriften als auch das Hauptwerk "Das Kapital" verstanden werden können. Da wir uns nicht auf eine biographisch-dogmengeschichtliche Darstellung be-

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schränken, war es unserem Zwecke gemäß, die chronologische Ordnung aufzugeben.


1. Herbert Marcuse hat anläßlich der Veröffentlichung der "Ökonomisch-philosophischen Manuskripte" mit Recht betont, daß es sich hierbei um ein "entscheidendes Ereignis in der Geschichte der Marx-Forschung"*2.26 handle. Eine nähere Prüfung der Manuskripte kann die Behauptung nur stützen. Wenn wir uns auch nur unter Vorbehalt der Meinung Marcuses anschließen, daß es eher "notwendig werden (könnte), die geläufige Interpretation der späteren Ausarbeitung der Kritik im Hinblick auf die Ursprünge zu revidieren, als daß umgekehrt die ursprüngliche Gestalt der Kritik von der späteren Stufe aus zurückinterpretiert wird" und "daß es auch mit der bekannten These einer Entwicklung Marxens von der philosophischen zur ökonomischen Basis der Theorie nicht getan ist"*2.27 , so ist es doch unerläßlich, den Werdegang der Theorie von den Manuskripten über die "Kritik" zum "Kapital" genau zu prüfen. Vorweggenommen sei indessen - und hier gehen wir mit Marcuse einig - daß von einer rein ökonomistischen, vulgärmaterialistischen Interpretation der Theorie keine Rede sein kann, und daß die Frühschriften von Marx für das Verständnis seiner Lehre von überragender Bedeutung sind.

Ohne Zweifel ist die "philosophische" Interpretation von Marcuse die bis heute gewissenhafteste und bestfundierte, und der Leser, der die Bedeutung des Problems der Entäußerung, Vergegenständlichung, Entfremdung und Fetischisierung a fond kennenlernen will, muß darauf verwiesen werden. An dieser Stelle folgt bloß eine gedrängte Zusammenfassung der "Manuskripte", in der es uns darum geht zu zeigen, wo das in den "Manuskripten" Ausgeführte für das Verstehen der Theorie und Methode Vorbedingung ist, ferner wie sich das Verhältnis zur "Kritik der politischen Ökonomie" gestaltet und was auf das "Kapital" übergeht. Die Akzente werden also anders verteilt sein als bei Marcuse.

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2. Marx beginnt in der Zeit seines Pariser Exils (November 1843 bis Februar 1845) mit einem systematischen Studium der politischen Ökonomie, zum Teil angeregt durch den in den "Deutsch-Französischen Jahrbüchern" erschienenen Aufsatz von Friedrich Engels "Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie"*2.28 . Er exzerpiert eine große Zahl von Werken*2.29 und faßt den Plan, "in verschiedenen selbständigen Broschüren die Kritik des Rechts, der Moral, Politik etc. aufeinanderfolgen zu lassen"*2.30 . Am 1. Februar 1845 schließt er mit dem deutschen Verleger Leske einen Vertrag zur Herausgabe eines zweibändigen Werkes "Kritik der Politik und Nationalökonomie"*2.31 ab, den dieser im März 1846 kündigt*2.32 , da er ein Verbot der Schrift befürchtet. Über seine Pariser Begegnung mit Marx schreibt Engels in der Schrift "Zur Geschichte des ´Bundes der Kommunisten´":
"Als ich Marx im Sommer 1844 in Paris besuchte, stellte sich unsere vollständige Übereinstimmung auf allen theoretischen Gebieten heraus, und von da an datiert unsere gemeinsame Arbeit. Als wir im Frühjahr 1845 in Brüssel wieder zusammenkamen, hatte Marx... seine materialistische Geschichtstheorie in den Hauptzügen fertig herausentwickelt, und wir setzten uns daran, die neu gewonnene Anschauungsweise nach den verschiedensten Richtungen hin im einzelnen auszuarbeiten.*2.33 "
Marx hatte somit in dieser Zeit grosso modo die historisch-materialistische Theorie entworfen.


3. Im ersten Teil der Manuskripte, unter den von Marx selbst betitelten Abschnitten Arbeitslohn, Profit des Kapitals, Grundrente, beschäftigt er sich mit den drei großen Klassen der bür-

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gerlichen Gesellschaft. Dieser Teil ist mehr kursorisch, in Anlehnung an die Lektüre der Klassiker vorwiegend mit Zitaten aus Smith, Ricardo und Say durchsetzt, weist nachdrücklich auf die entgegengesetzten Interessen und die sich widersprechenden Tendenzen der drei großen Klassen hin und enthält bereits im Keim die Theorie des Klassenkampfes. Die Betitelung der für uns wichtigen Abschnitte stammt vom Herausgeber, V. Adoratskij. Es sind dies: "Die entfremdete Arbeit" (S. 81 ff. MEW, Ergänzungsband 1. Teil, S. 510) und "Kritik der Hegelschen Dialektik und Philosophie überhaupt" (S. 150 ff. MEW, Ergänzungsband 1. Teil, S. 568).

In der Analyse der "Einleitung zur Kritik der politischen Ökonomie" wurde das Verhältnis von historischen und logischen Kategorien bestimmt. Die logischen Kategorien in ihrer begrifflichen Systematisierung sind historisch reale Daseinsformen, Existenzbestimmungen. Die geistige Reproduktion läßt sie als unabhängig von ihrem wirklichen Werden erscheinen und verkehrt den Prozeß ihrer bewußten Aneignung in ein methodisches, formallogisches Prius der Logizität. Diese Analyse weist jedoch erst auf einen ganz allgemeinen Bestimmungsgrund, der dem Denken überhaupt eigentümlich ist. Diese allgemein historisch gebundene Vermittlung des Gegenstandes, der Kategorien hat indessen eine spezifisch historische Besonderung, die aus der Struktur der Produktionsverhältnisse zu ermitteln ist. Nicht die quantitative Ausbreitung der Arbeit zum Beispiel (in ihrer "Vollgültigkeit"), sondern ihre qualitative Stellung innerhalb der Produktionsverhältnisse verdeckt ihren wahren Charakter. Die eingehende Untersuchung dieser Kategorie wie auch der Form, in der die allgemein historischen Bestimmungen erscheinen, erfolgt in den "Ökonomisch-philosophischen Manuskripten".

Die Arbeit als gesellschaftliche (nicht allein nationalökonomische) Grundkategorie steht in den Manuskripten im Mittelpunkt der Betrachtung. Aus diesem Grunde wird, wie Marcuse schon feststellt, die konventionelle Dreigliederung der Nationalökonomie, von der Marx vorerst ausgeht, bald aufgegeben. Es wird nicht näher auf die äußeren Eigenheiten der Nationalökonomie eingegangen, die den internen Mechanismus der bürgerlichen Gesellschaft, ausgehend vom Faktum des Privateigentums, beschreibt, sondern die Frage nach dem Charakter der Arbeit in ihrer abstrakten Allgemeinheit als struktives Element des Privateigentums gestellt. Die Voraussetzungen prüfen, den Werde-

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prozeß des Privateigentums aufdecken, heißt mit einer Kritik der Nationalökonomie beginnen, die nach Marx den äußeren Sachverhalt ausspricht, ihn aber seinem Wesen nach zugleich verdeckt.

Welcher Art ist diese Kritik? "Sie (die Nationalökonomie) faßt den materiellen Prozeß des Privateigentums, den es in der Wirklichkeit durchmacht, in allgemeine, abstrakte Formeln, die ihr dann als Gesetze gelten. Sie begreift diese Gesetze nicht, d. h., sie zeigt nicht, wie sie aus dem Wesen des Privateigentums hervorgehen" (MEGA, I, 3, S. 81. MEW, Ergänzungsband, 1. Teil, S. 510). Unter abstrakt ist hier die unterschiedslose Allgemeinheit, nur unter bestimmten gedanklichen Prämissen gültige Form des Gesetzes gemeint, die für den realgeschichtlichen Prozeß aLs ungefähre, unbestimmte Approximation fraglich bleibt. Marx will an dieser Stelle den besonderen Charakter der Gesetze verdeutlichen: Sie können nicht in sich selbst oder außer sich begriffen werden, sondern nur aus dem Wesen der Sache. Diese spezifische, historische Auffassung des Gesetzesbegriffes, dem wir bei Marx immer wieder begegnen, ist von eminenter Wichtigkeit, um die Marxsche Theorie zu verstehen. So weist Marx zum Beispiel alle irrealen Konstruktionen, die den Schauplatz der Untersuchung in einen "erdichteten Urzustand" (MEGA, I, 3, S. 82. MEW, Ergänzungsband, 1. Teil, S. 511) versetzen, zurück. Auch in der "Einleitung" rügt er diese Konstruktionen bei Smith und Ricardo als "phantastische Einbildungen des 18. Jahrhunderts" (Kr, S. 216), deren Hauptmangel darin bestehe, daß sie "nicht als ein historisches Resultat, sondern als Ausgangspunkt der Geschichte" genommen würden*2.34 . Er verlangt im Gegenteil, daß wir von "einem nationalökonomischen, gegenwärtigen Faktum" ausgehen (MEGA, I, 3, S. 82. MEW, Ergänzungsband, 1. Teil, S. 511).

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Beziehen sich die nationalökonomischen Gesetze nur auf die äußerlichen "unveränderlichen" Formen der Arbeit, nicht aber auf ihren wirklichen historischen Inhalt, und sehen sie wiederum diese Formen nur als notwendige, äußere gesetzliche Beziehungen, als "allgemeine abstrakte Formeln" dann verbirgt die Nationalökonomie den tatsächlichen Charakter der Arbeit, und zwar "dadurch, daß sie nicht das unmittelbare Verhältnis zwischen dem Arbeiter (der Arbeit) und der Produktion betrachtet" (MEGA, I, 3, S. 84/85. MEW, Ergänzungsband, 1. Teil, S. 513), da sie bereits "unterstellt, was sie entwickeln soll" (MEGA, I, 3, S. 81. MEW, Ergänzungsband, 1. Teil, S. 510). Worin besteht dieses unmittelbare Verhältnis? "Das unmittelbare Verhältnis der Arbeit zu ihren Produkten ist das Verhältnis des Arbeiters zu den Gegenständen seiner Produktion" (MEGA, I, 3, S. 85. MEW, Ergänzungsband, 1. Teil, S. 513). Das Verhältnis des Arbeiters zu den Gegenständen seiner Produktion ist vorerst nach zwei Seiten bestimmt:
  1. Der Verlust des Gegenstandes, der dem Produzenten als fremde Macht gegenübertritt, ist die Entfremdung des Arbeiters in seinem Gegenstand, ist seine äußere, von ihm getrennte Existenz (MEGA, I, 3, S. 83 - 85. MEW, Ergänzungsband, 1. Teil, S. 511 - 513);

  2. im Produkt als Vergegenständlichung seiner Tätigkeit entäußert, entfremdet sich diese Tätigkeit selbst, das heißt, sie wird dem Subjekt ebenso äußerlich wie das ihm entfremdete Objekt seiner Tätigkeit.

  3. Eine weitere Folge ist:
  4. daß die entfremdete Arbeit dem Menschen sein eigenes menschliches Wesen entfremdet, daß sein natürliches wie geistiges Gattungsvermögen ihm fremd und nur noch Mittel, nicht mehr Zweck seiner individuellen Existenz ist (MEGA, I, 3, S. 89. MEW, Ergänzungsband, 1. Teil, S. 517).

  5. Diese Selbstentfremdung bewirkt
  6. die Entfremdung des Menschen von dem Menschen, sein Verhältnis zu sich selbst, als das Verhältnis eines objektiv in den Gegenständen wie subjektiv in der Tätigkeit veräußerlichten Wesens zum Inhalt dieser Bestimmungen, bestimmt sein Verhältnis zum Nächsten.
"Das produktive Leben ist aber das Gattungsleben. Es ist das Leben erzeugende Leben. In der Art der Lebenstätigkeit liegt der ganze Charakter einer species, ihr Gattungscharakter, und die freie bewußte Tätigkeit ist der Gattungscharakter des Menschen. Das Leben selbst erscheint nur als Lebensmittel." (MEGA, I, 3, S. 88. MEW, Ergänzungsband, 1. Teil, S. 516)

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Der Begriff der Entfremdung (den Marx von Hegel übernommen hat) wird auf seinen realen Gehalt hin geprüft; sein kategorielles Dasein spricht die Nationalökonomie unverhohlen aus: daß der Arbeiter zur Ware geworden ist. Die Entfremdung dringt aus den un-menschlich, sachlich gewordenen Verhältnissen der modernen bürgerlichen Gesellschaft in das theoretische Bewußtsein der Ökonomen. "Großer Fortschritt von Ricardo, Mill (James Mill. - 0. M.) etc. gegen Smith und Say, das Dasein des Menschen - die größre oder kleinre Menschenproduktivität der Ware - als gleichgültig oder sogar schädlich zu erklären" (MEGA, I, 3, S. 98, auch I, 3, S. 84. MEW, Ergänzungsband, 1. Teil, S. 524, auch S. 512 f.). An anderer Stelle sagt Marx:
"Dadurch, daß die Nationalökonomie alle Bedeutung dem revenu brut, das heißt der Quantität der Produktion und Konsumtion, abgesehen vom Überschuß abspricht, also dem Leben selbst alle Bedeutung abspricht, hat ihre Abstraktion den Gipfel der Infamie erreicht. Es tritt hierin heraus,
  1. daß es sich bei ihr gar nicht um das nationale Interesse, um den Menschen handelt, sondern nur um revenu net, profit, fermage, daß dies der letzte Zweck der Nation ist,
  2. daß das Leben eines Menschen an sich nichts wert ist,
  3. daß namentlich der Wert der Arbeiterklasse nur auf die notwendigen Produktionskosten sich beschränkt, und daß sie bloß da sind für das revenu net, das heißt für den Profit der Kapitalisten und die fermage des Grundeigentümers.
"
(MEGA, I, 3, S. 514)
Aber so infam dies auch sei, es ist die Wahrheit der modernen Gesellschaft, und die Nationalökonomie gibt nur die ungeschminkte Wirklichkeit wieder.
"Wenn aber Say und Sismondi ... den Ricardo bekämpfen, so bekämpfen sie nur den zynischen Ausdruck einer nationalökonomischen Wahrheit... Was beweist es für die Nationalökonomie, daß Sismondi und Say aus ihr herausspringen müssen, um unmenschliche Konsequenzen zu bekämpfen? Weiter nichts, als daß die Menschlichkeit außer der Nationalökonomie und die Unmenschlichkeit in ihr liegt." (MEGA, I, 3, S. 515)
So erscheint die Verwirklichung der Arbeit, ihre Vergegenständlichung (das heißt Arbeit, die sich in einem Gegenstande fixiert) in der Nationalökonomie als "Entwirklichung des Arbeiters" (MEGA, I, 3, S. 83. MEW, Ergänzungsband, 1. Teil, S. 520), ausgedrückt in der Gleichsetzung von Arbeiter und Ware. Das Faktum der "Entfremdung des Arbeiters und seiner Produktion" ist als begrifflich gewußtes "die entfremdete, entäußerte

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Arbeit."
(MEGA, I, 3, S. 90. MEW, Ergänzungsband, 1. Teil, S. 518)*2.35 .

Die Nationalökonomie faßt die menschliche Tätigkeit unter der Form des Austausches und des Handels und glaubt, in diesen entfremdeten Kategorien die wesentlichen und ursprünglichen Beziehungen verstanden zu haben. Das ihr gemäße Begreifen des gesellschaftlichen Charakters der Arbeit verdeckt deren Wesensbestimmung: das Verhältnis des Individuums zur Natur und zur Gesellschaft als ein Verhältnis, in dem sich das Gattungsvermögen des Individuums voll entfalten soll. Die Kategorien werden als solche genommen, als Existenzbestimmungen außerhalb der wirklichen Tätigkeit und der gesellschaftlichen Verhältnisse der Produzenten, als die den Produktionsprozeß bestimmenden unmenschlichen Kräfte der Gesellschaft. So steht als höchste verdinglichte Macht das Privateigentum als das alle menschliche Beziehungen bedingende und beherrschende Faktum. Marx löst diese stillschweigende Unterstellung jeder ökonomischen Analyse auf und führt sie auf die entäußerte Arbeit zurück. "Das Privateigentum ist.., das Produkt, das Resultat, die notwendige Konsequenz der entäußerten Arbeit, des äußerlichen Verhältnisses des Arbeiters zu der Natur und zu sich selbst" (MEGA, I, 3, S. 91. MEW, Ergänzungsband, 1. Teil, S. 520). Ist das Privateigentum indessen nur eine besondere Form der menschlichen Arbeit, "so hat man es unmittelbar mit dem Menschen zu tun" (MEGA, I, 3, S. 93. MEW, Ergänzungsband, 1. Teil, S. 521/22). Das Produkt kann somit als fremde Sache nur erscheinen, wenn es in der Verfügungsgewalt eines andern Menschen ist. So vollziehen sich die Wesenskräfte des Individuums in einem sozialen Milieu, das ihm sein Lebensmittel, sowohl in der zuständlich-sachlichen Form wie in der tätigen als fremde, unpersönliche Macht gegenüberstellt. Seine Eigenbestimmung und Selbstentfaltung trägt einen schicksalhaften Charakter, der durch die im gesellschaftlichen Prozeß vermittelnde Stellung des Geldes die äußerste Grenze erreicht.

Was wir bei der Betrachtung der "Einleitung" gesehen, gilt schon hier. Die totale Entfremdung, Verdinglichung der menschlichen Arbeit findet statt, wo den Individuen auf Grund einer "sehr entwickelten Totalität wirklicher Arbeitsarten" "die be-

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stimmte Art der Arbeit . . . zufällig, daher gleichgültig ist"
(Kr, S. 240. MEW, Bd. 13, S. 635). Ihre entwickeltste, spezifizierteste Form ist zugleich ihre abstrakteste Form, in der jede Arbeit der andern vergleichbar ist als eine von ihrer konkreten Besonderung unabhängige, Reichtum schaffende Tätigkeit. Als reales Faktum, als Abstraktion einer entwickelten Totalität tritt die Arbeit erst in einer allseitig ausgebildeten Marktwirtschaft auf, und zwar auf Grund der Teilung der Arbeit in eine Vielzahl von Arbeitsarten. Wenn die Arbeit auch technisch immer vorhanden war, ist das Allgemeine und Objektive der Arbeit in den unentwickelten Gesellschaftsformen als Abstraktion von jeder besonderen Form ihrer Anwendung nicht gegeben*2.36 . So setzt der Begriff der entfremdeten Arbeit denjenigen der abstrakt-allgemeinen voraus; er kann erst aus der höchsten Stufe der gesellschaftlichen Organisation, die in der Arbeit in ihrer objektiv wie subjektiv entfremdeten Form zur durchgängigen Kategorie des die Produktionsverhältnisse beherrschenden Daseinsform geworden ist, entwickelt werden.

In der einfachen unentwickelten Form des Privateigentums ist die entfremdete Arbeit ein noch begrifflich partikular gewußtes, weil noch nicht allgemeines Phänomen, es ist die noch undifferenzierte, spezielle, wesentlich noch an die Natur gebundene Form der Entäußerung, allerdings eine gesellschaftlich bedingte natürliche Form. Wenn Marx betont, daß im Grundeigentum "die Naturbeziehung noch vorherrschend" ist (Kr, S. 243. MEW, Bd. 13, S. 638), so heißt dies, daß die Arbeit noch unmittelbarer bezogen ist auf die Natur als in der kapitalistischen Produktion, daß die gesellschaftliche Interdependenz noch nicht in so vielfältigen Bestimmungen entwickelt ist, die Eigentums- und Herrschaftsverhältnisse direkter und durchsichtiger sind. "Erst auf dem letzten Kulminationspunkt der Entwicklung des Privateigentums tritt dieses sein Geheimnis wieder hervor, nämlich einerseits, daß es das Produkt der entäußerten, und zweitens, daß es das Mittel ist, durch welches sich die Arbeit entäußert, die Realisierung dieser Entäußerung" (MEGA, I, 3, S. 92. MEW, Ergänzungsband, 1. Teil, S. 520). Somit stößt, wie erwähnt, Marx auf die Wurzeln des Privateigentums, das der klassischen politischen Ökonomie unbesehen als Voraussetzung ihrer Analyse zugrunde liegt. Er löst die "ewige Kategorie" in ein historisches

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Gesetz auf, das den Kern des gesellschaftlichen Prozesses und seine geistige Reproduktion bloßlegt.
  1. Die primitive, rohe Produktion ist die einfache, noch unvermittelte Form des Eigentums, eine Form, in der auch keine Entfremdung möglich ist. "Der Mensch, für sich - im wilden, barbarischen Zustand - hat daher das Maß seiner Produktion an dem Umfang seines unmittelbaren Bedürfnisses, dessen Inhalt unmittelbar der produzierte Gegenstand selbst ist" (MEGA, I, 3, S. 543. Und in: Texte zu Methode und Praxis II, S. 176).
  2. Die Produktion für den Austausch anderseits setzt und fordert in der Vergegenständlichung der Arbeit, die in sich vermittelt das Bedürfnis auf einen der eigenen Tätigkeit fremden Gegenstand eines andern bezieht, das Privateigentum als das explizite Mittel der Verwirklichung des Bedürfnisses.
Marx faßt zusammen:
"Während also in dem ersten Verhältnis das Bedürfnis das Maß der Produktion ist, ist in dem zweiten Verhältnis die Produktion oder vielmehr der Besitz des Produktes das Maß, wie weit sich die Bedürfnisse befriedigen können." (MEGA, I, 3, S. 543. Und in: Texte zu Methode und Praxis II, S. 177)
Die rohe primitive Form, für die der Umfang des Bedürfnisses unmittelbar mit dem Inhalt des produzierten Gegenstandes zusammenfällt, geht über in die entwickelte vermittelte Form, in der sich Bedürfnis und Gegenstand der Bedürfnisbefriedigung als entäußerte Seiten eines Prozesses gegenüberstehen, in der die Vermittlung in Abhängigkeit zur Stellung des Individuums im Produktionsprozeß steht. Beides sind gesellschaftliche Formen, wenn auch in ihrer Struktur grundverschieden.

War in den früheren Gesellschaftsformationen auf Grund ihrer noch unentwickelten Produktionsverhältnisse die menschliche Tätigkeit in einer noch direkteren Beziehung zur Natur, die Vergegenständlichung der Arbeit durchsichtiger, die Aneignung des Produktes durch keine oder wenige gesellschaftlich-ökonomische Zwischenglieder vermittelt, somit auch nicht oder minder fragwürdig, so erfährt dieser Prozeß eine radikale Wandlung, wo das "gesellschaftlich, historisch geschaffne Element" (Kr, S. 243. MEW, Bd. 13, S. 638) vorherrschend wird und nicht mehr die direktere, wenn auch gesellschaftlich gebundene Na-

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turbeziehung, das heißt, wo die endgültige Trennung von Arbeitsmittel und Arbeitsgegenstand vollzogen ist, wo Kooperation, Teilung der Arbeit und die Austauschbeziehungen sich immer mehr und mehr differenzieren, wo das Kapital als allgemein herrschendes Verhältnis Grundlage der Produktion ist. Erst von dieser Spätstufe der gesellschaftlichen Entwicklung aus, wo die totale Entfremdung - wenn auch ihrem Wesen nach verdeckt - ein vollzogener Akt ist, wo sie intensiv und extensiv Entfremdung des Arbeiters und Nicht-Arbeiters ist, wo sie struktiv die gesellschaftlichen (nicht allein ökonomischen) Verhältnisse durchdringt, das Leben des Menschen bis in die letzten Verzweigungen seines - aktiven und passiven - physischen und geistigen Verhaltens ergreift, ist das Verständnis für den ontologischen wie historischen Aspekt der Vergegenständlichung möglich, und erst auf diesem Boden kann die Arbeit als die den Gesamthabitus des Individuums bestimmende Lebensäußerung schlechthin begriffen werden. Darin ist nur so viel Philosophisches, wie sich die Philosophie unter anderem auch mit der Ontologie beschäftigt. Es stellt sich nicht die Frage nach einem abstrakt-allgemeingültigen oder normativen Prinzip des Seins, sondern die nach der historischen Konkretion der Seinsbestimmungen, die zum Beispiel in der kapitalistischen Gesellschaft nur aus der Analyse der Daseinsformen in ihren Verhältnissen innerhalb des und zum Ganzen verstanden werden kann.

Die übergreifende Bedeutung des Arbeitsbegriffs bei Marx, den er in seiner Auseinandersetzung mit dem Hegelschen Begriff der Entfremdung und der materialen wie formalen Seite der klassischen politischen Ökonomie gewonnen hat, ist ihm Grundlage seiner Kritik der Sozialwissenschaften, mit dem Anspruch, daß diese erst dann ein Recht auf wissenschaftliche Strenge geltend machen dürfen, wenn sie sich der Voraussetzungen, unter denen sie arbeiten, bewußt sind.


4. Nachdem wir die Form, in der die Arbeit dem Individuum in ihrer Negativität erscheint, dargestellt haben, stellt sich noch die Frage nach der praktisch-tätigen, befreienden Seite der Arbeit.

Die Arbeit als freie Arbeit hat sich ohne fremdes Diktat, ohne Vermittlung, das heißt ohne die gegenständlich-fremde Form der Arbeitsbedingungen, die zu ihrer Ausübung notwendig sind, zu vollziehen. Der Arbeiter verwirklicht sich in diesem Falle in

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seiner Arbeit als Grundkategorie seines menschlichen Daseins unmittelbar, er bestätigt sich in seiner Tätigkeit und in seinem Gegenstande. Die Mittel, seine Tätigkeit verwirklichen zu können, sind ihm zu eigen, damit aber auch der Prozeß, in dem seine Tätigkeit abläuft. Die bewußte Identität dieses Ablaufes löst die theoretische Problematik auf, vernichtet den gesellschaftlichen Schein als verdinglichte überpersonale Macht und verwirklicht die Existenz des Individuums als wirkliche menschliche Existenz. Die Arbeit ist hier ihrer einseitigen Gestalt, als Erwerbstätigkeit, die die Existenz des Arbeiters allein ermöglicht, entkleidet, sie ist allseitig verwirklicht, als Verwirklichung des Menschen selbst, als die ihm eigentümliche Weise, sich in seiner Totalität mit der Natur und mit der Gesellschaft auseinanderzusetzen. Bewußte Arbeit ist die ihm allein eigentümliche Weise, in der er sich von dem Tier unterscheidet. "Die bewußte Lebenstätigkeit unterscheidet den Menschen unmittelbar von der tierischen Lebenstätigkeit" (MEGA, I, 3, S. 88. MEW, Ergänzungsband, 1. Teil, S. 516).

Die Arbeit ist keine Sache mehr, sie ist nicht mehr in der Verfügungsgewalt des Kapitals als Funktion seiner Verwertungsbedürfnisse. Was der Mensch in der bürgerlichen Gesellschaft ist, und was Marx mit den Worten resümiert:
"Die Nationen sind nur Ateliers der Produktion, der Mensch ist eine Maschine zum Konsumieren und Produzieren; das menschliche Leben ein Kapital; die ökonomischen Gesetze regieren blind die Welt. Für Ricardo sind die Menschen nichts, die Produkte alles" (MEGA, I, 3, S. 114. MEW, Ergänzungsband, 1. Teil, S. 494)
, ist in der unentfremdeten, bewußt gesellschaftlichen Wirklichkeit aufgehoben.
Die Versachlichung der Arbeit und ihre begriffliche Verkehrung in den Kategorien der Nationalökonomie ist der wirkliche Schein des tatsächlichen Zustandes, in dem sich die Arbeit realisiert, und die Aufhebung dieser begrifflichen Verkehrung ist nicht allein eine theoretische Aufgabe, sondern kann nur das Resultat der Aufhebung des Zustandes sein, in dem diese Verkehrung möglich ist*2.37 . Die Arbeit wird in der Form der freien Arbeit als das wahre, persönliche Eigentum des Menschen verstanden, als die ursprüngliche Anlage seines Menschseins. Die Vergegenständli-

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chung seiner Tätigkeit ist das notwendige, natürliche, aber nicht mehr fremde, ihm entzogene Produkt, es ist die durchaus persönliche, nicht mehr sachliche Form der Arbeit, das Verhältnis des Arbeiters zu seinem Produkt als ein unmittelbares. Weder das Produkt noch die Tätigkeit sind ihm in dieser Form sucht fremd; seine Universalität manifestiert sich ihm in der Vermenschlichung seiner Beziehungen, die ihn als organischen Teil in Natur und Gesellschaft eingliedemn. Sein Gattungs- und individuelles Leben fallen zusammen.

Der Mensch bewährt sich als Mensch nur in der bewußten Lebenstätigkeit gegenüber der Natur, als universell produzierender Mensch, der über sein physisches Bedürfnis hinaus produziert (MEGA, I, 3, S. 88. MEW, Ergänzungsband, 1. Teil, S. 517). Er eignet sich in der Arbeit die Außenwelt, die sinnliche Natur an (MEGA, I, 3, S. 84). Sie ist also einmal Bedingung der Arbeit, insofern keine Arbeit ohne Gegenstände leben kann und ferner Mittel der physischen Subsistenz (MEGA, I, 3, S. 84. MEW, Ergänzungsband, 1. Teil, S. 512/13).
"Die Natur ist der unorganische Leib des Menschen, nämlich die Natur, soweit sie nicht selbst menschlicher Körper ist. Der Mensch lebt von der Natur, heißt: Die Natur ist sein Leib, mit dem er in beständigem Prozeß bleiben muß, um nicht zu sterben. Daß das physische und geistige Leben des Menschen mit der Natur zusammenhängt, hat keinen andren Sinn, als daß die Natur mit sich selbst zusammenhängt, denn der Mensch ist ein Teil der Natur." (MEGA, I, 3, S. 87. MEW, Ergänzungsband, 1. Teil, S. 516)
Der Mensch sieht sich in der von ihm geschaffenen Welt, wenn er sie in freier, bewußter Tätigkeit produziert und sich geistig aneignet. In bewußter Tätigkeit befreit er sich in und mit der Natur von dem nur natürlichen, physischen Zwang; er realisiert sich als Mensch, indem er sich ihr entgegenstellt, der "Mensch macht seine Lebenstätigkeit selbst zum Gegenstand seines Wollens und seines Bewußtseins" (MEGA, I, 3, S. 88. MEW, Ergänzungsband, 1. Teil, S. 516). Fassen wir das Gesagte mit den Worten Marx‘ zusammen:
"Der Mensch eignet sich sein allseitiges Wesen auf eine allseitige Art an, also als ein totaler Mensch. Jedes seiner menschlichen Verhältnisse zur Welt, Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Fühlen, Denken, Anschauen, Empfinden, Wollen, Tätigsein, Lieben, kurz alle Organe seiner Individualität, wie die Organe, welche unmittelbar in ihrer Form als gemeinschaftliche Organe sind, sind [63] in ihrem gegenständlichen Verhalten oder in ihrem Verhalten zum Gegenstand die Aneignung desselben. Die Aneignung der menschlichen Wirklichkeit, ihr Verhalten zum Gegenstand ist die Betätigung der menschlichen Wirklichkeit; menschliche Wirksamkeit und menschliches Leiden, denn das Leiden, menschlich gefaßt, ist ein Selbstgenuß des Menschen." (MEGA, I, 3, S. 118. MEW, Ergänzungsband, 1. Teil, S. 539/ 40)
Die eminente Bedeutung der Philosophisch-ökonomischen Manuskripte sehen wir - als Folge der textkritischen Untersuchung - in der Tatsache, daß, wie Marcuse bemerkt, der Ausgangspunkt vom Begriff der Arbeit im Anschluß an Hegel die "ganze Geschichte des menschlichen Wesens"*2.38 zur Grundlage hat, in der Arbeit als ontologische Kategorie die "Wesensgeschichte des Menschen"*2.39 aufgezeigt wird und somit ein Abgleiten in eine fachwissenschaftlich enge Fassung des Begriffes verhindert. Marx weist in diesem Falle erst noch nach, daß letzteres nicht ein methodologisches Hilfsmittel, sondern eine notwendige Folge des Auftretens der Arbeit als eine versachlichte, entfremdete Kategorie ist. Nur auf dieser Grundlage kann die weitere Entwicklung des Stoffes bei Marx verstanden werden.

Bevor wir uns den methodologischen Ausführungen Marx im "Kapital" zuwenden, möchten wir uns noch mit der Frage auseinandersetzen, wieso Marx es bei der, wie Marcuse es ausdrückt, "philosophischen" Interpretation des Arbeitsbegriffes und der daraus sich entfaltenden Bestimmungen der modernen bürgerlichen Gesellschaft nicht bewenden ließ*2.40 .

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Wie sehr man auch in der Interpretation die Frühschriften vernachlässigt hat - was selbst für die Zeit als die Ökonomisch-philosophischen Manuskripte und die "Deutsche Ideologie" noch nicht bekannt waren, für die "Heilige Familie" zutrifft -‚so kann von einer Revision der Interpretation im Hinblick auf die Ursprünge unseres Erachtens - wie erwähnt - nur in einem beschränkten Sinne die Rede sein. Daß die Theorie und Kritik philosophisch beginnen, steht außer Zweifel, daß sie nur so fortgeführt werden, bzw. keine wesentlich außerphilosophischen Erweiterungen erfahren, die nicht allein material, sondern auch formal von Belang sind, muß verneint werden. Wobei die ursprünglichen Unzulänglichkeiten und Lücken von Marx selbst herausgearbeitet werden.

Im Gegensatz zu Hegel, der die entfremdete Arbeit nur in Form der geistigen Arbeit kennt, hatte Marx die Entfremdung in der kritischen Verarbeitung der Werke der Klassiker der politischen Ökonomie als eine wirkliche nachgewiesen, als die sich subjektiv in der Tätigkeit und objektiv im Gegenstand entfremdende Arbeit. Der Nachweis, daß das Wesen der Kategorien ein ontologisches ist, genügte nicht; dieser Nachweis mußte ergänzt werden durch die Darstellung der wirklichen Bewegung der Formen dieser Kategorien als notwendiges Korrelat zu ihrem ontologischen Wesen, dies hieß aber die kritische Analyse des Mechanismus, in dem sich die praktische Selbstbetätigung des Menschen in entfremdeten Kategorien äußert, durchführen. Die Analyse verfuhr zweischichtig. Was nur Gegenstand der Philosophie zu sein schien, wurde zum Gegenstand der Nationalökonomie, was in der begrifflichen Auflösung nur ein Schemen zu sein schien, mußte in dem erscheinenden äußeren Dasein als wirklich erwiesen werden.

Der Ansatz zu dieser kritischen Erweiterung liegt schon in den Ökonomisch-philosophischen Manuskripten, wo Marx sagt:
"erst durch die entwickelte Industrie, i. e. durch die Vermittlung des Privateigentums wird das ontologische Wesen der menschlichen Leidenschaft sowohl in seiner Totalität als in seiner Menschlichkeit..." (MEGA, I, 3, S. 145. MEW, Ergänzungsband, 1. Teil, S. 563. von uns ausgezeichnet. - 0. M.)
, was wie-

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derum nichts anderes heißt, als daß erst in der entwickeltsten Form der auf Privateigentum beruhenden Produktionsweise das wahre ontologische Wesen der Kategorien erfaßt werden kann, und daß die Überwindung der entfremdeten Wirklichkeit der Durchbruch zur wirklichen Menschlichkeit ist. Dies ist kein philosophisches Beginnen mehr, sondern der Aufweis, daß die Bewegungsgesetzlichkeit der realen Daseinsformen als das praktische Tun des Menschen die Überwindung und Aufhebung des entfremdeten Zustandes impliziert. Das praktische Tun des Menschen ist die entwickelte Industrie, die Gesetze dieses Tuns sind Gegenstand der Nationalökonomie, die sichtbare Struktur dieser Gesetze ist das äußere uneigentliche Dasein des Menschen. Ist dieses äußere uneigentliche Dasein des Menschen Bedingung für die Erkenntnis seines eigentlichen Wesens, dann ist es notwendiges, reales Dasein. Im Fortschreiten erfaßte die Kritik an dieser als notwendig gewußten Form der Äußerlichkeit, der Entfremdung, in immer differenzierterer Weise die Beziehungen und Bestimmungen, in denen sich das Verhältnis der emnfremdeten Kategorien zu ihrem wahren Wesen und vice versa gestaltet.

Nach Marcuse ist das Faktum Arbeit als entfremdete Arbeit von Anfang an ein allgemeines ökonomisches Phänomen, das das Wesen des Menschen betrifft, dessen Fundierungszusammenhang jedoch ein philosophischer, ontologischer ist. So gebe Marx sofort die übliche Dreigliederung der politischen Ökonomie: Boden, Kapital und Arbeit auf und verfahre in medias res dialektisch. Die Rückführung dieser Kategorien auf ihr eigentliches Wesen bedeutet indessen auf dem Boden der Selbstkritik der bürgerlichen Gesellschaft erst ihre begrifflich-formale Auflösung, nicht aber ihre wirkliche, da sie bestehende, reale Daseinsformen und Bestimmungen dieser Gesellschaft selbst sind. Und so sieht Marx, daß in der Darstellung dieses Prinzip mangelhaft, dem Gang der Sache nicht gemäß ist und der Schein entsteht, als ob die Entwicklung aus dem Begriff zustande komme; also doch wieder Hegel.

Es ist gerade dies, was Marx an Lassalle rügt. In einem Brief an Friedrich Engels vom 1. Februar 1858 schreibt er:
"Ich sehe aus dieser einen Note, daß der Kerl vorhat, die politische Ökonomie hegelsch vorzutragen in seinem 2. großen opus. Er wird zu seinem Schaden kennenlernen, daß es ein ganz andres Ding ist, durch Kritik eine Wissenschaft erst auf den Punkt zu bringen, um sie dialektisch darstellen zu können, oder ein abstraktes, fer- [66] tiges System der Logik auf Ahnungen eben eines solchen Systems anzuwenden." ()*2.41
Und zwei Monate später entwickelt er den Plan seiner Kritik der politischen Ökonomie:
  1. Vom Kapital,
  2. Grundeigentum,
  3. Lohnarbeit,
  4. Staat,
  5. Internationaler Handel,
  6. Weltmarkt,
wo also die Dreigliederung mit Absicht wieder aufgenommen wird, das heißt die Darstellung in der Form der entfremdeten Kategorien.

Bezeichnend ist die Marxsche Bemerkung: ". . . durch Kritik eine Wissenschaft erst auf den Punkt bringen .. ."; das hieß für ihn, der damals schon seit einigen Jahren in England weilte und sich in noch intensiverer Weise als während seines Pariser Exils auf Grund der Quellen selbst mit den Klassikern und der Geschichte der politischen Ökonomie beschäftigt hatte, sich dieser Wissenschaft gründlich zu bemächtigen, sich auf ihr ureigenstes Feld zu begeben, ihre Kategorien, die ihr als schlechthin begrifflich-abstrakte Kategorien erscheinen, als wirkliche Existenzbestimmungen der bürgerlichen Gesellschaft nachweisen. So sind die Ökonomisch-philosophischen Manuskripte in einem engeren Sinne doch noch ein "fertiges System der Logik auf Ahnungen eben eines solchen Systems", wenn sich darin auch schon die endgültige Überwindung der mystifizierten hegelschen Form der Entfremdung findet und sie als praktisch-wirkliche der kapitalistischen Produktionsverhältnisse verstanden wird, was wieder nichts anderes heißt, als daß die diese Verhältnisse ausdrückenden Kategorien das eigentliche Wesen des Prozesses verdeckende Kategorien sind. Dieser positive Teil der Darstellung geht in die späteren Schriften von Marx über, bereichert und erweitert durch die adäquatere Form, die er dem Gegenstand gemäß entwickelt, die aber - wir möchten dies nochmals betonen - ohne die in den Ökonomisch-philosophischen Manuskripten geleisteten Vorarbeiten nicht möglich gewesen und uns heute nur schwer verständlich wären.

Im "Kapital" wandelt sich das äußere Bild nochmals, das heißt, die Darstellung ist nun, da sie die Kritik ganz hinter sich hat, der Sache völlig gemäß und faßt das "Philosophische", das heißt den Fundierungszusammenhang mit dem hinter den Phänomenen liegenden Wesen der kapitalistischen Gesellschaft in sich.

Erster Anhang Das Privateigentum, seine negative und positive Aufhebung

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Für Marx ist der "rohe" Kommunismus nur die gedankenlose Vollendung der Selbstentfremdung im Privateigentum, und sein Geheimnis gibt er preis im Anspruch auf Allgemeinheit. Es ist dies die erste Form, in der sich die Selbstentfremdung weiß: in der allgemeinen und vollendeten Gemeinsamkeit, die das Privateigentum als ein "zur Auflösung treibendes Verhältnis" (MEGA, I, 3, S. 111. MEW, Ergänzungsband, 1. Teil, S. 533) in sich schließt. Alle utopischen Systeme der Sozialisten sehen immer nur eine Seite des Widerspruches: entweder die "objektive Seite" des Privateigentums (Proudhon), das Kapital, den Zustand, der die Entfremdung selbst ist ("die objektive Arbeit als Ausschließung der Arbeit". - MEGA, I, 3, S. 111. MEW, Ergänzungsband, 1. Teil, S. 533) und ihrer Aufhebung entgegensteht oder die "subjektive Seite" des Privateigentums (Fourier, St. Simon), die Arbeit als "nivellierte, parzellierte und darum unfreie Arbeit" (MEGA, I, 3, S. 111. MEW, Ergänzungsband, 1. Teil, S. 534), welches die in ihrer Tätigkeit entfremdete Arbeit ist.

So setzt der "rohe" Kommunismus die exklusiven Seiten des Privateigentums nicht als aufgehobene Momente eines neuen Ganzen, sondern als allgemein gewordene Bestimmungen des entwickelten Wesens des Privateigentums.
"Beide Seiten des Verhältnisses sind in eine vorgestellte Allgemeinheit erhoben, die Arbeit als die Bestimmung, in welcher jeder gesetzt ist, das Kapital als die anerkannte Allgemeinheit und Macht der Gesellschaft." (MEGA, I, 3, S. 112/13. MEW, Ergänzungsband, 1. Teil, S. 535)
In dieser "vorgestellten Allgemeinheit" werden die exklusiven Seiten zu universellen erhoben, das heißt was in Zustand und Tätigkeit je einzelne Seiten des Verhältnisses sind, soll alles erfassen. Es ist nicht die wirkliche, praktische Überwindung der Entfremdung, sondern: "Dieser Kommunismus - indem er die Persönlichkeit des Menschen überall negiert - ist eben nur der konsequente Ausdruck des Privateigentums, welches diese Negation ist" (MEGA, I, 3, S. 112. MEW, Ergänzungsband, 1. Teil, S. 534).

Diese "Gemeinschaft der Arbeit", die "Gleichheit des Salärs" und die vorgestellte Gemeinschaft als allgemeiner Kapitalist ist Ausdruck der Rebellion von unten.
"Wie wenig diese Aufhebung [68] des Privateigentums eine wirkliche Aneignung ist, beweist eben die abstrakte Negation der ganzen Welt der Bildung und der Zivilisation, die Rückkehr zur unnatürlichen Einfachheit des armen, rohen und bedürfnislosen Menschen, der nicht über das Privateigentum hinaus, sondern noch nicht einmal bei demselben angelangt ist." (MEGA, I, 3, S. 112. MEW, Ergänzungsband, 1. Teil, S. 535)
Ist der rohe Kommunismus als vorgestelltes Eigentum aller an allem (als Gütergemeinschaft, "Weibergemeinschaft" usw.) das vollendete Außersichsein des Menschen, die Aufhebung aller gesellschaftlich gewordener Wesenskräfte des Menschen, so ist er "nur eine Erscheinungsform von der Niedertracht des Privateigentums, das sich als das positive Gemeinwesen setzen will" (MEGA, I, 3, S. 113. MEW, Ergänzungsband, 1. Teil, S. 536). Das Privateigentum als die negative Ausprägung aller menschlichen Verhältnisse findet darin seinen höchsten Ausdruck und seine umfassendste Vollendung.
"Der physische, unmittelbare Besitz gilt ihm (dem rohen Kommunismus. - 0. M.) als einziger Zweck des Lebens und Daseins; die Bestimmung des Arbeiters wird nicht aufgehoben, sondern auf alle Menschen ausgedehnt; das Verhältnis des Privateigentums bleibt das Verhältnis der Gemeinschaft zur Sachenwelt..." (MEGA, I, 3, S. 112. MEW, Ergänzungsband, 1. Teil, S. 534)
Die "positive Aufhebung des Privateigentums" dagegen ist die "wirkliche Aneignung des menschlichen Wesens durch und für den Menschen" (MEGA, I, 3, S. 114. MEW, Ergänzungsband, 1. Teil, S. 536), sie ist "die vollständige, bewußt und innerhalb des ganzen Reichtums der bisherigen Entwicklung gewordne Rückkehr des Menschen für sich als eines gesellschaftlichen, d. h. menschlichen Menschen" (MEGA, I, 3, S. 114. MEW, Ergänzungsband, 1. Teil, S. 536).
"Dieser Kommunismus ist als vollendeter Naturalismus = Humanismus, als vollendeter Humanismus = Naturalismus, er ist die wahrhafte Auflösung des Widerstreites zwischen dem Menschen mit der Natur und mit dem Menschen, die wahre Auflösung des Streites zwischen Existenz und Wesen, zwischen Vergegenständlichung und Selbstbestätigung, zwischen Freiheit und Notwendigkeit, zwischen Individuum und Gattung. Er ist das aufgelöste Rätsel der Geschichte und weiß sich als diese Lösung." (MEGA, I, 3, S. 114. MEW, Ergänzungsband, 1. Teil, S. 536)
Die "ganze Bewegung der Geschichte" ist die Bewegung des

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Werdens des Privateigentums, "so auch für sein denkendes Bewußtsein die begriffne und gewußte Bewegung..." (MEGA, I, 3, S. 114. MEW, Ergänzungsband, 1. Teil, S. 536).

Ist der Zeugungsakt des Privateigentums die vergegenständlichte, entfremdete Arbeit und dies einmal in Gang, die Voraussetzung zur ständigen Reproduktion dieses Verhältnisses, so findet sich in der Bewegung des Privateigentums die "empirische, als (auch) theoretische Basis" (MEGA, I, 3, S. 114. MEW, Ergänzungsband, 1. Teil, S. 536) zur Aufhebung der menschlichen Selbstentfremdung.
"Seine Bewegung - die Produktion und Konsumtion - ist die sinnliche Offenbarung von der Bewegung aller bisherigen Produktion, d. h. Verwirklichung oder Wirklichkeit des Menschen." (MEGA, I, 3, S. 115. MEW, Ergänzungsband, 1. Teil, S. 537)
Was sich in der Bewegung des Privateigentums als kategorielle "Daseinsform" (geistig) entäußert und sich als außermenschliche Macht fixiert "sind nur besondre Weisen der Produktion und fallen unter ihr allgemeines Gesetz" (MEGA, I, 3, S. 115. MEW, Ergänzungsband, 1. Teil, S. 537), so: Religion, Familie, Staat, Recht, Moral, Wissenschaft, Kunst usw. (MEGA, I, 3, S. 115. MEW, Ergänzungsband, 1. Teil, S. 537). Es sind die sichtbaren, wirklichen Zeichen der Entfremdung,
"die positive Aufhebung des Privateigentums, als die Aneignung des menschlichen Lebens, ist daher die positive Aufhebung aller Entfremdung, also die Rückkehr des Menschen aus Religion, Familie, Staat etc. in sein menschliches, d. h. gesellschaftliches Dasein." (MEGA, I, 3, S. 115. MEW, Ergänzungsband, 1. Teil, S. 537)
Unter demselben Aspekt wie in der Trennung der bisherigen Überwindung des Privateigentums als die Entfremdung aller einerseits in die negative Aufhebung (ursprünglicher, roher Kommunismus) und anderseits in der positiven Aufhebung als der Entfaltung der totalen Wesenskräfte des Individuums sieht Marx das gesellschaftliche Werden aus der rohen primitiven Form, die noch vorwiegend eine natürliche, rein physische ist, in die entfaltete, vielseitige Form. Die Vergegenständlichung des menschlichen Wesens ist die Voraussetzung, um den "für den ganzen Reichtum des menschlichen und natürlichen Wesens entsprechenden menschlichen Sinn zu schaffen" (MEGA, I, 3, S. 121. MEW, Ergänzungsband, 1. Teil, S. 542). Die Gesellschaft produziert den Menschen "in diesem ganzen Reichtum seines Wesens" jedoch erst auf einer bestimmten historischen Stufe, in der die

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volle Entwicklung der entfremdeten Kategorien, deren Aufhebung ermöglicht. Diese Aufhebung kann indessen nur die Aufhebung ihres gegenständlichen Daseins sein, was keine Aufgabe der Erkenntnis allein mehr ist, "sondern eine wirkliche Lebensaufgabe..., welche die Philosophie nicht lösen konnte, eben weil sie dieselbe als nur theoretische Aufgabe faßte" (MEGA, I, 3, S. 121. MEW, Ergänzungsband, 1. Teil, S. 542).

2.C) Die prozessuale Einheit von Wesen und Erscheinung


Textkritische Untersuchung III

a) Methodologisches aus dem »Kapital«

Marx hat das "Kapital" ausdrücklich als eine Fortsetzung seiner "Kritik der politischen Ökonomie" bezeichnet*2.42 . Besonders in Fußnoten bezieht er sich immer wieder auf diese, so daß nur eine Präzisierung der früher ausgearbeiteten methodologischen Grundlage erwartet werden kann, nicht aber ein grundsätzlicher Wandel. Die von Marx verwendete Terminologie hat sich in der methodischen und materialen Arbeit verfestigt, es ist eine, wie er sagt, "von mir geschaffene Terminologie" (K, I, S. 5. MEW, Bd. 23, S. 11).

Marx untersucht eine bestimmte, das heißt historisch gewordene Produktionsweise, und zwar die kapitalistische, mit den "ihr entsprechenden Produktions- und Verkehrsverhältnissen" (K, I, S. 6. MEW, Bd. 23, S. 12). Das Ziel seiner Arbeit faßt er zusamment mit den Worten: ".. . es ist der letzte Endzweck dieses Werkes, das ökonomische Bewegungsgesetz der Gesellschaft zu enthüllen" (K, I, S. 7/8. MEW, Bd. 23, S. 15/16), oder wie er an anderer Stelle sagt, das "Naturgesetz ihrer Bewegung" (K, I, S. 7. MEW, Bd. 23, S. 15), das "Naturgesetz der kapitalistischen Produktion" (K, I, S. 6. MEW, Bd. 23, S. 12). Es sind vorerst nicht die Besonderungen des gesellschaftlichen Prozesses, nicht die verschiedenen "Entwicklungsgrade der gesellschaftlichen An-

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tagonismen"
, die ihn beschäftigen, sondern das Gesetz als solches, "diese mit eherner Notwendigkeit wirkenden und sich durchsetzenden Tendenzen" (K, I, S. 6. MEW, Bd. 23, S. 12).

Was Marx veranlaßt, von einem Naturgesetz zu sprechen, ist durchaus nicht nur, wie etwa Sombart*2.43 meint, eine Nachwirkung der naturrechtlichen Auffassung, des ordre naturel, sondern die Tatsache, daß für die Beteiligten der Wirtschaftsprozeß seinem wirklichen Wesen nach unerkannt als fremder, sachlicher Vorgang abläuft, sich über ihre Köpfe hinweg mit naturnotwendiger Gesetzlichkeit vollzieht, ihnen je nach ihrer Stellung im Produktionsprozeß als die unpersönliche Macht des Kapitals, des Marktes usw. erscheint. Der Begriff der Naturgesetzlichkeit, dem sich realiter der Mensch unterwirft, da ihn die äußeren Bedingungen des Produktionsverhältnisses unterwerfen (in der Entfremdung und Verdinglichung), ist als die historisch-logische Konkretion eines bestimmbaren gesellschaftlichen Zustandes aufzufassen, nicht aber im kausal-mechanistischen Sinne der naturwissenschaftlichen Gesetzlichkeit, in abstrakt-unhistorischer Geltung.
".. . die jetzige Gesellschaft (ist) kein fester Kristall, sondern ein umwandlungsfähiger und beständig im Prozeß der Umwandlung begriffener Organismus..." (K, I, S. 8. MEW, Bd. 23, S. 16)
, mit diesen Worten ist schon der abstrakte Gesetzesbegriff verneint. In einem kurzen Apercu behandelt Marx im Nachwort zur zweiten Auflage des "Kapitals" zunächst den ideologischen Charakter der politischen Ökonomie, die nur Wissenschaft bleiben könne, "solange der Klassenkampf latent bleibt oder sich in nur vereinzelten Erscheinungen offenbart" (K, I, S. 12. MEW, Bd. 23, S. 20), das heißt solange der Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit noch nicht entwickelt ist, in der "Periode des unentwickelten Klassenkampfes" (K, I, S. 12. MEW, Bd. 23, S. 20). Hier wird unmißverständlich die Auffassung von der Seinsgebundenheit - oder wie Mannheim sagt, von der Standortgebundenheit - der Erkenntnis vertreten und die Scheidelinie der progressiven von der apologetischen Periode historisch gezogen. Nach Eroberung der Macht durch das Bürgertum trete "an die Stelle unbefangener wissenschaftlicher Untersuchung das böse Gewissen und die schlechte Absicht der Apologetik" (K, I, S. 13. MEW, Bd. 23, S. 21).

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Davon ausgenommen ist der die Interessenlage des Proletariats einnehmende Wissenschaftler, das heißt die Kritik der politischen Ökonomie, die das Dasein des Proletariats als die durch die Produktionsverhältnisse hervorgerufene vollkommene Negation seiner menschlichen Selbstentfaltung begreift, denn "eine originelle Fortbildung der ´bürgerlichen´ Ökonomie" ist nicht mehr möglich. Damit wird auch jede "reine", "generelle", "ewige" Theorie der Wirtschaft auf ihren historischen Stand hin relativiert.

Der Vorgang der Ideologiebildung ist nicht notwendig verbunden mit den Schwierigkeiten des geistigen Produktionsaktes, in dem sich die begriffliche, konkrete, bewußte Wirklichkeit im Entstehungsprozeß umkehrt - was nur die natürliche, abstrakte Seite des Subjekt-Objekt-Verhältnisses verdeutlicht -‚ sondern mit der historisch-konkreten Form, in der dieses Verhältnis auftritt, innerhalb des Kapitalismus mit den besonderen Formen, in denen den Beteiligten das Produktionsverhältnis bewußt wird, das heißt in den Formen der Verdinglichung, Entfremdung und Fetischisierung. Die Gegensätze der kapitalistischen Produktionsweise reproduzieren sich auf immer erhöhter Stufenleiter und schlagen in ihrer begrifflichen Systematisierung auf dem Höhepunkt ihrer Entwicklung in die Apologie um. Die wissenschaftliche Kritik dieses Zustandes setzt somit nicht nur die Ansätze der Selbstkritik, sondern auch diese Wendung zur Apologetik voraus. Georg Lukács charakterisiert den Prozeß folgendermaßen:
"Mit der Wendung zur Apologetik wird die Linie Ricardos zu einer direkten und vulgären Apologetik des Kapitalismus verzerrt und erniedrigt. Aus der romantischen Kritik des Kapitalismus (Sismondi. - 0. M.) entwickelt sich eine kompliziertere und prätenziösere, aber nicht minder verlogene und eklektische Apologetik der bürgerlichen Gesellschaft, ihre indirekte Apologetik, ihre Verteidigung von ihren ´schlechten Seiten´ her." (Lukács)*2.44
Die Wendung zur Apologie vollzieht sich in der Periode der Stabilisierung der bürgerlichen Gesellschaft, das heißt zu jener Zeit, als der Kampf gegen den feudal-absolutistischen Staat im wesentlichen beendet ist, bzw. sich zugunsten des "dritten Standes" entscheidet. Da die gemeinsam bindenden Ziele im Kampfe

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gegen den Absolutismus erreicht sind, verschärfen sich innerhalb des "dritten Standes" die Klassengegensätze zwischen Bürgertum und Proletariat, das Bürgertum tritt aus der revolutionären Phase in die evolutionär-konservative. Wie Marx bemerkt, zeigt sich dieser Wandel bereits bei James Mill, der die "Einheit von Gegensätzen (in den ökonomischen Verhältnissen. - 0. M.) zur unmittelbaren Identität dieser Gegensätze" (TM, III, S. 99. MEW, Bd. 26.3, S. 84) macht. Die nachricardianische Zeit, die Zeit der Vulgärökonomie, faßt er folgendermaßen zusammen:
"Die Vulgärökonomie kömmt sich um so einfacher, naturgemäßer und gemeinnützlicher, um so entfernter von aller theoretischen Spitzfindigkeit vor, je mehr sie in der Tat nichts tut, als die ordinären Vorstellungen in eine doktrinäre Sprache übersetzen. In je mehr entfremdeter Form sie daher die Formationen der kapitalistischen Produktion auffaßt, um so näher ist sie dem Element der gewöhnlichen Vorstellung, also um so mehr schwimmt sie in ihrem Naturelement. Außerdem tut das sehr gute Dienste für die Apologetik." (TM, III, S. 575 MEW, Bd. 26.3, S. 493)
Daß es abwegig wäre, die Kritik als den Deus ex machina, als ein übersinnliches neues Bewußtsein aufzufassen, geht aus den Worten Marx‘ hervor. Sie liegt im Schnittpunkt zweier interferierender Reihen: der Selbstkritik und der Apologie; sie ist insofern empirisch, als sie sich in der materialen Ausführung des Stoffes neu bemächtigt, ihn mit den gegebenen Produktionsverhältnissen neu konfrontiert, insofern formal-theoretisch als sie die vorgefundene systematische Fassung der Kategorien aufnimmt, das heißt an die herrschende Theorie anknüpft, sie indessen in ihren Beziehungen zum Gesamtprozeß neu bestimmt. Die Abgrenzung und die Kritik der politischen Ökonomie ist somit nicht unabhängig von dem Weg, auf dem sie geworden ist. Damit ist aber jede Willkür nicht nur in bezug auf das Was, sondern auch in bezug auf das Wie ausgeschaltet*2.45 .

Marx hat ferner in dem Nachwort zur zweiten Auflage des "Kapitals" einige Einwände zusammengestellt, die gegen seine Methode vorgebracht wurden, um dann seinen Standpunkt - auf den Schumpeter in seiner Kritik eingeht - kurz darzulegen.

Man wirft seiner Methode vor, sie sei "metaphysisch", "deduktiv", "analytisch", "realistisch", "deutsch-dialektisch": die Kri-

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tik hat - wie wir sehen - später wenig Neues hinzugefügt; es finden sich hier alle Epitheta, die immer wieder auftreten und entweder gegen die formale oder inhaltliche Seite des Werkes ins Feld geführt werden.

Marx läßt sein Verfahren durch einen russischen Rezensenten des "Kapitals" rekapitulieren und stimmt zu:
Das Gesetz der gesellschaftlichen Entwicklung ist ein historisches, es bestimmt den Übergang der Formen in der Ordnung des Zusammenhanges, es impliziert die Relativität einzelner Entwicklungsstadien, die im Prozeß immanenter Entfaltung auseinander hervorgehen und verneint die abstrakt-allgemeine Bedeutung dieses Prozesses. Es ist nicht die Idee, sondern der Stoff selbst, aus dem das Gesetz der kapitalistischen Wirtschaft gewonnen werden kann (K, I, S. 16/17. MEW, Bd. 23, S. 26). Marx ergänzt, daß die "Darsteilungsweise (sich) formell von der Forschungsweise unterscheiden" (K, I, S. 17. MEW, Bd. 23, S. 27) müsse, denn:
"Die Forschung hat den Stoff sich im Detail anzueignen, seine verschiedenen Entwiddungsformen zu analysieren und deren inneres Band aufzuspüren. Erst nachdem diese Arbeit vollbracht, kann die wirkliche Bewegung entsprechend dargestellt werden." (K, I, S. 17. MEW, Bd. 23, S. 27)
Seine Bemerkungen am Ende dieses Nachwortes haben dazu verleitet, so scheint es wenigstens im Falle Schumpeter, die detail-wissenschaftliche Arbeit von der "dialektischen" Darstellung zu trennen, schreibt hier doch Marx selbst, daß er mit der Hegel "eigentümlichen Ausdrucksweise" im Kapitel über die Werttheorie "kokettiert" (K, I, S. 18. MEW, Bd. 23, S. 27) habe. Die entscheidenden Sätze sind jedoch die, wo Marx sich als Schüler "jenes großen Denkers" (K, I, S. 18. MEW, Bd. 23, S. 27) bekennt, der die Dialektik in ihren "allgemeinen Bewegungsformen zuerst in umfassender und bewußter Weise dargestellt hat" (K, I, S. 18. MEW, Bd. 23, S. 27), allerdings in mystifizierter Form, die den wirklichen Tatbestand auf den Kopf stelle. So betont er dann mit Recht, daß seine dialektische Methode der Grundlage nach (K, I, S. 17. MEW, Bd. 23, S. 27) - in ihrer Fundierung, nicht aber in ihrer formalen Entwicklung (s. u.) - von der Hegelschen "nicht nur verschieden, sondern ihr direktes Gegenteil" (K, I, S. 18. MEW, Bd. 23, S. 27) ist*2.46 .

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Wenn man sich der Fundierung der Marxschen Dialektik nicht bewußt ist, liegt es nahe, sie mit der Hegelschen zu identifizieren, denn das allgemeine Gesetz der Bewegung findet sich bei Marx genauso formuliert wie bei Hegel, nur daß für ihn diese Form eine jener "verständigen Abstraktionen" (Kr, S. 218. MEW, Bd. 13, S. 617) ist, die den wirklichen Gang des Prozesses von seiner Konkretion denkökonomisch abstrahiert, nicht also wie bei Hegel schon dieser Prozeß selbst. Eine solche allgemeine Formulierung findet sich bei Marx in seiner Schrift gegen Carl Heinzen:
"Jede Entwicklung, welches ihr Inhalt sei, läßt sich darstellen als eine Reihe von verschiedenen Entwicklungsstufen, die so zusammenhängen, daß die Eine die Verneinung der Andern bildet. Entwickelt sich z. B. ein Volk von der absoluten Monarchie zur konstitutionellen Monarchie fort, so verneint es sein früheres politisches Dasein. Auf keinem Gebiet kann man eine Entwicklung durchlaufen, ohne seine frühere Existenzweise zu verneinen." (Marx)*2.47
Aber diese gedankliche Abstraktion ist sinnlos, wenn sie außerhalb des geschichtlichen Ganges als allgemeines Prinzip gesehen wird, und so gelten auch hier die Worte Tertullians, der von der Aristotelischen Dialektik sagte, sie behandle alles, um schließlich nichts behandelt zu haben.

b) Zur Frage der materialistischen Dialektik

Wir haben früher darauf hingewiesen, worin der grundlegende Unterschied zwischen der Marxschen und Hegelschen Dialektik besteht, wir haben indessen auch an verschiedenen Stellen vermerkt, wo sich frappante Übereinstimmungen finden. Dies tut der originellen Marxschen Leistung nicht im geringsten Abbruch. Es bestätigt sich aber die überragende Stellung Hegels in der

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philosophischen Entwicklung Marx‘, die Lukács*2.48 , Marcuse*2.49 , Bekker*2.50 und andere gebührend hervorgehoben haben.

Auf die wichtigsten Probleme müssen wir im Zusammenhang mit der uns beschäftigenden Frage noch eingehen, denn sie sind ein wesentlicher Bestandteil der Kritik Schumpeters und eine notwendige Ergänzung der textkritischen Untersuchungen.

1. Marx versteht den dialektischen Prozeß stets in der Einheit von Denken und Sein, von Subjekt und Objekt., Da, wo diese Einheit zerstört wird, wo Bewußtsein und Wirklichkeit in abstrakter Entgegensetzung nur noch in einen äußeren Reflexionszusammenhang gebracht werden, sei es im Idealismus oder im vulgären Materialismus, in der Rationaltheorie oder im Historismus, tritt anstelle der die geistige Reproduktion als Aneignung des realdialektischen Prozesses verstehenden Methode die Spekulation. Die Zerstörung bzw. Auflösung dieser Einheit ist kein willkürlicher, sondern ein durchaus realer Akt, der die Situation der Wissenschaft innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft im allgemeinen charakterisiert. Die Verselbständigung der Methode, mit der ihr nun gegenüber dem Erfassen des Gegenstandes eigenen Problematik, ist nicht weniger ein Produkt der fortschreitenden Arbeitsteilung, der Entfremdung und Verdinglichung, als etwa die in der kapitalistischen Wirtschaft auf die Spitze getriebene Verselbständigung der Produktionsfaktoren. Auch hier vollzieht sich die Wendung im Kulminationspunkt der gesellschaftlichen Entwicklung, also da, wo die theoretisch bedeutenden Systeme der bürgerlichen Wissenschaft aus dem progressiven Stadium in der Periode der zunehmenden Stabilisierung der kapitalistischen Produktionsverhältnisse ins Apologetische umschlagen. Es ist aber auch die Zeit, die eine wissenschaftlich- "kritische" Verarbeitung des bisher Geleisteten und eine gründliche Aneignung des Materials (im Gegensatz zu den utopistischen, in den unentwidtelten Verhältnissen noch befangenen kritischen Versuchen der Vorläufer) zuläßt.

Die damals noch mehr unbewußte, latente Scheidung von Theorie und Geschichte innerhalb der Nationalökonomie wird von

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Marx vorweg aufgehoben und auf die ihr zugrunde liegende Scheidung des Erkenntnisaktes vom Erkenntnisobjekt zurückgeführt. Nicht die Aufhebung selbst ist neu, sondern die Art und Weise, wie sie gesehen wird. Auch Hegel wandte sich schon bei Kant gegen das Mangelhafte der Erkenntniskritik, die als Reflexion über den Gegenstand einen unüberbrückbaren Dualismus statuierte, wodurch sich eine rein willkürliche, undeterminierte Anwendung der Methode ergab. Obwohl die Dialektik von Marx erkenntnistheoretisch im materialistischen Sinne verstanden wird, erfüllt sie die Forderung Hegels:
". . . es kann nur die Natur des Inhaltes sein, welche sich im wissenschaftlichen Erkennen bewegt, indem zugleich diese eigene Reflexion des Inhaltes es ist, welche seine Bestimmung selbst erst setzt und erzeugt." (Hegel)*51
Ist bei Hegel das Bewußtsein die konkrete Form des Geistes, die geistige Bewegung, die im Selbstbewußtsein als ihrer Veräußerlichung in sich zurückgenommen werden muß, so bei Marx das erkennende Sein, als Einheit von Denken und Sein, das in der Subjekt-Objekt-Bestimmung über die Erscheinung des wirklichen Prozesses zu seinem Wesen vordringen muß und die Veräußerlichung (in Form der realen Entfremdung) dann als eine wirkliche weiß. Dies kann nicht im Bewußtsein, sondern nur durch die praktische, die Wirklichkeit verändernde Tätigkeit aufgehoben werden. Sie ist also nicht mehr "das Reich des Gedankens philosophisch, d. i. in seiner eigenen immanenten Tätigkeit"*2.52 , wohl aber die "immanente Seele des Inhaltes"*2.53 , der praktisch-theoretisch geworden ist. Nichts anderes drückt Marx aus, wenn er in einem Brief an Arnold Ruge schreibt:
"Wir treten nicht der Welt doktrinär mit einem neuen Prinzip entgegen: Hier ist die Wahrheit, hier kniee nieder! Wir entwickeln der Welt aus den Prinzipien der Welt neue Prinzipien." (Marx)*54
Der erkenntnistheoretische Standpunkt Marx‘ impliziert den Aktivismus seiner Lehre. Der Weg von der Vorstellung zum Begriff ist bei ihm nicht nur ein Weg, den das Denken in der Reflexion beschreitet, sondern indem das Denken immer handelndes Denken ist, ist es zugleich der Weg zur Befreiung vom Zwang der Dinge. Wir erkennen die Welt, als was sie ist, indem wir in ihr selbst tätig sind, also in der Bewegung, nicht im Sein.

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Diese praktisch-tätige Seite ist die historische Wirklichkeit des Denkens, also nicht ein abstrakt erkanntes Postulat, sondern der Weg, auf dem das menschliche Bewußtsein geworden ist und sich nach Überwindung der gesellschaftlich-historischen Bindungen als voll entfaltetes bewußtes Sein entwickeln wird. Das nur theoretische Verhalten, die Verkennung der menschlichen Praxis als gegenständlicher Tätigkeit, in der das Gattungsvermögen des Individuums sich realisiert, hat Marx am schärfsten in seinen "Thesen über Feuerbach"*2.55 kritisiert und gleichzeitig wiederum (früher schon in den "Ökonomisch-philosophischen Manuskripten") gegen den vulgären Materialismus eindeutig Stellung bezogen. An dieser Stelle findet sich auch eine unmißverständliche Ablehnung der banalen mechanistischen Auffassung einer äußerlichen Wechselbeziehung von Basis und Überbau*2.56 .

Der konkrete Inhalt der Wirklichkeit geht aus der Reproduktion durch die einzelnen Denkbestimmungen hervor, durch die abstrakten Kategorien, die aus der Vorstellung in ein begriffliches

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System gebracht werden. Die Wahrheit des Seienden liegt schon in diesen Kategorien, wenn es auch erst eine partikulare Wahrheit ist. Was bei Hegel erst im Begriff ist, ist bei Marx schon in der Wirklichkeit, muß vorgängig darin sein. Das Denken durchläuft die Etappen vom vorwissenschaftlichen, vorgestellten und anschaulichen Wissen zum wissenschaftlichen, in ein begriffliches System gefaßtes Wissen. Dieser Weg ist aber nicht ein Weg, den das Denken an und für sich geht, denn es genügt nicht, wie Marx einmal sagt, "daß der Gedanke zur Verwirklichung drängt, die Wirklichkeit muß sich selbst zum Gedanken drängen"*2.57 .

Der Sinnzusammenhang ist bei Marx ein dialektischer, der begrifflich und real zugleich ist, also wirklich: die Momente, in dem sich dieser Zusammenhang vollzieht, sind im Individuum als einem natürlichen, gesellschaftlichen, tätigen und mit Bewußtsein begabten Wesen vereinigt. Sein Denken, das in der Einheit der gegensätzlichen Bewegung dieser Momente sich konkretisiert, ist ein dialektisch spontanes oder gewußtes Denken. In der Vorrede zur "Phänomenologie des Geistes" sagt Hegel:
"Das Wahre ist das Ganze. Das Ganze aber ist nur das durch seine Entwicklung sich vollendende Wesen." (Hegel)*58
Und die "Einleitung zur Kritik der politischen Ökonomie" läßt keinen Zweifel darüber offen, daß auch Marx die Wahrheit als die begrifflich gefaßte Totalität aller Daseinsformen in ihrer Bestimmung und ihrem Verhältnis innerhalb der Einheit versteht. So hebt auch Georg Lukács in "Geschichte und Klassenbewußtsein" hervor:
"Die konkrete Totalität ist. . . die eigentliche Wirklichkeitskategorie." (S. 23. Werke Bd. 2, S. 181)
Der Weg der geistigen Aneignung ist die Zusammenfassung des prozessierenden Ganzen, in dem sich die bestimmenden Kategorien bereits fixiert haben. Die Gleichgültigkeit der Form dem Inhalte gegenüber wird in dieser methodischen Arbeit überwunden und als gesellschaftlich bedingte Antinomie der Kontemplation entlarvt. Die Gleichgültigkeit der Form wird als Kehrseite der sich innerhalb der Totalität verselbständigenden Inhalte bestimmt, als notwendige Folge einer sich beschleunigenden Desintegration*2.59 .

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2. Rein methodologische Ausführungen, die nur als Hilfsmittel einer präziseren Vergegenwärtigung dienen können, verleiten zu einer abstrakt-allgemeinen Fassung des dialektischen Prozesses, so auch der sich in den einzelnen Momenten realisierenden Totalität. Marx hat die Dialektik immer nur konkret verstanden; Das Kleben an den äußeren Formen der Hegelschen Logik (oder einer dialektischen Logik schlechthin) war ihm zuwider, und wo solche Versuche unternommen wurden, hat er sie streng verurteilt, sowohl in seiner Schrift gegen Proudhon*2.60 wie gegenüber Lassalle in einem Brief an Friedrich Engels vom 1. Februar 1858, den wir andernorts zitiert haben*2.61 .

Marx ließ sich nirgends von scheindialektischen Entwicklungen blenden: So bei Proudhon im Gegensatz zu den Klassikern zum Beispiel. Was die letzteren am konkreten Material aufzeigten, ging ihm weit über die schlecht verdauten Hegelschen Lehrsätze, die, abstrakt angewandt, das Gesamt des ökonomischen Prozesses unerklärt lassen mußten. Marx wendet sich in der "Misère de la Philosophie"*2.62 gegen die Proudhonsche Auffassung, als habe Adam Smith nur die positiven Seiten der Arbeitsteilung gesehen und es J. B. Say als erstem vorbehalten geblieben sei, die negativen zu erkennen. Dieses differenzierte Vorgehen Marx‘ zeigt, daß sein Nachweis von Widersprüchen in den Produktionsverhältnissen von ihm nicht so verstanden wurde, als ob es genüge, das Schema des Hegelschen Dreischrittes auf das Erkenntnisobjekt zu übertragen, die dialektische Methode einfach zu übernehmen und den Fakten des sozialen Lebens unbesehen aufzuoktroyieren. An Proudhon wiederholt sich in einem vertiefteren Sinne die Marxsche Kritik an Hegel.

Marx hat auch die Totalität immer konkret verstanden. Sie umfaßt, wie wir in der "Einleitung zur Kritik der politischen Ökonomie" gesehen haben, alle gesellschaftlichen Verhältnisse einer bestimmten historischen Periode. Die Stellung der Teilmomente erfährt eine systematische Gliederung, so auch das bloße Faktum, das erst innerhalb des Gesamt, dem es zugehörig, ein solches ist. Das übliche Verfahren sieht das Faktum allein in seiner Vereinzelung und sucht nach einer dem wirklichen Gehalt nach äußerlichen Koordination. Formen, die aber nicht innerhalb der

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Einheit gesehen werden, die vom Prozeß ihrer historischen Entfaltung ausgeschlossen sind, bleiben sinnfremd. In den Anmerkungen zum Anhang seiner Doktordissertation sagt Marx:
"Bringe Papiergeld in ein Land, wo man diesen Gebrauch des Papiers nicht kennt, und jeder wird lachen über deine subjektive Vorstellung. Komme mit deinen Göttern in ein Land, wo andere Götter gelten, und man wird dir beweisen, daß du an Einbildungen und Abstraktionen leidest. Mit Recht. Wer einen Wendengott den alten Griechen gebracht, hätte den Beweis von der Nichtexistenz dieses Gottes gefunden. Denn für die Griechen existierte er nicht. Was ein bestimmtes Land für bestimmte Götter aus der Fremde, das ist das Land der Vernunft für Gott überhaupt, eine Gegend, in der seine Existenz aufhört." (Marx)*63
Das Sinnfremde liegt darin, daß das Ganze den Teilmoment nicht einschließt, daß eine gegenstandsfremde, nur gedanklich mögliche, aber damit irreale Beziehung hergestellt wird. Indirekt verurteilt wird so jede apriorische Konstruktion, die das Erkenntnisobjekt als einen "Fall" sieht, den sie in den Sinnzusammenhang "einreiht". Um unzweideutig alle Mißverständnisse, selbst da, wo ein solches Vorgehen ex post dialektisch verkleidet wird, zu beseitigen, verteidigt Marx Hegel: "Hegel hat nie die Subsumtion einer Masse von ´Cases´ under a general principle Dialektik genannt*2.64 ." Wohl ist Hegels Dialektik eine Begriffsdialektik, in der der Weltgeist als causa movens die Teilmomente aus sich heraus entläßt und sie im Absoluten wieder in sich zurücknimmt; anderseits ist die Hegelsche Dialektik ambivalent, sie trägt unverkennbar materialistische Züge, was aus der geschichtlichen Situation, in der sie entstanden, verständlich ist*2.65 . In den "Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte" sagt Hegel zum Beispiel: wohl bringe die Philosophie den Gedanken mit, "daß die Vernunft die Welt beherrsche"*2.66 , aber:
"Es hat sich.. . erst aus der Betrachtung der Weltgeschichte selbst zu ergeben, daß es vernünftig in ihr zugegangen sei, daß sie der vernünftige, notwendige Gang des Weltgeistes gewesen, des Geistes, dessen Natur [82] zwar immer eine und dieselbe ist, aber in dem Weltdasein diese seine eine Natur expliziert. Dies muß, wie gesagt, das Ergebnis der Geschichte sein. Die Geschichte aber haben wir zu nehmen, wie sie ist: wir haben historisch, empirisch zu verfahren. .." (Auszeichnungen von uns. - 0. M.)*67
Der die Marxsche Dialektik im Gegensatz zu der Hegelschen kennzeichnende Systematisierungszusammenhang der Begriffe, der zu wissenschaftlicher Erkenntnis führt, ist ein anderer. Während die Entwicklung des Weltgeistes im immanenten Prozeß der dialektischen Selbstentfaltung des Begriffes bei Hegel ein geschlossenes, sich der Wirklichkeit nur exemplifikativ bedienendes System zuläßt, treibt die Marxsche Dialektik als eine realgeschichtliche stets über sich selbst hinaus, verlangt somit eine immer wiederkehrende Bestimmung des Systematisierungszusammenhanges, in dem sich die Dialektik nicht als abstraktes Gesetz verwirklicht, sondern ihren historisch-gesellschaftlichen Grund findet. Marx freut sich an jedem neuen Fund, der ihm seine Thesen bestätigt. Im Anschluß an die Lektüre der Arbeiten von Georg Ludwig Maurer schreibt er an Friedrich Engels:
"Was würde aber old Hegel sagen, wenn er erführe jenseits, daß das Allgemeine im Deutschen und Nordischen nichts bedeutet als das Gemeinland, und das Sundre, Besondre, nichts als das aus dem Gemeindeland ausgeschiedne Sondereigen? Da gehn denn doch verflucht die logischen Kategorien aus ´unsrem Verkehr´ hervor." (Marx)*68
Ist bei Hegel die logische Kategorie der spekulative Ausdruck der wirklichen Bewegung, die ideell ohne metaphysischen Ansatz überhaupt nie zur Entfaltung gelangt, so ist sie bei Marx das in der Einheit sich verwirklidiende Subjekt-Objekt-Verhältnis als Selbstverwirklichung des geschichtlichen Prozesses.

Die dialektische Entwicklung ist also nicht abstrakt, uniform; - sie ist nicht eine unspezifische quantitative und qualitative Entwicklung. Die Gegensatzpaare gewinnen in ihrer Dynamik an Besonderung, das heißt Form und Inhalt wandeln sich in der allgemeinen Tendenz, sie entfalten sich sowohl in der Negation wie in der Durchdringung in zunehmender Fülle, verändern sich in quantitativer und qualitativer Beziehung und modifizieren sich innerhalb ihrer Spezifität. Diese Modifikationen heben

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die konkret-allgemeine Richtung des Ablaufes indessen nicht auf*2.69 .

3. Das Prinzip der Negativität als das Bewegungsgesetz der Dialektik ist bei Hegel in der abstrakt-spekulativen Setzung und Entgegensetzung des Begriffes verstanden, nicht als real-dialektischer Prozeß wie bei Marx; es ist nicht die wirkliche Geschichte des Menschen, sondern die abstrakt-logische Entfaltung begrifflicher Kategorien. Aber gerade darin liegt, wie Marx bemerkt, das Große an der Hegelschen Philosophie, daß sie die Dialektik der Negativität als das bewegende und erzeugende Prinzip faßt, "die Selbsterzeugung des Menschen als einen Prozeß" (MEGA, I, 3, S. 156. MEW, Ergänzungsband, 1. Teil, S. 574), in dem sich seine Tätigkeit und ihr Resultat in der Form der Entfremdung manifestieren.
"Die Phänomenologie ist daher die verborgne, sich selbst noch unklare und mystizierende Kritik; aber insofern sie die Entfremdung des Menschen - wenn auch der Mensch nur in der Gestalt des Geistes erscheint - festhält, liegen in ihr alle Elemente der Kritik verborgen und oft schon in einer weit den Hegelschen Standpunkt überragenden Weise vorbereitet und ausgearbeitet." (MEGA, I, 3, S. 156. MEW, Ergänzungsband, 1. Teil, S. 573)
Das bei Hegel nur abstrakte Prinzip der Negativität hebt die unwirkliche Existenz des Menschen im Scheinwesen, in der Entäußerung, Entfremdung nur theoretisch auf, er hebt dieses

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Scheinwesen nicht in seiner Wirklichkeit, in seinem Dasein auf, sondern in ihrer im Bewußtsein auftretenden Form, das heißt, daß die Aufhebung der Entfremdung nicht als eine praktisch-tätige Aufhebung der sie bedingenden Existenzbestimmungen gesehen wird, sondern als die Aufhebung in der inhaltsleeren Form eines Bewußtseinsprozesses.

Das Prinzip der Negativität ist die bewegende Kraft der gesellschaftlichen Entwicklung. Seine äußere Form ist jedoch nur die Form des historisch auftretenden objektiven Widerspruches, das Dialektisch-Logische ist das Dialektisch-Historische, die geistige Reproduktion der wirklichen Widersprüche. Die Einheit verwirklicht sich in der Entfaltung ihrer Teilmomente im historischen Prozeß, sie wird erst im realen Widerstreit dieser Momente sichtbar. Die einzelnen Bestimmungen, in denen der Prozeß in der Widersprüchlichkeit als bewegendes Prinzip zustande kommt, müssen wirkliche Bestimmungen der gesellschaftlichen Entwicklung selbst sein und keine gedanklichen Abstraktionen. So steht das Interesse des Grundeigentums dem des Kapitals entgegen, wie diesem wiederum das Interesse des Arbeiters zuwiderläuft. Was indessen in der sozialen Form des Klassenkampfes sich äußert, ist Ausdruck der objektiven Bedingungen der Produktionsverhältnisse, die auf immer höherer Stufenleiter sich reproduzieren und die Gegensätze verschärfen. Was hier unterschieden ist, ist aber zugleich innerhalb der Gesellschaft (in der Einheit) unlöslich miteinander verbunden. Es ist als Unterschiedenes nur in dieser Einheit möglich. Kapital in Marx‘ Sinn ohne Lohnarbeit, Lohnarbeit ohne Kapital ist ein Widerspruch in sich.

Eine klassische Formulierung, der in der kapitalistischen Gesellschaft herrschenden Widersprüche, die wir vollinhaltlich zitieren, gibt Marx in der "Heiligen Familie":
"Die Nationalökonomie, welche die Verhältnisse des Privateigentums für menschliche und vernünftige Verhältnisse hinnimmt, bcwegt sich in einem fortwährenden Widerspruch gegen ihre Grundvoraussetzung, das Privateigentum, in einem analogen Widerspruch wie der Theologe, der die religiösen Vorstellungen beständig menschlich interpretiert und eben dadurch gegen seine Grundvoraussetzung, die Übermenschlichkeit der Religion, beständig verstößt. So tritt in der Nationalökonomie der Arbeitslohn im Anfang als der proportionierte Anteil auf, der der Arbeit am Produkt gebührt. Arbeitslohn und Gewinn des Kapitals stehn im freundschaftlichsten, wechselweise sich fördernden, scheinbar menschlichsten Verhältnisse zueinander. Hinterher zeigt es sich, daß sie in dem [85] feindschaftlichsten, in umgekehrtem Verhältnis zueinander stehen. Der Wert ist am Anfang scheinbar vernünftig bestimmt, durch die Produktionskosten einer Sache und durch ihre gesellschaftliche Nützlichkeit.
Hinterher zeigt es sich, daß der Wert eine rein zufällige Bestimmung ist, die in gar keinem Verhältnis weder zu den Produktionskosten, noch zu der gesellschaftlichen Nützlichkeit zu stehen braucht. Die Größe des Arbeitslohnes wird am Anfang durch die freie Übereinkunft zwischen dem freien Arbeiter und dem freien Kapitalisten bestimmt. Hinterher zeigt es sich, daß der Arbeiter gezwungen ist, ihn bestimmen zu lassen, wie der Kapitalist gezwungen ist, ihn so niedrig als möglich zu setzen. An die Stelle der Freiheit der kontrahierenden Parteien ist der Zwang getreten. Ebenso verhält es sich mit dem Handel und mit allen übrigen nationalökonomischen Verhältnissen. Die Nationalökonomen fühlen selbst gelegentlich diese Widersprüche, und die Entwicklung derselben bildet den Hauptgehalt ihrer wechselseitigen Kämpfe. Wo sie ihnen aber zum Bewußtsein kommen, greifen sie selbst das Privateigentum in irgend einer partiellen Gestalt als Verfälscher des an sich, nämlich in ihrer Vorstellung, vernünftigen Arbeitslohnes, des an sich vernünftigen Werts, des an sich vernünftigen Handels an. So polemisiert Adam Smith gelegentlich gegen die Kapitalisten, Destutt de Tracy gegen die Wechsler, so Simonde de Sismondi gegen das Fabriksystem, so Ricardo gegen das Grundeigentum, so fast alle modernen Nationalökonomen gegen die nicht industriellen Kapitalisten, in welchen das Eigentum als bloßer Konsument erscheint."
(MEGA, I, 3, S. 202/03. MEW 2, S. 34)
Der abstrakt gefaßte nur logische Prozeß des Selbstbewußtseins schließt die konkrete Bewegung des Subjekt-Objekt-Verhältnisses aus, indem er die Vermittlung, im absoluten Geist fixiert, wieder in sich zurücknimmt und damit den nur akzidentellen Charakter der objektiven Seite des Prozesses betont. Die begriffliche Systematisierung wird so zu einem geschlossenen philosophischen System, zum nur kategorialen Sein der Wirklichkeit. Sie findet darin ihren Abschluß. Anders die Marxsche Dialektik. Der abstrakt-logische Prozeß, in dem sich das Selbstbewußtsein bewegt, ist nur die Form der konkreten Bewegung des Subjekt-Objekt-Verhältnisses, die bewußt gewordene Aneignung dieses Verhältnisses. Die subjektive Seite ist bestimmt und immer neu gestaltet im objektiv-historischen Prozeß. Hiermit tritt die Methode als die geistige Aneignung dieses Prozesses an die Stelle der Philosophie, die abstrakt-kategoriale Systematisierung löst sich auf in der Immanenz des sich immer neu bildenden Erkenntnisaktes. Die Philosophie als abstrakt-logisches

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System ist nur "eine andre Form und Daseinsweise der Entfremdung des menschlichen Wesens" (MEGA, 1, 3, S. 152. MEW, Ergänzungsband, 1. Teil, S. 569), der philosophische Geist "der innerhalb seiner Selbstentfremdung denkend, d. h. abstrakt sich erfassende entfremdete Geist der Welt" (MEGA, I, 3, S. 154. MEW, Ergänzungsband, 1. Teil, S. 571). Marx mußte diesen Gcdanken selbstverständlich auch auf die Logik übertragen, die er als "das entäußerte, daher von der Natur und dem wirklichen Menschen abstrahierende Denken; das abstrakte Denken" bezeichnet (MEGA, I, 3, S. 154. MEW, Ergänzungsband, 1. Teil, S. 571/72); davon ausgenommen wurde auch nicht die Hegelsche Dialektik, als die "Produktionsgeschichte des abstrakten, i. e. absoluten Denkens, des logisch spekulativen Denkens" (MEGA, I, 3, S. 154. MEW, Ergänzungsband, 1. Teil, S. 572), der die Entfremdung nur der >Gegensatz von an sich und für sich, von Bewußtsein und Selbstbewußtsein, von Objekt und Subjekt, d. h. der Gegensatz des abstrakten Denkens und der sinnlichen Wirklichkeit oder der wirklichen Sinnlichkeit, innerhalb des Gedankens selbst« ist (MEGA, I, 3, S. 155. MEW, Ergänzungsband, 1. Teil, S. 572) und folglich eine "Dialektik des reinen Gedankens" (MEGA, I, 3, S. 156. MEW, Ergänzungsband, 1. Teil, S. 574). Das Grundprinzip der Theorie kann immer nur das Grundprinzip des sich stets wandelnden menschlichen Seins sein. Marx hat aus der intensiven kritischen Verarbeitung der Hegelschen Philosophie seinen eigenen Standpunkt klargestellt, ohne indessen die gewaltige geistesgeschichtliche Bedeutung dieser Philosophie zu übersehen.
"Das Positive, was Hegel... vollbracht hat - in seiner spekulativen Logik - ist, daß die bestimmten Begriffe, die allgemeinen fixen Denkformen in ihrer Selbständigkeit gegen Natur und Geist ein notwendiges Resultat der allgemeinen Entfremdung des menschlichen Wesens, also auch des menschlichen Denkens sind und daß Hegel sie daher als Momente des Abstraktionsprozesses dargestellt und zusammengefaßt hat." (MEGA, I, 3, S. 168. MEW, Ergänzungsband, 1. Teil, S. 585)

c) Zur Systematik der politischen Ökonomie

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Marx hat, wie wir in der "Kritik der politischen Ökonomie" gesehen haben, die entfremdeten Kategorien, so wie sie innerhalb der politischen Ökonomie auftreten, beibehalten, sie indessen auf ihr wirkliches Wesen hin einer kritischen Analyse unterzogen. Diese kritische Aneignung wirkt selbstverständlich auf die Darstellung zurück, da sie die Voraussetzung für die Einordnung der Kategorien in den Bau des wirtschaftswissenschaftlichen Systems ist. Eine ebensolche kritische Verarbeitung der allgemeinen Formen des Wirtschaftsablaufes, wie sie theoretisch formuliert in den Lehrbüchern der politischen Ökonomie zu finden ist (Produktion, Distribution, Zirkulation, Konsumtion), war nötig, um ihr Verhältnis zueinander zu bestimmen und so ein adäquates Bild des Gesamtprozesses zu erhalten.

Bis heute wurde nicht versucht, was Marx bereits in der "Einleitung zur Kritik der politischen Ökonomie" ausgeführt hat, als Ganzes darzustellen, um die Verbindung oder den Unterschied zum Aufbau des "Kapitals" deutlich zu machen. Man hat sich im wesentlichen damit begnügt, aus der Marxschen Lehre einzelne Momente herauszunehmen, um sie ihrem materiellen Gehalte nach auf ihre problemlösende Kraft zu untersuchen. So brachte man zwei unvereinbare Dinge zusammen, und nichts war leichter, als dann die methodologisch-systematische Seite zu verzerren, die dialektisch-historische Vermittlung zu übergehen und ihre Unzulänglichkeit wie Inkonsequenz nachzuweisen.

Ungefähr zwei Drittel der "Einleitung zur Kritik der politischen Ökonomie" sind dem erwähnten Problem gewidmet. Da sie - wie sich erweisen wird - ein notwendiges Glied auf dem Wege zur Darstellung im "Kapital" bilden, fassen wir die Marxschen Ausführungen in einer kondensierten und explikativen Form zusammen. Unabhängig von jeder Planänderung bleibt die in der "Einleitung" gegebene Analyse der Gliederung des Gesamtprozesses der kapitalistischen Wirtschaft als eine in gegensätzlichen Bestimmungen und Verhältnissen vermittelte Totalität für die Marxsche Methode gültig.

In der materiellen Produktion finden wir stets in Gesellschaft produzierende Individuen und damit eine gesellschaftlich bestimmte Produktion (Kr, S. 215. MEW, Bd. 13, S. 615), das heißt Produktion auf einer bestimmten gesellschaftlichen Entwicklungsstufe (Kr, S. 217. MEW, Bd. 13, S. 616).

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Mit der Veränderung der Produktion verändert sich auch die Stellung des Individuums in der Gesellschaft. So erscheint die bürgerliche Gesellschaft, die Marx als entwickeltste Einheit im Auge hat, dem Individuum als ein notwendiges Übel zur Verwirklichung seiner Privatzwecke. Die Dialektik ist offensichtlich: daß nur auf dieser Stufe der historischen Entwicklung der einzelne sich vereinzeln kann, setzt die entwickeltsten Verhältnisse, in denen die Abhängigkeit aller von allen am ausgeprägtesten ist, voraus (Kr, S. 217. MEW, Bd. 13, S. 616).

Der Begriff der Produktion schlechthin ist eine Abstraktion, allerdings eine "verständige Abstraktion" (Kr, S. 218. MEW, Bd. 13, S. 617), wenn sie das Gemeinsame hervorhebt und uns die Wiederholung erspart (Kr, S. 218. MEW, Bd. 13, S. 617). Was jedoch den Prozeß charakterisiert, ist das Besondere, denn das abstrakt Allgemeine ist nur so weit allgemein, als Mensch und Natur immer wieder Subjekt und Objekt der Erkenntnis sind. Im abstrakt Allgemeinen wird die Geschichte, als das den Prozeß Kennzeichnende, eliminiert, aufgelöst in eine einförmige quantitative Größe, die kein bestimmtes konkretes Merkmal mehr hat.
"Es gibt allen Produktionsstufen gemeinsame Bestimmungen, die vom Denken als allgemeine fixiert werden; aber die sogenannten allgemeinen Bedingungen aller Produktion sind nichts als diese abstrakten Momente, mit denen keine wirkliche Produktionsstufe begriffen ist." (Kr, S. 221/22. MEW, Bd. 13, S. 620)
Nur was geschichtlich wird, kann allgemein sein. Allgemein ist immer nur eine bestimmte Form des Besonderen, durch die es überhaupt erst als Allgemeines, als konkret Allgemeines wird; es ist das Allgemeine zugleich auch das Besondere, wie das Besondere eine besondere Form des Allgemeinen. So kann politische Ökonomie zum Beispiel nicht Technologie sein (Kr, S. 219. MEW, Bd. 13, S. 617), denn in dieser wird das Spezifische abgestreift. Technologie hat es mit Gegenständen zu tun, mit Produktionsverfahren ohne gesellschaftlich-historische Bestimmung, Gegenständen, Verfahren, die in den verschiedensten Gesellschaftsformationen vorkommen können. Die allgemein-abstrakten Bestimmungen sind meist tautologisch; in dem Sich-Beschränken auf das abstrakt Allgemeine liegt die Umdeutung der historisch gewordenen Kategorien in ewige Kategorien der Produktion. Wo die konkrete Form des Wirtschaftsprozesses in seiner Besonderung, wie zum Beispiel in der Distribution, handgreiflicher ist, ist die Tendenz zur Verallgemeinerung meist ge-

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ringer, wenn auch hier allgemeine Bestimmungen herausgehoben, historische Unterschiede konfundiert und allgemein menschliche Gesetze aufgestellt werden (Kr, S. 220. MEW, Bd. 13, S. 619). Die Distribution erscheint konkret in der Form der wirtschaftlichen Stellung des Individuums im Produktionsprozeß: wie Sklave, Leibeigener, Lohnarbeiter. Erst in der kapitalistischen Wirtschaft wird das Phänomen der Distribution so explizit und ein Gegenstand wissenschaftlichen Bemühens (Ricardo!), daß, strenggenommen, der Begriff nur für diese Gesellschaftsformation Anwendung finden sollte. Sie ist zu einer historischen Form in sichtbarer und bewußter Äußerlichkeit geworden, zu einem "festgeronnenen" Verhältnis, in dem sich ein Individuum, eine Klasse befindet, nicht nur wie das Produkt eine objektiv-sachliche Form, ein Gegenstand, dem als Produkt kein konkret historisches Merkmal anhaftet.

Die Untersuchung, die über die unbestimmten Merkmale hinaus, das tatsächliche Wirtschaftsbild erfassen will, hat festzustellen: "Das Verhältnis der allgemeinen Bestimmungen der Produktion auf einer gegebenen gesellschaftlichen Stufe zu den besonderen Produktionsformen..." (Kr, S. 219. MEW, Bd. 13, S. 617), und zwar in der Gliederung: Produktion im allgemeinen - besondere Produktionszweige - Totalität der Produktion (Kr, S. 219. MEW, Bd. 13, S. 618).

Produktion und Eigentum:
  1. Jede Produktion ist Aneignung der Natur durch das Individuum, also Eigentum. Das Privateigentum ist nur eine bestimmte Form, das Gemeineigentum eine andere, frühere, die zum Beispiel im Gemeindeeigentum weiterlebt (Kr, S. 221. MEW, Bd. 13, S. 619). "Daß aber von keiner Produktion, also auch von keiner Gesellschaft die Rede sein kann, wo keine Form des Eigentums existiert, ist eine Tautologie. Eine Aneignung, die sich nichts zu eigen macht, ist eine contradictio in subjecto" (Kr, S. 221. MEW, Bd. 13, S. 619). Es sind also zu untersuchen die wechselnden Eigentumsformen.
  2. Die Rechtsverhältnisse als Sicherungen der besonderen Eigentumsformen, sind die sanctio juris der herrschenden Eigentumsverhältnisse.
Die Sphären der Wirtschaft:
Marx stellt zunächst den Zusammenhang, wie ihn die von ihm kritisierte politische Ökonomie begreift, dar.
Wir geben ihn schematisch wieder:

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Während die Produktion allgemeinen naturgesetzlichen Bestimmungen unterliegt, die Distribution dem gesellschaftlichen Zufall überlassen ist, vermittelt der individuelle Austausch in der zufälligen Bestimmtheit des einzelnen das Produkt zum Zwecke der Konsumtion, "der nicht nur als Endziel, sondern auch als Endzweck gefaßt wird" und "außerhalb der Ökonomie (liegt), außer soweit er wieder zurückwirkt auf den Ausgangspunkt und den ganzen Vorgang von neuem einleitet" (Kr, S. 223. MEW, Bd. 13, S. 621).

Die politische Ökonomie faßt die Produktion als den Begriff größten Umfanges, als gesellschaftlich allgemeine Bestimmung, in der alle Individuen mit denselben Eigenschaften beteiligt sind; Distribution und Austausch sind Begriffe partikuläreren Umfanges, sie umfassen Klassen, Individuen, die sich in das Produkt der Produktion teilen, und zwar nach ihrer gesellschaftlich-sozialen Stellung, während die Konsumtion den einzelnen Akt des Verbrauches bezeichnet. Die Verknüpfung der Einzelheit ist so ohne jede innere Vermittlung, sie liegt, wie Marx richtig sagt, außerhalb der Ökonomie.

Marx bezeichnet diese Art des Zusammenhanges als einen regelrechten logischen Schluß, worin die einzelnen Sphären in Verbindung gebracht werden, und fügt hinzu: "Dies ist allerdings ein Zusammenhang, aber ein flacher" (Kr, S. 223. MEW, Bd. 13, S. 62). In dieser losen Aufeinanderfolge und äußerlichen Verbindung sieht er indessen die Folge eines wirklichen Vorganges, die bestehende "Auflösung realer Verhältnisse" (Kr, S. 223. MEW, Bd. 13, S. 621). Der Einwand, die Momente würden nicht in ihrer Einheit gefaßt, genügt nicht: es ist der tatsächliche Vor-

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gang des Auseinanderfallens der Momente in der Einheit zu bestimmen.

Unter welchen Gesichtspunkten sind die tatsächlichen Beziehungen nach Marx‘ Auffassung zu sehen?

Produktion und Konsumtion:
  1. Produktion ist unmittelbar Konsumtion:
    • a) Konsumtion der Arbeitskraft = subjektive Konsumtion
    • b)
      • Konsumtion der Produktionsmittel
      • Konsumtion der Rohstoffe
      = objektive Konsumtion
    Der Akt der Produktion ist in all seinen Momenten auch ein Akt der Konsumtion = produktive Konsumtion. (Kr, S. 224. MEW, Bd. 13, S. 622)


  2. Konsumtion ist unmittelbar Produktion: Jede Art der Konsumtion, die den Menschen nach einer Seite hin produziert = konsumtive Produktion. Diese Produktion geht mit der Vernichtung des Produktes von 1. einher. (Kr, S. 224. MEW, Bd. 13, S. 622)
"Die Produktion ist also unmittelbar Konsumtion, die Konsumtion ist unmittelbar Produktion. Jede ist unmittelbar ihr Gegenteil" (Kr, S. 224/25. MEW, Bd. 13, S. 622).

Wir haben zwei Arten von Konsumtion:
  1. eine gesellschaftlich-produktive
  2. und eine individuell-produktive
und auch zwei Arten der Produktion:
  1. die in eine sachliche Form (das Produkt, die Ware) sich vergegenständlichende
  2. und die in eine menschliche Form (die Arbeitskraft) sich vergegenständlichende.
Zwischen diesen beiden Formen besteht eine vermittelnde Identität.

Nach Marx ist der Zusammenhang nicht mehr ein loser, einseitig kausal determinierter, sondern ein dialektischer, der immer wieder in sich selbst umschlägt, wobei jede Seite die andere impliziert. Die Produktion vermittelt die Konsumtion, die Konsumtion vermittelt die Produktion. Jede Seite ist auch unmittelbar in der andern aufgehoben, treibt sie aber selbst wieder als ihr Mittel und ihren Zweck aus sich hervor.

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Zusammenfassung: Welche Identitäten bestehen somit zwischen Produktion und Konsumtion?

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  1. Unmittelbare Identität:
    • a) Die Produktion ist Konsumtion - konsumtive Produktion - (Reproduktion).
    • b) Die Konsumtion ist Produktion - produktive Konsumtion*2.70 .

  2. Vermittelte Identität:
    • a) Produktion = Gegenstände als äußerliches Material der Konsumtion (äußerlicher Gegenstand)*2.71 .
    • b) Konsumtion Bedürfnis als innerer Gegenstand der Produktion, als Zweck (vorgestellter Gegenstand)*2.72
    Es besteht eine wechselseitige notwendige Abhängigkeit, in der sich beide Seiten aber äußerlich bleiben (Kr, S. 227. MEW, Bd. 13, S. 624).

  3. Prozessierende Identität: in der jede Form schließlich in ihr Gegenteil übergeht. Marx drückt dies mit den Worten aus: ". . . jede der beiden (Produktion und Konsumtion. - 0. M.) schafft, indem sie sich vollzieht, die andere; sich als die andere" (Kr, S. 227. MEW, Bd. 13, S. 625).
    • a) Die vernichtende Konsumtion als Vollziehung des Aktes der Produktion. Erst in diesem die selbständige sachliche Form des Produktes auflösenden Akt wird die Produktion wirkliche Produktion, das heißt Produktion, die Wiederholung verlangt, "wodurch (also) der Produzent Produzent wird" (Kr, S. 227. MEW, Bd. 13, S. 625).
    • b) Die Produktion als die die bestimmte Weise der Konsumtion schaffende Produktion, als die den Reiz der Konsumtion, die Konsumtionsfähigkeit als Bedürfnis schaffende Produktion.
Zusammenfassung:
"... jede derselben (Produktion und Konsumtion. - 0. M.) ist nicht nur unmittelbar die andere, noch die andere nur vermittelnd, sondern jede der beiden schafft, indem sie sich selbst vollzieht, die andere..." (Kr, S. 227. MEW, Bd. 13, S. 625)
In den drei behandelten Fällen darf die Identität nicht als Unterschiedslosigkeit aufgefaßt werden, denn:
  1. Die allgemeine Identität, die alle drei entwickelten Formen als in sich aufgehoben setzt, löscht die besonderen Merkmale

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    der unmittelbaren, vermittelten und prozessierenden Identität letztlich auf, indem sie sie als "Tätigkeiten eines Subjekts oder einzelner Individuen auffaßt" (Kr, S. 228. MEW, Bd. 13, S. 625), so zum Beispiel J. B. Say. Es ist dies die in sich zusammengcfaßte Identität als ein Akt, als Moment eines Prozesses. Die Produktion als "übergreifendes Moment" und als "wirklicher Ausgangspunkt" schließt die Konsumtion "als Notdurft", als "innres Moment der produktiven Tätigkeit" in sich (Kr, S. 228. MEW, Bd. 13, S. 625). Es ist indessen falsch und spekulativ, die Gesellschaft als ein Subjekt zu betrachten (Kr, S. 228. MEW, Bd. 13, S. 625). Der ganze Prozeß, in dem Produktion und Konsumtion in einem Subjekt zusammengefaßt sind, verläuft so: "Das Individuum produziert einen Gegenstand und kehrt durch dessen Konsumtion wieder in sich zurück, aber als produktives Individuum, und sich selbst reproduzierendes. Die Konsumtion erscheint so als Moment der Produktion" (Kr, S. 228. MEW, Bd. 13, S. 626).
    Diese in sich zusammengefaßte Einheit der beiden Sphären läßt ihre Veräußerlichung gar nicht zu, kann somit auch nicht Gegenstand bewußter Aneignung sein. Sie setzt, was im unentwickelten Prozeß eines Aktes, auf ein Subjekt reduziert, gar nicht gesetzt werden kann. Es ist die aus dem entwickelten Zustand des Auseinanderfallens der Sphären in sich zurückgenommene Unterschiedslosigkeit, eine irreale Voraussetzung.

  2. In der bürgerlichen Gesellschaft bezieht sich aber der Produzent auf das Produkt als auf einen ihm äußerlichen Gegenstand, der sich erst in den Beziehungen zu andern Individuen realisieren kann. Sowenig der einzelne des Produktes unmittelbar habhaft wird, sowenig ist die unmittelbare Aneignung Zweck der in Gesellschaft produzierenden Individuen (Kr, S. 229. MEW, Bd. 13, S. 626). "Zwischen den Produzenten und die Produkte tritt die Distribution, die durch gesellschaftliche Gesetze seinen Anteil an der Welt der Produktion bestimmt, also zwischen die Produktion und Konsumtion tritt" (Kr, S. 229. MEW, Bd. 13, S. 626).

Die Distribution ist somit keine selbständige Sphäre neben und -

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außerhalb der Produktion; sie ist nur die Kehrseite der verselbständigten, entfremdeten Produktionsagenten (Produktionsfaktoren).

"Die Gliederung der Distribution ist vollständig bestimmt durch die Gliederung der Produktion. Die Distribution ist selbst ein Produkt der Produktion..." (Kr, S. 230. MEW, Bd. 13, S. 627). Sie ist es nicht nur dem Gegenstande nach, sondern auch der Form nach, in der die Verteilung stattfindet (Kr, S. 230), die abhängig ist von der "bestimmten Art der Teilnahme an der Produktion" (Kr, S. 229. MEW, Bd. 13, S. 627).

Die Formen der Produktion und Distribution finden sich in einer Einheit: Wer Boden sagt, sagt Grundrente; wer Kapital sagt, sagt Zins und Profit; wer Arbeit sagt, sagt Arbeitslohn.

Wie oben schon erwähnt, erscheinen die Distributionsformen als der "bestimmte Ausdruck", "worin die Produktionsagenten in einer gegebenen Gesellschaft sich fixieren" (Kr, S. 230. MEW, Bd. 13, S. 627).

Für das einzelne Individuum verkehren sich die wirklichen Verhältnisse, es sieht darin "ein gesellschaftliches Gesetz, das seine Stellung innerhalb der Produktion bedingt" (Kr, S. 230. MEW, Bd. 13, S. 627), also nicht umgekehrt durch eine bestimmte Produktion hervorgerufen wird. Daß die Produktionsagenten als selbständige existieren, ist Voraussetzung für die Illusion, daß die Distribution der Produktion vorangeht.

Ehe eine Distribution der Produkte stattfindet - in dieser Form erscheint sie gegenüber der Produktion als selbständig - muß eine andere Distribution vorangegangen sein.
  1. Die Distribution der Produktionsinstrumente
  2. Die Distribution der Mitglieder unter bestimmte Produktionsverhältnisse (Subsumtion der Individuen unter bestimmte Produktionsverhältnisse) (Kr, S. 231. MEW, Bd. 13, S. 628.)
Die Distribution der Produkte ist das Resultat dieser Distribution,
". . . die innerhalb des Produktionsprozesses selbst einbegriffen ist und die Gliederung der Produktion bestimmt. Die Produktion abgesehn von dieser in ihr eingeschlossnen Distribution betrachten, ist offenbar leere Abstraktion, während umgekehrt die.. Distribution der Produkte von selbst gegeben ist mit dieser ursprünglich ein Moment der Produktion bildenden Distribution." (Kr, S. 231. MEW, Bd. 13, S. 628)
Ist die innerhalb der Produktion die Produktion bestimmende

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Distribution der Produktionsmittel und Individuen unter bestimmte Produktionsverhältnisse die Voraussetzung schlechthin? Marx bejaht dies (Kr, S. 231/32. MEW, Bd. 13, S. 628). Die ursprünglich als naturwüchsig erscheinenden Elemente werden im Prozeß der Produktion in geschichtliche verwandelt, "und wenn sie für eine Periode als natürliche Voraussetzung der Produktion erscheinen, waren sie für eine andere ihr geschichtliches Resultat" (Kr, S. 232. MEW, Bd. 13, S. 628).

Innerhalb der Produktion findet ständig eine Veränderung der Distributionsverhältnisse statt, die zum Beispiel den Übergang zu neuen Produktionsverhältnissen kennzeichnen können (industrielle Revolution). - Die Frage ist, wie Marx betont, eine Frage, "wie allgemeingeschichtlichen Verhältnisse in die Produktion hineinspielen, und ihr Verhältnis zur geschichtlichen Bewegung überhaupt" (Kr, S. 232. MEW, Bd. 13, S. 629).

Wichtig ist in dem geschichtlichen Exkurs (vgl. Kr, S. 232/33. MEW, Bd. 13, S. 629/30), den wir der allgemeinen Übersichtlichkeit wegen nicht resümieren, die Feststellung, daß das Produktionsinstrument den geschichtlich vorgefundenen Produktionsbedingungen gemäß sein muß. Über den Menschenraub schreibt Marx zum Beispiel: "... die Produktion des Landes, für das er geraubt wird, (muß) so gegliedert sein, um Sklavenarbeit zuzulassen, oder ... es muß eine dem Sklaven entsprechende Produktionsweise geschaffen werden" (Kr, S. 233. MEW, Bd. 13, S. 629).

Welches sind die Bestimmungsgründe des Austausches?
  1. Teilung der Arbeit als naturwüchsiges oder geschichtliches Resultat,
  2. "Privataustausch setzt Privatproduktion voraus" (Kr, S. 234. MEW, Bd. 13, S. 630),
  3. Intensität, Expansion und Art des Austausches durch Entwicklung und Gliederung der Produktion bestimmt. (Kr, S. 234. MEW, Bd. 13, S. 630)
Von der Produktion aus entwickelt sich der Wirtschaftsprozeß. Distribution, Austausch und Konsumtion setzen das Produkt voraus. "Als Distribution der Produktionsagenten aber ist sie (die Distribution. - 0. M.) selbst ein Moment der Produktion" (Kr, S. 234. MEW, Bd. 13, S. 631), in diesem einzigen Falle ist die Produktion nahezu identisch mit sich selbst, während sie sonst bestimmend alle andern Glieder des Gesamtprozesses einschließt, "und die bestimmten Verhältnisse dieser verschiednen Momente zueinander" (Kr, S. 234. MEW, Bd. 13, S. 631). In der Einheit des prozessierenden Aktes wird sie anderseits in ihrer einseitigen Form modifiziert (Ausdehnung des Marktes - Ausdehnung und Differenzierung der Produktion; Veränderung der Distribution - Veränderung der Produktion; Veränderung der Konsumtionsbedürfnisse - Veränderung der Produktion usw.).

Allgemeine Zusammenfassung:
Wir haben systematisierend eine strenge Gliederung der Faktoren des Wirtschaftsprozesses gewonnen: Produktion - Distribution - Austausch - Konsumtion stehen für Marx nur in einem scheinbar äußeren Zusammenhang, sie sind alle "Glieder einer Totalität" (Kr, S. 234. MEW, Bd. 13, S. 630), untrennbar miteinander verbunden, "Unter-

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schiede innerhalb einer Einheit"
(Kr, S. 234. MEW, Bd. 13, S. 630), die Charakteristik ihres Zusammenhanges ist ein geschichtlich prozessierender Akt, der sich der Form und dem Inhalte nach wandelt und immer wieder neu zu bestimmen ist. Die Identität ist niemals eine unterschiedslose, sondern sie schafft in den erwähnten Formen stets ihr Gegenteil, um es unmittelbar, vermittelnd oder prozessierend wieder in sich zurückzunehmen. Das heißt, daß Unterschiedenes, das in der Wirklichkeit in seiner Erscheinungsform selbst unterschieden ist, innerhalb der Einheit in sich verändernde Beziehungen steht und im Prozeß des Wirtschaftsablaufes den Akt der Identität vollzieht. Die Produktion als übergreifendes Moment schließt die gegensätzlichen Bestimmungen in sich, wie alle andern Momente. "Es findet Wechselwirkung zwischen den verschiednen Momenten statt. Dies der Fall bei jedem organischen Ganzen" (Kr, S. 234. MEW, Bd. 13, S. 631).

Das einfache logische Konzept, wie es Marx an der von ihm kritisierten Form des Zusammenhanges der Wirtschaftssphären nachweist, verwandelt sich in eine dialektische Bewegung, die die Bewegung des Gegenstandes selbst ist. Die verschiedenen Momente stehen sich nicht äußerlich als aufeinanderbezogen gegenüber, sondern sie sind in spezifischer Weise stets mit ihrem Gegensatz behaftet.

Der Aufbau des "Kapitals" basiert unmittelbar auf der soeben - entwickelten Gliederung, das heißt, er ist methodologisch konsequent den bereits in der "Einleitung zur Kritik der politischen Ökonomie" erarbeiteten Prinzipien gemäß konzipiert. Wenn auch der interne Mechanismus der kapitalistischen Wirtschaft und die Beziehung von Form und Inhalt für die Darstellung immer wieder überprüft und wesentliche Erweiterungen vorgenommen werden, so liegt doch kein grundsätzlicher Wandel vor, wie etwa Henryk Großmann meint*2.73 . Das Kapital als die "alles beherrschende ökonomische Macht der bürgerlichen Geschschaft" (Kr, S. 243. MEW, Bd. 13, S. 638), als "Ausgangspunkt wie Endpunkt" der Analyse (Kr, S. 243. MEW, Bd. 13, S. 638) bestimmt die Darstellung des Gegenstandes. Es ist bezeichnend, daß die Kategorien Arbeit, Boden und Kapital, die definitorisch für die Spezifität der kapitalistischen Wirtschaft nicht charakteristisch zu sein brauchen, rangmäßig als nicht äquivalent betrach-

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tet werden, daß das Grundeigentum erst in Buch III im Zusammenhang mit der Analyse der verschiedenen Einkommensarten (Revenuen) auf seiten des Kapitals entwickelt wird, also im Zusammenhang mit der Grundrente. Die historische Eigenart des modernen Wirtschaftsprozesses kommt in der äußeren Gliederung des Werkes, die unmittelbar in Verbindung mit der dem Stoff immanenten Dialektik steht, zum Ausdruck.

Das Werk ist als Ganzes bereits entworfen und ausgearbeitet, bevor Band I in Druck geht. Am 31. Juli 1865 schreibt Marx an Friedrich Engels:
"Was nun meine Arbeit betrifft, so will ich Dir darüber reinen Wein einschenken. Es sind noch 3 Kapitel zu schreiben, um den theoretischen Teil (die 3 ersten Bücher) fertigzumachen. Dann ist noch das 4. Buch, das historisch-literarische, zu schreiben, was mir relativ der leichteste Teil ist, da alle Fragen in den 3 ersten Büchern gelöst sind, dies letzte also mehr Repetition in historischer Form ist. Ich kann mich aber nicht entschließen, irgend etwas wegzuschicken, bevor das Ganze vor mir liegt. Whatever shortcomings they may have, das ist der Vorzug meiner Schriften, daß sie ein artistisches Ganzes sind, und das ist nur erreichbar mit meiner Weise, sie nie drucken zu lassen, bevor sie ganz vor mir liegen. Mit der Jakob Grimmschen Methode ist dies unmöglich und geht überhaupt besser für Schriften, die kein dialektisch Gegliedertes sind." (MEGA, III, 3, S. 279. MEW, Bd. 31, S. 132)
Wenn im allgemeinen auf einen "Widerspruch" zwischen Buch I und Buch III des "Kapitals" hingewiesen wird - demgegenüber Schumpeter im Anschluß an seine Untersuchung der Wertbestimmung bei Ricardo zum Beispiel richtig bemerkt, daß weder "subjektiv noch objektiv" (bei Marx. - 0. M.) ein eigentlicher "Widerspruch" bestehe -‚ so liegt darin eine Verkennung der Marxschen Methode, eine Verkennung, die der Darstellung durch Marx von einem sachfremden Standpunkt aus nicht gerecht werden kann*2.74 .

Hätte man die historisch-kritischen Arbeiten von Marx, wir meinen die "Theorien über den Mehrwert", die Karl Kautsky herausgegeben hat, mehr berücksichtigt, so hätte ein solcher Einwand von vornherein nicht erhoben werden können. In diesen Vorarbeiten. zum "Kapital", die als viertes Buch den historisch-literarischen Teil bilden sollten*2.75 , beschäftigt sich Marx einge-

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hend schon mit der Wert-Preis-Transformation, mit den Fragen des Produktionspreises, der Durchschnittsprofitrate usw. Man braucht nur die beiden Teile des Bandes II der "Theorien über den Mehrwert" heranzuziehen, um festzustellen, daß dort die theoretischen Probleme von Buch III des "Kapitals" in der Kritik an Ricardo eingehend erörtert werden. Wenn schon Einwände gegen die Transformation des Wertes in den Preis erhoben werden sollten (also tatsächlich ein Widerspruch zwischen Buch I und Buch III bestände), so könnten sie nur die logische Struktur der Darstellung, die geistige Aneignung des Stoffes betreffen. Den "Widerspruch", als aus der nachträglich vorgenommenen Konfrontation der Theorie mit der Wirklichkeit entstanden, erklären wollen, heißt die Sache nicht etwa nur vereinfachen, sondern den wirklichen Tatbestand vollkommen verkennen.

"Das Kapital" ist ein "dialektisch Gegliedertes" und kann nur als solches kritisch gewürdigt werden. Analyse und Systematisierung greifen bei Marx unaufhörlich ineinander; seine Arbeitsweise vollzieht sich in folgenden Stufen: Die analytische Arbeit ist zum Teil von den Klassikern geleistet worden. Wenn die Analysen auch nicht immer widerspruchsfrei waren, so drangen sie doch zum Kern der Sache vor; es waren erste Ansätze zur Wesenserkenntnis. In den "Theorien über den Mehrwert" hat Marx dies verschiedentlich betont (vgl. unser letztes Kapitel).

Wir greifen ein einzelnes Beispiel heraus, um das im "Kapital" angewandte Verfahren zu charakterisieren. Eine eingehende Analyse des "Kapitals" selbst würde den Rahmen unserer Arbeit sprengen.

Für Marx besteht in der vorkapitalistischen Warenproduktion die besondere Modifikation des Wertgesetzes, wie es beim Aus-

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tausch zwischen Kapital und Arbeit stattfindet, noch nicht, da die Zirkulation der Produkte sich vollzieht zwischen Produzenten, die nicht nur Besitzer der Produktionsmittel sind, sondern auch direkte Aneigner des Produktes. Diese vorkapitalistische Warenproduktion ist indessen nur eine sporadische, keine allgemeine, eine Warenproduktion, die sich am Rande der Wirtschaft abwickelt und noch nicht ins Innere zurückgeschlagen hat. Das Wertgesetz setzt sich folglich hier in einer anderen, historisch bestimmten Weise durch, es ist noch nicht die entwickelte kapitalistische Wertbestimmung, die aus der Scheidung von Arbeitskraft und Produktionsmitteln zur Grundlage, zum herrschenden Verhältnis der Produktionsweise wird. Aus der Genesis der Wertbestimmung ist auch der historische Ort zu bestimmen, wo die politische Ökonomie auf den dem Wertgesetz immanenten Widerspruch stößt. Ihr vergeblicher Versuch, diesen Widerspruch zu begreifen, scheitert nicht an logischem Unvermögen, sondern an einer historischen Schranke, die den transitorischen Charakter des Wertgesetzes verdeckt, seinen Ursprung und seine Entwicklung verkennt. Sie faßt das Wertgesetz, die Scheidung zwischen kapitalistischer Produktion und kapitalistischer Aneignung unberücksichtigt lassend, abstrakt als den Tausch von Äquivalenten, was unter Ausschließung des Inhaltes, das heißt der Verwertung der den Tauschwerten zugrunde liegenden Gebrauchswerte, auch richtig ist. Aber gerade die Analyse dieses Inhaltes ist für das Verstehen des Wertgesetzes entscheidend.

Ein dem Inhalt nach wirklicher Tausch nach Äquivalenten findet nur in folgenden Fällen statt:
  1. In vorkapitalistischer Zeit, wo die Warenproduktion als vereinzeltes Phänomen auftritt. Der Wert ist hier eine noch durchaus unentwickelte Bestimmung.
  2. Zu Beginn der kapitalistischen Produktion, in der noch keine scheinbaren Äquivalente auf Grund des kapitalisierten Mehrwertes im Warenaustausch entstehen.
  3. Im Tausch von Waren zwischen Kapitalisten. Hier werden die in den Waren vergegenständlichten Arbeiten ausgetauscht.
Marx betont, daß der wirkliche Austausch von Äquivalenten als ursprüngliche Operation, zu Beginn der kapitalistischen Produktion, in seiner Weiterentwicklung zur mystifizierten Form eines ihm fremden Inhaltes wird (K, I, S. 612. MEW, Bd. 23, S. 609), und daß das
"Gesetz des Privateigentums durch seine eigne, [103] innere, unvermeidliche Dialektik in sein direktes Gegenteil umschlägt." (K, I, S. 612. MEW, Bd. 23, S. 609)
Worin besteht die Umkehrung der ursprünglichen Operation, das Umschlagen des Gesetzes?

Die innere Dialektik der Produktion und Reproduktion erzeugt diese Umkehrung. Wir explizieren dies an einem vereinfachten Beispiel, das wir Marx entnehmen (vgl. K, I, 22. Kap., Abschnitt VII).
Der Kapitalist schieße am Beginn seiner Produktion eine Wertsumme von 10.000 Einheiten vor (die Frage nach der Möglichkeit der Akkumulation dieser Wertsumme bleibt hier unberücksichtigt). Diese Wertsumme teile sich auf in 8.ooo c und 2.000 v. Unterstellt ist, daß die Waren sich zu ihren Werten austauschen, das heißt, daß der Arbeiter die zur Reproduktion seiner Arbeitskraft notwendigen Lebensmittel erhält (in Geld- oder Warenform ist gleichgültig). Nach der ersten Phase der Produktion setzt der Arbeiter durch seine Arbeit dem Produkt, bei einer angenommenen Mehrwertrate von 100 %, ein Mehrprodukt von 2.000 m zu. Unterstellt, der Mehrwert werde im Verhältnis der ursprünglichen organischen Zusammensetzung des Kapitals (4 : 1) ganz kapitalisiert (der Einfachheit halber wird von einem Abzug am Mehrwert zum Zwecke der Konsumtion durch den Kapitalisten abgesehen; also: Akkumulationsrate = Mehrwertrate), so teilt er sich für die zweite Produktionsperiode in 600 c und 400 v auf. Der Form nach wurden auch hier Äquivalente getauscht, nicht aber dem Inhalte nach, da der im Produkt vergegenständlichte Mehrwert von 2.000 m vom Kapitalisten ohne entsprechendes Äquivalent angeeignet worden ist. "Der beständige Kauf und Verkauf der Arbeitskraft ist die Form" (K, I, S. 612. MEW, Bd. 23, S. 609) und in diesem Falle stehen sich äußerlich gesehen Äquivalente gegenüber.
"Der Inhalt ist, daß der Kapitalist einen Teil der bereits vergegenständlichten fremden Arbeit, die er sich unaufhörlich ohne Äquivalent aneignet, stets wieder gegen größeres Quantum lebendiger fremder Arbeit umsetzt" (K, I, S. 612. MEW, Bd. 23, S. 609)
, und damit schlägt das ursprüngliche Gesetz der Warenproduktion in sein Gegenteil um. Diese Umkehrung entspringt, wie erwähnt, aus der Dialektik des Gesetzes selbst.

Ein solches Gesetz ist ein historisches Gesetz, an bestimmte Voraussetzungen und Mechanismen gebunden.
Es scheint uns opportun, an dieser Stelle die Gründe ins Auge

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zu fassen, die Grossmann*2.76 als Ursachen der Planänderung ins Feld führt und die Marx aus "methodologischen Erkenntnisrücksichten"*2.77 hierzu bewogen haben sollen. Wir rekapitulieren den Plan von 1859 (Plan I): In dem Brief vom 13. Oktober 1866 an Kugelmann*2.78 stellt Marx den Aufbau des "Kapitals" (Plan II) dann folgendermaßen dar: Grossmann lokalisiert diese Planänderung auf Juli/August 1863*2.79 und sieht das Merkmal im Übergang vom Gesichtspunkt des Stoffes zu demjenigen der Erkenntnis*2.80 . Das entscheidende Motiv liegt für ihn in der Entdeckung des Reproduktionsschemas durch Marx*2.81 , womit erst die Möglichkeit entstanden sei, den notwendigen inneren Zusammenhang nachzuweisen, der zur Gliederung des empirischen Stoffes nach den Funktionen führt, die das Kapital in seinem Kreislauf verrichtet.

So richtig der Satz ist, den wir in Grossmanns Vorwort zu seinem Buch "Das Akkumulations- und Zusammenbruchsgesetz des kapitalistischen Systems"*2.82 lesen: "Der unbefriedigende Zustand der bisherigen Marx-Forschung ist m. E. darauf zurückzuführen, daß man sich bisher über die Marxsche Forschungsmethode nicht nur keine klaren, sondern, so merkwürdig das erscheinen mag, überhaupt keine Gedanken machte", so kann er doch nicht darüber hinwegtäuschen, daß die methodologische Grundlegung mit der üblichen Verfahrensweise, wie aus den Worten und Formu-

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lierungen Grossmanns zu entnehmen ist, identifiziert und somit mißverstanden wird. Dies bezieht sich allgemein auf das Verhältnis von Darstellung und Stoff.

Die Motivierung der Planänderung durch Grossmann ist nicht nur simplistisch, sondern geradezu falsch. Sie ist rein auf das Ökonomistische ausgerichtet, nicht genügend durchdacht, so daß das Richtige, das in dieser Motivierung zum Teil, wenn auch nicht im Sinne Grossmanns, enthalten ist, im Falschen untergeht. Die Änderung des Planes besteht nicht in einem Übergang von der stofflichen Behandlung zur funktionellen. Alles, was dem Plan I vorangeht, wie der Plan I selbst, hat die drei großen Klassen der bürgerlichen Gesellschaft und ihre antagonistischen Interessen vor Augen. Marx hat nirgends nur den empirischen Stoff zur Verarbeitung genommen, sondern war immer bestrebt, die Bewegungsgesetze des ökonomischen Daseins dieser drei Klassen und die ihnen zugrunde liegenden Produktionsverhältnisse zu erklären. Er hatte folglich immer "Funktionelles" vor Augen*2.83 , wenn er auch im einzelnen schwanken mochte und gewisse "interne" Merkmale des Prozesses ihn den Aufbau verfeinern ließen.

Was Grossmann am Plan von 1859 hätte auffallen müssen, ist die Tatsache, daß das Grundeigentum zwischen Kapital und Lohnarbeit aufgeführt wird. Hier zu konstatieren, daß vom Gesichtspunkt des Stoffes zu dem der Erkenntnis fortgeschritten wurde, wäre einleuchtender gewesen, denn im "Kapital" wird die Analyse des Grundeigentums - wie schon erwähnt - zusammen mit der Grundrente in Buch III vorgenommen. Aber auch dies wird durch das von Marx in der "Einleitung" Gesagte entkräftet, wo das Kapital als "die alles beherrschende ökonomische Macht der bürgerlichen Gesellschaft" (Kr, S. 242) bezeichnet wird. Methodologisch ist der Übergang von der konventionellen Auffassung her, die nur stofflich, den äußeren Kategorien gemäß darstellt, bereits vollzogen, wenn auch der Form nach dies nicht ohne weiteres sichtbar ist. Den inhaltlichen Entwicklungen liegt die methodologisch erarbeitete Rangordnung der Produktionsagenten in ihrer für die kapitalistische Produktion typischen Spezifität zugrunde*2.84 .

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Ein genauer Vergleich der "Kritik" mit dem "Kapital" ergibt die fehlerhafte Bestimmung der sogenannten Planänderung durch Grossmann. Der Kreislaufgedanke ist bereits in dem sich in der Einheit vollziehenden dialektischen Prozeß der kapitalistischen Produktion eingeschlossen. Im zweiten Kapitel der "Kritik der politischen Ökonomie" spricht Marx, wo er die Metamorphose der Ware untersucht, von "zwei verschiedenen Formen von Kreisläufen" (Kr, S. 76. MEW, Bd. 13, S. 69) des Zirkulationsprozesses:
  1. von der Transformation von Ware in Geld und von Geld in Ware (W - G - W),
  2. von der Transformation von Geld in Ware und von Ware in Geld (G - W - G).
Aus der Entwicklung der Wertbestimmung aus der Warenproduktion und ihrem Austausch, des Geldes als Verdoppelung des Warenwertes in einer besonderen Mateniatur ergibt sich der Schritt zur Analyse der Zirkulation des Geldkapitals und seiner Reproduktion ohne weiteres. Es liegt durchaus kein Übergang vom Gesichtspunkt des Stoffes zu demjenigen der Erkenntnis vor. Die Schemata der einfachen und der erweiterten Reproduktion sind wohl unerläßliche Erweiterungen, aber gerade nicht erkenntnistheoretischen, sondern stofflichen Charakters. Genetisch haben wir folgende Reihe: Der Gedanke des Kreislaufes beschränkt sich auf die wirtschaftlichen Größen, während der Gedanke der widersprüchlichen Identität der Kategorien innerhalb der Einheit die gesamte bürgerliche Gesellschaft umfaßt.

Wenn wir den Standpunkt von Marcuse nochmals berücksichtigen, so wäre die angebliche Planänderung, die Grossmann untersucht, nicht die erste, sondern bereits die zweite, denn auch Marcuse wurde auf Grund der Frühschniften dazu verleitet anzunehmen - wenn auch anders begründet: philosophisch, nicht ökonomisch -‚ daß Marx die übliche Dreigliederung der Nationalökonomie (als Wissenschaft der entfremdeten Kategorien) aufgegeben habe und sofort in medias res dialektisch verfahre.

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Die beiden Meinungen stehen sich indessen in ihrer Begründung konträr entgegen. Bei Grossmann ist mit keiner Zeile erwähnt, was Marcuse sofort auffällt, daß Marx auch nie nur die sachliche Form des Produktionsprozesses darstellen wollte, sondern die durch das Bewegungsgesetz der kapitalistischen Wirtschaft bestimmten Daseinsformen der bürgerlichen Gesellschaft als ein hinter Sachen verstecktes Verhältnis von Personen. Marcuse hat, wenn auch zum Teil unter Vernachlässigung der "ökonomischen" Momente, die Marxsche Methode besser verstanden als Grossmann.

Grossmann spürt die Gefahr der Darstellung im "Funktions"zusammenhang, der nur in methodologischer Abstraktion (nach seinen Worten: im "Isolierungsverfahren") erfaßt werden kann. Aber welches Verhältnis besteht zwischen den wirklichen, konkreten Abstraktionen, von denen Marx als Daseinsformen, Existenzweisen der bürgerlichen Gesellschaft spricht und den methodologischen Abstraktionen? Damit stellt sich auch die Frage des Verhältnisses von empirischem Stoff zu den Funktionen. Grossmann schreibt: "Die methodologischen Vereinfachungen dürfen nicht zu weit gehen, d. h. sie dürfen nicht von wesentlichen Elementen des untersuchten Gegenstandes absehen, wie dies gerade Ricardo tut"*2.85 , und zitiert dann die Kritik Sismondis an Ricardo, der unter anderem sagt: "Mir erscheint diese Abstraktion... zu stark." Nun sind aber gerade die wesentlichen Elemente die von Marx als abstrakte, wirkliche Daseinsformen bezeichneten Kategorien und ihre durch den Produktionsprozeß in entfremdeten Kategorien erscheinenden Formen Verhältnisse von Personen. Die Fehler Ricardos wie auch Smiths liegen viel weniger in den zu stark vereinfachenden methodologischen Abstraktionen, als in den besonderen wirtschaftlichen Verhältnissen jener Zeit, auf deren Grundlage eine Selbstkritik der politischen Ökonomie notwendig rudimentär und utopisch bleiben mußte*2.86 . Dafür zeugt das Beispiel Sismondis. Die Leistung von Marx ist nicht allein der schärferen Abstraktionskraft zu danken, sondern ist selbst ein historisches, aus der geschichtlich gewandelten Situation heraus möglich gewordenes Phänomen. Die Robinsonaden Smiths und Ricardos, die auch Grossmann erwähnt, haben tiefere Hintergründe als nur den Mangel an wissenschaftlichem

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Vermögen, die entscheidenden Elemente der kapitalistischen Produktionsweise zu sehen.

"Funktionen", "Isolierungen", "Abstraktionen" sind Begriffe, die nach oben wie nach unten sich mit einem klassifikatorisch gegebenen innerwissenschafthichen Maß bescheiden, der Rationaltheorie und der Empirie ihr Recht und die Frage unbestimmt und unbeantwortet lassen, wie weit die methodologische Vereinfachung gehen darf.

Die Betrachtung der Systematisierung des Aufbaus der politischen Ökonomie durch Marx zeigt, daß ursprünglich schon - in der "Einleitung zur Kritik der politischen Ökonomie" - die Darstellung vom Aspekt der Totalität her, das heißt vom Kreislaufprozeß her, ins Auge gefaßt worden ist.

3. Zusammenfassung

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Zusammenfassend sind aus den drei Teilen der textkritischen Untersuchung folgende Bestimmungen hervorzuheben:
  1. Die logisch-allgemeine Bestimmung der Kategorien als wirkliche, reale Kategorien: Textkritische Untersuchung I "Einleitung zur Kritik der politischen Ökonomie".
    Ontologische Struktur: Wesen (essentia).

  2. Die historisch-besondere Bestimmung der Kategorien als verdinglichte, entfremdete Kategorien. Textkritische Untersuchung II "Ökonomisch-philosophische Manuskripte".
    Existentielle Struktur: Erscheinung (existentia).

  3. Die Kategorien im konkret-historischen Geschehen als prozessuale Einheit der logisch-historischen Bestimmungen, die Bestimmung des "Streites zwischen Existenz und Wesen", die theoretische Auflösung des "Rätsels der Geschichte" (MEGA, I, 3, S. 114. MEW, Ergänzungsband, I. Teil, S. 536) aus dem konkreten Prozeß. Textkritische Untersuchung III "Das Kapital".
    Einheit von Wesen und Erscheinung.
Diese Besonderung der einzelnen Teile steht hier des besseren Verständnisses wegen. Es wäre falsch anzunehmen (dies erweist sich sofort bei der Lektüre dcer entsprechenden Schriften), daß sich in jeder Arbeit ein Teilproblem zu der unter 3. gegebenen Lösung entwickle und darin seine Krönung finde. Jede der drei besprochenen Schriften von Marx war als Ganzes gedacht und behandelt das Problem auch unter diesem Gesichtspunkt; jede stellt indessen Elemente in den Vordergrund, die später in der expliziten Form der detaillierten Analyse nicht mehr auftreten, sondern der einheitlicheren und strafferen Darstellung wegen als gesicherte Ergebnisse aufgenommen werden. Diese Elemente herauszustellen, war die Aufgabe unserer textkritischen Untersuchungen. Jeder Leser wird selbstverständlich ohne weiteres sehen, daß in 1. sowohl Fragen von 2., wie in 2. Fragen von 1.

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behandelt werden, und daß 1. und 2. auch das Ziel von 3. zugrunde liegt. Wenn in 2. Fragen der entfremdeten Kategorien im Vordergrund stehen, so wird doch gerade hier die ontologische Struktur der Arbeit in der entfremdeten Form der Lohnarbeit aufgedeckt. Was uns jedoch interessierte, war nach der Analyse der "Einleitung" zu wissen, in welcher besonderen Form die logischen Kategorien innerhalb der kapitalistischen Produktionsweise auftreten, dies hieß die spezifische Form bestimmen, in der die logischen Kategorien erscheinen. Daß hier die Rückführung dieser Kategorien auf ihre ontologische Struktur eine notwendige und unerläßliche Ergänzung des in 1. Ausgeführten ist, braucht wohl kaum betont zu werden, und auch nicht, daß das in 2. Ausgeführte ohne 1. unvollständig bleib.

1. Die logische Kategorie ist das entäußerte Wesen einer wirklichen Kategorie, nicht das eigentliche wirkliche Wesen. Die logische Kategorie ist der Identifizierung mit der wirklichen ausgesetzt, also wie Marx betont und an Hegel kritisiert, der Umkehrung der wirklichcn Verhältnisse in abstrakte Verhältnisse. Diese Umkehrung löst das wirkliche Verhältnis, in dem sich Subjekt und Objekt gegenüberstehen, in ein begriffliches auf, die reale Vermittlung in eine eingebildete: Auf diese Weise ist die logische Kategorie eine unvermittelte geistige Aneignung aus dem Geiste selbst, eine Aneignung, die sich nichts zu eigen macht, eine Aneignung ohne Gegenstand. Ich reproduziere im Bewußtsein die konkrete Allgemeinheit als abstrakte Allgemeinheit und glaube nun umgekehrt, daß die reale Allgemeinheit ein Produkt der abstrakten Allgemeinheit sei. Ist die Vermittlung nur logisch, das heißt unwirklich, so ist auch die fixe Polarität von Denken und Sein nicht zu überwinden, es kann nur a priori angenommen werden, daß das eine zum andern kommt, wobei der Erkenntnisakt im rein Subjektiven verharrt. Der Sinn der Vermittlung, der zum Wesen führt, wird zunichte, das Wesen wird seiner Objektivität beraubt. Die Objektivität dieses Wesens beruht indessen in der bewußten allgemeinen Form als wirkliche Existenzbestimmung, Daseinsform. Sie ist mittelbar in der Realität selbst. Die zentrale Frage ist hier die Frage nach dem Sinn der Kategorien als wirkliche Seinsbestimmungen, als die das eigentliche Wesen des Prozesses beinhaltenden Bestimmungen.

Die allgemein-logische Form, in der die Seinsbestimmungen sich verkehren, ist zugleich aber auch die historisch-besondere Form,

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an der sie in Erscheinung treten, das heißt, die allgemein-logische Form ist als solche notwendig in der historisch-besonderen Form enthalten; sie ist nur in dieser besonderen Form das Allgemeine, und so ist auch die ontologische Bestimmung der Kategorien nur in ihrer historischen Form einsichtig, die der Träger dieser Bestimmung ist*3.1 . Es ist dies indessen keine lineare Funktion, in der von einem Punkt zum andern - etwa von der ontologischen Bestimmung zur historischen Kategorie - fortgeschritten werden kann, sondern ein Wechselverhältnis, in dem das Wesen das Wesen der historischen Kategorien ist.

Die historische Besonderung der allgemeinen Form ist aber selbst wieder zu bestimmen. So ist die Verkehrung der wirklichen Verhältnisse in der logischen Reproduktion eine historisch entstandene Verkehrung, eine Verkehrung nicht natürlichen, sondern gesellschaftlichen Charakters. Die Kategorien sind Produkte dieser gesellschaftlichen Verhältnisse, und zwar notwendige Kategorien, da sie zum Wesen dieser Verhältnisse gehören. Die Erscheinungsform hat folglich nicht nur einen illusionären Aspekt (wo sie unmittelbar mit den gesellschaftlichen Verhältnissen identifiziert wird), sondern auch einen objektiven Gehalt (in der Struktur der gesellschaftlichen Verhältnisse selbst). Die gedankliche Auflösung des illusionären Scheins bedeutet somit noch nicht seine wirkliche Auflösung*3.2 ; der Schein ist weiterhin ein den konkreten Verhältnissen entsprechender wirklicher Schein. Das Wesen erscheint auf allen Stufen im Schein, aber immer auf besondere Weise. Das Wesen wird und modifiziert sich im Prozeß der historischen Formen und bricht auf dem Höhepunkt ihrer Entfaltung durch, das heißt, die Unvereinbarkeit ihres Gegenstandes führt der geistigen Aneignung das eigentliche Wesen des Prozesses vor Augen.

Der Prozeß, wodurch die Vermittlung von Wesen und Erscheinung als in der Einheit identische und gegensätzliche Zweiheit erscheint, ist ein dialektischer. Jedes ist unmittelbar auch sein Gegenteil, in ihm enthalten: die Erscheinungsform ist die Form des erscheinenden Wesens, oder: das Wesen ist das in historischer

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Form erscheinende Wesen, das durch die Entwicklung dieser Form bedingte Wesen. Die Erscheinungsform ist also nicht allein die historisch sich äußernde Manifestation des ihm eigentlichen Wesens, sondern das aus dieser Form zu bestimmende und sich realisierende Wesen. Das oben bezeichnete Wechselverhältnis von Erscheinung und Wesen ist immer konkret zu umschreiben. In diesem Verhältnis gestalten sich stets neu Wesen und Erscheinung, die ontologische Bestimmung und die historische Kategorie, das Allgemeine und das Besondere. Die wahre Bestimmung des Menschen setzt, wie Marx schon ausgeführt hat und worauf wir an einem Beispiel zurückkommen werden, eine hohe gesellschaftliche Entwicklung voraus. Ziehen wir alles ab, was uns den Menschen heute zum Menschen macht, so bleibt ein Objekt, das nur noch die Biologie interessiert.

Beides, Wesen und Erscheinung, sind Größen, die in ihrem Gegensatz und ihrer Durchdringung begrifflich als Reproduktion der wirklichen Verhältnisse zu verstehen sind. Die abstrakte von uns gegebene Formulierung verfolgt den Zweck, so paradox dies klingen mag, davor zu warnen, die Erscheinungsform und das Wesen ihrem konkreten Inhalt nach zu übergehen. Diese Konsequenz liegt indessen in der dialektischen Methode selbst. Die Entwicklung des Inhaltes liefert den Stoff seiner Verarbeitung: es sind die im Prozeß der Entfaltung sich relativ verselbständigenden Pole, das Auseinanderfallen der ontologischen Bestimmungen und der logischen Kategorien, die die Frage nach ihren Beziehungen stellt.

In einem Brief an Friedrich Engels vom 27. Juli 1861, in dem Marx beschreibt, wie die Verwandlung des Wertes der Ware in den Produktionspreis dargestellt werden muß, lesen wir:
"Hier wird sich zeigen, woher die Vorstellungsweise von Spießer und Vulgärökonomie stammt, nämlich daher, daß in ihrem Hirn sich immer nur die unmittelbare Erscheinungsform der Verhältnisse reflektiert, nicht deren innerer Zusammenhang. Wäre letzteres übrigens der Fall, wozu wäre dann überhaupt eine Wissenschaft nötig?" (MEGA, III, 3, S. 404. MEW, Bd. 31, S. 312)
, denn:
".... alle Wissenschaft wäre überflüssig, wenn die Erscheinungsform und das Wesen unmittelbar zusammenfielen." (K, III, S. 870. MEW, Bd. 25, S. 825)*3.3

3.2. Realobjekt und Erkenntnisobjekt

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2. Aus der textkritischen Untersuchung ist also die methodologische Gliederung, bzw. sind die tragenden Elemente des Verfahrens zu ordnen und mit den in der "Problemstellung" aufgeworfenen Fragen und Einwänden zu verbinden.

An erster Stelle steht für Marx das Problem der Objektbestimmung. Es ist dies für ihn die unerläßliche Vorfrage: die Frage nach der Beschaffenheit des Objektes wissenschaftlicher Erkenntnis überhaupt, woraus sich dann der Systematisierungszusammenhang ergibt. Eine Abgrenzung des Objektes der Fachwissenschaft oder Teildisziplin kann sich erst nach Erledigung dieser Vorfrage ergeben. Es ist dies sodann die Frage nach den "nationalökonomischen Quellen", die nach Schumpeter allein eine "positiv-detailwissenschaftliche" Forschung zulassen.

Man unterscheidet heute im allgemeinen zwischen Erfahrungsobjekt, Realobjekt und Erkenntnisobjekt. Das Realobjekt ist bei Marx der in der Wirklichkeit vorhandene Gegenstand als Daseinsform, Existenzbestimmung, als eine bereits real vollzogene Abstraktion: das Einfache, das in der Vorstellung gegeben, zum "Erkenntnisobjekt" der Wissenschaft wird. Es ist kein bloßes factum brutum, kein Gegenstand schlechthin, kein voraussetzungsloses Erfahrungsobjekt, sondern ein gesellschaftlich gewordener Gegenstand, eine historisch bestimmte Daseinsform. Wir verhalten uns nicht äußerlich zu ihm, sondern unser Verhalten ist gleichermaßen ein ungeschiedenes Verhalten in und außer ihm. Jedes Realobjekt ist ein schon (wenn auch vorerst abstrakt) bestimmter Gegenstand auf dem Wege der begrifflichen Aneignung des Konkreten. "Realobjekt", "Erkenntnisobjekt" sind Ausdrücke einer nur theoretischen, nur begrifflichen Haltung, der gegenüber Marx die Bezeichnung "spekulativ" gebraucht, da in ihr nicht zum Ausdruck kommt, daß der Gegenstand, das Realobjekt, ein Gegenstand menschlichen Tuns ist, ein schon durch diese Tätigkeit bestimmter, in unserem Vorstellungskreis schon vorhandener, uns eigener, wenn auch noch nicht geistig bewußter Gegenstand. Wir schaffen in unserer gesellschaftlichen Tätigkeit die Formen, in denen uns diese Tätigkeit und ihr Produkt erscheint, das heißt die Kategorien, in denen wir uns begrifflich mit der Gesellschaft auseinandersetzen, in denen wir sie in unser Bewußtsein aufnehmen. Die Kategorien sind reale Kategorien, die wir uns auf dem Wege der begrifflichen Reproduktion aneignen und wodurch sie erst in verständlichem Sinne "wirklich", aus der Sphäre der Subjektivität herausgehoben und in die der

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Objektivität transponiert werden. Ob vermittelt oder unmittelbar, besteht in der Tätigkeit des Subjektes eine Identität mit dem Objekt; methodologisch bedeutet dies, daß das Objekt immer Objekt eines Subjektes ist (sei dieses Subjekt ein Individuum oder die Gesellschaft). In der bewußten Aneignung des Einfachen, Abstrakten, der Daseinsformen, Existenzbestimmungen eigne ich mir das Konkrete an, denn auch das Konkrete ist abstrakt, inhaltsleer, wenn es nicht die "Zusammenfassung vieler Bestimmungen ist, also Einheit des Mannigfaltigen" (Kr, S. 236. MEW, Bd. 13, S. 632). Das Mannigfaltige wird jedoch erst konkret, wenn es die abstrakten Bestimmungen aus sich entlassen hat.

Das Verfahren kann somit kein willkürliches sein, das Objekt nicht aus einer rein begrifflichen Operation gewonnen werden. An den Anfang einer national-ökonomischen Arbeit etwa eine Definition des Begriffs "Wirtschaft" stellen wollen, erscheint von diesem Gesichtspunkt aus als willkürlich; für Marx wäre eine solche Definition der Wirtschaft eine facon de parler, unbrauchbar und unbestimmt, weil sie der Konkretion entbehrt, in der das Allgemeine das Besondere in sich aufzunehmen hat.

Die Kritik hat in der "Einleitung" die dort entwickelte Methode mit derjenigen des "naiven" Empirismus identifiziert (so Hammacher) und dabei die entscheidenden Momente übersehen:
  1. Das Realobjekt ist aus einem bestimmten Strukturzusammenhang der Gesellschaft heraus gegeben, es ist das konstitutive Element einer konkreten gesellschaftlichen Totalität.

  2. Als Erkenntnisobjekt ist es bereits in unserer Vorstellung auf dem Wege der bewußten Aneignung.

  3. In dieser Form tritt es erst auf einer bestimmten Stufe der gesellschaftlichen Entwicklung auf, und zwar da, wo es als reale Kategorie seine extensive und intensive volle Ausbildung erfährt.
Am deutlichsten wird dies im Rückblick auf frühere Gesellschaftsformen, die für uns nicht mehr bloße faits bruts sind, sondern deren Kenntnis sich erst erschließt, wo wir auf einer differenzierten Spätstufe der Entwicklung in strengem Sinne Wissenschaft treiben und wir die einzelnen abgelaufenen Stadien der Geschichte als aufgehobene Momente zu uns wissen.

Realobjekt und Erkenntnisobjekt führen keine getrennte Existenz mehr; sie sind zwei Seiten eines einheitlichen Prozesses: der praktisch-theoretischen Auseinandersetzung der Menschen mit

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der Gesellschaft und der Natur. Die einzelne Kategorie ist nichts Zufälliges, von außen an den Gegenstand Herangetragenes, sie ist nicht ein Etwas, das hier oder dort auftreten kann und dessen sich das Denken ohne notwendigen Zusammenhang bemächtigt, sondern ein historisch gewordenes Dasein in seiner begrifflichen Form, ein gesellschaftlich gewordener Erfahrungsbereich und Vorstellungskreis.

Tatsachenbeobachtung heißt, sich darüber verständigen, was als Tatsache zu gelten hat. Die Tatsache, das factum brutum, als vereinzeltes Objekt ist für das Subjekt etwas völlig Unbestimmtes, eine beziehungslose Äußerlichkeit. So ist der Direktor aus der Fabrik A auf der Straße für den Arbeiter aus der Fabrik B, der die soziale Stellung des ersteren nicht kennt, ein Mensch unter tausend andern. Aber selbst diese allgemeinste Bestimmung "Mensch" ist keine selbstverständliche. Dem Sklavenbesitzer X ist der Sklave Y ein Arbeitsinstrument, das ihm rechtens als Eigentum zusteht, also kein Mensch, sondern eine rein sachliche Kategorie. Die Attribute, die das Menschsein auszeichnen, gelten für den Sklaven nicht, so wenig im ersten Falle das zufällige Zusammentreffen von Arbeiter und Direktor die Attribute der besonderen sozialen Rangstufe berühren. In beiden Fällen ist das factum brutum historisch-gesellschaftlich bestimmt. Während im ersten Falle eine allgemein gewordene Gleichheitsvorstellung den Begriff "Mensch" charakterisiert, ist er im zweiten Falle aus den besonderen Verhältnissen heraus nur eine partikulare Bestimmung. Ebensowenig kennt die absolutistische, "gottgewollte" Ordnung in der hierarchischen Gliederung der Stände für den weltlichen Bereich die allgemeine Gleichheitsvorstellung. Nichts verdeutlicht unser oben gewähltes Beispiel besser als etwa die American Declaration of Independence vom 4. Juli 1776:
"We hold these truths to be self-evident: that all men are created equal.. ."
‚ oder der Artikel I der Deklaration des Droits de l‘Homme et du Citoyen:
"Les hommes naissent et demeurent libres et egaux en droits"
im Gegensatz zu der Auffassung von Aristoteles, der den Sklaven als Teil des Vermögens und als domestiziertes Tier betrachtet:
"Derjenige ist von Natur ein Sklave, der dazu gemacht ist, eines Andern zu sein, oder der nicht anders als verbunden mit einem Anderen, und unzertrennlich von ihm wirken kann. Dies ist aber der Fall alsdann, wenn er nur gerade so viel Verstand hat, um zu begreifen, was der Andere ihm zu thun vorschreibt, nicht so viel, um selbst einzu- [116] sehen, was er thun soll. Ein solcher ist von den Thieren nur insofern unterschieden, als diese nicht durch die Mittheilung der Gedanken eines Anderen, sondern nur durch Empfindungen und Einwirkung auf ihre Sinnlichkeit regiert werden. Auch ist der Gebrauch, den man von solchen Menschen und den man von den Thieren macht, nicht sehr ungleich. Beide, nämlich die Sklaven und die zahmen Tiere, helfen uns zu den Bedürfnissen des Lebens durch ihre körperliche Kräfte und Fertigkeiten." (Aristoteles)*3.4
Faktizität und Logizität sind für Marx nicht mehr einander ausschließende Gegensätze. Das factum brutum erscheint nur unter bestimmten Voraussetzungen - in der entfremdeten, verdinglichten Tätigkeit des Menschen - als extramentales Objekt, als bloße Sinneserfahrung. Der methodologische Ausdruck der Kontingenz des Subjekt-Objekt-Verhältnisses ist der Empirismus. Daß damit kein Auskommen war, haben die theoretisch arbeitenden Empiristen gesehen, und bezeichnend ist David Humes Ausruf:
"Ins Feuer mit allem, was nicht entweder Mathematik oder Bereicherung unseres Wissens um Tatsachen ist"
, worin sich der deduktive Rationalismus der Mathematik mit der kruden Faktizität des Tatsachenwissens mischt, das heißt die zwei Pole, die sich in den Methodenstreiten unversöhnlich gegenüberstehen: Sind die logischen Kategorien begrifflich gefaßte Abstrakta, Abstrakta als wirkliche Kategorien, als Daseinsbestimmungen des gesellschaftlichen Lebens, so sind sie in anderer Form die "empirische" Allgemeinheit dieser Kategorien. Die Empirie ist hier nicht mehr etwas als historisch Individuelles dem Logischen Entgegengesetztes, sondern ein erst in dieser Allgemeinheit gewußtes Besonderes. Das Charakteristische der Partikularität wird erst verstanden, wo es als Partikularität seine größte Allgemeinheit erreicht, wo es seine volle Ausbildung erfahren hat. Das Partikulare wird zum Allgemeinen, es ist das Allgemeine und damit erst auch Partikulares. Das Allgemeine ist ein besonderes Allgemeines. Es ist nicht die abstraktive und zusammenfassende Summe bestimmter Merkmale einer Vielzahl von Besonderen, also nicht die gedankliche abstrakte Verarbeitung wesentlicher Attribute, die verschiedenen Objekten zukommen, zum Allge-

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meinbegriff. Aber die Widersprüchlichkeit besteht auch in diesem Falle, wo das Allgemeine nur die besondere Form eines allgemeinen Inhaltes ist; das Allgemeine ist so auf andere Weise das Besondere, sie hat also die objektiv-historische Bedingung ihres Auftretens in sich. Es muß sich somit als historisch allgemein erweisen, was theoretisch allgemein sein kann. Die begriffliche Reproduktion des Allgemeinen ist nur die bestimmte bewußte Aneignung des wirklich Allgemeinen, des Allgemeinen als objektive Wirklichkeit, als Existenzbestimmung, in dem das historisch Konkrete ist. Die Faktizität seines Daseins ist sein besonderer Inhalt und seine Form die Form dieses Inhaltes. Inhalt und Form ineins als spezifisch Allgemeines eines historisch Besonderen. So sind die Kategorien nicht mehr bloße subjektive Formen des Verstandes, sondern objektive Seinskategorien.

Die Verkehrung des Prozesses in der geistigen Aneignung der Daseinsformen, wie wir schon in der Textkritik erwähnten, vollzieht sich unter anderen Vorzeichen als bei Hegel auch im Empirismus und Positivismus, mit dem Unterschied, daß das, was bei Hegel ins Spekulative gewendet ist, hier im Methodologischen durchbricht. Was sich bei Hegel im Begriff und aus dem Begriff entwickelt, entwickelt sich hier am Gegenstand und nur an ihm, und zwar ungeachtet der Frage, was den Gegenstand zum Gegenstand unserer Betrachtung erst macht. Man sieht ohne weiteres, daß der radikale Dualismus, der die Methode zum reinen Hilfsmittel degradiert und das Problem, wie das Denken zum Sein kommt, ungelöst läßt, weit hinter die Hegelsche Konzeption zurückführt.

3.3. Verdinglichung und Entfremdung

3. Das Subjekt-Objekt-Verhältnis kann in zwei Hauptformen auftreten: Beiden Formen eigen ist die Vergegenständlichung der menschlichen Tätigkeit in einem Objekt. Während aber im ersten Fall das gesellschaftliche Verhältnis als ein persönliches Verhältnis zur Erreichung eines gemeinsamen Zweckes jedem Individuum

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einsichtig ist, erscheint im zweiten Fall das gesellschaftliche Verhältnis als ein sachliches Verhältnis zur Erreichung eines nur individuellen Zweckes innerhalb der Gesellschaft; während die Vergegenständlichung in der ersten Form die unmittelbar bewußte Tätigkeit des Individuums, seine ihm eigentliche Lebensäußerung im Zusammenhang mit andern Individuen ist, ist sie an der andern Form die ihm in einer uneigentlichen Weise bewußte Tätigkeit als notwendiges Diktum seines individuellen Daseins im Zusammenhang mit andern. Beherrscht das Individuum in der unentfremdeten Form seiner Tätigkeit das Objekt, so beherrscht das Objekt in der entfremdeten Form das Individuum. Die Vergegenständlichung in entfremdeter, verdinglichtcr Form bewirkt die Verkehrung der wirklichen Verhältnisse: was ein Verhältnis zwischen Personen ist, erscheint als ein Verhältnis von Sachen. In der Entfremdung sieht Marx eine eigentümliche Form, in der uns die gesellschaftliche Wirklichkeit erscheint. Es ist die Verkehrung der wirklichen Verhältnisse, die illusionäre Vorstellung dieser Verhältnisse, als ein Verhältnis von Sachen. Dieser sachliche Schein, in dem uns die menschlich-gesellschaftliche Tätigkeit erscheint, ist jedoch ein reeller Schein, eine Bedingung der gesellschaftlichen Tätigkeit und Ordnung selbst. Seine Bestimmungen sind reale gesellschaftliche Bestimmungen. Arbeit, die in der bürgerlichen Gesellschaft als Reichtum (in Wertform) schaffende Tätigkeit gefaßt wird, ist in dieser Form ihres ontologischen Charakters entkleidet, das heißt unter den Bedingungen des Kapitalverhältnisses kategorial in der Äußerlichkeit ihres Gegenstandes verobjektiviert. Die Arbeit ist so nur ihrer Erscheinung, nicht ihrem Wesen nach eine Universalkategorie, sie beherrscht in und mit dem Objekt die subjektive Seite ihrer Bestimmung, die als metaökonomisches Faktum andern Fachwissenschaften zugewiesen wird. In der Ökonomie wird die Entität der Arbeit an die Oberfläche verlegt und damit das Wesen mit der entfremdeten, verdinglichten Form identifiziert. Der sachlich äußere Schein wird als volle Wirklichkeit genommen - ungeachtet dessen, daß er nur die in besonderer Weise erscheinende Wirklichkeit ist.

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Die Eigenart des Erkenntnisprozesses liegt für Marx nicht darin, daß sich die Tätigkeit des Individuums vergegenständlicht, nicht in der bewußtseinsmäßig zu erfassenden Zuständlichkeit des Wirklichkeitsbildes als ein außer der subjektiven Tätigkeit liegendes Faktum, als die äußere objektive Wirklichkeit, sondern in der besonderen Vermittlung, in der uns diese Wirklichkeit erscheint. Es ist nicht die unmittelbar logisch gegebene Reproduktion der Daseinsbestimmungen, sondern die aus dem gesellschaftlich-historisch gewordenen Subjekt-Objekt-Verhältnis zu bestimmende Stellung der vermittelnden Glieder des Prozesses, in der uns der Inhalt dieses Prozesses erscheint, die Hauptschwierigkeit des Erkenntnisaktes, Die erste Form, in der sich der Erkenntnisakt präsentiert, als nur logische Reproduktion des Konkreten, glaubt unmittelbar der Gegenstände habhaft zu werden. Ihr Vorgehen versteht sie als Verfahren fortschreitender Approximation. In dieser Form bleibt das Verfahren abstrakt, dem Gegenstand uneigentlich, und daran scheitern sowohl Empirismus wie Rationalismus. Das Denken denkt die Dinge.

Die zweite Form, in der die geistige Reproduktion des Prozesses die besondere Form des gesellschaftlich-historischen Gehaltes ist, wo Form und Inhalt sich in der Einheit des Prozesses bewegen, beinhaltet Empirismus und Rationalismus als zwei Tendenzen, als zwei Seiten des sich in dieser Einheit bewegenden Prozesses. Das Denken ist in den Dingen selbst und als Teil des Dinges denkt es die Dinge. So ist die Identität von Subjekt und Objekt, insofern sie das Erkennen betreffen, gemeint.

3.4. Zur Frage des Gesetzesbegriffes bei Marx

4. Was in der entfremdeten, verdinglichten Form die gesellschaftlichen Verhältnisse bestimmt und beherrscht, erhält den Charakter naturgesetzlicher Notwendigkeit. Das Geschehen erscheint uns als eine unabänderliche, äußere Macht, der wir uns beugen müssen. Wert-, Preis-, Marktgesetze sind unserem bewußten Tun entzogen; wir gehen ihren Fluktuationen bis ins einzelne nach, sind jedoch auf ihren Verlauf einflußlos. In diesem Sinne spricht Marx von den Naturgesetzen der bürgerlichen Gesellschaft.

Aber diese Gesetze sind weit davon entfernt, mechanistische Kausalgesetze zu sein, die nicht nur sinnfremd, sondern auch ausnahmslos absolut sind. In die die gesellschaftlichen Verhältnisse bestimmenden Gesetze ist eingebettet die Aktivität des

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Menschen, der in der bewußten Aneignung der gesellschaftlichen Wirklichkeit diese Wirklichkeit verändert. Aber diese Veränderung geht unter bestimmten Voraussetzungen vor sich, denen sich das Individuum nicht entziehen kann, das heißt: Es ist nicht allein die subjektive Seite des Prozesses entscheidend, sondern in ebenso starkem Ausmaß die objektive. Die bewußte Beherrschung der gesellschaftlichen Vorgänge gestattet wohl, Entwicklungsphasen abzukürzen, nicht aber sie zu überspringen. Die subjektiven Wünsche sind nur insofern realisierbar, als sie im Objektiven die Voraussetzung ihrer Realisierung finden, und zwar die wirkliche, nicht eingebildete.

Da im dialektischen Prozeß dieser historischen Gesetzlichkeit ein Subjekt, ein mit Bewußtsein begabtes Wesen, beteiligt ist, setzen sie sich nie rein durch. Sie sind immer nur - wie Marx bemerkt - "Tendenzen". Die absolute Gesetzlichkeit setzt die bewußtlose Unmittelbarkeit zwischen Subjekt und Objekt voraus. Wenn das Gesetz sich in der Gesellschaft nur tendenziell durchsetzt, das heißt durch gegenwirkende Umstände aufgehalten, verlangsamt oder abgeschwächt wird, so heißt dies wiederum nichts anderes, als daß es die Tendenz hat, sich rein durchzusetzen. Die reine Darstellung des Gesetzes ist eine Vereinfachung, aber eine Vereinfachung, die ihre Voraussetzung in der gesellschaftlichen Wirklichkeit hat, das heißt: Durch alle gegenwirkenden Umstände, Abweichungen, Abschwächungen tendiert das Gesetz, sich auch realiter rein durchzusetzen. Die Wirklichkeit selbst oszilliert um die Mitte dieser reinen, unverfälschten Gesetzlichkeit. Unter diesen Umständen ist es klar, daß keine Modifikation das Gesetz als solches verändern oder sogar aufheben kann. Im Gegenteil: Die Modifikation wird nur verstanden auf Grund des unverfälschten Gesetzes. Es ist dies eines der besten Beispiele, daß sich die Dialektik des Gegenstandes im Bewußtsein wiederfindet.

Es ist bis heute üblich, in den Geisteswissenschaften die Gleichsetzung von Rationaltheorie mit Gesetzeswissenschaft als naturwissenschaftlichen Charakters zu verdächtigen. Die Rationaltheorie konnte sich diesem Vorwurf nicht entziehen, da sie in ihren Modellen den kausalgesetzlichen oder funktionellen Charakter der Beziehungen verallgemeinerte. Damit wurden die gesellschaftlich-historischen Merkmale des Gesetzes vernichtet. Auf der andern Seite behauptet zum Beispiel Spann, daß es für das geschichtliche Verfahren "strenggenommen" weder Preis- noch

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Lohngesetze geben könne, sondern nur "Entwicklungstendenzen oder äußere Regelmäßigkeiten"*3.6 . Schließt, wie Marx betont, der abstrakt-naturwissenschaftliche Materialismus (im Falle der Rationaltheorie: Idealismus) den geschichtlichen Prozeß aus (K, I, S. 389. MEW, Bd. 23, S. 393), so anderseits die geschichtlich-"ganzheitliche" Auffassung den theoretischen Prozeß, das heißt die bewußte Aneignung der Wirklichkeit. Sowohl äußere Regelmäßigkeiten wie Entwicklungstendenzen sind vom allgemeinen Gesetz abgeleitete Formen und ohne das "reine" Gesetz unverständlich. Ich komme nie zur Regelmäßigkeit noch zur Tendenz, wenn ich das Gesetz nicht rein dargestellt habe, denn Tendenz besteht nicht in sich, sondern ist Tendenz zu etwas, Regelmäßigkeit ist nicht Regelmäßigkeit an sich, sondern Regelmäßigkeit von etwas. Die Tendenz hat das Gesetz nicht eliminiert, sondern es bestätigt; das eine ist im andern enthalten, folglich hat das "theoretische" reine Gesetz einen ebenso hohen Wirklichkeitsgrad wie die Tendenz. Die Wissenschaft schwankt zwischen zwei Seiten des Erkenntnisprozesses ohne die entsprechende Vermittlung zu finden: Der Rationaltheoretiker ist bereit, die Wirklichkeit zugunsten des Gesetzes preiszugeben, der Empiriker das Gesetz zugunsten der Wirklichkeit. Das Gesetz hat für Marx keine irgendwie geartete ideale Werthaftigkeit, sondern ist allein ein aus dem historischen Prozeß selbst ausgeschiedenes Mittel.

Ist die Gesetzlichkeit des Wirtschaftsprozesses eine historische Gesetzlichkeit, keine allgemeingültige, von Zeit und Ort unabhängige Gesetzlichkeit, dann ergeben sich zwei grundlegende Konsequenzen:
  1. Das Gesetz kann nicht im Sinne der "reinen" Theorie entwickelt werden. Was als reine Theorie auftritt, ist das hypostasierte Produkt einer Seite des Wirtschaftsprozesses, die in ihm als abstrahierte Tendenz (wenn auch wirkliche) wirksam ist; es ist die verabsolutierte Idealform des Gesetzes.
  2. Das Gesetz hat nur eine beschränkte Gültigkeit für einen bestimmten Abschnitt der gesellschaftlichen Entwicklung. Diese Gültigkeit ist an besondere historische Bedingungen gebunden, mit denen es auch wieder verschwindet.
Die allgemeine Form des Inhaltes der konkreten Wirklichkeit ist das Gesetz nur, wenn die Allgemeinheit selbst eine historische ist, das heißt, wenn das Allgemeine in der Totalität des Prozesses

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wirklich geworden ist. So ist die entwickelte Wertform und das Wertgesetz ein typisches Charakteristikum der kapitalistischen Produktionsverhältnisse, die die Scheidung der Produzenten von ihren Arbeitsbedingungen und die extensive wie intensive Ausbildung der Arbeit als Universalkategorie voraussetzt, das heißt die Form, in der sie als allgemein abstrakt-menschliche Arbeit erscheint. Das Gesetz beinhaltet so die besondere Form, in der das Subjekt-Objekt-Verhältnis historisch auftritt. In der kapitalistischen Gesellschaft ist es die in der Wertform fixierte und entfremdete Sachlichkeit der gesellschaftlichen Arbeit, wobei sich der gesellschaftliche Zusammenhang der individuellen Tätigkeiten erst indirekt auf dem Umweg über den realisierten oder nicht-realisierten Wert auf dem Markte einstellt. Die individuelle Tätigkeit ist von der allgemein gesellschaftlichen geschieden und legitimiert sich erst post festum als gesellschaftliche.

Das Gesetz ist die allgemeine Bewegung des besonderen historischen Inhaltes; die Prämissen, unter denen es Geltung hat, sind die wirklichen Bedingungen des Prozesses selbst.

3.5. Rationalismus und Empirie

5. Wir kommen auf unsere ursprüngliche Fragestellung im ersten Kapitel zurück.
Die rationaltheoretische wie empirische Methode haben immer a priori vorausgesetzt, daß mit ihren Verfahren die Wirklichkeit erfaßt werden kann, ob im absteigenden oder aufsteigenden Näherungs- und Verfeinerungsverfahren. Daß ihre Resultate zum Teil Gültigkeit hatten, lag darin, daß das Denken unbewußterweise in der Sache selbst war, oder, wie es Marx einmal in einem Briefe an Arnold Ruge ausgedrückt hat: "Die Vernunft hat immer existiert, nur nicht immer in der vernünftigen Form" (MEGA, I, 1(1), S. 574. MEW, Bd. 1, S. 345). Die Frage nach dem Wieso dieser Möglichkeit war aber damit nicht gelöst, sondern erst gestellt; der Dualismus, bei allen Versuchen ihn zu überbrücken, blieb grundsätzlich bestehen und so auch das Schwanken zwischen zwei möglichen Seiten, von denen aus der Erkenntnisprozeß vollzogen werden kann. Dem Leser, der das erste Kapitel wieder vornimmt, bzw. die einschlägigen Schriften zu Rate zieht, wird ohne weiteres auffallen, daß die abstrakte, isolierte Darstellung der zwei in Frage gestellten Verfahren gar nicht gelingt. Denn weder will und kann die eine Methode nur rational-theoretisch sein, noch die andere nur empirisch. Der Gegensatz, über den hinauszukommen ist, wird deutlich emp-

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funden, aber nachträglich wieder zunichte gemacht durch den Primat, der der Geschichte oder der Theorie zuerkannt wird.

Der Dualismus kann von der nur-theoretischen Seite her nicht gelöst werden. Das Allgemeine ist nur allgemein, insofern es das Besondere zu seinem Inhalt hat, somit das Allgemeine auf besondere Weise ist; das Besondere ist nur besonders, insofern es das Allgemeine zu seinem Inhalt hat, somit das Allgemeine auf besondere Weise ist. Wenn das eine das andere beinhaltet, dann müssen beide Ausprägungen der Wirklichkeit selbst sein, nicht aber theoretische und praktische Entgegensetzung. Das Allgemeine als Nur-Theorie ist geschichtslos, womit zugleich die Theorie negiert wird, da sie nur Theorie des Besonderen, das heißt der Geschichte sein kann. In dieser Verabsolutierung hebt sich Theorie als Theorie auf, sie wird spekulativ. Das Besondere als Nur-Geschichte ist theorielos, womit Geschichte überhaupt negiert wird, da sie nur Geschichte des Allgemeinen, Vernünftigen, Sinnvollen sein kann. Analog der Theorie hebt sich in diesem Falle Geschichte als Geschichte auf, sie wird zu einem chaotischen Aggregat unzusammenhängender Fakten. Die geistige Reproduktion der Wirklichkeit, die das Allgemeine und Besondere umfaßt und in der sich Subjekt und Objekt als ihr Träger in Einheit bewegen, kann nur die Reproduktion des immanenten Prozesses sein, in dem sich ihr Verhältnis gestaltet.

Keines der beiden oben erwähnten Verfahren kann eine eindeutige Vermittlung von Allgemeinem und Besonderem nachweisen, sondern muß sich letztlich damit begnügen, festzustellen, daß beiden Methoden ein Erkenntniswert zukomme. Gleichzeitig wird aber die Unbestimmtheit des Verfahrens zugegeben. Dies führt zu dem schon erwähnten Schwanken zwischen zwei Polen, die einmal im Real- oder Erkenntnisobjekt zusammen, das andere Mal im Erkenntnissubjekt getrennt erscheinen. Beide Auffassungen wollen Theorie und Geschichte, Allgemeines und Besonderes verstehen und vereinbaren, das heißt gegenseitig vermitteln, bzw. in Übereinstimmung bringen, wobei dann aber im Verfahren, was übereinstimmen soll, getrennt und mit dem Zeichen des Vorranges versehen wird. Ausdruck dieser widersprüchlichen Siiuation ist der Methodenstreit.

Vom Standpunkt des "reinen" Rationalisten oder des "reinen" Empirikers, wie indessen auch vom Standpunkt des nur dem Scheine nach vermittelten Verfahrens, das den Dualismus zwischen Theorie und Geschichte grundsätzlich nicht aufgehoben

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hat, muß die Marxsche Lösung des dialektischen Prozesses der beiden Tendenzen, in der sich das Konkrete als geistig Konkretes bewegt, als spekulativ erscheinen. In diesem Sinne übt Schumpeter seine Kritik, wobei er, wie die Methodologen in der Frage des Verhältnisses von Theorie und Geschichte, ebenfalls eine zwiespältige Position einnimmt, die einzelnen Elemente, die er der Kritik unterzieht, einmal mit positiven, dann wiederum mit negativen Vorzeichen versieht*3.7 . Es wiederholt sich in der Kritik derselbe Mangel an wirklicher Vermittlung, den wir oben behandelten, das heißt die Unentschiedenheit über die problemlösende Methode.

3.5a. Zur Kritik Schumpeters

Auf Grund unserer textkritischen Darstellung und Bearbeitung der Marxschen Methode besteht kein Zweifel mehr darüber, daß gerade die von Schumpeter und anderen als spekulativ bezeichnete dialektische Methode das gesamte Marxsche Werk sowohl an der Analyse wie in den Resultaten bestimmt, allerdings nicht in der Form einer einfachen Übernahme der Hegelschen Dialektik, sondern in der den Dualismus von Denken und Sein aufhebenden materialistischen Dialektik. Was aufgehoben wird, ist - so paradox dies für die Kritiker klingen mag - gerade das spekulative Element der unvermittelten oder künstlich vermittelten Haltungen des Rationalismus und Empirismus. Die Marxsche Kritik an Hegel dringt hier noch viel tiefer: Sie hebt den spekulativen Charakter der Hegelschen Dialektik auf.

Tatsache hat in sich schon die begriffliche Form und die Analyse, das im Begriff sich bewegende Objekt. Die objektive (gegenständliche) Seite ist die schon subjektive (begriffliche) Seite. Keine der beiden Seiten für sich allein ist die Methode, sondern diese ist die gewußte Bewegung, in der sich das Subjekt-Objekt-Verhältnis realisiert; sie ist in bewußter Reproduktion die Sache selbst, das Ineinssein mit dem Gegenstand. Die Dialektik hat eine völlig andere Bestimmung als bei Hegel, woran die Kritik im allgemeinen vorbeisieht. Tatsachenbeobachtung und Analyse sind somit die schon im konkreten Prozeß vorhandene Bewegung des Subjekt-Objekt-Verhältnisses, worin das Subjekt als handelndes Subjekt das Objekt setzt, in Einheit mit ihm ist und anderseits an den objektiven Bedingungen dieses Prozesses seine Schranke findet, was nichts anderes heißt, als daß das subjektive

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Handeln an den objektiven Bedingungen Gegenstand und Möglichkeit seines Handelns hat.

Wissenschaftliche Detailforschung kann der dialektischen Methode nur entgegengesetzt werden, wenn der Gegenstand der Forschung aus der Methode selbst ausgeschlossen ist. Damit wird aber - im zwiefachen Sinne des Wortes - die Methode gegenstandslos. Die Obersätze sind in diesem Falle in sich ruhende, in ihrer Unmittelbarkeit ungeschiedene Aussagen apriorischen Charakters. Es ist weder einsichtig, woher sie ihre Form noch woher sie ihren Inhalt haben. Wo solche Sätze mit dem Anspruch auf Gültigkeit auftreten, sind sie das späte Produkt eines bereits fixierten und entfalteten wissenschaftlichen Begriffsnetzes; sie enthalten implizite, was sie als Voraussetzung leugnen. Was aber hier gegen den spekulativen metaphysischen Charakter der Obersätze ins Feld geführt wird, gilt ebenso gegen den Anspruch, den Rationalismus und Empirismus als problemlösende Methoden erheben. Sie setzen ebenfalls das fixierte Begriffsnetz und den Systematisierungszusammenhang voraus. Darin findet sich auch, was die Wirtschaftstheorie in den Funktionen und Modellen unbesehen als Daten aufnimmt und was sie zur Bestimmung und Abgrenzung ihres Objektes verwendet. So scheidet sie auch bewußt als fachwissenschaftlich verschieden die objektgerichtete Ökonomie von der subjektgerichteten Soziologie, die wirtschaftlichen Beziehungen von den sozialen Beziehungen der Individuen, Gruppen und Klassen. Während der "homo oeconomicus" und der "Arbeiter" in der Detailforschung ihre wissenschaftlichen Dienste verrichten, wird die Kategorie "Proletarier" ans Gebiet der Soziologie verwiesen. Die "weiten soziologischen Zusammenhänge" sind indessen für Marx weiter nichts als auch ökonomische Zusammenhänge, Resultate dieser Zusammenhänge, sie sind die in den Produktionsverhältnissen enthaltenen Beziehungen der Klassen untereinander. Die Klasse ist ein ökonomisches und soziales Phänomen, ihre soziale Bestimmtheit ist die in den Distributionsverhältnissen verankerte ökonomische Bestimmtheit. Für die Klasse gilt, was für die Stellung des einzelnen Subjektes innerhalb der Produktionsverhältnisse gilt. Auf gesellschaftlicher Stufenleiter drücken sich in ihr die Antagonismen in den ökonomischen Verhältnissen aus. Die Klasse ist nichts ohne die ökonomische Struktur der Gesellschaft, die Gesellschaft ist nichts ohne die soziologische Struktur der Ökonomie; die Klasse ist Ursache und Wirkung des Produktionsprozesses.

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Wir müssen feststellen, daß der ungelöste Dualismus von Theorie und Geschichte in der Kritik am Marxschen Standort immer wieder auftritt, sei es als methodischer, inhaltlicher oder philosophischer Einwand. Die Kritik, die ihr eigenes Problem nicht gelöst hat, kann nur schwer den Weg der immanenten Kritik beschreiten und bleibt notwendigerweise sachfremd. Uneingestandenermaßen wird dies zugegeben, zum Beispiel von Schumpeter, wo er für die Kritik als methodisches Richtmaß die detail-wissenschaftliche Arbeit postuliert, sie aber dort preisgibt, wo er von der Zukunft die Lösung des Problems erwartet.

3.6. Über einige Fragen der Methodologie

6. Der Anlaß, den Boden der Philosophie zu verlassen, ergibt sich für Marx aus der Bestimmung der Dialektik als materialistischer Dialektik, als die der Geschichte immanente Bewegung. Damit wird auch die Herrschaft der Form verurteilt, die inhaltliche Leere der Begriffe, Bestimmungen und Systematisierungen.

Nichts ist einfacher aber auch unbestimmter, als die allgemeinste Form eines Prozesses einmal abstrahiert, diese stets wieder dem Gegenstand anzunähern und anzupassen und so wieder die Herrschaft der Theorie über die Geschichte zu statuieren, die ihren inhaltlichen Reichtum und ihre individuelle Gestalt verliert. Der Gehalt verschwindet, die Form ist Form ohne Inhalt. Die als heuristisches Mittel verwendete Abstraktion ist wohl ein denkmögliches Mittel, indessen noch keine bewußte Aneignung, Reproduktion des Geschichtsprozesses mit objektiver Geltung.

Die Theorie kann so nie dem Vorwurf entgehen, vorerst etwas Subjektives zu sein. Will sie erweisen, daß sie das nicht ist, dann setzt sie in den meisten Fällen voraus, was sie erst beweisen muß, nämlich: daß ihr Gegenstand eben Gegenstand dieser Theorie ist, und daß er ohne diese Theorie nichts ist. Damit hat sie aber schon den Gegenstand in sich aufgehoben, das heißt entweder vernichtet und so die Negativität ihres Prinzips enthüllt, oder, wenn sie auf dem Wege ihrer Entwicklung den Boden der Subjektivität verläßt, den Gegenstand als die bewußte Form seiner selbst sich angeeignet. Auf diese Weise hebt sie jedoch ihren Primat auf, beseitigt ihre Äußerlichkeit, ihr nur phänomenologisches Dasein. Die Theorie wird objektiv ein Teil der reellen Geschichte, sie steht in einem inneren Verhältnis zum Gegenstand.

Wirkliche Philosophie erhebt immer und überall einen Totalitätsanspruch, wie Hegel einmal sagt:
"Jede Philosophie ist in sich vollendet und hat wie ein echtes Kunstwerk die Totalität in [128] sich."
Sie kann diesen Anspruch wohl auf ihrem eigenen Boden erheben (in der Systematik), nicht aber verwirklichen, ohne ihn zu verlassen. Zum Beispiel in der Methode. Denn: Wird das Ganze von außen gemacht, so ist es überflüssig nach seinen Voraussetzungen zu fragen, da diese außerhalb des Gegenstandes stehen, den es behandelt. In der Natur der Teile des Ganzen liegt die Voraussetzung seiner Existenz, und so ist nur das Studium dieser Teile, die das Ganze bildende Bewegung. Aber auch das reicht nicht aus, denn es muß gezeigt werden, wie sie ineinander übergehen, sich gegenseitig bedingen, um als Ganzes zu erscheinen.

Totalität ist also stets eine konkrete Bestimmung. Sie im voraus setzen, im voraus etwas als Ganzes erklären, heißt den Weg, auf dem die Totalität zu bestimmen ist, schon durchschritten haben. Das Denken ist das sich des Ganzen schon bewußte Denken, ein Denken, das schon impliziert, was entwickelt werden soll*3.8 .
"Proletariat und Reichtum sind Gegensätze. Sie bilden als solche ein Ganzes. Sie sind beide Gestaltungen der Welt des Privateigentums. Es handelt sich um die bestimmte Stellung, die beide an dem Gegensatz einnehmen. Es reicht nicht aus, sie für zwei Seiten eines Ganzen zu erklären." (MEGA, I, 3, S. 205. MEW, Bd. 2, S. 37; von uns ausgezeichnet. - 0. M.)
Die Kritik der Stellung der Reflexion im Erkenntnisprozeß geschieht vom Standpunkt der gegensätzlichen Bewegung der Momente innerhalb der Totalität. Die Reflexion wird nicht einfach negiert, sondern in einer Weise bestimmt, die die Einheit des Subjekt-Objekt-Verhältnisses bewahrt, das heißt, daß kein geistiger Reproduktionsakt eine unreflektierte Aneignung sein kann, denn als solcher ist er ein bewußtloser Akt ohne begriffliche Bestimmung. Entscheidend für die Reflexion ist die Vermittlung, in der das Subjekt-Objekt-Verhältnis aufgenommen wird. Nach Marx vollzieht sich diese Vermittlung über verschiedene Zwischenglieder, die den wirklichen Erkenntnisprozeß verschleiern. Diese besondere Art der Vermittlung ist gesellschaftlich-historisch bestimmt, in der bürgerlichen Gesellschaft durch die aus der Vorstellung und Anschauung sich lösenden einfachen, abstrakten Kategorien, durch die im Produktionsprozeß in sachliche Beziehungen sich umkehrenden menschlichen Beziehungen (Verdinglichung), durch die aus der ökonomischen Daseinsweise

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entspringenden Klassenideologien. Der logische Charakter des Erkenntnisprozesses ist im historisch-sozialen aufgehoben, ohne indessen zerstört zu werden, da er die objektive Seite und die einzig mögliche Vergegenwärtigung der geschichtlichen Situation ist. Die Reflexion vollzieht sich somit im Rahmen der drei erwähnten Komponenten der Vermittlung, sie ist selbst nur Glied eines historisch bestimmten Erkenntnisprozesses und kein hypostasiertcs Moment der Erkenntnis überhaupt.

Jede schematisierende Darstellung, sei es in graphischer oder mathematischer Form, kann für die Nationalökonomie sinnvoll sein. Sinnvoll jedoch nur unter genauer Prüfung der Prämissen, wobei es nicht genügt, die definitorische Fassung des Begriffes, mit dem gearbeitet wird, nach Inhalt und Umfang zu bestimmen. Die Klarstellung des Woher und Wie des Begriffes geht der Anwendung eines solchen Hilfsmittels voraus. Jede Übernahme eines Begriffes setzt schon einen Systematisierungszusammenhang voraus, ist erst aus diesem Systematisierungszusammenhang für die Erfassung der internen Mechanismen des Wirtschaftsprozesses verwendbar*3.9 . Die Kategorien sind hier der Systematik entnommen. Bei Marx sind es die in Bewußtseinskategorien gefaßten Daseinsformen, Existenzbestimmungen. Alle seine Schemata beruhen auf dieser Voraussetzung, sind nur von daher verstehbar. Der rechnerischen Darstellung der einfachen und erweiterten Reproduktion liegt die Analyse des Wertes, des Preises, des Kapitals zugrunde. Die schematische Darstellung des Zirkulationsprozesses des Kapitals ist ebenso nur eine verkürzte verständlichere Wiedergabe der bereits bestimmten Inhalt-Form-Beziehung des Begriffes. Das deduktive Verfahren ist folgleich kein uno actu einsetzendes Verfahren. Es erscheint nur so, und seine Variationsbreite verleitet einen dazu, diesen Schein für das Wesen zu nehmen. Einer näheren Prüfung kann jedoch dieser Schein nicht standhalten.

Man kann zum Beispiel in einer "verständigen Abstraktion" von der "Wirtschaft" sprechen. Man muß sich aber im klaren sein, warum und in welchem Zusammenhang davon die Rede ist. Es ist der Kontext, der über die Begriffsarmut oder den Begriffsreichtum entscheidet. Die Wirtschaft zur Zeit Ludwigs XIV. oder Loüis Philippes ist schlechthin nur Wirtschaft als begriffsarme,

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bestimmungslose Kategorie (etwa: feudal, feudal-bürgerlich, bürgerlich). Der Begriff ist sozusagen nach zwei Seiten offen:
  1. Er kann im Wortfetischismus erstarren, wobei er verhältnismäßig inhaltlos wird, all seiner konkreten Momente entkleidet, oder er kann
  2. auf dem Wege seines Resultates den Reichtum all seiner Bestimmungen und Beziehungen mit enthalten.
Wird der Begriff im ersten Falle zu einem gebrauchsfertigen Klischee, so setzt er im letzteren einen immerwährenden Denkakt voraus; er entzieht sich somit in diesem Prozeß der Entleerung und bestimmungslosen Abstraktion.

Die Ablösung und Verselbständigung der intellektuellen Arbeit führt zu einem vorwiegend kategoriellen Denken, das die Begriffe als in sich geschlossene, unabänderliche Formen auffaßt. In allen Fällen tritt dann anstelle der zureichenden Entsprechung von Denken und Wirklichkeit der Wortfetischismus, die unmittelbare Identifizierung der logischen Kategorien als Erscheinungsform der Wirklichkeit mit ihrem eigentlichen Wesen.

Die "verständigen Abstraktionen", die Gemeinsames durch die verschiedenen Gesellschaftsformen aussondern, gehören jener Stufe an, wo aus den ökonomischen Kategorien als Abstrakta realer Daseinsformen der wissenschaftliche Systematisierungszusammenhang, in dem sich die entwickeltste Gesellschaftsform - die bürgerliche Gesellschaft - geistig reproduziert, bereits konstituiert ist. Das Verfahren wächst somit aus einer bestimmten historischen Situation heraus und ist darin fundiert. Die verständige Abstraktion ist die allgemeinste Form der bereits vollzogenen Systematisierung, aber auch die Form, die sich ihrer Herkunft nicht mehr bewußt ist und sich gegen ihre Ursprünge kehrt, woraus dann die "Ewigkeit und Harmonie der bestehenden sozialen Verhältnisse" (Kr, S. 218. MEW, Bd. 13, S. 617) leicht bewiesen wird. Dieses Verfahren, das man als denk-ökonomisch abstraktives Verfahren bezeichnen kann, ist eine technische Kunstlehre, die nur auf ihre innere Folgerichtigkeit geprüft werden kann und auch nur darin ihre Rechtfertigung sucht, da sie von den Prämissen aus nur im allgemeinsten Sinn eine empirische Verifikation zuläßt. Marx bemerkt, daß die einzige Hilfe, die uns diese Abstraktionen leisten, darin besteht, daß sie uns die Wiederholung ersparen (Kr, S. 218. MEW, Bd. 13, S. 617)*3.10 . Zur Gewinnung solcher Abstrakta genügt das formal-

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logische induktive Verfahren, das ein rein quantifizierendes, nicht vermittelndes Verfahren ist, ein Verfahren des Zustandes, nicht der Bewegung.

Wenn Marx davon spricht, daß er einen ökonomischen Prozeß abstrakt betrachte, so heißt dies: Er entfernt sich nur so weit von den konkreten Formen, als sie in ihrer Bedeutung für das Allgemeine im Wesen des Prozesses aufgehoben sind (das heißt also nicht vernichtet, sondern im Hegelschen Sinne negiert). In den Begriffen abstrakt - konkret ist keine logisch ausschließende Entgegensetzung zu finden. Die abstrakte Betrachtung entfernt sich nur so weit von der Wirklichkeit, als diese im Reichtum ihrer Äußerungsweisen auf höherer Ebene im Allgemeinen sich wiederfindet und jederzeit den Gang zum Konkreten zurück gestattet. Dieses "Auf- und Absteigen" ist nicht im Sinne eines Korrektivs oder Regulativs gemeint; es liegt ihm nicht eine Zuordnung und Vergleichung zugrunde, die erst noch, um den Konnex konkret - abstrakt evident zu machen, erweisen müßte, wem und wie zugeordnet, was und wie verglichen wird. Wesen und Erscheinung gehen laufend ineinander über und bilden untrennbar die Totalität des Prozesses. Wenn in dem Abschnitt über den Akkumulationsprozeß des Kapitals*3.11 von den spezifischen Formen des Mehrwertes (Profit, Zins, Handelsgewinn, Grundrente usw.) abgesehen wird, so ändert dies, wie Marx bemerkt, weder an der Natur, noch an den notwendigen Bedingungen der Akkumulation etwas (K, I, S. 593. MEW, Bd. 23, S. 590), denn im Mehrwert selbst sind alle Bedingungen des Akkumulationsprozesses zusammengefaßt, und Marx sagt mit Recht:
"Was also bei unsrer Darstellung der Akkumulation unterstellt wird, ist bei ihrem wirklichen Vorgang unterstellt" (K, I, S. 593 MEW, Bd. 23, S. 590)
, und mit Hegel möchte man hinzufügen: denn es ist der Gang der Sache selbst.

2. Anhang : Zwei Lösungsversuche des Verhältnisses von Theorie und Geschichte

Erich Rothacker und Othmar Spann

Der Versuch, den Dualismus von Theorie und Geschichte zu überwinden, soll an zwei ausgewählten Beispielen noch einge-

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hender dargestellt werden. Wir ermessen den Abstand der Rationaltheoretiker und der nur historisch-empirisch verfahrenden Richtung von der eine schlüssige Vermittlung anstrebenden Forschung, wenn wir etwa die Auffassung Eduard Meyers, dessen Schrift "Zur Theorie und Methodik der Geschichte" mit dem Satze beginnt: "Die Geschichte ist keine systematische Wissenschaft"*3.12 , der Auffassung Erich Rothadters gegenüberstellen, der die Meinung vertritt, es gelte den "ontologischen Ort einer theoretisch faßbaren ´Allgemeinheit´ im Individuell-Historischen"*3.13 freizulegen.

Es läge wohl am nächsten, einen Nationalökonomen und nicht einen Philosophen als Kronzeugen unter den Vertretern der verstehenden Methode anzurufen, etwa Werner Sombart und zu unserem Zweck speziell seine umfangreiche methodologische Arbeit "Die drei Nationalökonomien"*3.14 heranzuziehen. Wir können uns dazu nicht entschließen, da die Verengung des verstehenden Verfahrens, wie er es auffaßt, das Urteil Warynskis vollauf bestätigt, daß er im Grunde genommen stets ein Vertreter des Historismus geblieben ist*3.15 , wenn auch mehr in eklektischem als in reinem Sinne. Sombart hat in den "Drei Nationalökonomien" auf die ohne Nachfolge gebliebene Vorwegnahme des verstehenden Verfahrens (wenigstens in seinem Prinzip) als eine immanente Erkenntnisweise durch Giovanni Battista Vico aufmerksam gemacht, vor ihm allerdings schon Max Adler*3.16 und... Karl Marx im "Kapital"*3.17 .

Vico stellt dem naturwissenschaftlichen Cartesischen Prinzip des

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Erkennens ein dynamisches, "verstehendes" entgegen, das heißt, daß wir nicht erkennen können, was die Zwecke und Triebkräfte der uns äußeren Natur sind, wohl aber die Geschichte, da sie nichts anderes ist als das gesellschaftliche Tun des Menschen, ein Schaffensprozeß, an dem wir selbst beteiligt sind. So schreibt er in seiner "Scienza Nuova" (1725)*3.18 ;
"... . je parle de cette vrit incontestable: le monde social est certainement l‘ouvrage des hommes; d‘o il rsulte que l‘on en peut, que l´on en doit trouver les principes dans les modifications mmes de l‘intelligence humaine. Cela admis, tout homme qui rflchit ne s‘tonnerait-il pas que les philosophes aient entrepris srieusement de connatre le monde de la nature que Dieu a fait et dont il s‘est rserv la science, et qu‘ils aient nglig de mditer sur ce monde social, que les hommes peuvent connatre, puisqu‘il est leur ouvrage?"
Vico hat - wenn auch noch im theologischen Gewande des Mitwissens an der in Gottes Händen liegenden Scientia - das Prinzip schon in aller Schärfe herausgearbeitet. Benedetto Croce, dem wir eine ausgezeichnete Darstellung der Philosophie Vicos verdanken, charakterisiert diesen ersten Versuch mit den Worten:
"Die Auffassung der Geschichte wird bei Vico wahrhaft objektiv, frei von göttlicher Willkür, aber ebenso frei von der Herrschaft der kleinen Ursachen und anekdotischen Erklärungen; sie wird sich ihres inneren Zweckes bewußt, der darin besteht, die Verknüpfung der Tatsachen, die Logik der Ereignisse zu verstehen und eine rationale Neuschaffung eines rational Geschaffenen zu sein" (Croce)*3.19
, und bemerkt, zeitbedingt sei nur seine "Hingabe an den Katholizismus" und sein "Festhalten an der platonisch-christlichen Erkenntnistheorie und Metaphysik"*3.20 .

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Die moderne verstehende Geisteswissenschaft würdigt noch die geniale Antizipation Vicos, übergeht aber meist das, was Hegel als Merkmal der Vernunft bezeichnet hat und auch die Radikalisierung und methodologische Neubestimmung dieses Postulates durch Marx. Hegel schreibt:
"Sie (die Vernunft. - 0. M.) sieht in dem Entstehen und Vergehen das Werk, das aus der allgemeinen Arbeit des Menschengeschlechts hervorgegangen ist, ein Werk, das wirklich in der Welt ist, der wir angehören" (Hegel)*3.21
, eine nicht weniger rationalistische Auffassung als die Vicos, da sie die Vernunft, als denkende Vernunft, in der näheren Bestimmung ihres Inhaltes gefaßt und verstanden haben will. Der prinzipielle Gegensatz zwischen genereller und historischer Begriffsbildung, zwischen nomothetischer und idiographischer Wissenschaft tritt hier gar nicht auf, Geschichte ist nur vernünftig und Vernunft nur geschichtlich möglich; der Prozeß, in dem sich die Einheit realisiert, ist ein Prozeß der Durchdringung im dialektischen Fortgang des Ganzen.

a. Erich Rothacker

Den bemerkenswertesten Ansatz zu einer geschlossenen und fundierten verstehenden Methode hat Erich Rothacker unternommen*3.22 .
Rothacker hat die wesentlichen Konsequenzen aus der Immanenz der Erkenntnisweise gezogen. Unser Erkennen ist kein wahlloses Sich-dem-Gegenstande-Zuwenden, sondern ein bereits vorentschiedenes "Interessenehmen", ein noch nicht voll bewußtes Beteiligtsein am Erkennen, aber doch eine Tatsächlichkeit, in der wir uns wissen. Der Erkennende steckt, wie Sombart es ausdrückt, "gleichsam in seinem Gegenstand drin"*3.23 , oder, wie er es paradox und unpräzis (darum irreführend) formuliert: " ..wir erkennen nämlich, indem wir etwas verstehen, nur das, was wir - vorher schon wußten*3.24 ." Rothacker ist exakter, wenn er von der Interessenahme spricht:
"Vor allen konkreten Fragen ist bereits eine Entscheidung über den existentiellen Sinn dieser Fragen, ihre Fragenswürdigkeit bereits gefallen*3.25 ."
Wir

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stehen somit durchaus nicht gleichgültig dem Erkenntnisobjekt gegenüber, wie sehr wir uns auch in der Vorstellung darüber täuschen mögen, und Rothacker hat wiederum durchaus recht, wenn er schreibt:
"... . daß eine Parteinahme gegen das Theoretische zugunsten des Historischen stets und überall mit einem grundsätzlich zu voller Bewußtheit zu bringenden wertenden Vorurteil zugunsten der ´Eigentlichkeit´ und ´Wesentlichkeit´ des Konkreten verknüpft ist" (Rothacker)*3.26
, womit indessen dieses Historische dem Allgemeinen gar nicht entgangen, sondern in einem Kreisschluß wieder enthalten ist: in der Verallgemeinerung des Individuell-Konkreten. Rothacker hätte hinzufügen sollen, daß das historisch behandelte Konkret-Individuelle immer etwas Subjektives bleibt, ein Vor-Wissen, denn ein Wissen ist immer ein objektives Wissen, ein allen zugängliches Wissen, ein Wissen, das aus der Einzelheit herausgetreten ist. Dialektisch gesehen wird, in diesem wirklichen Wissen das Besondere im Allgemeinen negiert, aufgehoben und damit erst nach seinem wirklich individuellen Inhalt hin bestimmt, aber durchaus nicht, wie die Historizisten meinen, etwa vernichtet.

Man denkt unwillkürlich an die Marxschen abstrakten Kategorien, die in einer entwickelten Totalität allgemein werden, wenn man bei Rothacker liest:
"Kulturtatsachen sind... Wirklichkeiten, welche sich selbst ausdrücklich bereits als etwas ´Allgemeines´ geben, und zwar weil ihr Wesen steht und fällt mit einem ihnen mit diesem Wesen zugleich ausdrücklich aufgeprägten typischen Charakter" (Rothacker)*3.27
, und noch deutlicher ist folgender Passus:
"Bei allem Menschenwerk (wobei der Mensch selbst sich Stoff der Gestaltung sein kann) ist das Allgemeine nicht Abstraktionsprodukt, auch nicht subjektiv-kategorialen Ursprungs, sondern zunächst ein Produkt bestimmt gerichteter Gestaltung*3.28 ."
Das heißt nichts anderes, als daß die Abstraktion wirklich ist im Allgemeinen, in dem "Produkt bestimmt gerichteter Gestaltung" und nicht in einer geistig-subjektiven Kategorie. Besonders an einer Stelle wird der Wirklichkeitscharakter des Allgemeinen von Rothacker nachdrücklich unterstrichen:
"Stellt man diesen Gestaltungswillen der geschichtlich schaffenden Kräfte... in Rechnung, so ist die Existenz von Allgemeinem inmitten des historisch Wirklichen nicht mehr so erstaunlich, als wenn es sich nur [136] um eine Anvisierung beliebigen Geschehens auf generelle Züge hin handelte. Selbst ein ´homo oeconomicus´ ist nur so weit eine erkenntnistheoretische Fiktion, als nicht die wirtschaftenden Menschen selbst in mannigfachen Graden faktisch homines oeconomici gewesen sind*3.29 "
Damit wäre der "ontologische Ort einer theoretisch faßbaren ´Allgemeinheit´ im Individuell-Historischen" bestimmt.

Für die Auffindung des ontologischen Ortes des Logos im Wirklichen ist die Rothackersche Lösung des Problems - bei all ihren Vorzügen - nicht eindeutig. Der logische Ort des Allgemeinen im geschichtlich Wirklichen muß auf die Subjektseite hin genauer bestimmt werden. Einerseits geschah dies bei Rothacker durch den Begriff des Interesses, der Interessenahme und wird betont mit den Worten: "... . für die Verwirklichung einer Wissenschaft gehört das Vorhandensein irgendeiner Form innerer Anteilnahme an deren Problemen und Ergebnissen.."*3.30 , ferner: "Keine Wissenschaft ohne eine primäre Interessenahme und ohne Glaube an die Bedeutsamkeit und Wissenswürdigkeit ihrer Ergebnisse*3.31 ." Anderseits bemerkt Rothacker, daß es keineswegs seine Absicht sei, "die Problematik des Allgemeinen und Besonderen ausschließlich auf ´Einstellungen´, ´Vorlieben´, ´Wesentlichkeitsakzente´ zu reduzieren"*3.32 . Das Verhältnis des "Satzes der Sachlichkeit" zum "Satz der Logizität", wie Rothacker es nennt*3.33 , kann also nicht überbrückt und zurückgeführt werden auf einen dritten "Satz der Bedeutsamkeit", womit ja nur ein neues subjektives, in diesem Falle emotional-kontemplatives Moment eingeführt wäre, das das Beteiligtsein am Gegenstand des Interessenehmens unbestimmt läßt. Das Wissen bliebe in der Subjektivität einzelner Momente gefangen. Der Satz der Bedeutsamkeit geht so in den Satz der Logizität über, letzterer baut auf dem ersteren auf, und das alte Problem des Dualismus von Theorie und Geschichte stellt sich von neuem.

Sind "Kulturtatsachen" "Wirklichkeiten"*3.34 , durch menschliches Verhalten geformte Dinge, dann ist ihre Darstellung "der Nachvollzug eines Einheit schaffenden Aktes"*3.35 . "Die Theorie kon-

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struiert hier den objektiven Logos eines sich selbst sinnvoll gestaltenden Verhaltens nach*3.36 ."
Hiermit wäre das Interessenehmen in die Dinge selbst verlegt, der Erkenntnisakt als nur allgemein-logische Schwierigkeit der Reproduktion verstanden, nicht aber die Bedeutung der historisch-besonderen Seite dieses Prozesses nachgewiesen. Daß das "Verstehen" von Max Weber, Rothacker oder Sombart ein anderes ist als das "Verstehen" von Vico, daß sowohl ein negatives wie positives Urteil über den selben Gegenstand (etwa bei Ricardo und Sismondi) einen ebenso großen objektiven, wenn auch relativen Wahrheitsgehalt haben kann, ist damit nicht erklärt. Die Subjektseite befindet sich innerhalb des Erkenntnisaktes selbst wieder in historischer Besonderung, die ihrer Stellung innerhalb der Gesellschaft entspricht. Daß dies nicht erkannt wird, darin liegt die Schwäche der abstrakt-logischen, rationalistischen Auffassung des Erkenntnisprozesses, in der die Dialektik des Prozesses, damit aber auch die Möglichkeit, die Geschichte zu verstehen, vernichtet wird. Die selbe Kategorie kann historisch der Form und dem Inhalt nach zwei Erscheinungen überdecken. So schreibt Marx zum Beispiel in der "Heiligen Familie":
"Die besitzende Klasse und die Klasse des Proletariats stellen dieselbe menschliche Selbstentfremdung dar. Aber die erste Klasse fühlt sich in dieser Selbstentfremdung wohl und bestätigt, weiß die Entfremdung als ihre eigne Macht und besitzt in ihr den Schein einer menschlichen Existenz; die zweite fühlt sich in der Entfremdung vernichtet, erblickt in ihr ihre Ohnmacht und die Wirklichkeit einer unmenschlichen Existenz. Sie ist, um einen Ausdruck von Hegel zu gebrauchen, in der Verworfenheit die Empörung über diese Verworfenheit, eine Empörung, zu der sie notwendig durch den Widerspruch ihrer menschlichen Natur mit ihrer Lebenssituation, welche die offenherzige, entschiedene, umfassende Verneinung dieser Natur ist, getrieben wird." (MEGA, I, 3, S. 206. MEW, Bd. 2, S. 37)
Während die eine Seite ein positives Verhältnis zur Selbstentfremdung hat (was in der Bejahung der gesellschaftlichen Ordnung seinen ideologischen Niederschlag findet), ist das Verhältnis der andern Seite zur Selbstentfremdung ein negatives (was in der Verneinung der gesellschaftlichen Ordnung sich geistig ausdrückt). Die Auffindung des ontologischen Ortes des Logos im Wirklichen hat in dieser Wirklichkeit wieder seinen be-

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sonderen Ort: im Prinzip der Negativität, nicht aber im allgemein-logischen Problem der Selbstentfremdung. Konkret gesprochen im oben erwähnten Fall: Das Proletariat fühlt seine menschliche Natur in der Selbstentfremdung verneint, so daß die Aufhebung dieses Zustandes nur die Aktion des Proletariats sein kann. In diesem Akt wird aber die Selbstentfremdung überhaupt aufgehoben.
Wir sehen, daß die allgemein-logische Kategorie ohne die besondere historische Bestimmung inhaltsleer bleibt.

Das Verfahren Rothackers, das den Anschein erweckt, demjenigen Marx‘ verwandt zu sein, kann als ein Immanenzverfahren statisch-rationalistischen Charakters gekennzeichnet werden*3.37 ; es nähert sich der noch zu kritisierenden Methode Spanns. Auf die Begriffe des Explizierens und Implizierens, des Reflektierens, des Bewußtmachens und auf den Übergang zur Dogmatik als methodologischem Mittel möchten wir an dieser Stelle nicht eingehen, da sie unser Thema nicht unmittelbar berühren und für den besonderen Charakter der Rothackerschen Methode nicht typisch sind. Bezeichnend ist indessen der Begriff des "alle Praxis tragenden Lebensganzen"*3.38 , der Begriff des "Verhaltens"*3.39 und der Begriff des "Rahmens"*3.40 .

Ganzheit, Verhalten, Rahmen sind abstrakte Größen, die die Mittelglieder, die sie konstituieren und bewußtmachen, nicht enthalten, das heißt: es sind denkökonomische Abstraktionen, die, polarisiert, einen absoluten Wert aufweisen. Ganzheit, Verhalten, Rahmen aber sind im Bewegungsprozeß der Glieder impliziert. Der Marxsche Begriff der Totalität ist, wie ausgeführt, ein Begriff des Werdens. Der Begriff des Verhaltens weist auf denjenigen des Rahmens, des Ganzen, der Situation*3.41 , in der sich das Verhalten bewegt. Das Verhältnis eines Subjektes zu einer gegebenen Situation kann aus der Statik nur herausgeführt werden - in der es unvermittelt steht und nicht sinnhaft verstanden werden kann -‚ wenn die Situation als im Objekt-Subjekt-Verhältnis entstandene Objektivität begriffen wird. Dabei

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ist es vollkommen gleichgültig, ob ein bewußtes oder unbewußtes Beteiligtsein des Subjektes mit im Spiele ist.

Aufschlußreich ist das Beispiel des Schachspielers, das Rothacker anführt*3.42 . Wie die meisten Beispiele, die von einem sachfremden Gebiet aus illustrativ auf die Wissenschaft übertragen werden, sagt es zu viel und zu wenig aus. Die Reaktion des Spielers auf eine Situation kann verschieden sein: falsch oder richtig. Und genauso das Verhalten des Menschen in der Gesellschaft. Unsere Kritik ist folgende: Der Schachspieler bewegt sich unabhängig von seiner Reaktion auf die im Spiele geschaffene Situation in einem regelhaft kodifizierten Rahmen mit verhältnismäßig großer Variationsbreite. Die Rationalität des Rahmens, wie der Züge, ob sie positiv oder negativ ausgeführt werden, kann er nicht aufheben. Der Reflex, das Verhalten auf eine Situation wäre somit höchstens vergleichbar etwa mit kinetischen Prozessen innerhalb der Statik, nicht aber mit dynamischen Prozessen, da sich das Gesamt nicht fortbewegt. Im Wirtschaftsprozeß wird aber das Ganze stets neu bestimmt und auch modifiziert. Im Schachspiel ist dieses Ganze eine starre, unabänderliche Norm, die die Voraussetzungen, unter denen die Teile agieren, ein für allemal statuiert. Die Beantwortung der Situation durch den Spieler kann an dieser Norm nichts ändern, und es ist in diesem Zusammenhang auch vollkommen irrevelant, ob sie rationell dem Ziel entspricht oder nicht. Insofern beweist das Beispiel zu wenig.

Das Verhalten des Schachspielers ist ein bewußtes. Er muß die einfachsten grundlegenden Regeln des Spieles kennen, darüber hinaus wird er verschiedene Varianten des Angriffs und der Verteidigung beherrschen. Ob er rationell oder nicht rationell vorgegangen ist, erweist sich im Hinblick auf das Ziel, den König schachmatt zu setzen. Im Wirtschaftsprozeß steht das Individuum ganz anders im "Rahmen"; das Verhalten des Subjektes kann ein Verhalten auf eine ihm nur unvollkommen oder verkehrt bewußte Situation sein. Es empfindet also die Situation als naturgesetzlich (im Sinne von Marx), unabwendbar, fremd. Ist es sich dieser Situation aber bewußt, zum Beispiel als Klasse, so kann seine Reaktion eine diese Situation selbst modifizierende oder gar aufhebende Reaktion sein. Der Produktionsprozeß enthält aber in sich die Voraussetzungen seiner geistig verkehrten

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Reproduktion. Der Spieler jedoch, der eine Figur falsch führt, hat kein falsches Bewußtsein, die Gesetze des Spieles haben sich in seinem Kopfe nicht verkehrt, sondern er handelt in bezug auf das Ziel nicht rationell, dem Zwecke nicht adäquat (was ja auch in der Gesellschaft bei richtigem Bewußtsein eintreten kann); das sind zwei vollkommen verschiedene Dinge. Denn, ob ich die Technik der anzuwendendcn Mittel nicht voll beherrsche, oder ob mir die Gesetze überhaupt nicht oder verkehrt bewußt sind, ist nicht dasselbe. Insofern beweist das Beispiel zu viel.

Das Beispiel geht von der Rationalität des Rahmens und dem richtigen Bewußtsein des Handelnden aus. Er könnte also bei vollkommener Beherrschung der Mittel die Situation adäquat meistern. Von hier verbaut sich Rothacker, der in seinem Aufsatz von Marx ausgeht, den Zugang zum Problem der Ideologie, das letzterer ausdrücklich als falsches Bewußtsein definierte*3.43 . Rothacker kann der geschichtlichen Funktion der Ideologie nicht gerecht werden. Das Problem steht bei Marx im Zusammenhang mit dem Problem der Entfremdung und Verdinglichung (das wir im II. Kapitel behandelt haben). Wie steht es bei Rothacker? Rothacker kann, da er die historische Besonderung des Denkprozesses in eine allgemein-logische Bestimmung der Kategorien auflöst und die Ideologie unmittelbar ohne nähere Unterscheidung mit Theoretik gleichsetzt, die Frage nicht klären, und kann immer nur feststellen, daß die Ideologie eben da sei und wir sie als Faktum akzeptieren müßten*3.44 . Er schließt mit dem Satz:
"Man kann das nicht anders deuten, als daß es der menschlichen Praxis, welche sich diese ideologische Anstrengung auferlegt - mag man über den Erfolg noch so pessimistisch sein -‚ doch um eine ideale Bedürfnisse befriedigende Gestaltung ihres Lebens als ihre zentralste und eigenste Angelegenheit geht.*3.45 "
Und wenn damit auch im wesentlichen die metaphysische Systematik charakterisiert ist, die aus der Transzendenz heraus sich zum immanenten Logos erhebt, nicht die Reflexion des immanenten Logos selbst, wie Rothacker erwähnt, so geht doch beides, wie uns die Analyse von Marx gelehrt hat, aus der Immanenz

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eines einzigen Prozesses hervor, in entfremdeter, ideologischer oder unentfremdeter, logisch-allgemeiner Gestalt.

Wenn für Rothacker die Struktur der Lebenspraxis gekennzeichnet ist durch den Begriff des Verhaltens*3.46 und er das oben dargelegte Beispiel des Schachspiels als eine vereinfachte Form des Lebens bezeichnet*3.47 , das bedeutend mehr Antworten auf die verschiedensten Lebenssituationen zuläßt, so fehlt eben doch das historische Glied, das dem Begriff des Verhaltens einen konkreten Sinn gibt. Nur daraus ist auf die Bedeutung und den Inhalt der typischen Formen des Gesamtverhaltens zu schließen, die Rothacker Lebensgestaltungen, Formen der Lebenshaltung, Lebensstile nennt*3.48 und die für ihn die wahren Unterbauten des historischen Geschehens sind*3.49 . Die undialektische Vermittlung des Denkprozesses läßt immer Raum für Äquivokationen offen. Rothacker will mit Recht die rein mechanische Deutung des Unterbaues ausschalten, erhebt aber dann den im Überbau-Unterbau-Verhältnis gewordenen Lebensstil zum Unterbau des historischen Geschehens. Damit wird der dialektische Prozeß der Vermittlung, der allein eine eindeutige Antwort auf die Frage geben kann, aufgehoben, was übrigens schon eine Folge des nichtgelösten Problems der Ideologie ist.

Wir stehen somit wieder vor dem selben Faktum, das wir anhand des Artikels über "Theorie und Geschichte" kritisierten, vor der Unbestimmtheit der Subjektseite, das heißt vor der Frage nach dem Sinn der Theorie, und stellen fest, daß an verschiedenen Stellen der ontologische Ort des Logos nicht im Wirklichen gefunden, sondern wieder auf sich selbst zurückgeführt wird, besonders da, wo der Sinn des Ideologischen erfaßt werden soll. Die folgenden Sätze aus dem Schlußabschnitt der letzterwähnten Arbeit können nicht anders gedeutet werden:
"Gerade die Unterbauten der ideologischen Überbauten enthalten das ideelle Moment, das die metaphysischen Ideologien allein für sich zu beanspruchen pflegen; als schöpferische Einfälle des Menschen, auf seine Lage zu antworten, erfüllen sie immer zugleich den Anspruch, den Erfordernissen seiner äußeren wie inneren Existenz zu genügen. Sie müssen zugleich sein Leben wie seinen Willen zum Leben erhalten. Und darum suchen und formen alle [142] Kulturen der Erde in der Folge ihrer produktiven Antworten auf Lebenslagen zugleich einen Stil ihres Lebens, in dem zu leben ihr Anspruch auf menschliche Würde sich befriedigt*3.50 ."

b. Othmar Spann

Wir würdigen noch kurz den Spannschen Versuch, die Einheit von Theorie und Geschichte aus dem Begriff der Ganzheit zu begründen*3.51 .

Im Gegensatz zu den von ihm als geschichtslos bezeichneten empiristischen und rationalistischen Auffassungen versteht Spann die Einheit als wechselseitiges Verhältnis ausgliedernder und umgliedernder Bestimmtheiten in einem Ganzen. Nur innerhalb einer solchen Ganzheit ist Sinn und damit auch Geschichte vorhanden. Es ist an dieser Stelle schon einzuwenden: Was in sich sinnvoll ist, kann den Sinn nicht von außen empfangen, sondern setzt ihn selbst. Die Einheit von Geschichte und Theorie aus dem Begriff der Ganzheit begründen heißt, den Sinn dieser Einheit von außen setzen, ihn in das Geschehen als Einheit transponieren. Die Einheit hat sich aus Theorie und Geschichte zu erweisen, sie ist ihr nicht vorgesetzt. Denn in diesem Falle ist sie ebenso geschichtslos wie die Tendenzen, die als empiristische oder rationaltheoretische sich zur Geschichte vereinigen. Ganzheit ist hier - wie wir schon feststellten - weit davon entfernt, das zu sein, was für Marx die im Widerspruch der Gegensätze gewordene und werdende Totalität des Subjekt-Objekt-Verhältnisses ist.

Sinn und Freiheit, die für Spann Voraussetzung der Geschichtlichkeit sind, können allein Produkt dieses Verhältnisses sein. Hat nur der Geist Geschichte*3.52 , dann fehlt ihm der Gegenstand seines Denkens und Handelns, das heißt der Gegenstand seiner Geschichtlichkeit, das Objekt seines Denkens. Sinn und Freiheit werden der Logizität geopfert und damit subjektiviert. Freiheit setzt die schon bewußte Aneignung des Gegenstandes voraus, sie ist Freiheit im Erkennen des Gegenstandes, die bewußte Gestaltung des Subjekt-Objekt-Verhältnisses, das Bei-sich-selbst- und Im-Objekt-Sein des Subjektes, nicht aber die Willkür des sich vom Objekt lösenden Subjektes (was die Aufhebung dieses Verhältnisses wäre).

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Den Begriffen "Freiheit" und "Sinn" legt Spann den sie in einer Einheit zusammenfassenden Begriff der Ganzheit zugrunde. Wie Spann aus seiner Prämisse, daß nur der Geist Geschichte hat, richtig entwickelt, würden Sinn, Freiheit und Einmaligkeit niemals Geschichtlichkeit begründen. "Der echte Begriff der Geschichte ist nur aus dem Begriff der Ganzheit zu gewinnen, in ihm ist das Allgemeine und das Einmalige, das Gesetz und die Geschichte vereinigt*3.53 ." Die Ausgliederung der Ganzheit in systemhafte Teile als Unterganzheiten schließt die Allgemeinheit in sich, die Allgemeinheit, in der sich Sinn, Freiheit und Einmaligkeit vereinigen. Einmaligkeit und Freiheit sind zwei Seiten der Ganzheit. Das eigentliche geschichtliche Geschehen ist nach Spann aber die Umgliederung. "Umgliederung der Ganzheit heißt notwendig, daß in ihr unaufhörlich Neues geschieht"*3.54 und: "Die Geschichte ist die Lehre von der zeitlichen Umgliederung oder Entfaltung der systematisch ausgegliederten Ganzheit*3.55 ." Die räumlich-statische Stufe der Ganzheit, die Ausgliederung, wird hier erweitert zur zeitlich-dynamischen Stufe, zur Umgliederung. Konsequenterweise muß Spann das Formprinzip beibehalten: Die systematische Ausgliederung der Ganzheit verbleibt in ihren Grundlagen, es ändert sich nur ihre inhaltliche Erfüllung*3.56 . Die Ganzheit umgreift also nicht Ausgliederung und Umgliederung, sondern die drei Teile bilden eine Folge:
Ganzheit - Ausgliederung - Umgliederung.
Die Entfaltung des Grundinhaltes, der Ausgliederung, zur Umgliederung ist aus dieser Folge nicht erklärbar, und so bleibt der Satz "Die Wirklichkeit kennt nur Umgliederung"*3.57 ohne Vermittlung durch die die Ganzheit konstituierenden Teile.
"Theorie ist nicht ohne Geschichte, Geschichte ist nicht ohne Theorie denkbar. Geschichte ist nur im Allgemeinen, Allgemeines ist nur im Geschichtlichen*3.58 ."
Wieso kann nun Spann aufgrund dieser Bestimmung und der vorausgegangenen Erklärung nochmals die Frage nach dem Verhältnis von Theorie und Geschichte stellen? Er kann sie nur stellen, weil Theorie und Geschichte nicht als wirkliche Tendenzen eines objektiven Geschehens ver-

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standen werden, sondern nur als reflexive Reproduktion dieses Geschehens. Und es bewahrheitet sich auch, was wir oben feststellten, daß Ausgliederung und Umgliederung nicht in Einheit in der Ganzheit sich finden, sondern als Folge ohne zwingende Vermittlung: "Indem aber Ausgliederung vor Umgliederung ist, ist auch Theorie vor Geschichte*3.59 ." Die Einheit wird nicht verstanden als die aus dem Subjekt-Objekt-Verhältnis geschichtlich wirkliche Einheit von Theorie und Geschichte, sondern als Vorrang des Logischen vor dem Genetischen. Somit ist die Konkretion nicht die Form und Inhalt umfassende Wirklichkeit, in der sowohl Ausgliederung wie Umgliederung ihre Bestimmung erhalten, sondern nur das phänomenologische Bild, das äußere Kleid der systemhaften Allgemeinheit. Das Band, das die Umgliederungsbestimmtheiten mit dem Begriff der ausgliedernden Ganzheit verbindet, ist zerrissen, die Form, in der sich das Denken die Wirklichkeit aneignet, verkehrt. Damit wird aber auch die Geltung des Logischen wieder versubjektiviert und verabsolutiert und, der Sinn der Wechselseitigkeit von Theorie und Geschichte vernichtet.

Die Identität von Allgemeinheit und Besonderheit in der Ganzheit - und nur im Identischen kann Einheit verstanden werden - ist in dieser Weise bestimmungslos. Nicht in ihr schafft sich Ganzheit, sondern die Ganzheit ist bereits vor der Einheit des Allgemeinen und Besonderen konstruktiv-schematisch gegeben. Die Identität, in welcher Form sie auch auftritt, kennt keinen vorbestimmten Rang des Allgemeinen oder des Besonderen. Geht nun Theorie vor Geschichte, so ist die Identität zerstört und die Einheit, in der sich die Identität manifestiert. Die Spannsche Vermittlung ist so nur noch ein Beieinandersein von Ausgliederung und Umgliederung; die Ganzheit bleibt etwas Formales, Unbestimmtes, die qualitätslose Ungeschiedenheit des Begriffes vor jeder näheren Bestimmung.

Dem Scheine nach gehen Ganzheit, Ausgliederung und Umgliederung ineinander über, aber nur dem Scheine nach. In Wirklichkeit sind sie zueinander komplementär, das heißt sich entsprechende Glieder. Kennt die Wirklichkeit nur Umgliederung, so ist sie einerseits der notwendige besondere Inhalt, anderseits die transitorische Form der Ausgliederung und der Ganzheit. Es ist bei Spann die Form, die unentwegt mit dem Inhalt in

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Konflikt gerät, das Subjekt mit dem Objekt. Wo eine Lösung sich anbahnt, schlägt das Ganze ins Subjektiv-Spekulative zurück, das Objektiv-Geschichtliche geht im Reflexionszusammenhang der deduktiv gewonnenen Kategorien verloren. Niemals erweist sich so das Logische als das Historische, das Allgemeine als das Besondere, ebensowenig kann das Bild der Ganzheit aus dem Verhältnis der kategorialen Formen, wenn sie nicht als Existenzbestimmungen begriffen werden, entstehen, denn Ganzheit ist die immer wandelnde Form der sich entfaltenden Existenzbestimmungen.

4. Das Verhältnis von Wirtschaftstheorie und Wirtschaftsgeschichte

4.1. Prozessuale Einheit von Theorie und Geschichte

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Wir haben gesehen, daß fiir Marx die logischen Kategorien geschichtliche Kategorien sind, Kategorien der Wirklichkeit. Sind sie das, dann ist die Erzählung über historische Begebenheiten mit der Wirtschaftstheorie verknüpft, und nur so ist Wirtschaftsgeschichte als Geschichte des Gegenstandes, als immanente Geschichte möglich. Es verbinden sich in ihr die rationaltheoretische und die empirisch-historische Seite. Die logischen Kategorien als Daseinskategorien sind die theoretisch-historisch verarbeiteten Formen des wirklichen Ganges der Geschichte.

Sondert man aus der Wirtschaftsgeschichte die Wirtschaftskunde aus, dann nimmt diese eine Mittelstellung ein. Sie ist das Besondere zum Allgemeinen der Wirtschaftstheorie und zum Einzelnen der Wirtschaftsgeschichte. Letztere bedient sich dann
  1. der Wirtschaftskunde,
  2. der Wirtschaftstheorie.
Die Wirtschaftsgeschichte als Erzählung beschreibt Wirtschaftsgeschichte als reellen Vorgang; die Wirtschaftskunde liefert ihr die besonderen "zufälligen Fakten", die Wirtschaftstheorie die allgemeinen Gesetzlichkeiten. Als objektive Geschichte impliziert sie Fakten und Theorie.

Die Theorie ist, was wir verschiedentlich schon vermerkt haben, zunächst etwas phänomenologisch Subjektives. Verknüpft sie sich mit dem objektiven Moment, dem factum brutum, das heißt der Wirtschaftskunde, so wird sie zur objektiven Theorie als Teil der reellen Geschichte und der Gegensatz zwischen Theorie und Geschichte ist aufgehoben, überwunden. Im ersten Fall bleibt die Theorie rein subjektiv und in einer nur äußeren Verknüpfung zum factum brutum. Ebenso die Wirtschaftsgeschichte, die Anspruch erhebt, keinerlei theoretischer Hilfe zu bedürfen. Sie bleibt als historia rerum gestarum eine subjektive Leistung, und es fragt sich immer, ob sie den res gestae entspricht, der Wirklichkeit selbst. In der inneren Verknüpfung, die nicht nur subjektiv, sondern auch objektiv ist, die zum factum brutum selbst

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gehört, ist Wirtschaftsgeschichte als historia rerum gestarum der gedankliche Ausdruck der res gestae, und zwar gedanklich, weil die Geschichte in dieser Darstellung erst auf einer gewissen Höhe der reellen Entwicklung möglich ist. Auf diese Weise ist die Darstellung in einem logisch und geschichtlich, das heißt, sie ist die interdpendente und sich durchdringende Bewegung des Subjekt-Objekt-Verhältnisses selbst, die prozessierende Bewegung des Stoffes, den sie sich zum Vorwurf genommen hat.

Ist die Verknüpfung nicht immanent, ist sie nur äußerlich, so haben wir in beiden Fällen, in der Wirtschaftstheorie und in der Wirtschaftsgeschichte, rein subjektive Leistungen vor uns, worüber niemand gültig befinden kann, ob sie die wissenschaftlich strenge Erfassung der res gestae darstellen. Wissenschaft aber beansprucht objektive Geltung.

Sind die wirtschaftstheoretischen logischen Kategorien empirische Allgemeinheiten, dann umfassen sie das Besondere des wirtschaftshistorischen Inhaltes in geistiger Reproduktion. So geht Theorie ständig in Geschichte über, Geschichte in Theorie, beide sind zwei sich durchdringende Tendenzen eines einzigen objektiven Prozesses. Jede Seite enthält in sich ihren Gegensatz, ist in der sie zusammenfassenden Einheit mit ihm behaftet. Die historischen Entwicklungen und wirtschaftskundlichen Belege des "Kapitals" sind nicht willkürliche Beigaben zu den theoretischen Teilen, sondern die konkretisierende Kehrseite der abstrakten Darstellung, es ist das diskursive Beieinandersein und Ineinandersein der konkret-abstrakten Bestimmungen in der Einheit.

Die Frage der Vermittlung von Wirtschaftstheorie und Wirtschaftsgeschichte geht hinter den Einwand zurück, daß sie als wissenschaftliche Teildisziplinen Existenzrecht haben. Dies ist durch unsere Entwicklung nicht bestritten, sondern darin enthalten, wenn beide Seiten nicht als sich ausschließende Momente gesehen werden. Der didaktische Wert einer solchen Trennung ist nicht fragwürdig, wird aber verhängnisvoll, wenn damit gemeint ist, eine Einheit des Systematischen und Historischen bestehe nicht und es handle sich um zwei grundverschiedene, wenn auch sich ergänzende Typen der Erkenntnis.

Die methodologische Untersuchung ergibt, daß die Stellung der Wirtschaftsgeschichte innerhalb der Wirtschaftswissenschaft nicht die Stellung einer Hilfswissenschaft sein kann. Wo sie als solche auftritt, vermeint sie rein empirisch-deskriptiven Charakters zu sein, oder sie tritt auf als eine Mischung von beschreibender

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Geschichte - also schon theoretisierender Geschichte - und Wirtschaftskunde und soll den besonderen Zwecken der Theorie dienen. Damit ist indessen das Verhältnis als das Verhältnis zweier sich ausschließender Bestandteile bestimmt: eine contradictio in adjecto. Derselbe Vorgang ist auch umkehrbar: Von der Wirtschaftsgeschichte aus gesehen, kann die Theorie ebenfalls in den Rang einer Hilfswissenschaft versetzt werden*4.1 ; sie liefert das rational-theoretische Werkzeug. Und das Problem des Verhältnisses von Theorie und Geschichte stellt sich von neuem.

Für Marx, dem die politische Ökonomie eine Wissenschaft ist, sind Wirtschaftstheorie und Wirtschaftsgeschichte zwei Momente eines in der Einheit sich vollziehenden Prozesses. So findet er keinen Grund, explizite der einen oder andern Disziplin, der einen oder andern Darstellung den Vorrang zu geben oder etwa nur alternierend in der formalen Gliederung Theorie und Geschichte zu verwenden: dies widerspräche der dialektischen Entwicklung.

Die Einteilung der Fachwissenschaft und die Gliederung der Teildisziplinen ist äußerlich gesehen ein rein logisches principium divisionis oder, wie Rickert einmal bemerkt: der Unterschied von Theorie, Geschichte und Philosophie beruhe auf dem Unterschied der Begriffsbildung. Begriffsbildung ist für Marx - wie wir wissen - die Aneignung wirklicher Kategorien in geistiger Reproduktion und ihre Bewegung im Fortgang des Prozesses die theoretische Darstellung. Die Abgrenzung der Wissenschaften und ihrer Teildisziplinen ist nicht das Resultat eines äußeren material-formalen Prinzips, sondern eine der Dialek-

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tik des Gegenstandes entsprechende Vergegenwärtigung. Das besondere Verhältnis der Teildisziplinen der Fachwissenschaften findet sich im allgemeinen Verhältnis von Theorie und Geschichte, wobei die Philosophie der entfremdete Ausdruck des nicht bewältigten Verhältnisses von Theorie und Geschichte ist, die in Gedanken gefaßte illusionäre Überwindung des Gegensatzes. Aber die Wirklichkeit erträgt keine systemhafte Reduktion, die Anspruch auf Geschlossenheit erhebt; sie trägt in sich selbst den Widerspruch jeder formalen Lösung.

Theorie und Geschichte sind die zwei jede Wissenschaft auszeichnenden Komponenten, zu denen sich die Teildisziplinen der Fachwissenschaften vereinigen; es sind die im Verhältnis des Logischen und Historischen konkret gestalteten Differenzierungen der Beziehungen der Menschen zur Natur und zu der Gesellschaft. In den Hilfs- und Grenzwissenschaften wird immer wieder das Band sichtbar, das den gesamten Bereich der Wissenschaften in universeller Abhängigkeit hält. Und es ist nicht von ungefähr, daß meist Zeiten wirtschaftlichen, sozialen und geistigen Umbruchs Zeiten universell veranlagter Geister waren: so die Renaissance, so die Zeit um die Französische Revolution. Was in relativ ruhigen Epochen der Entfaltung einer neuen Ordnung auseinanderfällt, in Gegensatz zueinander tritt, ist an ihrem Ausgang in einem Brennpunkt vereinigt. Es genügt, an Leonardo da Vinci, an Michelangelo oder an Hegel und an Goethe zu erinnern.

Der historische Charakter der logischen Kategorien wird durch ihren Standort in der gesellschaftlichen Entwicklung aufgewiesen. Der Nachweis ist indessen ein vermittelter und nicht ein unmittelbarer, denn die unmittelbare Identität von Logik und Geschichte schlösse jede Rückwirkung im Fortgang des Prozesses aus und würde das Bewußtsein oder die Wirklichkeit zur Funktionslosigkeit verurteilen. Diese Mittelbarkeit weist im Prozeß der geschichtlichen Entwicklung verschiedene Ausprägungen auf. In diesem Sinne betont Max Raphael mit Recht, daß der Marxismus nur eine Wissenschaft kenne: die Geschichte*4.2 , wobei selbstverständlich alle Einschränkungen zu beachten sind,

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die sich aus unserer Analyse ergeben haben, das heißt um unser Beispiel aus der "Problemstellung" wieder aufzunehmen: die geschichtliche Entwicklung als die vektorielle Summe, als die Resultante von Empirie und Rationaltheorie.

Was erst auf einer gewissen Höhe der geschichtlichen Entwicklung - wie Marx in der "Einleitung zur Kritik der politischen Ökonomie" bemerkt - möglich ist, weist auf die Standortgebundenheit*4.3 des Denkens hin. Aus unserer Arbeit geht hervor, daß Marx deren zwei unterscheidet:
  1. Allgemeine Standortgebundenheit Erst auf einer bestimmten Stufe der geschichtlichen Entwicklung erschließt sich uns das Geheimnis der früheren Stufen, und zwar nicht etwa weil wir höher stehen und weiter blicken als dies vordem möglich war, sondern weil die Gegenwart, als das für das geschichtliche Verständnis Ursächliche, uns den Schlüssel zum Schrein der Vergangenheit in die Hand legt, denn die Gegenwart ist Resultat und rückblickend der Weg, auf dem sie geworden ist*4.4 .
  2. Besondere Standortgebundenheit Subjektive und objektive Faktoren der Klassenzugehörigkeit des erkennenden Subjektes entscheiden über den Aspekt unter dem Geschichte gesehen und Theorie gebildet wird, das heißt, das Individuum ist nicht unabhängig von dem besonderen sozialen Milieu, dem es zugehörig ist oder sich zugehörig fühlt. Wenn auch Einzeldurchbrüche von Klasse zu Klasse immer wieder gelingen - was der Marxismus nie in Abrede gestellt hat -‚ so bleibt doch die bestimmende Rolle der "reinen" Vertreter des Klassenstandpunktes, ungeachtet eklektischer Kompromisse, bestehen. Die objektiven Bedingungen sind stärker als das subjektive Wollen des einzelnen.
Daß 1. und 2. als allgemeine und besondere Form in dialektischer Wechselwirkung und Durchdringung stehen, ist für den Prozeß der Ideologiebildung von Wichtigkeit und gibt uns Aufschluß über die Beurteilung der Vorläufer Marx‘ durch diesen.

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Man darf in einem weiteren Sinne behaupten, daß die Analyse der kapitalistischen Gesellschaft den Schlüssel für das Rätsel jeder Klassengesellschaft liefert und daß künftige Geschichtsschreibung es mit einem andern Typus von Geschichte zu tun haben wird. Auf diese Weise sind auch die Marxschen Worte zu deuten, daß mit der kapitalistischen Gesellschaft die Vorgeschichte der Menschheit aufhöre.

4.2. Zur Frage der Ideologie

Insofern die Methodologie im Zusammenhang mit der Frage der Ideologiebildung*4.5 im Vordergrund steht, ist folgendes zu bemerken: Man hat die Marxsche Methode, die das Verhältnis von Theorie und Geschichte bestimmt und woran sich erweist, was an Ideologie aus der bewußten Gestaltung dieses Verhältnisses entspringt, das heißt, was an historisch entfremdeter Systematisierung die unbewältigten Widersprüche in der gesellschaftlichen Entwicklung zu überbrücken hat, dem von Mannheim in die soziologische Forschung eingeführten Begriff des "totalen Ideologieverdachtes" unterworfen. Dagegen ist einzuwenden: Die Methode ist aus dem immanenten Prozeß des Gegenstandes gewonnen, das heißt aus der Durchdringung und dialektischen Bestimmung seiner allgemeinen und besonderen Seiten. Es kann aber nicht von vornherein im Sinne einer Relativierung historisiert werden, was im Prozeß einer spezifischen Entfaltung historisch ist und wird. Die Methode erhält in diesem Falle eine abstrakte Bestimmung und wird mit der Ideologie identifiziert, womit diese zu einer ebensolchen Abstraktion wird. Methode und Ideologie sind dann unabhängig geschichtlicher Konkretionen immerwährende Phänomene einer ununterbrochenen Folge von Selbstrelativierungen: Der Gang der Geschichte wird zum Produkt dieser Historisierung, die, verabsolutiert, metahistorischen Charakter hat. Will Mannheim von hier aus den Standpunkt Marx‘ entkräften, dann bewegt er sich in einem Kreis, der seinen eigenen Standpunkt, von dem aus das Urteil gefällt wird, ebenso in Frage stellt*4.6 . Hierzu schreibt Alfred

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Meusel:
"Die Behauptung, daß Marx und Engels ihre Lehre von der Bestimmtheit des Bewußtseins durch das gesellschaftliche Sein nur als Waffe gegenüber dem Denken ihrer Gegner gebraucht, nicht aber auf ihr eigenes Denken bezogen haben, bedeutet eine Verkennung des Wesens der Marxschen Erkenntnissoziologie. Nicht das macht eine Anschauung zur ´Ideologie´ im speziellen Sinne des falschen Bewußtseins, daß sie überhaupt an einen bestimmten Standort geknüpft ist, sondern vielmehr, daß sie an einen solchen geknüpft ist, von dem aus es nicht möglich ist,- die gesellschaftliche Totalität erkennend zu verwandeln, verwandelnd zu erkennen, dem also notwendigerweise die Bewährung am Kriterium der Praxis versagt bleibt*4.7 ."
Auch Georg Lukács kommt in seinem neuesten Buch über den jungen Hegel*4.8 auf diese Frage zu sprechen. Er schreibt:
"Die vulgärsoziologische Betrachtung der Geschichte geht davon aus, daß jede historische Erscheinung vollständig erklärt ist, wenn ihre soziale Genesis aufgedeckt ist.*4.9 "
Und an anderer Stelle:
"Im Laufe der historischen Entwicklung werden auf den verschiedensten Gebieten absolute Wahrheiten errungen, deren Entstehung zwar immer historisch bedingt ist, deren Wesen jedoch niemals auch durch die genaueste Kenntnis und Ableitung ihrer historischen Genesis erschöpft werden kann*4.10 ."
Diese Präzisierungen sind

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notwendig, um die besonderen Merkmale des Marxschen "Historismus", somit auch das Verhältnis von Wirtschaftstheorie und Wirtschaftsgeschichte, zu verstehen.

Ideologie und Nichtideologie stehen in gesellschaftlich entfremdeten Verhältnissen in einem dialektischen Zusammenhang. Ideologie hat für Marx keinen absoluten Wertgehalt. In unentfremdeten gesellschaftlichen Verhältnissen besteht keine Möglichkeit der Ideologiebildung, das Bewußtsein des Menschen ist ein diesen Verhältnissen als menschlichen Verhältnissen adäquates Bewußtsein, ein sich nicht verkehrt widerspiegelndes Bewußtsein. Zwischen Sein und Bewußtsein, zwischen Theorie und Praxis drängen sich keine den Erkenntnisprozeß verschleiernden Glieder. In entfremdeter Form ist aber nicht alles Ideologie. Und es ist auch Marx nicht entgangen, daß in bejahendem Falle die Ohnmacht des Bewußtseins bewiesen und nicht einsichtig wäre, in welcher Weise es an der Veränderung der ihm grundsätzlich fremden Wirklichkeit teilnehmen könnte, da ihm der Zugang zu dieser Wirklichkeit auf Grund seines falschen Bewußtseins verschlossen ist, sein Handeln folglich seinsinadäquat.

Im Verhältnis der allgemeinen zur besonderen Standortgebundenheit liegt für das Individuum, das einer bestimmten Klasse angehört, die Chance, die Wirklichkeit in den ihr entsprechenden Gesetzen zu erfassen. Der geschichtliche Prozeß selbst führt zu diesem point crucial, an dem sich die Lösung des Geheimnisses anbahnt. Als Beispiele haben wir schon erwähnt:
  1. daß die Entfremdung, der alle Glieder der Gesellschaft unterworfen sind, die Klassen dieser Gesellschaft in verschiedener Weise trifft, daß der Kapitalist sich darin bestätigt, der Arbeiter als Mensch negiert fühlt;
  2. daß erst auf einer bestimmten Stufe der Entwicklung, wo die bestimmenden Elemente der kapitalistischen Produktion intensiv und extensiv ausgebildet sind, National-

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    ökonomie als strenge Wissenschaft möglich wird, das heißt wo diese, nach erarbeiteter Nomenklatur und entwickeltem Begriffsnetz, auf Grund der entwickelten Widersprüche innerhalb der Produktion, wenn auch nur sporadisch, zur Kritik der bestehenden Verhältnisse übergeht. Wir haben hier ein Beispiel von besonderer und allgemeiner Standortgebundenheit.
Marx sieht von diesem Aspekt aus die Vorzüge und Mängel seiner Vorgänger. Seine Kritik ist zweiphasig: sie weist auf die historischen Schranken und auf logische Unzulänglichkeiten hin (vgl. die "Theorien über den Mehrwert").

4.3. Verhältnis zur Historischen Schule (Recht und Nationalökonomie) und zu den Klassikern

Marx hat zu seiner Zeit an verschiedenen Strömungen den Gegensatz von Empirie und Rationalismus miterlebt und es lohnt sich, wenn auch nur kursorisch, darauf einzugehen: an der Historischen Rechtsschule, an der älteren historischen Schule der Nationalökonomie, an den Klassikern der Nationalökonomie. Entscheidend als Ansatz seiner originellen Leistung und grundlegenden Kritik sind ihm Hegels "Grundlinien der Philosophie des Rechts", die "Phänomenologie des Geistes", die "Wissenschaft der Logik" und die englischen Klassiker. Also gerade nicht die Empiristen. Aber im Fortgang der Arbeit sieht Marx das Mangelhafte seines Ansatzes ein und begreift, daß die Objektivität der Rationaltheorie nur möglich ist, wenn sie die Empirie in sich aufgenommen hat; damit ist aber die Rationaltheorie nur noch eine Seite des in Einheit verlaufenden Prozesses. Von den Klassikern her geht Marx an die detaillierte Analyse des kapitalistischen Produktionsprozesses. Schon Hegel hatte in seiner Rechtsphilosophie darauf hingewiesen, daß die
"Staatsökonomie" (Paragraph 189)*4.11
, wie er sie nennt,
"dem Gedanken Ehre macht, weil sie zu einer Masse von Zufälligkeiten die Gesetze findet"
, in ihr
"der Gedanke (s. Smith, Say, Ricardo) aus der unendlichen Menge von Einzelheiten, die zunächst vor ihm liegen, die einfachen Prinzipien der Sache, den in ihr wirksamen und sie regierenden Verstand herausfindet."
Marx hat an der Masse der Zufälligkeiten, an den historischen Besonderungen das Gesetz als nicht nur theoretisch allgemeingültiges, subjektives, sondern in

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der die Allgemeinheit historisch beinhaltenden Konkretion entwickelt. Die Totalität ist das sich in dieser Gesetzlichkeit bestimmende Verhältnis der herrschenden Kategorien und nicht der abstrakte Ganzheitsbegriff der Romantiker. Sowenig wie Hegel Romantiker war, sowenig sind bei Marx romantische Einflüsse bemerkbar. Die Meinung Monnerots:
"Grace a l‘historisme et au sentiment de la singularite des atres qu‘il doit, comme Hegel, au romantisme, Marx aura une notion complexe de la societe dans l‘histoire, lieu geometrique et champ de bataille des activites humaines" (Monnerorts)*12
kann mit den Worten Marx‘ widerlegt werden:
"Auf früheren Stufen der Entwicklung erscheint das einzelne Individuum voller, weil es eben die Fülle seiner Beziehungen noch nicht herausgearbeitet und als von ihr abhängige gesellschaftliche Mächte und Verhältnisse sich gegenübergestellt hat. So lächerlich es ist, sich nach jener ursprünglichen Fülle zurückzusehnen; so lächerlich ist der Glaube, bei jener vollen Entleerung stehnbleiben zu müssen. Über den Gegensatz gegen jene romantische Ansicht ist die bürgerliche nie herausgekommen und darum wird jene als berechtigter Gegensatz sie bis an ihr seliges Ende begleiten." (Marx)*13
Diese Absage an die zeitgenössischen romantischen Auffassungen läßt keine Bedenken offen. Der konservative, im Grunde genommen unhistorische, einem statischen Idealbild verpflichtete "Universalismus", der die Verewigung einer "organisch" gewachsenen Standes- und Arbeitshierarchie in sein Programm aufgenommen hatte, der nach rückwärts gerichtete Blick auf die mittelalterliche Ordnung, die radikal antiliberale Haltung und die Verflechtung mit den reaktionären Kräften der Zeit waren Marx, der in liberaler Umgebung aufgewachsen und in seiner Tätigkeit an der "Rheinischen Zeitung" mit ihr besonders verbunden war, zuwider. Marx lebte in den anti-preußischen, freiheitlichen Traditionen des Rheinlandes, das unter napoleonischer Herrschaft eine wirtschaftliche Blütezeit erlebte, dessen soziale Struktur eine Umschichtung nach republikanischem Muster erfuhr und dessen Bürgertum sich auf dem

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Wege der Emanzipation befand. Für die Romantik war dieser Zustand ein gefährliches Produkt der Aufklärung, deren Ideen sie ebenso ablehnte wie - nach anfänglich begeisterter Zustimmung - die der Französischen Revolution. Daß eine eigentlich geschlossene romantische Nationalökonomie nicht entstand, ist verständlich, da die Romantiker (zum Beispiel Adam Müller) im Liberalismus nur ein negatives Prinzip sahen: die Auflösung der Gesellschaft in eine Summe von Teilen, die Versachlichung der menschlichen Beziehungen, den Verlust an Menschsein. Die Kritik nach der positiven Seite hin erweitern, hieß aber die revolutionären Tendenzen des Liberalismus entdecken, seine progressive Rolle als Überwinder der alten feudalen Gesellschaft sehen, deren geistige, soziale und ökonomische Struktur mit den durch die industrielle Revolution am Ende des 18. Jahrhunderts befreiten gesellschaftlichen Kräften unvereinbar geworden war. Die Romantik begab sich, wenn sie kritisierte, immer mehr und mehr nur auf den Boden des negativen Prinzips und wurde ideologisch zu einer Stütze des Absolutismus, zum Verbündeten der Metternichschen Reaktion. Welche Rolle zur Zeit der Restauration ihr politischer Zweig gespielt hat, ist zur Genüge bekannt.

Marx hatte mit der Romantik keine Berührungspunkte, von denen auf eine Beeinflussung geschlossen werden könnte. In den Sommerferien 1839 kam er nach Trier, wo er Bettina von Arnim*4.14 (geborene Brentano), der "Sibylle der romantischen Schule" begegnete. Über diese Begegnung ist jedoch nichts Näheres bekannt. Marx wird wohl mehr von ihren radikal liberalen Gedanken, von ihrer Sympathie zum Jungen Deutschland als von ihren romantischen Ideen angezogen worden sein. Ideen-geschichtlich ist keine Anknüpfung nachweisbar; Marx lehnt das Gedankengut der Romantik ab, und was "mon ami Heine" - wie er ihn nannte - in einer glänzenden Satire an der romantischen Schule geißelt und boshaft parodiert, teilt er voll und ganz. Das Antimanchestertum Adam Müllers sieht er darin, daß dieser die Staubwolken der Oberfläche betrachte und dies Staubige anmaßlich als etwas Geheimnisvolles und Bedeutendes ausspreche. Marx‘ Urteil über die Romantik wird noch bestärkt durch seine Stellung zu den "Positivisten" seiner Zeit, zur Historischen Rechtsschule, die sich gegen den gesetzgeberischen Rationalismus der Aufklärung wendete. In einem Artikel der "Rheinischen

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Zeitung"
vom 9. August 1842, "Das philosophische Manifest der Historischen Rechtsschule", der sich gegen Gustav Hugo richtet, indirekt aber Savigny meint, charakterisiert Marx diese Schule folgendermaßen:
"Die Historische Schule hat das Quellenstudium zu ihrem Schiboleth gemacht, sie hat ihre Quellenliebhaberei bis zu dem Extrem gesteigert, daß sie dem Schiffer anmutet, nicht auf dem Strome, sondern auf seiner Quelle zu fahren, sie wird es billig finden, daß wir auf ihre Quellen zurückgehen, auf Hugos Naturrecht. Ihre Philosophie geht ihrer Entwicklung voraus, man wird daher in ihrer Entwicklung selbst vergeblich nach Philosophie suchen." (MEGA, I, 1(1), S. 251. MEW, Bd. 1‚ S. 78)
Dieser "Historismus" ist die prinzipienlose Rechtfertigung des Bestehenden, nur weil es ist, ungeachtet dessen, ob es vernünftig ist.
"Wenn das Positive gelten soll, weil es positiv ist, so muß ich beweisen, daß das Positive nicht gilt, weil es vernünftig ist, und wie könnte ich dies evidenter als durch den Nachweis, daß das Unvernünftige positiv und das Positive nicht vernünftig ist? daß das Positive nicht durch die Vernunft, sondern trotz der Vernunft existiert? Wäre die Vernunft der Maßstab des Positiven, so wäre das Positive nicht der Maßstab der Vernunft." (MEGA, I, 1(1), S. 252. MEW, Bd. 1‚ S. 79)
Und Marx schließt folgende historische Charakterisierung an:
"Ist... Kants Philosophie mit Recht als die deutsche Theorie der französischen Revolution zu betrachten, so Hugos Naturrecht als die deutsche Theorie des französischen ancien regime." (MEGA, I, 1(1), S. 254. MEW, Bd. 1‚ S. 81)
In der "Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie" apostrophiert er nochmals die Historische Rechtsschule mit den Worten:
"Eine Schule, welche die Niederträchtigkeit von heute durch die Niederträchtigkeit von gestern legitimiert, eine Schule, die jeden Schrei des Leibeigenen gegen die Knute für rebellisch erklärt, sobald die Knute eine bejahrte, eine angestammte, eine historische Knute ist, eine Schule, der die Geschichte, wie der Gott Israels seinem Diener Moses, nur ihr a posteriori zeigt, die historische Rechtsschule, sie hätte daher die deutsche Geschichte erfunden, wäre sie nicht eine Erfindung der deutschen Geschichte" (MEGA, I, 1(1), S. 609. MEW, Bd. 1‚ S. 380)
Daß auch die historische Schule der Nationalökonomie bei Marx keine Gnade fand, wird nicht wundernehmen. Seine bissigen Bemerkungen, wenn er von Roscher oder Rau spricht, belegen dies immer wieder. Ein Zitat mag an dieser Stelle genügen:
"Die [158] letzte Form (der Vulgärökonomie. - 0. M.) ist die Professoralform, die ´historisch´ zu Werke geht und mit weiser Mäßigung überall das ´Beste´ zusammensucht, wobei es auf Widersprüche nicht ankommt, sondern auf Vollständigkeit. Es ist die Entgeistung aller Systeme, denen überall die Pointe abgebrochen wird, und die sich friedlich im Kollektaneenheft zusammenfinden. Die Hitze der Apologetik wird hier gemäßigt durch die Gelehrsamkeit, die wohlwollend auf die Übertreibungen der ökonomischen Denker herabsieht und sie nur als Kuriosa in ihrem mittelmäßigen Brei herumschwimmen läßt. Da derartige Arbeiten zugleich erst auftreten, sobald der Kreis der politischen Ökonomie als Wissenschaft sein Ende erreicht hat, ist es zugleich die Grabstätte dieser Wissenschaft." (TM, III, S. 574. MEW, Bd. 26.3, S. 492)
Wir haben Marx so ausführlich zitiert, weil er sich hier mit der Richtung auseinandersetzt, die nach der neueren Terminologie positiv-detailwissenschaftlich nur aus "Quellen" und "Fakten" Wissenschaft treibt*4.15 und daraus die Bewegungsgesetze, soweit sie solche Prätentionen überhaupt hat, der gesellschaftlichen Entwicklung zu gewinnen vermeint und verkennt, daß reine Datensammlung die Gesetze der sich fortentwickelnden Totalität in ihrer widersprüchlichen Bewegung zudeckt, daß sie vor einem endlosen Feld geschichtlich auftretender Phänomene steht. Es ist tatsächlich die
"Entgeistung aller Systeme, denen überall die Spitze abgebrochen wird."
Zu den Klassikern der politischen Ökonomie steht Marx in einem andern Verhältnis. Nach der von uns geführten Analyse wird es aber nicht mehr möglich sein, Marx - selbst in seinen ökonomischen Arbeiten - in der Nachfolge der Klassiker zu sehen. Jedenfalls nicht in der Weise, wie es bisher geschehen ist. Auch thematisch, der inneren Gliederung der politischen Ökonomie nach, unterscheidet sich Marx grundlegend von seinen Vorgängern. Methodologisch in einer noch viel ausgeprägteren Art und Weise, obwohl er dem abstraktisolierenden, deduktiven Verfahren der Klassiker Gerechtigkeit widerfahren läßt. Er schreibt:
"All those laws developed in the classical works on political economy, are strictly true under the supposition only, that trade be delivered from all fetters, that competition be [159] perfectly free, not only within a single country, but upon the whole face of the earth. These laws, which A. Smith, Say and Ricardo, have developed, the laws under which wealth is produced and distributed - these laws grow more true, more exact, then cease to be mere abstractions, in the same measure in which Free Trade is carried out. And the master of the science, when treating of any economical subject, tells us every moment that all their reasonings are founded upon the supposition that all fetters, yet existing, are to be removed from trade. They are quite right in following this method. For they make no arbitrary abstractions, they only remove from their reasoning a series of accidental circumstances. Thus it can justly be said, that the economist - Ricardo and others - know more about society as it will be, than about society as it is. They know more about the future than about the present." (Marx)*16
Marx betont hier, was wir bei der Behandlung seines Gesetzesbegriffes erwähnt haben: daß das "reine", ungestörte Gesetz die Tendenz hat, sich durchzusetzen und daß es sich methodisch bei den Klassikern um Abstraktionen handelt, die sich in der Wirklichkeit selbst, wenn auch nur tendenziell, vollziehen. Was Marx an den Klassikern kritisiert, ist die unhistorische Betrachtungsweise, die den einheitlichen, in spezifischen Besonderungen gegensätzlicher Momente sich bewegende Zusammenhang nicht sieht. Die Klassiker repräsentieren in einem engeren, näher zu bestimmenden Sinne das rationalistische Verfahren der Wissenschaft.

In der "Einleitung zur Kritik der politischen Ökonomie" kritisiert Marx, wie wir wissen, die ahistorischen Konstruktionen der Smith und Ricardo, billigt ihnen aber insofern Existenzrecht zu, als sie Ausdruck des innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft stattfindenden Atomisierungsprozesses sind. Die Konstruktion des rational wirtschaftenden Individuums, des homo oeconomicus, ist das oberflächliche Bild dieser Situation. Auch diese Abstraktion ist eine wirkliche Abstraktion, die aber, wie Marx betont, erst auf dieser Stufe der gesellschaftlichen Entwicklung möglich wird. Sie in die Vergangenheit zurückprojizieren, heißt das Geschichtsbild verfälschen, den Inhalt seiner konkreten Bestimmungen entleeren, den Menschen zum unwirklichen Schemen degradieren.

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Eine eigentliche Wirtschaftsgeschichte als besondere Disziplin, trotz aller Exkurse historischen Inhalts wie zum Beispiel bei Smith, kennen die Klassiker nicht; sie entwickelten aus dem ihnen gegenwärtigen Zustand die Grundlage einer Wissenschaft, die in sich einheitlich sein sollte. Die Sonne der klassischen Ökonomie hatte den Zenit bereits überschritten, als Marx sich ihrer kritisch bemächtigte.

Wie das Eigenartige der Marxschen Methodologie nur in Konfrontation mit Hegel gewonnen werden kann, so das Spezifische in der Anwendung dieser Methodologie nur in Konfrontation mit den Klassikern. Die Mittelglieder und Vergleichssysteme müssen dabei mitberücksichtigt werden. In der Hegelkritik der bedeutende Einfluß Feuerbachs, in der Kritik an den Klassikern der aufschlußreiche Vergleich mit den Physiokraten, mit der Leistung Quesnays.

Prima vista scheinen die Klassiker den Physiokraten gegenüber einen Schritt rückwärts getan zu haben. Dies lag aber durchaus nicht daran, daß ihnen etwa Kreislaufprobleme oder der Zusammenhang der Gesamtgrößen der kapitalistischen Produktion fremd waren und ihnen hierfür der Blick gefehlt hätte. Das Harmonieprinzip des laisser faire, laisser aller verschloß ihnen von vorneherein den Weg. Sie waren zu sehr davon überzeugt, daß die inneren ausgleichenden Kräfte der Wirtschaft das Gleichgewicht des Ganzen garantieren. Der Schluß vom Teil auf das Ganze war für sie immanent vorhanden und ließ jede nur wünschbare Extrapolation zu, mußte also nicht erst explizite bewiesen werden. Selbst wo vereinzelt Zweifel an der Automatismusgläubigkeit auftreten - wie bei Ricardo in dem bekannten 31. Kapitel seiner "Principles" über die Wirkung der Einführung von Maschinen auf die Beschäftigung - wird man des Eindruckes nicht los, daß man solchen Erscheinungen nur akzidentellen Charakter beimaß. So ergaben sich schon in der ausgleichenden "Gerechtigkeit" eines sich selbst regulierenden Wirtschaftsprozesses die Voraussetzungen für eine Beschränkung auf das, was wir heute - etwas vereinfachend und nicht ganz zutreffend - die Katallaktik nennen. War die Prämisse unantastbar, die allgemeine Harmonie aus dem freien Zusammenspiel der Kräfte a priori gegeben, die internen Konsequenzen stringent entwickelt, dann lag kein Grund zu einer problematischen Erweiterung vor.

Was jedoch das eigentliche Verdienst der Klassiker ist und wor-

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auf Marx Gewicht legt, ist die Tatsache, daß sie versuchten, hinter den nur erscheinenden Phänomenen der kapitalistischen Produktion auf ihr eigentliches Wesen zu stoßen. Marx hebt dies immer wieder hervor und grenzt die Vulgärökonomie an diesem Kriterium ab, das heißt, er wirft ihr vor, sie nehme die Erscheinung für das Wesen, die Oberfläche für den Kern. Die Marxsche Kritik an den Vorgängern und an den zeitgenössischen Ökonomen kann nur von hier aus begriffen werden. Zentral liegt der Kritik der Werdegang der eigenen Methode mit ihren Resultaten zugrunde, nicht äußere Aspektverschiebungen, die sich thematisch niederschlagen. Wo Marx kritisiert, wird weder Dogmen-, Ideen-, noch Problemgeschichte getrieben. Man ziehe etwa die "Theorien über den Mehrwert" heran. All das sind sie nicht, sondern das Auf-den-Punkt-Bringen der Wissenschaft, um sie dialektisch darzustellen. Und in der Kritik an Quesnay, Smith, Ricardo und anderen ist die Methode ineins historisch und theoretisch.

Die Lektüre der "Theorien über den Mehrwert" ist unerläßlich zum vollen Verständnis des "Kapitals", da sie die in letzterem Werk ausgeschiedenen literar-historischen Teile enthalten, die das "Kapital" als IV. Buch abschließen sollten. Da die Texte im allgemeinen wenig bekannt sind, zitieren wir Marx‘ Ausführungen über die Klassiker:
"Die klassische Ökonomie sucht die verschiednen fixen und einander fremden Formen des Reichtums durch Analyse auf ihre innre Einheit zurückzuführen und ihnen die Gestalt, worin sie gleichgültig nebeneinander stehn, abzuschälen. Sie will den innren Zusammenhang im Unterschied von der Mannigfaltigkeit der Erscheinungsformen begreifen. .. Die klassische Ökonomie widerspricht sich gelegentlich in dieser Analyse; sie versucht oft unmittelbar, ohne die Mittelglieder, die Reduktion zu unternehmen und die Identität der Quelle der verschiedenen Formen nachzuweisen. Dies geht aber aus ihrer analytischen Methode, womit die Kritik und das Begreifen anfangen muß, notwendig hervor. Sie hat nicht das Interesse, die verschiednen Formen genetisch zu entwickeln, sondern sie durch Analyse auf ihre Einheit zurückzuführen, weil sie von ihnen als gegebnen Voraussetzungen ausgeht. Die Analyse ist aber die notwendige Voraussetzung der genetischen Darstellung, des Begreifens des wirklichen Gestaltungsprozesses in seinen verschiedenen Phasen. Die klassische Ökonomie fehlt endlich, ist mangelhaft, indem sie die Grundform des Kapitals, die auf Aneignung fremder Arbeit gerichtete Produktion nicht als geschichtliche Form, sondern als Naturform der gesellschaftlichen Produktion auffaßt, eine [162] Auffassung, zu deren Beseitigung sie jedoch durch ihre Analyse selbst den Weg bahnt." (TM, III, S. 571/72. MEW, Bd. 26.3, S. 490/91)

Über die Vulgärökonomie:
"Ganz anders verhält es sich mit der Vulgärökonomie, die sich zugleich erst breitmacht, sobald die Ökonomie selbst durch ihre Analyse ihre eignen Voraussetzungen aufgelöst, wankend gemacht hat, also auch schon den Gegensatz gegen die Ökonomie in mehr oder minder ökonomischer, utopistischer, kritischer und revolutionärer Form existiert. Da ja die Entwicklung der politischen Ökonomie und des aus ihr selbst erzeugten Gegensatzes Schritt hält mit der realen Entwicklung der in der kapitalistischen Produktion enthaltnen gesellschaftlichen Gegensätze und Klassenkämpfe. Erst sobald die politische Ökonomie eine gewisse Breite der Entwicklung erlangt hat - also nach A. Smith - und sich feste Formen gegeben, scheidet sich das Element in ihr, das bloße Reproduktion der Erscheinung als Vorstellung von derselben, ihr Vulgärelement von ihr ab als besondre Darstellung der Ökonomie... und je mehr die Ökonomie ihren Abschluß erreicht, also in die Tiefe geht und sich als ein System des Gegensatzes entwickelt, um so selbständiger tritt ihr ihr eignes Vulgärelement, bereichert mit Stoff, den es in seiner Weise zurechtmacht, gegenüber, bis es endlich als gelehrt-synkretistische und charakterlos-eklektische Kompilation seinen besten Ausdruck findet. In demselben Maß, wie die Ökonomie in die Tiefe geht, stellt sie nicht nur selbst Gegensätze dar, sondern tritt ihr ihr Gegensatz als solcher gegenüber, gleichzeitig mit der Entwicklung der realen Gegensätze im ökonomischen Leben der Gesellschaft. In demselben Maß wird die Vulgärökonomie mit Bewußtsein apologetischer und sucht die Gedanken, darin die Gegensätze, in forcierter Weise wegzuschwatzen." (TM, III, S. 572/73. MEW, Bd. 26.3, S. 491/92)
In bezug auf das Verdienst der Klassiker hat Marx schon im Anti-Proudhon ("Misère de la Philosophie", 1847) festgestellt, daß es im Versuch liege, die Erscheinungen auf eine innere Einheit zurückzuführen. Der obige Text ist ein aufschlußreicher Exkurs, der die theoretische Leistung historisch fixiert: ein summarischer, kondensierter Abriß der Geschichte der Nationalökonomie, die von den Klassikern erstmals in den Rang einer Wissenschaft erhoben wird durch Schaffung der Nomenklatur und durch Systematisierung. Die äußere Zufälligkeit und Mannigfaltigkeit der Phänomene wird begrifflich gefaßt und in einen inneren Zusammenhang gebracht, das Individuell-Historische wird als Allgemeines vernünftig, als Erscheinung auf sein Wesen zurückgeführt. Aber die Lösung gelingt nur teilweise, die Theorie glaubt, unmittelbar Geschichte zu sein, da sie ihrem histori-

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schen Standort gemäß ihre Kategorien als abstrakt-allgemeine Kategorien auffaßt, sie geht nur logisch, analytisch vor.

Wenn wir vorhin den Begriff "Rationaltheorie" auf die Klassiker anwendeten, dann ist dies nur unter Vorbehalt statthaft, und zwar unter dem Vorbehalt, daß se Rationaltheorie nicht mit der modernen "reinen" Theorie, die wir im Laufe unserer Arbeit immer im Auge hatten, zusammengeworfen werden darf. Jedenfalls methodologisch nicht. Die Klassiker erstreben unmittelbar Wirklichkeitserkenntnis, auch wenn sie sich über die Voraussetzungen, unter denen dies möglich ist, erst Klarheit verschaffen müssen. Daß sie im Historischen fehlen, rührt nicht aus Unverständnis her, sondern aus einer andern Auffassung von der Geschichte. Aus der überreifen Klugheit unseres Jahrhunderts sind es "naive" Wissenschaftler, die Geschichte und Theorie einander noch nicht gegenübergestellt haben, Wissenschaftler, die in der Morgenröte einer neuen Zeit von ihrem historischen Standort aus unmittelbar theoretisieren, sich mit dem Lauf des Geschehens identifizieren und in unzulässiger Weise nach rückwärts und nach vorne extrapolieren. Die Erscheinungsformen der bürgerlichen Gesellschaft zum Teil auf ihr Wesen zurückgeführt, verlangen sie weiter nicht, ihre Genesis zu begreifen.

4.4. Rationale und anschauliche Theorie (Salin)

Salin hat in seiner Dogmengeschichte*4.17 die verschiedenen Typen und Schulen der Volkswirtschaftslehre durch das Begriffspaar anschaulich-rational geschieden und zueinander in Beziehung gesetzt*4.18 . Diese Scheidung, die auf der erkenntnistheoretischen Trennung von Gesamterkenntnis und Teilerkenntnis durch Edith Landmann beruht, scheint uns zur Kennzeichnung des Verfahrens nur teilweise zureichend, weil damit zu sehr die Form und weniger der Inhalt gewichtet wird. In einem Falle - und dafür scheint uns gerade das Beispiel der Klassiker typisch - kann die Rationaltheorie wesentlich objektivere Gültigkeit haben als die anschauliche Theorie, in einem andern Falle wiederum nicht. Marx‘ Urteil über die Klassiker (Ricardo!) und über die Vulgärökonomie (Roscher!) geht in diese Richtung, und sein Urteil über den "Historismus" seiner Zeit bestätigt es. Bei seiner Auffassung der logischen Kategorien ist dies auch ohne weiters verständlich, da die Reproduktion des Wirtschaftsprozesses erst objektiv wird, wenn sie aus der Sphäre des subjektiven Geltens, Meinens oder

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Möglichseins herausgehoben ist. Teilerkenntnis wie Gesamterkenntnis, rationale wie anschauliche Theorie können aber in der Sphäre der Subjektivität verharren, die eine ist nicht notwendig subjektiv und die andere objektiv (ohne daß der Weg bestimmt ist, der uns berechtigt, ihnen diese Attribute zuzulegen). Der Text von Salin läßt keine Zweifel darüber offen, daß er dieses Problem sieht, besonders wenn er bemerkt, daß "die Intention der Gesamterkenntnis keineswegs schon die Erreichung des gesteckten Zieles" sei, und daß die Schwierigkeit daher rühre, daß sich "die Begriffe ´rational´ und ´anschaulich´ bewußt überschneiden" und selten eine Theorie einen "reinen" Typus darstelle*4.19 .

Im Zusammenhang mit den Klassikern drängt sich folgendes Beispiel auf.

Marx hat den Aufbau des Ricardoschen Werkes eingehend untersucht*4.20 und den Gegensatz zu Smith herausgearbeitet. Um das, was man heute dem Verfahren nach als Rationaltheorie (Teilerkenntnis) bezeichnet, seinem Gehalt nach zu verstehen, stellen wir die Charakterisierung von Smith und Ricardo durch Marx einander gegenüber.

Marx argumentiert gerade umgekehrt als es im allgemeinen die Dogmenhistoriker tun. Smith repräsentiert für ihn nicht einen Typus der anschaulichen Theorie, da bei ihm unverbunden der innere Zusammenhang und die äußere Erscheinung der logischen Kategorien nebeneinanderherlaufen.
"Diese beiden Auffassungsweisen - wovon die eine in den innren Zusammenhang, sozusagen in die Physiologie des bürgerlichen Systems eindringt, die andere nur beschreibt, katalogisiert, erzählt und unter schematisierende Begriffsbestimmungen bringt, was sich in dem Lebensprozeß äußerlich zeigt, so wie es sich zeigt und erscheint - laufen bei Smith nicht nur unbefangen nebeneinander, sondern durcheinander und widersprechen sich fortwährend" (TM, II, S. 2/3. MEW, Bd. 26.2, S. 162)
"Ricardo aber tritt endlich dazwischen und ruft der Wissenschaft ein: Halt! zu. Die Grundlage, der Ausgangspunkt der Physiologie des bürgerlichen Systems - des Begreifens seines inneren organischen Zusammenhangs und Lebensprozesses - ist die Bestimmung des Werts durch die Arbeitszeit. Davon geht Ricardo aus und zwingt nun die Wissenschaft, [165] ihren bisherigen Schlendrian zu verlassen und sich Rechenschaft darüber abzulegen, wieweit die übrigen von ihr entwickelten, dargestellten Kategorien - Produktions- und Verkehrsverhältnisse - Formen dieser Grundlage, dem Ausgangspunkt entsprechen, wieweit überhaupt die bloß die Erscheinungsformen des Prozesses wiedergebende, reproduzierende Wissenschaft (also auch diese Erscheinungen selbst), der Grundlage entsprechen, auf der der innre Zusammenhang, die wirkliche Physiologie der bürgerlichen Gesellschaft beruht oder die ihren Ausgangspunkt bildet, wie es sich überhaupt mit diesem Widerspruch zwischen der scheinbaren und wirklichen Bewegung des Systems verhält... Mit diesem wissenschaftlichen Verdienst hängt eng zusammen, daß Ricardo den ökonomischen Gegensatz der Klassen - wie ihn der innre Zusammenhang zeigt - aufdeckt, ausspricht und daher in der Ökonomie der geschichtliche Kampf und Entwicklungsprozeß in seiner Wurzel aufgefaßt wird, entdeckt wird." (TM, III, S. 3/4. MEW, Bd. 26.2, S. 163)
Das wissenschaftliche Verdienst von Ricardo ist also nicht rationale Theorie als Teilerkenntnis, sondern Systematisierung als Wesenserkenntnis; daß dies der äußeren Form nach einen rationaltheoretischen Aspekt hat, ist die historische Schranke Ricardos. Marx betont dies nochmals, wo er feststellt, daß das gesamte Ricardosche Werk in den beiden ersten Kapiteln der "Principles" enthalten sei.
"Sie enthalten seine ganze Kritik der bisherigen politischen Ökonomie, das kategorische Abbrechen mit dem durchgehenden Widerspruch A. Smiths in der esoterischen und exoterischen Betrachtungsweise, und liefern durch diese Kritik zugleich einige ganz neue und überraschende Resultate. Daher der hohe theoretische Genuß, den diese zwei ersten Kapitel gewähren, da sie in gedrängter Kürze die Kritik des in die Breite ausgelaufenen und verlaufenen Alten geben und das ganze bürgerliche System der Ökonomie als einem Grundgesetz unterworfen darstellen, aus der Zerstreuung und Mannigfaltigkeit der Erscheinungen die Quintessenz herauskonzentrierend." (TM, II, S. 8. MEW, Bd. 26.2, S. 166; von uns ausgezeichnet. - 0. M.)
Dem tatsächlichen Gehalt nach ist diese Rationaltheorie kein Typus der "reinen" Theorie, wenn auch, wie Marx bemerkt hat, sie nur analytisch arbeitet, sondern eine der Zeit entsprechende Anschauung. Gesamterkenntnis kann sich verlagern, Rationaltheorie ist nicht nur Teilerkenntnis. Historismus wie Rationaltheorie sind für sich, wie wir feststellten, subjektive

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Theorien mit dem Anspruch auf Gesamt- oder Teilerkenntnis. Verfahrensmäßig sind es Teile einer objektiven Theorie, in der sich das Allgemeine und Besondere als geschichtlich Allgemeines und Besonderes vereinigen.

Die Rationaltheorie der Klassiker hat die Rationalität der kapitalistischen Wirtschaft, die Rationalität nicht als theoretische Form, sondern als historisch-wirklichen Gegenstand zum Vorbild. Diese Rationalität in Rationaltheorie als heuristisches Mittel der Erkenntnis umdeuten, verfehlt den eigentlichen Kern der klassischen politischen Ökonomie. Dieses Urteil kann nur vom Standpunkt der späteren Entwicklung der Rationaltheorie in die "reine" Theorie, die sich bewußt vom Objekt gelöst hat, gefällt werden. Ein solcher Schluß führt aber wieder in sich zurück und löst sich nur auf, wenn der theoretische Niederschlag der rationellen Bestimmungen des modernen Wirtschaftsprozesses und seine Rechenhaftigkeit logisch als Spiegelbild realer Kategorien verstanden wird. Die wissenschaftstheoretische Rechtfertigung der bürgerlichen Gesellschaft war die Vernunft des Rationellen im Gegensatz zur Positivität des Ancien regime. Dies war kein innertheoretischer, nur ideengeschichtlicher Vorgang, sondern die intelligibel gewordene Ablösung einer Wirtschaftsform von der andern. Wenn auch nicht der Intention, so doch dem tatsächlichen Gehalt nach, war dies eine ungemein historische Erfassung des Gesamtgegenstandes. In bezug auf die Form war es der Sieg der Vernunft im Reich der Ideen und die Verkennung der Historizität des Gehaltes. Wo die kapitalistische Gesellschaft fest konstituiert, der Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit zum herrschenden Gegensatz geworden ist, wandelt sich auch die Bedeutung der Rationaltheorie. Sie wird zur Rechtfertigung der kapitalistischen Wirtschaft als positive Form des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Diese Wandlung fällt zusammen mit dem von Marx beschriebenen Übergang von der klassischen zur Vulgärökonomie.

Aus dem Dargestellten sollte klar sein, daß wir uns der Salinschen Auffassung: Theorie ist vor Geschichte*4.21 , nur anschließen können mit dem Vorbehalt, daß jede Theorie eine ursprünglich geschichtliche Theorie ist. In diesem Falle stellt sich aber das Problem nicht mehr auf dem Boden der Erkenntnisformen, die den Theorietyp bestimmen, sondern auf dem Boden des Sub-

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jekt-Objekt-Verhältnisses, wie wir es anhand der Marxschen Texte analysiert haben. Die Voraussetzungen des Möglidiwerdens einer Theorie bestimmen sich dann aus den konkreten Verhältnissen des Prozesses selbst. Die Trennung von Rationaltheorie und Empirie ist an eine bestimmte historische Situation gebunden und könnte nachgewiesen werden. Den Klassikern ist ihre "Rationaltheorie" die Wirtschaftsgeschichte ihrer Zeit. Es ist eine Wissenschaft, die aus sich noch keine sich fremden Formen oder eine Vermittlung suchende Verhältnisse entlassen hat. Wo die Formen sich nicht fremd sind, wird auch die Frage für den Forscher sinnlos.

Gerade Marx ist der Gefahr entgangen, durch die Bestimmung des Erkenntnisprozesses den Zweck dieses Prozesses in die Bestimmung selbst zu legen, die Endwahrheit als Prämisse vorauszunehmen. Wirtschaftstheorie und Wirtschaftsgeschichte verharren nicht in der Sphäre des reinen Denkens als entwickelte Normen des reinen Bewußtseins, denn was wir als Entwicklung begreifen wollten, müßte vorgängig schon als Ziel in dieser Entwicklung sein. Der objektive Prozeß ist der sachliche Gehalt, den sich das Subjekt bewußt aneignet. Und Salin betont mit Recht: "Die logische Richtigkeit besagt nichts über die sachliche Wichtigkeit einer Theorie*4.22 ." Und wenn "Gesamterkenntnis der Wirtschaft.., nicht nur logische Richtigkeit, sondern auch historische oder aktuelle Gültigkeit" fordert*4.23 , dann löst sich das Problem aus dem inneren Bereich der Erkenntnisformen. Wir folgern daraus, daß das Begriffspaar rational-anschaulich nur relativ zum konkreten Gehalt der Systematisierung als geistige Reproduktion eines objektiven Prozesses sinnvoll angewendet werden kann*4.24 .

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4.5. Schluß

Marx‘ Kampf gilt vornehmlich der Vulgärökonomie, in der die sich verselbständigende Wissenschaft, die aus sich heraus sich entwickelnde Theorie in Gegensatz tritt zu ihrer eigentlichen Aufgabe. Sie ist nur möglich, wie Marx erwähnt, auf dem bereits verfestigten Netz der begrifflichen Kategorien, ihr Dasein ist insofern ein unwirkliches, als sie selbst zur Wirklichkeit ihres Daseins geworden ist, oder wie Marx sagt, es "tritt ihr ihr Gegensatz als solcher gegenüber" (TM, III, S. 573. MEW, Bd. 26.3, S. 492). Ihr Wissen ist der theoretische Schein einer Theorie, die entäußerte Theorie ihres Wissens. Die Theorie tritt in ihr uneigentliches Dasein, aus dem die Emanzipation der Geschichte als ebensolche Uneigentlichkeit eine weitere Konsequenz ist. Die Geister sind geschieden, der "Streit der Fakultäten" nimmt seinen Anfang. Die Theorie sondert sich ab, die Wirtschaftsgeschichte tritt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als selbständige Wissenschaft auf*4.25 .

Marx verdankt weder dem "Historismus" seiner Zeit sein eminent geschichtliches Bewußtsein noch den Klassikern das methodologisch-theoretische Rüstzeug für seine analytische Arbeit und seine genetisch-dialektische Entwicklung und Darstellung. Beide Urteile, denen man oft begegnet, sind nicht haltbar. Gerade darum fällt es dem Dogmenhistoriker schwer, ihn "sachgerecht" zu klassifizieren. Der an Einzelproblemen Orientierte wird ihn in der direkten Linie der Klassiker sehen, der an dem Zusammen-

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hang der Gesamtgrößen Interessierte als Kreislauftheoretiker, ein anderer als Historizisten, ein Vierter als Positivisten usw. Aus keiner dieser partikularen Sichten ist Marx‘ Leistung verständlich. Er steht an einer Wende: die progressiven Traditionen zusammenfassend, führt er sie in eine neue Qualität über.

Unsere Entwicklung von den philosophischen Ansätzen über die Aneignung des konkreten Materials und der Methode bis zur Darstellung des Resultates dieser Arbeit zeigt die Spezifität des Marxschen Denkens. In bezug auf unseren Gegenstand:
Wirtschaftsgeschichte ist Wirtschaftstheorie, Wirtschaftstheorie ist Wirtschaftsgeschichte, beides aber nicht unmittelbar, sondern in vermittelter Identität innerhalb der Einheit. Beide Seiten bestimmen sich im Prozeß der geistigen Aneignung der Wirklichkeit als die besonderen Formen des Subjekt-Objekt-Verhältnisses. Aber in diesem Falle genügt es nicht, bei einer deklamatorisch oder äußerlich postulierten Einheit stehenzubleiben, es genügt nicht zu erklären, Wirtschaftsgeschichte sei ohne Wirtschaftstheorie und Wirtschaftstheorie sei ohne Wirtschaftsgeschichte nicht möglich, das Individuelle wolle zum Allgemeinen, das Allgemeine zum Individuellen, und nur so erfüllten beide Seiten ihre Aufgabe, sondern es ist der Weg, auf dem dies von der bloßen Möglichkeit zur Gewißheit wird, der Weg auf dem von der subjektiven Meinung zur objektiven Geltung fortgeschritten werden kann, aufzuzeigen. Bevor Wirtschaftstheorie und Wirtschaftsgeschichte endgültig auseinanderfielen, bevor jede Disziplin auf ihre eigene Sonderheit pochend, ihr Arbeitsfeld vor "Unberufenen" abschloß und bevor im Methodenstreit sie sich in die Schranken forderten, war das Verhältnis der beiden Disziplinen von Marx eindeutig bestimmt worden.



ANMERKUNGEN: Die Originalfußnoten sind Seitenweise gesetzt und ihre Nummerierung Kapitelweise neuangefangen. Fürs Netz sind sie demgemäss kapitelweise indiziert durchnummeriert als Endnoten gesetzt.
*1
Bern 1944, 2. Aufl., vgl. Vorwort und Einleitung.

*2
Jena 1941, 2., durchgesehene Aufl. 7. Aufl., Berlin-Göttingen-Heidelberg 1959.

*3
Salin, E., Geschichte der Volkswirtschaftslehre, 3. erweiterte Aufl., S. 169. Bern 1944.

*4
MEGA, 1, 1(1), S. 245. MEW, Bd. 1, S. 100.

*1.1
In den vorliegenden Ausführungen werden die Positionen schon kritisch geschieden, das heißt aller Beigaben entkleidet, die den prinzipiellen Kern verdecken. Wir stellen sozusagen den Typus dar, nicht den individuellen Fall des Methodenstreites. Unzulänglichkeiten philosophischer oder fachwissenschachtlicher Art auf der einen oder andern Seite interessieren uns in diesem Zusammenhang also nicht. Wir sind der Meinung, daß der Methoden-Streit tiefere als nur subjektive Gründe hat. Unsere Darstellung hat folglich nur einen propädeutischen Zweck.
- Als Quellenliteratur zum Methodenstreit vgl.:
Schmollers Besprechung von Mengers Grundsätzen der Volkswirtschaftslehre, Wien 1875, in: Literarisches Zentralblatt, 1873, Sp. 142 f.; Zur Literaturgeschichte der Staats- und Sozialwissenschaften, Leipzig 1888; Art. Volkswirtschaft, Volkswirtschaftslehre und -methode, in: Handw. d. Staatsw., 3. Aufl., 8. Bd., S. 426 - 501, 1911.
Von Menger: Untersuchungen über die Methode der Sozialwissenschaften und der Politischen Ökonomie insbesondere, Leipzig 1883. Neue Ausg. in: Gesammelte Werke, Tübingen 1969; Die Irrtümer des Historismus in der deutschen Nationalökonomie, Wien 1884. Neudruck: Aalen, 1966.
- Siehe ferner: Salin, E., Geschichte der Volkswirtschaftslehre, 3. erweiterte Aufl., S. 167 ff. Bern 1944.

*1.2
Vgl. Schmoller, Grundriß der allgemeinen Volkswirtschaftslehre, Vorrede, S. VI. München-Leipzig 1919.

*1.3
Ob die Prämisse apriorisch gewonnen wurde (phänomenologische Wesenseinsicht) oder aber positivistisch vom konkreten historischen Gegenstand abstrahiert, ist in diesem Zusammenhang unwichtig. Das Apriori ist hier relativ der Prämisse gegenüber und damit nur das deduktive Vorgehen gemeint.

*1.4
Einzelne Forscher sind bereit, die letzte Konsequenz zu ziehen, indem sie zugeben, daß in diesem Sinne von Wissenschaft nicht mehr die Rede sein könne. So schreibt zum Beispiel Eduard Meyer, einer der führenden Historiker vor dem ersten Weltkrieg, in seiner Schrift Zur Theorie und Methodik der Geschichte (Halle 1902): "Die Geschichte ist keine systematische Wissenschaft" (S. 1), und: "... daß die Geschichte keine ´Wissenschaft´ ist - das würde dem Historiker als solchem vollkommen gleichgültig sein, ihm genügt es, daß die Geschichte existiert." (S. 4). Im Titel eines seiner Werke hat es Theodor Lessing noch drastischer ausgedrückt: Geschichte als Sinngebung des Sinnlosen oder die Geburt der Geschichte aus dem Mythos (4. Aufl., 1927). Damit wären wir wieder bei Fontenelle, dem die Worte zugeschrieben werden: "L‘histoire n‘est qu‘une fable convenue."

*1.5
Schumpeter, Joseph A., Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie. I. Teil: Die Marxsche Lehre, S. 15 ff. Bern 1946.

*1.6
Plenge, J., Marx und Hegel, S. 155, 163. Tübingen 1911.

*1.7
Lukas, E., Spekulation und Wirklichkeit im ökonomischen Marxismus. Eine Untersuchung zum Dogma der kapitalistischen Ausbeutung, S. 4. Essen-Ruhr 1922.

*1.8
Hammacher, E., Das philosophisch-ökonomische System des Marxismus, S. 395 ff. Leipzig 1909.

*1.9
Schumpeter, J., Epochen der Dogmen- und Methodengeschichte, in: Grundriß der Sozialökonomik, I. Abt., S. 19, Tübingen 1914.

*1.10
Gemeint ist nicht die "Einleitung", sondern das "Nachwort" zur zweiten Auflage des Kapitals.

*1.11
Epochen der Dogmen- und Methodengeschichte, S. 81. - Dieselbe Meinung vertritt Schumpeter auch in Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie wieder: "Er (Marx) liebte es, von seinem Hegelianismus Zeugnis abzulegen und die Hegelsche Ausdrucksweise zu gebrauchen. Das ist aber auch alles. Nirgends hat er die positive Wissenschaft an die Metaphysik verraten." (S. 25). Schumpeter verweist nochmals auf das Nachwort zur zweiten Auflage des "Kapitals". - Dieser Einwand zieht sich durch die gesamte "kritische" Literatur, seitdem Eduard Bernstein, das Haupt des Revisionismus, in den neunziger Jahren von den "Fallstricken" der Dialektik sprach (vgl.: Die Voraussetzungen des Sozialismus und die Aufgaben der Sozialdemokratie, S. 26. Stuttgart 1899). Diese Frage gab Anlaß zu einer scharfen Kontroverse zwischen Eduard Bernstein und Karl Kautsky.

*1.12
Im folgenden gehen wir auf dieses Problem ein (vgl. besonders den Abschnitt ´Zur Frage der materialistischen Dialektik´). Vorläufig mögen zwei Zitate genügen: In einem Brief an Friedrich Engels vom 11. Januar 1868 schreibt Marx: "Die Herren in Deutschland (mit Ausnahme theologischer Reaktionäre) glauben, daß Hegels Dialektik, ‘ein toter Hund´ ist. Feuerbach hat viel auf seinem Gewissen in dieser Hinsicht" (MEGA, III, 4, S. 11, MEW, Bd. 32, S. 18). Man beachte, daß dies ein Jahr nach Erscheinen von Buch I des Kapitals geschrieben worden ist. Marx hat Hegel zeitlebens einen bedeutenden Platz eingeräumt und sich immer wieder, wenn auch nicht explizite, das heißt für die Öffentlichkeit, mit ihm auseinandergesetzt. Es ist nicht von ungefähr, daß er sich mit der Absicht trug, nach Beendigung seiner ökonomischen Studien, einen Kommentar zu Hegels Wissenschaft der Logik zu verfassen. So schreibt er: "übrigens finde ich hübsche Entwicklungen. Zum Beispiel die ganze Lehre vom Profit, wie sie bisher war, habe ich über den Haufen geworfen. In der Methode des Bearbeiten, hat es mir großen Dienst geleistet, daß ich by mere accident ... Hegels Logik wieder durchgeblättert hatte. Wenn je wieder Zeit für solche Arbeiten kommt, hätte ich große Lust, in zwei oder drei Druckbogen das Rationelle an der Methode, die Hegel entdeckt, aber zugleich mystifiziert hat, dem gemeinen Menschenverstand zugänglich zu machen." (Brief an Friedrich Engels vom 14. Januar 1858, in: MEGA, III, 2, S. 274/75. MEW, Bd. 29, S. 26o).

*1.13
Epochen der Dogmen- und Methodengeschichte, S. 81.

*1.14
Epochen der Dogmen- und Methodengeschichte, S. 81.

*1.15
Epochen der Dogmen- und Methodengeschichte, S. 81. - Vgl. auch Schumpeter, J., Das Wesen und der Hauptinhalt der theoretischen Nationalökonomie, S. XII. Leipzig 1908.

*1.16
Epochen der Dogmen- und Methodengeschichte, S. 81. - Wie geteilt hier die Meinungen sind, erhellt daraus, daß zum Beispiel Max Scheler in Marx - neben Troeltsch, Dilthey und Spengler - einen Vertreter des Historismus sieht, der, was im Gegensatz zur Meinung Schumpeters bemerkenswert ist, eine "negative Stellungnahme zur Metaphysik" einnehme (vgl. Scheler, Philosophische Weltanschauung, S. 2. Bonn 1919. 3. Aufl. Bern und München 1968, S. 6). - Wie sich Marx von den Klassikern abgrenzt, wird noch behandelt werden (siehe 4. Kapitel).

*1.17
Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, S. 78/79. Wie die Vernunft in der Geschichte waltet, wird den Standort Marxens bestimmen, denn historische Erzählung als histoire raisonnee finden wir schon bei Vico, Montesquieu, Turgot, Condorcet, Herder, Hegel, Comte.

*1.18
In Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie (S. 26) tritt dieser Terminus wieder auf. Für eine Analyse sollte die geprägte Terminologie beibehalten werden. Marx spricht vom "historischen Materialismus", das heißt von einer materialistischen Geschichtsauffassung. Der Terminus materialistisch ist wesentlich weiter als ökonomisch (womit übrigens schon nach einer Seite hin interpretiert wird). Sechs Zeilen weiter unten verbessert Schumpeter in den Ausführungen die verbale Fassung, und es ist ohne weiteres einsichtig, daß damit die üblichen Mißverständnisse beseitigt werden. Aber warum sie dann erst einführen?

*1.19
Epochen der Dogmen- und Methodengeschichte, S. 81.

*1.20
Schumpeter deutet den Begriff "Materialismus" und seine Verwendung durch Marx äußerst elastisch. In Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie (S. 28) schreibt er: "Marxens Philosophie ist nicht materialistischer als die Hegels, und seine Geschichtstheorie ist nicht materialistischer als irgendein anderer Versuch, den historischen Prozeß durch die der empirischen Wissenschaft zur Verfügung stehenden Mittel zu erklären. Es sollte klar sein, daß dies mit jedem metaphysischen oder religiösen Glauben logisch vereinbar ist: Die mittelalterliche Theologie selbst liefert Methoden, mit welchen diese Vereinbarkeit hergestellt werden kann." In dem posthum erschienenen umfangreichen Werk "History of Economic Analysis." (Oxford University Press, New York 1954, S. 438) schreibt Schumpeter: "... . Marx‘s theory of history is a working hypothesis by nature. It is compatible with any philosophy or creed and should therefore not be linked up with any particular one - neither Hegelianism nor materialism is necessary or sufficient for it." (Deutsch: Geschichte der ökonomischen Analyse. Göttingen 1965, S. 545). Die Auslegung geschieht hier so, daß behauptet wird, die positiv-detail-wissenschaftliche Arbeit könne unbeschadet mit einem metaphysischen System Hand in Hand gehen, mit ihm vereinbar sein. Also Entgegensetzung und doch logisch mögliche Vereinbarkeit. Marx geht es darum, diesen Parallelismus zu erklären (vgl. zum Beispiel seine Einleitung zur Hegelschen Rechtsphilosophie, MEGA, I, 1 1, S. 607 ff., wo unter anderen der Satz steht: "Es ist ... die Aufgabe der Geschichte, nachdem das Jenseits der Wahrheit verschwunden ist, die Wahrheit des Diesseits zu etablieren." - S. 608. MEW, Bd. 1, S. 379.)
Es ist vorerst jedenfalls ein noch ganz unentschiedener Einwand, wenn betont wird, das oben geschilderte Verhalten könne tagtäglich beobachtet werden. Die Argumentation bringt hier etwas zusammen, was nicht auf der gleichen Ebene liegt.
Ein für unsere Zwecke noch instruktiveres Beispiel finden wir bei Gunnar Myrdal (Das politische Element in der nationalökonomischen Doktrinbildung, Berlin 1932, S. 301. Neuausg.: Hannover 1963.): "Jeder Nationalökonom hat wohl einmal die folgende Erfahrung gemacht. Man trifft einen von jenen ausgezeichneten Geschäftsleuten, dessen alltägliche Wirksamkeit darin besteht, seine Märkte zu ´organisieren´ und zu monopolisieren, der also Anteil nimmt am Aufbau einer effektiv organisierten neumerkantilistischen Gesellschaft. Er ist ganz davon überzeugt, daß seine Geschäftsprinzipien gesund sind. Sie schaffen nicht nur ihm selbst größere Einkommen, sie bedeuten gleichzeitig eine Anpassung der Konsumtion an die Produktion und umgekehrt. Er kommt sich vor, als erfülle er eine Funktion innerhalb der Gesellschaft. Nun kommt das Gespräch auf mehr allgemeine Fragen, die nicht in unmittelbarer Beziehung stehen zu seiner praktischen Wirksamkeit. Dann wird man oft feststellen, daß er - natürlich durchaus in gutem Glauben - seiner allgemeinen Einstellung in jenen Redensarten Ausdruck gibt, die noch aus der Zeit der Physiokraten und Adam Smiths stammen: freie Konkurrenz, Freiheit der Unternehmertätigkeit, überhaupt Freiheit als ein Prinzip der Wirtschaftpolitik und als ein moralisches Recht. Solche Redensarten haben keine direkten Beziehungen zu seinem wirklichen Verhalten. Es ist denkbar, daß derselbe Mann in der Politik groß angelegte Eingriffe und Regulierungen propagiert."
Selbstverständlich verträgt sich dies mit jeder auch immer wie gearteten Wirtschaftstheorie, aber nur solange die bornierte Alltagsmeinung nicht Anspruch darauf erhebt, Wissenschaft zu sein. Werden Glaube, Metaphysik, Alltagsmeinung als Ideologie entlarvt, dann wird sie ebenso Gegenstand wissenschaftlichen Bemühens wie etwa ökonomische Fakten für die Wirtschaftstheorie und Wirtschaftsgeschichte.
Gerade die Stellung der mittelalterlichen Theologie zu dem Verhältnis von Metaphysik und Wissenschaft ist viel differenzierter als im allgemeinen angenommen wird. Man ist versucht Schumpeters Meinung als eine Spätauflage des Averroismus, den die mittelalterliche Kirche scharf bekämpft hat (Gregor IX.), zu bezeichnen.
Die oben erwähnte Deutung des Begriffes "Materialismus" kann nur vorgenommen werden, wenn er anders gefaßt wird, als ihn Marx verstanden hat. Wenn Schumpeter zum Beispiel schreibt: "Sämtliche Tatsachen und Argumente von Max Weber passen vollkommen in Marxens System" (S. 27), so geht er zu weit. Mit gleichem Recht können wir behaupten, daß sämtliche Tatsachen und Argumente, die sich in der Gegenschrift von H. M. Robertson, Aspect of the Rise of Economic Individualism. A Critic of Max Weber and his School (Cambridge 1933), finden, in das Marxsche System passen. Robertson bemerkt unseres Erachtens mit Recht: "Weber attempted to establish a reverse chain of causation from that advanced by Marx in the economic interpretation of history. He sought a psychological determination of economic events. In particular he saw the rise of ‘capitalism´ as ehe result of the risc of a ‘capitalist spirit´ ... A realist like Marx, who originated the discussion on capitalism, would no doubt have been greatly astonished if he had been asked to consider only those whose money-making activities were promoted by religious or quasi-religious ends to be possessed of the true capitalistic spirit." (Vorwort, S. XII; Stellen, auf die sich diese Kritik bezieht, bei Max Weber in: Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie, I, S. 37, 138 und 240. Tübingen 1920).
Das Beispiel Weber-Robertson beweist nur, wie unbestimmt "Fakten" an sich sind, und wie ungemein aufschlußreich dies methodologisch ist: In Reduktion auf "Tatsachen" sind alle Systeme weitgehend uniform, aussagegleich, das heißt indessen unbestimmt. Wir haben auf dieser Stufe wissenschaftlich noch nichts gewonnen, und es hilft wenig, auf die faits bruts zu rekurrieren. Eine Wissenschaft der bloßen Fakten ist ein Unding. Darüber an anderer Stelle.
Auf einen Widerspruch bei Schumpeter sei noch aufmerksam gemacht: Nachdem er (S. 26/27) eine Definition der materialistischen Geschichtsauffassung gegeben hat und erwähnt, daß der Überbau für Marx nicht ohne Bedeutung ist, "nicht bloßer Rauch", schreibt er, daß "der Zauber fundamentaler Wahrheit" (S. 31), den das Marxsche System umgebe, "gerade auf der Strenge und Einfachheit der einseitigen Beziehung (beruht), die es umgibt." Wir sehen, in welcher Weise sich das Problem kompliziert: Entweder besteht ein bestimmt geartetes Verhältnis von Wirklichkeit und Theorie (zum Beispiel ein immanent sich wechselseitig bedingendes) oder ein logisch-konstruktiv überbrückbarer Parallelismus oder eine einseitige Beziehung (der Geist als Epiphänomen der Materie). Sämtliche drei Möglichkeiten sind in der Schumpeterschen Auslegung enthalten.

*1.21
Epochen der Dogmen- und Methodengeschichte, S. 81.

*1.22
In ähnlicher Form erhebt schon 1905 Tugan-Baranowsky diesen Einwand (vgl. Theoretische Grundlagen des Marxismus, Leipzig 1905, S. 32). Im Vorwort lesen wir: "Im Marxschen System, soweit es kein System der Sozialpolitik ist, ist eine abstrakte soziale und ökonomische Theorie von der Untersuchung der konkreten Geschichte und der Entwicklungstendenzen des Kapitalismus zu unterscheiden. Jeder Teil des Systems hat einen prinzipiell andern Charakter" (S. VII).

*1.23
Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, Vorwort, S. 12.

*1.24
Es soll beachtet werden, daß seit dem Erscheinen der "Epochen" über dreißig Jahre verflossen sind, daß seither neue Quellen der Marx-Forschung erschlossen wurden, und daß die daran anknüpfende Marx-Literatur Wesentliches zum Verständnis des Marxschen Werkes beigetragen hat.

*1.25
Epochen der Dogmen- und Methodengeschichte, S. 81.

*1.26
In bezug auf die Marxsche Analyse des Konzentrationsprozesses des Kapitals schreibt Schumpeter: "... daß in diesem Falle die Vision der Analyse zu Hilfe kam und so einige Mängel der Analyse geheilt und den Sinn der Synthese wahrer gemacht hat, als die tragenden Elemente der Analyse selbst es waren." (Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, S. 85). In einer Anmerkung auf S. 127, wo er dasselbe in bezug auf die Klassiker feststellt, bemerkt er: "Der Leser wird sich daran erinnern, welchen Nachdruck ich auf den Unterschied von Theorie und Vision im Falle Marx gelegt habe."

*1.27
Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, Vorwort, S. 12.

*1.28
Vgl. Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, 1. Kapitel: Marx der Prophet, S. 19 ff.

*1.29
Grundsätzlich bliebe Marx in diesem Falle auf der Linie der von ihm kritisierten utopischen Sozialisten wie St-Simon, Fourier, Owen. Seine Arbeit wäre wohl mit mehr Fleiß und gründlicher ausgeführt, aber schließlich stände er doch in den Reihen seiner sozialistischen Vorläufer.

*1.30
Wenn Schumpeter in Das Wesen und der Hauptinhalt der theoretischen Nationalökonomie (S. XIV. Leipzig 1908) schreibt: "Der einzige allgemeine Satz, der wirklich a priori haltbar ist, ist meines Erachtens der, immer vernünftig vorzugehen", so ist damit nur ausgemacht, was Marx von Hegel her schon bekannt war: "Der einzige Gedanke, den die Philosophie mitbringt, ist aber der einfache Gedanke der Vernunft, daß die Vernunft die Welt beherrsche, daß es also auch in der Weltgeschichte vernünftig zugegangen sei" (Hegel, Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte, H. 11, S. 34). Folgenschwerer waren jedoch die Worte: "Es hat sich also erst aus der Betrachtung der Weltgeschichte selbst zu ergeben, daß es vernünftig in ihr zugegangen sei .." (l. c., S. 36).

*1.31
Was hinter diesem "scheinbar" liegt, versuchte Gunnar Myrdal in seiner Arbeit über Das Politische Element in der nationalökonomischen Doktrinbildung (Berlin 1931) an der klassischen wie an der marginalistischen Schule zu exemplifizieren. Was bei seiner Analyse sympathisch auffällt, ist die unerhörte Konsequenz mit der er Kreisschlüssen aus den der Analyse implizit zugrunde gelegten Prämissen nachgeht. Im neoklassischen Marginalismus erstehe das alte klassische Übel in einer verschämteren Form wieder, nur daß sich dafür weniger hinreichende Rechtfertigungsgründe fänden. Selbst wenn man nicht wie Myrdal an eine unpolitische, bzw. apolitische Wirtschaftstheorie glaubt - auf diesem Standpunkt steht Marx -‚ so weist er doch eindeutig nach, daß auch die reinste Theorie sich bis anhin bewußt oder unbewußt auf gesellschaftsphilosophische Grundlagen gestützt hat (vgl. besonders Kapitel 1: Politik und Nationalökonomie). Damit stoßen wir wieder auf die Frage nach der problemlösenden Methode.

*1.32
Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, Einleitung. S. 8.

*1.33
Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, S. 81

*1.34
Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, S. 82.

*1.35
"Durch all das, was mangelhaft oder sogar unwissenschaftlich an seiner (Marx‘) Analyse ist, zieht sich ein Grundgedanke, der weder das eine noch das andere ist - der Gedanke einer Theorie, nicht bloß einer unbegrenzten Zahl von unzusammenhängenden Einzelmodellen oder der Logik von ökonomischen Quantitäten im allgemeinen, sondern der tatsächlichen Folge dieser Modelle oder des wirtschaftlichen Prozesses, so wie er abläuft unter seinem eigenen Dampf, in historischer Zeit, in jedem Augenblick jenen Zustand erzeugend, der aus sich heraus den nächsten bestimmen wird. So war der Autor so vieler falscher Auffassungen auch der erste, der im Geiste vor Augen sah, was auch in der Gegenwart noch immer die Wirtschaftstheorie der Zukunft ist, für die wir langsam und mühselig Stein und Mörtel, statistische Fakten und Funktionsgleichungen zusammentragen." (Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, S. 78). Wirtschaftstheorie der Zukunft ist aber auch wieder Gegenwart; das Ziel verschwindet in unerreichbare Ferne. - Für Vergangenes revidiert die Theorie ihr Resultat nicht dadurch, daß bereits Gewonnenes als null und nichtig erklärt wird, sondern dadurch, daß es durch die Negation in der neuen Erkenntnis aufgehoben ist. Als Stufe zu uns hat sie räumlich objektive, zeitlich relative Gültigkeit. Jede Zeit bewältigt in der Theorie ihre Aufgaben. Auf den besonderen Charakter dieser Bewegung kommen wir noch zurück.

*1.36
Schmoller, G., Grundriß der allgemeinen Volkswirtschaftslehre, Vorrede, S. VI. München-Leipzig 1919. - In einer Besprechung des Hasebrockschen Buches Staat und Handel im alten Griechenland zitiert Salin die Worte Böckhs, daß "wer Einzelnes einigermaßen erschöpfen will, das Ganze kennen muß", und bemerkt in einer Fußnote zutreffend: "Groteskerweise ist heute die Böckhsche Einsicht nicht nur aufgegeben, sondern vor der Erkenntnis, daß die Wissenschaft unfähig ist, ein Ganzes zu sehen und zu schaffen, sucht man sich mit der Ausflucht zu retten, es seien noch nicht genügend Monographien (lies: Dissertationen) geschrieben." (Vgl. Salin, E., Staat und Handel in Hellas in archaischer und klassischer Zeit, in: Zeitschr. f. d. ges. Staatswiss., Bd. 89, H. a, S. 354 f. Tübingen 1930.)

*1.37
Schmoller, G., Grundriß der allgemeinen Volkswirtschaftslehre, Vorrede, S. VI. München-Leipzig 1919.

*1.38
Beispiele dieser Art sind etwa die Behandlung des Problems der Akkumulation im Verhältnis zum tendenziellen Fall der Profitrate durch Natalie Moszkowska und der Transformation des Wertschemas in das Preisschema durch Ladislaus von Bortkiewicz, auf das neuerdings Paul M. Sweezy wieder aufmerksam gemacht hat. Inwieweit es sich um wirkliche Erweiterungen oder Korrekturen handelt, bleibe dahingestellt. (Vgl.: Natalie Moszkowska, Das Marxsche System, Ein Beitrag zu dessen Ausbau, Berlin 1929, ferner:
Zur Dynamik des Spätkapitalismus, Zürich/New York 1943; Bortkiewicz, L. v., Wertrechnung und Preisrechnung im Marxschen System, in: Arch. f. Sozialwiss. u. Sozialpol., Bd. 23, H. 1, und Bd. 25, H. 1 und 2;
Sweezy, Paul M., The Theory of Capitalist Development, Principles of Marxian Political Economy. London 1946. Besonders Kapitel VII: The Transformation of Value into Prices, S. 109 - 128. Deutsch: Theorie der kapitalistischen Entwicklung. Eine analytische Studie über die Prinzipien der Marxschen Sozialökonomie. Köln 1959. S. 83 - 103.)

*1.39
Lukács, Georg, Geschichte und Klassenbewußtsein, Studien über marxistische Dialektik, S. 53. Berlin 1923. Und: Werke Bd. 2, Neuwied 1968, S. 171.

*1.40
Hegel, F., Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte H. 11, S. 37

*1.41
Marx hat diesen Gedanken noch ausdrücklicher und konkreter gefaßt als Hegel: "... auch wenn ich wissenschaftlich etc. tätig bin, eine Tätigkeit, die ich selten in unmittelbarer Gemeinschaft mit andern ausführen kann, so bin ich gesellschaftlich, weil als Mensch tätig. Nicht nur das Material meiner Tatigkeit ist mir - wie selbst die Sprache, in der der Denker tätig ist - als gesellschaftliches Produkt gegeben, mein eignes Dasein ist gesellschaftliche Tätigkeit, darum das, was ich aus mir mache, ich aus mir für die Gesellschaft mache und mit dem Bewußtsein meiner als eines gesellschaftlichen Wesens" (MEGA I, 3, S. 116. MEW, Ergänzungsband, 1. Teil, S. 538).



*2.1
Die Herrschaft des Wortes. Jena 1901.

*2.2
Kategorienlehre. Jena 1924. 2. Aufl. Jena 1939.

*2.3
Tübingen 1928.

*2.4
Kausalitäten und Werte in der Geschichte, in: Hist. Zeitschr. 137, 1928.

*2.5
Der Historismus und seine Probleme. Tübingen 1922. Neudruck, Aalen 1961. Der Historismus und seine Überwindung. Berlin 1924. Neudruck, Aalen 1966.

*2.6
Historismus, in: Arch. f. Sozialwiss. u. Sozialpol., Bd. 52, S. 1 - 60, 1924.

*2.7
Die Probleme der Geschichtsphilosophie. Heidelberg 1924.

*2.8
Der Römerbrief. München 1922.

*2.9
Religionsphilosophie protestantischer Theologie, in: Handb. d. Philosophie. Hg. von A. Baumler und M. Schröter, Abt. II. München und Berlin 1927.

*2.10
München und Leipzig 1930. 2. Aufl. Berlin, 1967.

*2.11
Jena 1941, 7. Aufl. Berlin, Göttingen, Heidelberg, 1959.

*2.12
Wir vermeiden den Terminus "intuitiv", der im Gegensatz zu "diskursiv" eine zu vage Bedeutung hat und in der Anwendung einen zu schillernden Gebrauch findet.

*2.13
In einer Besprechung der 1859 erschienenen Kritik der politischen Ökonomie von Marx schreibt Friedrich Engels: "Die Herausarbeitung der Methode, die Marx‘ Kritik der politischen Ökonomie zugrunde liegt, halten wir für ein Resultat, das an Bedeutung kaum der materialistischen Grundanschauung nachsteht." (Marx, Zur Kritik der politischen Ökonomie, S. 199. Zürich 1934. MEW, Bd. 13, S. 474).

*2.14
Vgl. unsere Kritik an Othmar Spann im "Anhang" zum 3. Kapitel.

*2.15
In der bemerkenswerten Studie über Kapitalbegriff und Kapitallehre von der Antike zu den Physiokraten (in: Vierteljahrschr. f. Sozial- u. Wirtschaftsgesch., Bd. 23, H. 4‚ S. 427. Stuttgart 1930) schreibt Salin: "Indessen es ist nichts als moderner Aberglaube, wenn angenommen wird, die Behandlung einer wissenschaftlichen Frage erfolge rein aus gedanklichem Ansporn heraus und der Fortgang der Wissenschaft vollziehe sich aus inner-wissenschaftlicher Notwendigkeit. Gerade die Geschichte der Kapitallehre ist geeignet, das Gegenteil zu erweisen."

*2.16
Eine, wie W. I. Lenin in seinem Philosophischen Nachlaß (S. 32. Berlin 1932. Und in Werke Bd. 38, S. 96) mit Recht betont, überaus materialistisch gefärbte Feststellung ist es, wenn Hegel bemerkt, daß was das Erste in der Wissenschaft sei, sich habe geschichtlich als das Erste zeigen müssen. Vgl. auch in der Wissenschaft der Logik folgende Stelle: "Wenn alle Bedingungen einer Sache vorhanden sind, so tritt sie in die Existenz." (H. 4, S. 594)

*2.17
In diesem Zusammenhang sei besonders auf die aufschlußreichen Ausführungen von Salin über die Kapitallehre der Griechen (1. c., S. 401 ff.) verwiesen, wo betont wird, daß das Kapital nur als unmittelbares, in der sachlichen Form sichtbares Kapital verstanden wird. Diese äußere, naturale, unvermittelte (".. eine mittelbare Fruchtbarkeit gibt es nicht.") Form des Kapitals setzt eine verhältnismäßig noch unentwickelte Wirtschaftsweise voraus, in der das abstrakt herrschende Kapitalverhältnis die Totalität noch nicht bestimmt. Da die konkrete Kategorie der Totalität, in diesem Falle die Polis, im Bewußtsein der Individuen die konkretere Daseinsform ist, ist selbst der Bedeutungswandel des Kapitalbegriffes in der Blütezeit des attischen Gemeinwesens, wo Handel und Geldleihe an Ausbreitung gewinnen, minder bedeutsam als im allgemeinen aus einer abstrakten, unhistorischen Sicht heraus angenommen wird. Diese Tatsache findet in der konsequent antichrematistischen Gesinnung ihren Niederschlag. Auch die begriffliche Mehrdeutigkeit, bzw. Scheidung des "Kapitals" bei den Griechen, die Salin kritisch untersucht, weist auf den kategoriell nicht durchgebildeten Charakter hin. Gegen die "Modernisierungshistoriker" und Modernisierungstheoretiker vgl. ferner Salins Besprechung des Hasebroekschen Buches Staat und Handel im alten Griechenland, in: Zeitschr. f. d. ges. Staatswissenschaft, Bd. 89, H. 2, S. 353 - 361. Tübingen 1930. - Die oben erwähnte (siehe Anmerkung 15 auf S. 40) kurzgefaßte Genesis des Kapitalbegriffes und der Kapitallehre von der Antike bis zum Hochkapitalismus stützt in ihrem streng historischen Verfahren durch das beigebrachte Material die Marxsche These. Wenn die Modernisierungstheoretiker den modernen Kapitalbegriff verallgemeinern und zurückinterpretieren, lösen sie die Vorstellungen und Theorien der Individuen früherer Geschichtsepochen in blauen Dunst auf, verwandeln ihr Bewußtsein in ein verkehrtes und falsches, ohne die näheren Gründe aufzeigen zu können, und verwickeln sich in unlösbare Widersprüche, abgesehen davon, daß sie damit die Machtlosigkeit des Bewußtseins demonstriert haben. In diesem Sinne war Marx bedeutend "idealistischer".

*2.18
"Die Selbstverständlichkeit, mit der heute ein jeder - er mag Kaufmann, Arzt oder Schriftsteller sein - seine Tätigkeit als ´Arbeit´ bezeichnet, hat es nicht immer gegeben. Die Arbeit hat sich nur sehr allmählich soziale Geltung verschafft. Sie ist nach christlicher Auffassung ursprünglich keine an ihr selber verdienstvolle Leistung, sondern der Sünden Lohn und Strafe." (Karl Löwith, Von Hegel zu Nietzsche, S. 357. Zürich/New York 1941. 5. Aufl. Stuttgart 1964. Vgl. ferner S. 538/39.) Siehe auch auf S. 539 Anmerkung 5 über den Bedeutungswandel des Arbeitsbegriffes (aus Grimm, Deutsches Wörterbuch). Dasselbe im Französischen: Das französische travail kommt vom lateinischen tripalium, womit im Mittelalter ein Folterinstrument bezeichnet wurde. Tripaliare = Foltern mit dem tripalium. Die altfranzösische Form von travailler hat den Sinn von tourmenter, faire souffrir, peiner, fatiguer. (A. Dauzat, Dictionnaire Etymologique, S. 722, Paris 1938 und van Daele, Petit Dictionnaire de l‘Ancien Frangais. S. 501, Paris 1940.) Ferner Hans Freyer: "Erst wenn der Arbeiter, selbst abstrakter Teil eines objektiv gewordenen Arbeitsprozesses, mit höchst gesteigerter Sachlichkeit einen abstrakten Teil an dem Werke tut, von dessen Ertrag er nach seiner berechenbaren Arbeitsleistung wiederum einen abstrakten Teil als Lohn erhält, ist die Loslösung der Wirtschaft vom Menschen ganz vollzogen. Man kann die Arbeitsteilung nicht schlagender bezeichnen als mit den Worten Hegels: ´Abstraktion der Geschicklichkeit und des Mittels´." (Die Bewertung der Wirtschaft im philosophischen Denken des 19. Jahrhunderts, S. 17/18. Leipzig 1921.)

*2.19
"Die Grundlage aller entwickelten und durch Warenaustausch vermittelten Teilung der Arbeit ist die Scheidung von Stadt und Land" (K, I, S. 369. MEW Bd. 23, S. 173)

*2.20
Das philosophisch-ökonomische System des Marxismus, S. 289. Leipzig 1909.

*2.21
Vgl. Brief an Kugelmann vom 13. Oktober 1866. In: Karl Marx, Briefe an Kugelmann aus den Jahren 1862 - 1874, 2. Aufl., Elementarbücher des Kommunismus, S. 30 f., Berlin 1927.

*2.22
Die Planänderung hat seinerzeit Henryk Grossmann zur Grundlage einer methodologischen Untersuchung genommen. Vgl. Henryk Grossmann, Die Änderungen des ursprünglichen Aufbauplan des Marxschen "Kapitals" und ihre Ursachen, in: Arch. f. d. Gesch. d. Sozialismus u. d. Arbeiterbewegung. Hg. v. Dr. Carl Grünberg, 14. Jg., S. 305 - 338. Leipzig 1929. Wir kommen in der textkritischen Untersuchung III darauf zurück.

*2.23
Differenz der demokritischen und epikureischen Naturphilosophie. (MEGA, I, 1(1), S. 1 - 144, Diss. und Vorarbeiten. MEW, Ergänzungsband, 1. Teil, S. 257 ff.)

*2.24
Die heilige Familie oder Kritik der kritischen Kritik. Gegen Bruno Bauer und Konsorten. (MEGA, I, 3, S. 173 - 388. In: MEW, Bd. 2.)

*2.25
Eduard Bemnstein veröffentlichte 1903/04 in den Dokumenten des Sozialismus erstmals Teile (aus der Polemik gegen Max Stimner) des Manuskriptes, Gustav Mayer, der Engels-Biograph, einen weiteren (Das Leipziger Konzil) 1921 im Arch. f. Sozialwiss. u. Sozialpolitik (Bd. 47, Tübingen 1921), während Rjasanow im Marx-Engels-Archiv, Bd. I, eine Rekonstruktion des Manuskriptes versucht hat. Vgl. auch: Gustav Mayer, Die "Entdeckung" des Manuskriptes der "Deutschen Ideologie", in: Arch. f. d. Gesch. d. Sozialismus u. d. Arbeiterbew., hg. v. Dr. Carl Grünberg. Bd. XII. Leipzig 1926. - Die wissenschaftlich zuverlässige Ausgabe besorgte das Marx-Engels-Lenin-Institut in Moskau, welches das Werk innerhalb der Marx-Engels-Gesamtausgabe edierte (MEGA, I, S. 5. Berlin 1932. In: MEW, Bd. 3. - Die Ökonomisch-philosophischen Manuskripte erschienen zuerst russisch 1927 in Moskau, deutsch innerhalb der Marx-Engels-Gesamtausgabe 1932 in Berlin [MEGA, I, Bd. 3. In: MEW, Ergänzungsband 1. Teil]).

*2.26
Neue Quellen zur Grundlegung des historischen Materialismus. Interpretation der neuveröffentlichten Manuskripte von Marx. In: Die Gesellschaft. Internat. Revue f. Sozialismus u. Politik, 9. Jg.. Bd. II, S. 136. Berlin 1932.

*2.27
Neue Quellen zur Grundlegung des historischen Materialismus, S. 136/37. Ideen, S. 8.

*2.28
MEGA, I, 2, S. 377- 404. MEW, Bd. 1, S. 499 - 524.

*2.29
Von den damals erstellten Exzerpten von Marx sind für die Zeit von Anfang 1844 bis Anfang 1845 unter anderen folgende bekannt: Boisguillebert, Destutt de Tracy, Lauderdale (französisch), John Law, List, Mac Culloch (französisch), James Mill (französisch), Ricardo (das Hauptwerk, französisch), J. B. Say, A. Smith (das Hauptwerk, französisch), Sismondi. Vgl. MEGA, I, 3, S. 453 - 416. Ein Teil der Exzerpte ist in diesem Band abgedruckt: vgl. S. 417 ff. Aus den Exzerptheften, in: Texte zu Methode und Praxis II, Pariser Manuskripte 1844, Reinbek bei Hamburg, 1966. In diese Zeit fällt auch Marx‘ intensives Studium der Französischen Revolution. - Im Februar 1845 übersiedelt er nach Brüssel.

*2.30
MEGA, I, 3, S. 33. MEW, Ergänzungsband, 1. Teil, S. 467.

*2.31
Karl Marx. Chronik seines Lebens. Zusammengestellt vom Marx-Engels-Lenin-Institut in Moskau, S. 26. Moskau 1934.

*2.32
Karl Marx, S. 32.

*2.33
In: Enthüllungen über den Kommunisten-Prozeß zu Köln von Karl Marx, Einleitung, S. 7/8. Hottingen-Zürich 1885. MEW, Bd. 8, S. 582.

*2.34
Die Parallele zu dem von Hegel in seinen Grundlinien der Philosophie des Rechts Ausgeführten liegt auf der Hand: "Die Vorstellung als ob der Mensch in einem sogenannten Naturzustand, worin er nur sogenannte einfache Naturbedürfnisse hätte, und für ihre Befriedigung nur Mittel gebrauchte, wie eine zufällige Natur sie ihm unmittelbar gewährte, in Rücksicht auf die Bedürfnisse in Freiheit lebte, ist, noch ohne Rücksicht des Moments der Befreiung, die in der Arbeit liegt . . . eine unwahre Meinung, weil das Naturbedürfnis als solches und dessen unmittelbare Befriedigung nur der Zustand der in die Natur versenkten Geistigkeit und damit der Roheit und Unfreiheit wäre, und die Freiheit allein in der Reflexion des Geistigen in sich, seiner Unterscheidung von dem Natürlichen und seinem Reflexe auf dieses, liegt." (H. 7, S. 275, Paragraph 194.)

*2.35
Vgl. ferner MEGA, I, 3, S. 83, Z. 38f., und I, 3, S. 83, Z. 29 - 32. MEW, Ergänzungsband, 1. Teil, S. 512

*2.36
Vgl. Anm. 18 auf S. 22: Textkritische Untersuchung I.

*2.37
Vgl. ferner den Anhang zu dieser textkritischen Untersuchung auf S. 67.

*2.38
Marcuse, H., 1. c., S. 138. Ideen ...‚ S. 9.

*2.39
Marcuse, H., 1. c., S. 141. Ideen ...‚ S. 14.

*2.40
Eine nur-philosophische Interpretation, die am Gegenstand vollkommen vorbeigeht, gibt Hans Barth in seinem Buch Wahrheit und Ideologie (Zürich 1945 - Vgl.: Ideologie und ideologisches Bewußtsein in der Philosophie von Karl Marx, S. 73 - 190). Die Begriffspaare Entäußerung-Vergegenständlichung, Entfremdung-Verdinglichung, die Marx historisch faßt, werden als abstrakte Kategorien dargestellt und verlieren damit den von Marx analysierten Gehalt (vgl. zum Beispiel S. 118, S. 134. - Auch die Unterscheidung von physiologisch-naturwüchsiger Teilung der Arbeit und gesellschaftlicher Teilung der Arbeit wird verwischt; vgl. Marx, K, 3, S. 368 f. MEW, Bd. 23, S. 36 ff.). So kann auch nicht wundernehmen, daß die Kontinuität des Marxschen Denkens verkannt und behauptet wird, ´die philosophisch-anthropologische Grundlegung´ schließe mit dem Kommunistischen Manifest ab (1. c., Anm. S. 320). Abgesehen von der Gesamtdarstellung des kapitalistischen Produktionsprozesses im Kapital finden sich doch darin unter dem Titel "Der Fetischcharakter der Ware und sein Geheimnis" (K, 1, S. 76 ff. MEW, Bd. 23, S. 85 ff.) Ausführungen, die unmittelbar an die "philosophisch-anthropologische" Grundlegung anschließen. Die Arbeit Barths wirkt auch darum nicht überzeugend, da er immerfort Marx Wertungen unterschiebt, wo dieser nur feststellt (vgl. etwa S. 122 über die Teilung der Arbeit oder S. 179 über Staat und hierarchische Ordnung).

*2.41
MEGA, III, 2, S. 284. MEW, Bd. 29, S. 275.

*2.42
Vorwort zur ersten Auflage des Kapitals (K, I, S. 5. MEW, Bd. 23, S. 11). - Vgl. ferner den Brief an Kugelmann vom 28. Dezember 1862. In: Karl Marx, Briefe an Kugelmann aus den Jahren 1862 - 1874. 2. Aufl., S. 15. Berlin 1927. MEW, Bd. 30, S. 639.

*2.43
Sombart, Werner, Die drei Nationalökonomien, S. 44. München und Leipzig 1930. 2. Aufl. Berlin, 1967

*2.44
Lukács, Georg, Marx und das Problem des ideologischen Verfalls, in: Internationale Literatur, Deutsche Blätter, 8. Jg., H. 7, S. 106. Moskau 1938.

*2.45
Vgl. hierzu auch das IV. Kapitel.

*2.46
Vgl. auch den Brief von Marx an Kugelmann vom 6. März 1868 (1. c., S. 46. MEW, Bd. 32, S. 533), wo Marx schreibt: "Er (Eugen Dühring. - 0. M.) weiß sehr wohl, daß meine Entwicklungsmethode nicht die Hegelsche ist, da ich Materialist, Hegel Idealist. Hegels Dialektik ist die Grundform aller Dialektik, aber nur nach Abstreifung ihrer mystischen Form, und dies gerade unterscheidet meine Methode." - Vgl. "Zur Frage der materialistischen Dialektik".

*2.47
Die moralisierende Kritik und die kritisierende Moral. Beitrag zur deutschen Kulturgeschichte. Gegen Carl Heinzen von Karl Marx. MEGA, I, 6, S. 303/04. MEW, Bd. 4, S. 331. Zum äußeren Anlaß dieser Kritik vgl. Gustav Mayer, Friedrich Engels, Eine Biographie, Bd. I, S. 259 - 262, Haag 1934. Ferner den Brief von Friedrich Engels an Karl Marx vom 25. Oktober 1847, MEGA, III, 1, S. 84. MEW, Bd. 27, S. 93.

*2.48
Geschichte und Klassenbewußtsein, Studien über marxistische Dialektik. Berlin 1923. Und in: Werke Bd. 2, Neuwied 1969.

*2.49
Reason and Revolution, Hegel and the Rise of Social Theory. New York 1941. Deutsch: Vernunft und Revolution, Neuwied 1962.

*2.50
Marx‘ philosophische Entwicklung, sein Verhältnis zu Hegel. Zürich/ New York 1940.

*2.51
H. 4, S. 17.

*2.52
H. 4, S. 20.

*2.53
H. 4, S. 17.

*2.54
MEGA, I, 1(1), S. 574/75. MEW, Bd. 1, S. 345.

*2.55
Der Feuerbachsche Anthropologismus war die Rückführung der eingebildeten, phantastischen Natur der menschlichen Vorstellungen auf ihren wirklichen Ursprung, die Auflösung der "verhimmelten" ideellen Kategorien in ihre naturalistische Form. So bezeichnet Marx die Schriften Feuerbach, als "die einzigen Schriften seit Hegels «Phänomenologie« und «Logik«, worin eine wirklich theoretische Revolution enthalten ist" (MEGA, 1, 3, S. 34. MEW, Ergänzungsband, 1. Teil, S. 468). Allerdings hat Feuerbach den Charakter der gegenständlichen Tätigkeit des Menschen abstrakt, nicht in der historischen Konkretion verstanden, und darin besteht die Einseitigkeit seines Anthropologismus, den Marx in seinen Thesen kritisiert und wovon er seine historisch-materialistische Konzeption abgrenzt. Die Kritik an Feuerbach ist allerdings - nicht explizite, aber am Gegenstand der Betrachtung - in derselben Schrift enthalten, in der Marx von der durch Feuerbach ausgelösten theoretischen Revolution spricht, in den Ökonomisch-philosophischen Manuskripten, wo Man betont, daß die gewordene Gesellschaft den Menschen in dem ganzen Reichtum seines Wesens als "den reichen und tief allsinnigen Menschen als ihre stete Wirklichkeit" produziere: "Man sieht, wie Subjektivismus und Objektivismus, Spiritualismus und Materialismus, Tätigkeit und Leiden erst im gesellschaftlichen Zustand ihren Gegensatz und damit ihr Dasein als solche Gegensätze verlieren; man sieht wie die Lösung der theoretischen Gegensätze selbst nur auf eine praktische Art, nur durch die praktische Energie der Menschen möglich ist und ihre Lösung daher keineswegs nur eine Aufgabe der Erkenntnis, sondern eine wirkliche Lebensaufgabe ist, welche die Philosophie nicht lösen konnte, eben weil sie dieselbe als nur theoretische Aufgabe faßte" (MEGA. I, 3, S. 121. MEW, Ergänzungsband, 1. Teil, S. 542). Vgl. ferner Marx, Thesen über Feuerbach (MEGA, I, 5, S. 533 - 535. MEW, Bd.3 S. 5 - 7).

*2.56
"Der Hauptmangel alles bisherigen Materialismus (den Feuerbachschen mit eingerechnet) ist, daß der Gegenstand, die Wirklichkeit, Sinnlichkeit nur unter der Form des Objektes oder der Anschauung gefaßt wird; nicht aber als sinnlich menschliche Tatigkeit, Praxis; nicht subjektiv" (MEGA, I, 5, S. 533. MEW, Bd. 3‚ S. 5).

*2.57
MEGA, I, 1(1), S. 616. MEW, Bd. 1, S. 386.

*2.58
H. 2, S. 24.

*2.59
"... daß die weltliche Grundlage sich von sich selbst abhebt und sich ein selbständiges Reich in den Wolken fixiert, ist nur aus der Selbstzerrissenheit und Sichselbstwidersprechen dieser weltlichen Grundlage zu erklären"(MEGA, I, 5, S. 534. MEW, Bd. 3, S. 6).

*2.60
Misère de la Philosophie, Rponse la Philosophie de la Misère de M. Proudhon, 1847. MEGA, I, 6, S. 177 - 228. MEW, Bd. 4, S.61 - 182.

*2.61
Siehe S. 65.

*2.62
MEGA, I, 6, S. 183 f. MEW, Bd. 4, S. 145 f.

*2.63
MEGA, 1, 1(1) S. 81. MEW, Ergänzungsband, I. Teil, S. 370.

*2.64
Brief an Friedrich Engels vom 9. Dezember 1861. MEGA, III, 3, S. 49. MEW, Bd. 30, S. 206.

*2.65
Wir möchten in diesem Zusammenhang besonders auf das ausgezeichnete Buch von Georg Lukács, Der junge Hegel (Zürich/Wien 1948) verweisen, das kurz vor Abschluß unserer Arbeit erschienen ist. In: Werke Bd. 8, Neuwied 1967.

*2.66
H. 11, S. 34.

*2.67
H. 11, S. 51.

*2.68
Brief an Friedrich Engels vom 25. März 1868. MEGA, III, 4, S. 34. MEW, Bd. 32, S. 51 ff.

*2.69
Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet Marx zum Beispiel die Lage und die Existenzbedingungen des Arbeiters. Wenn er im Kommunistischen Manifest schreibt: "Die Lohnarbeit beruht ausschließlich auf der Konkurrenz der Arbeiter unter sich", so setzt er unmittelbar hinzu: "Der Fortschritt der Industrie, dessen willenloser und widerstandsloser Träger die Bourgeoisie ist, setzt an die Stelle der Isolierung der Arbeiter durch die Konkurrenz ihre revolutionäre Vereinigung durch die Assoziation" (MEGA, I, 6, S. 537. MEW, Bd. 4, S. 474). Im 19. Jahrhundert sind dies zwei deutlich unterscheidbare Stadien, die eine quantitative und qualitative Wendung kennzeichnet, jedoch kein prinzipieller Wandel des Grundwiderspruches von Lohnarbeit und Kapital. Der Revisionismus ist ein Opfer der Vereinseitigung, die mit einer undialektischen Methode des Einerseits-Anderseits operiert. Auf Grund der Modifizierungen, bzw. Besonderungen des Gegenstandes, das heißt der Gegensatzpaare, glaubt er den Grundwiderspruch aufgehoben. So ist es nicht von ungefähr, daß anstelle der Dialektik ein farbloser Evolutionismus treten muß. In den Voraussetzungen des Sozialismus (a. a. 0., S. 36) schreibt Bernstein: "Was Marx und Engels Großes geleistet haben, haben sie nicht vermöge der Hegelschen Dialektik, sondern trotz ihrer geleistet." Dies ist eine vollkommene Verkennung der methodologischen Grundlagen, auf denen unter anderen gerade Das Kapital ruht.

*2.70
Vgl. S. 91, Produktion und Konsumtion, 1. und 2.

*2.71
Vgl. oben, unter II., 1.

*2.72
Vgl. oben, unter II., 2.

*2.73
Siehe S. 104

*2.74
Wir werden darauf in unserer "Zusammenfassung" zurückkommen.

*2.75
Daß sie nicht in der heute vorliegenden Form aufgenommen worden wären, darüber läßt ein Vergleich mit dem Kapital keine Zweifel offen. So war es auch richtig, sie nicht als Buch IV des Kapital erscheinen zu lassen, sondern als Parallelwerk, wie es der Herausgeber, Karl Kautsky, getan hat. Die Einteilung des Stoffes stammt übrigens von diesem. Marx hätte den Inhalt wohl wesentlich kondensiert, da die theoretischen Exkurse z. T. ins Kapital übernommen worden sind.

*2.76
Henryk Grossmann, Die Änderung des ursprünglichen Aufbauplans des Marxschen Kapitals und ihre Ursachen, in: Arch. f. d. Gesch. d. Sozialismus u. d. Arbeiterbewegung, hg. v. Dr. Carl Grünberg, Jg. 14. H. 1, S. 305 - 333. Leipzig 1929.

*2.77
Henryk Grossmann, 1. c., S. 311.

*2.78
Karl Marx, Briefe an Kugelmann aus den Jahren 1862 - 1874, 2. Aufl., S. 31. Berlin 1927. (MEW, Bd. 31, S. 533.)

*2.79
Grossmann stützt sich auf die Briefe an Friedrich Engels vom 6. Juli 1863 und 15. August 1863 (MEGA, III, 3, S. 148 und 152. MEW, Bd. 30, S. 361 und 368).

*2.80
Henryk Grossmann, 1. c., S. 315.

*2.81
Henryk Grossmann, 1. c., S. 312.

*2.82
Vorwort, S. V. Leipzig 1929.

*2.83
Was ist die in der "Einleitung" gegebene Systematik anderes als die Darstellung im Funktionszusammenhang, wenn Grossmann damit das dialektisch Gegliederte meint?

*2.84
Vgl. S. 89 ff.

*2.85
Henryk Grossmann, 1. c., S. 323.

*2.86
Auf die Würdigung der Klassiker durch Marx kommen wir noch im letzten Kapitel zu sprechen.



*3.1
Das ontologische Wesen ist ein konkretes, an die historisch-besondere Form gebundenes Wesen: "... . das menschliche Wesen ist kein dem einzelnen Individuum innewohnendes Abstraktum. In seiner Wirklichkeit ist es das ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse". (Marx, Thesen über Feuerbach, MEGA, I, 5‚ S. 535. MEW, Bd. 3, S. 6).

*3.2
Hierin unterscheidet sich die Marxsche Methode auch von der abstrakt-aufklärerischen Vernunftgläubigkeit.

*3.3
Vgl. auch K, I, S. 335, und K, III, S. 235. MEW, Bd. 23, S. 335 und Bd. 25, S. 219.

*3.4
Die Politik des Aristoteles. Neubearb. d. Übers. Garves. Hg. v. Dr. Moritz Brasch, S. 40/45. Leipzig 1893.

*3.5
Über die Mystifikation der gesellschaftlichen Verhältnisse in früheren Gesellschaftsformen schreibt Marx:
"Sie (die Mystifikation. - 0. M.) ist der Natur der Sache nach ausgeschlossen, erstens, wo die Produktion für den Gebrauchswert, für den unmittelbaren Selbstbedarf vorwiegt; zweitens, wo, wie in der antiken Zeit und im Mittelalter, Sklaverei oder Leibeigenschaft die breite Basis der gesellschaftlichen Produktion bildet: die Herrschaft der Produktionsbedingungen über die Produzenten ist hier versteckt durch die Herrschafts- und Knechtschaftsverhältnisse, die als unmittelbare Triebfedern des Produktionsprozesses erscheinen und sichtbar sind. In den ursprünglichen Gemeinwesen, wo naturwüchsiger Kommunismus herrscht, und selbst in den antiken städtischen Gemeinwesen, ist es dies Gemeinwesen selbst mit seinen Bedingungen, das als Basis der Produktion sich darstellt, wie seine Reproduktion als ihr letzter Zweck. Selbst im mittelalterlichen Zunftwesen erscheint weder das Kapital noch die Arbeit ungebunden, sondern ihre Beziehungen durch das Korporationswesen und mit demselben zusammenhängende Verhältnisse und ihnen entsprechende Vorstellungen von Berufspflicht, Meisterschaft etc, bestimmt. Erst in der kapitalistischen Produktionswesse . . .." (Hier bricht das Manuskript ab; K, III. S. 885/S6. MEW, Bd. 25, S. 839.)
Marx unterscheidet die unentfremdete von der entfremdeten Form, wobei die entfremdete Form selbst wieder in historischen Modifikationen auftreten kann: bis zur unpersönlich entfremdeten Form der voll entfalteten kapitalistischen Produktion in einer zum Teil persönlich entfremdeten Weise (Herrschafts- und Knechtschaftsverhältnisse).

*3.6
Spann, Othmar, Die Haupttheorien der Volkswirtschaftslehre, 12. bis 15. Aufl., S. 150. Leipzig 1913. 25. Aufl. Heidelberg, 1949.

*3.7
Vgl. im 1. Kapitel unsere Darstellung der Akzentverschiebung von der detailwissenschaftlichen Arbeit zur visionären Sicht in der Kritik Schumpeters an Marx.

*3.8
Vgl. MEGA, I, 3, S. 205, Z. 22 - 35. MEW, Bd. 2, S. 36.

*3.9
Vgl. Mannheim, Karl, Die Strukturanalyse der Erkenntnistheorie, Kant-Studien Nr. 57. S. 9 ff. Berlin 1922.

*3.10
Und trotzdem zwingt es die Wissenschaft immer wieder dazu, bei der Verwendung eines solchen Begriffes, die Worte vorauszuschicken: "Ich verstehe unter ..."

*3.11
Vgl. K, I, VII. Abschnitt, S. 592 ff. MEW, Bd. 23, S. 589ff.

*3.12
Meyer, Eduard, Zur Theorie und Methodik der Geschichte, Geschichtsphilosophische Untersuchungen, S. 1. Halle 1902.

*3.13
Rothacker, Erich, Theorie und Geschichte, in: Schmollers Jahrb., Festgabe für Werner Sombart, S. 16. 19. Jänner 1933.

*3.14
Sombart, Werner, Die drei Nationalökonomien. Geschichte und System der Lehre von der Wirtschaft, München und Leipzig 1930. 2. Aufl. Berlin, 1967.

*3.15
Warynski, Stanislaw (Kofler, Leo). Die Wissenschaft von der Gesellschaft. Umriß einer Methodenlehre der dialektischen Soziologie, S. 170. Bern 1944.

*3.16
Adler, Max, Die Bedeutung Vicos für die Entwicklung des soziologischen Denkens, in: Arch. f. d. Gesch. d. Sozialismus u. d. Arbeiterbewegung, hg. v. Dr. CarI Grünberg, 14. Jg., S. 280 - 304. Leipzig 1929. - Die Arbeit ist wenig ergiebig; sie verkennt unter anderem vollkommen das Verhältnis Vicos zum Naturrecht.

*3.17
Marx, Karl, Das Kapital, Kritik der politischen Ökonomie, Bd. 1, S. 389. Berlin 1932. MEW, Bd. 23, S. 393. In einer Fußnote, wo Marx von der Notwendigkeit einer "kritischen Geschichte der Technologie" spricht, schreibt er:
"Verdient die Bildungsgeschichte der produktiven Organe des Gesellschaftsmenschen, der materiellen Basis jeder besonderen Gesellschaftorganisation, nicht gleiche Aufmerksamkeit (wie die Geschichte der natürlichen Technologie bei Darwin. - 0. M.)? Und wäre sie nicht leichter zu liefern, da, wie Vico sagt, die Menschengeschichte sich dadurch von der Naturgeschichte unterscheidet, daß wir die eine gemacht und die andere nicht gemacht haben?"
Daß Marx die Scienza Nuova gelesen hat, geht aus seinem Schreiben an Friedrich Engels vom 28. April 1862 hervor (vgl. MEGA, III, 3, S. 63. MEW, Bd. 30, S. 227).

*3.18
Das Hauptwerk, die Scienza Nuova, hat verschiedene Auflagen erlebt. Die ausführlichste Bibliographie stammt von Benedetto Croce, Bibliographia vichiana. Bari 1911. Ich zitiere nach der gekürzten französischen Ausgabe: Principes de la philosophie de l‘histoire. Traduits de la Scienza Nuova. Precedes d‘un discours sur le systeme et la vie de l‘auteur par Jules Michelet. S. 130 (livre I, chap. III). Bruxelles 1835.

*3.19
Croce, Benedetto, Die Philosophie Giambattista Vicos. Nach der 2. Aufl. übers, von Erich Auerbachs und Theodor Lücke, S. 102. Tübingen 1927.

*3.20
Croce, Benedetto, 1. c., S. 17.

*3.21
Hegel, G. W. F., Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte. Bd. I: Einleitung. Hg. von Georg Lasson, S. 25. Leipzig 1917.

*3.22
Rothacker, Erich, Theorie und Geschichte, in: Schmollers Jahrb., Festgabe für Werner Sombart, 19. Jänner 1933.

*3.23
Sombart, Werner, Die drei Nationalökonomien, Geschichte und System der Lehre von der Wirtschaft, S. 197. München und Leipzig 1930. 2. Aufl. Berlin, 1967.

*3.24
Sombart, Werner., 1. c., S. 197.

*3.25
Rothacker, 1. c., S. 6/7.

*3.26
Rothacker, 1. c., S. 10.

*3.27
Rothacker, 1. c., S. 14.

*3.28
Rothacker, 1. c., S. 15.

*3.29
Rothacker, 1. c., S. 15.

*3.30
Rothacker, 1. c., S. 6.

*3.31
Rothacker, 1. c., S. 6.

*3.32
Rothacker, 1. c., S. 14.

*3.33
Rothacker, 1. c., S. 7.

*3.34
Rothacker, 1. c., S. 14.

*3.35
Rothacker, 1. c., S. 15.

*3.36
Rothacker, 1. c., S. 15.

*3.37
Rothacker Erich, Überbau und Unterbau, Theorie und Praxis, in: Schmollers Jahrb., 56 Jg. (1932), 1. Hbbd., S. 161 - 176.

*3.38
Rothacker, 1. c., S. 166.

*3.39
Rothacker, 1. c., S. 169.

*3.40
Rothacker, 1. c., S. 170.

*3.41
Rothacker, 1. c., S. 171.

*3.42
Rothacker, 1. c., S. 171.

*3.43
Vgl. hierzu Warynski, Stanislaw (Kofler, Leo). Die Wissenschaft von der Gesellschaft. Umriß einer Methodenlehre der dialektischen Soziologie, S. 273. Bern 1944.

*3.44
Rothacker, 1. c., S. 168/9.

*3.45
Rothacker, 1. c., S. 169.

*3.46
Rothacker, 1. c., S. 169.

*3.47
Rothacker, 1. c., S. 171.

*3.48
Rothacker, 1. c., S. 169.

*3.49
Rothacker, 1. c., S. 175.

*3.50
Rothacker, 1. c., S. 176.

*3.51
Spann Othmar, Über die Einheit von Theorie und Geschichte, in: Aus Politik und Geschichte, Gedächtnisschrift für Georg von Below, S. 303 - 337. Berlin 1928.

*3.52
Spann, 1. c.‚ S. 316.

*3.53
Spann, 1. c.‚ S. 311.

*3.54
Spann, 1. c.‚ S. 314.

*3.55
Spann, 1. c.‚ S. 314.

*3.56
Spann, 1. c.‚ S. 314.

*3.57
Spann, 1. c.‚ S. 315.

*3.58
Spann, 1. c.‚ S. 316.

*3.59
Spann, 1. c.‚ S. 317.



*4.1
Wie unfruchtbar im allgemeinen Verbalismenstreite sind, wenn sie sich an die Kategorien klammern, ist wohl nirgends deutlicher zu sehen als in der Schrift Liefmanns, Wirtschaftstheorie und Wirtschaftsbeschreibung (Tübingen 1929), in der er als Vertreter einer individualistisch-psychologistischen, kausal-erklärenden Wirtschaftstheorie scharf gegen Sombart Stellung nimmt: "Alle Ausführungen Sombart haben mit Wirtschaftstheorie nichts zu tun, zeigen auch gar kein Verständnis dafür, sondern sind typisch historisch gesehen . . ." (S. 29), oder: "Sombarts Betrachtungsweise ist eine typisch formale oder strukturelle" (S. 28); ferner: "Daß Sombarts ganze Darstellungsweise mit speziellen und historischen Begriffen arbeitet und daher Wirtschaftsbeschreibung und nicht Wirtschaftstheorie ist, erkennt man auch daran, daß er überall nicht das Gemeinsame, Einheitliche, sondern das Spezielle, Unterscheidende sucht" (S. 29). Der radikale Dualismus von Wirtschaftstheorie (als Fachdisziplin) und Wirtschaftsgeschichte (als Teildisziplin einer anderen Fachwissenschaft: der Geschichte) ist bei Liefmann besonders eklatant: "Man tut am besten, alle historischen Vorstellungen von der Theorie überhaupt fernzuhalten" (S. 15). Welche Dignität kommt der "Hilfs"wissenschaft denn zu?

*4.2
Raphael, Max, Zur Erkenntnistheorie der konkreten Dialektik, S. 11. Paris 1934. Dies ist nicht Historismus als Universalwissenschaft, wie es zum Beispiel Karl Mannheim versteht, der darin die Ablösung des theologischen Weltbildes durch ein geschichtsphilosophisches sieht (vgl. seinen Aufsatz "Historismus", in: Arch. f. Sozialw. u. Sozialpol., Bd. 52. [1924], S. 1 - 6o).

*4.3
Der Begriff stammt von Karl Mannheim. Vgl. seinen Artikel Wissenssoziologie, in: Handwörterbuch der Soziologie, hg. v. Alfred Vierkandt, S. 659 bis 680. Stuttgart 1931.

*4.4
Etwas Ähnliches, wenn auch auf rein theoretischer Ebene, meint wohl auch Bernheim, wenn er sagt: "Erst seit dem Aufkommen der genetischen Geschichtsschreibung erstreckte sich das Forschungsinteresse auf den gesamten Stoff des geschichtlichen Lebens in allen seinen Zweigen, erst seitdem faßte man die innigen Zusammenhänge aller sozialen Betätigungen und ihre mannigfaltigen Ursachen ins Auge, man wollte um Rankes Wort zu gebrauchen, wissen, ´wie alles geworden ist´." (Einleitung in die Geschichtswissenschaft, S. 92. Berlin und Leipzig 1926).

*4.5
In aller Ausführlichkeit kann auf die Frage nicht eingetreten werden; dies würde eine eigene Studie erfordern.

*4.6
Mannheim versucht in Ideologie und Utopie (2. Aufl., Bonn 1930. Neuaufl. Frankfurt a. M. 1952) die Selbstrelativierungen der standortgebundenen Erkenntnisweisen durch Konstruktion einer »relativ klassenlosen Schicht der "sozial freischwebenden Intelligenz." (S. 123. bzw. 135) zu überwinden.
Hierauf hat Meusel eine treffliche Antwort gegeben: "Den Beweis dafür, daß die Intellektuellen wirklich freischwebend und nicht klassengebunden sind, versucht Mannheim mit dem Hinweis auf die Verschiedenartigkeit ihrer sozialen Stellung zu führen: einige seien Rentner, einige Beamte, andere Angehörige der freien Berufe usw. Es sei gestattet, die Antwort darauf mit einem Scherz zu geben: Bekanntlich war Russisch die erste Fremdsprache, in die das ´Kapital´ übersetzt wurde, und als der erste Band in Russisch erschien, verzichteten die Sozialisten unter den studierenden Söhnen von Fabrikanten und Grundbesitzern auf ihre Wechsel, weil sie nicht länger vom Mehrwert leben wollten, aber die Söhne von Rechtsanwälten und Beamten behielten ihre Wechsel, weil der dritte Band noch nicht erschienen war und sie also nicht zu wissen brauchten, daß es vom Mehrwert abgeleitetes Einkommen gibt. Bei seinem Beweis für den klassenjenseitigen Charakter der Intelligenz verfährt Mannheim so, als ob der dritte Band auch im Jahre 1929 noch nicht erschienen war." (Meusel, A., Intelligenz und Volk, S. 9. Berlin 1947).

*4.7
Meusel, Alfred, Karl Marx, in: Gründer der Soziologie. Eine Vortragsreihe, S. 107. Jena 1932.

*4.8
Lukács, Georg. Der junge Hegel, a. a. 0.

*4.9
Lukács, 1. c., S. 648. Werke Bd. 8, S. 626.

*4.10
Lukács, 1. c., S. 593. Werke Bd. 8, S. 573. - Erstaunlich ist in diesem Zusammenhang, daß Rene König in einer Besprechung des Buches von Lukács in der "Weltwoche" (Zürich) vom 12. November 1948 behaupten kann: "Hegels Idealismus wird auf Grund seiner Standortgebundenheit in der zurückgebliebenen kapitalistischen Wirtschaftsgesellschaft Deutschlands relativiert; die Deutung von Marx wird dagegen unhistorisch verabsolutiert, als sei gerade sie nicht standortgebunden. Der Grundsatz des historischen Materialismus wird das eine Mal angewendet, um kritisch Posten fassen zu können, das andere Mal dagegen nicht. Man kann auch sagen: sowie es um Marx geht, hört die Dialektik auf.." Für die Blindheit vieler Marxgegner ist diese Meinung charakteristisch.
Baumgarten betont ebenfalls in seiner Geschichte der abendländischen Philosophie (Basel 1945): "Es bedeutet ein grobes Mißverständnis der marxistischen Erkenntnistheorie, wenn bisweilen gesagt wird, daß die Ideologienlehre den der menschlichen Erkenntnis grundsätzlich zugestandenen objektiven Wahrheitswert wieder aufhebe, um einem Relativismus Raum zu gewähren, der jede angebliche Erkenntnis zu einem dem Lebensinteresse dieser oder jener Klasse dienenden Fürwahrhalten herabwürdige." (S. 344)

*4.11
Die ersten schriftlichen Aufzeichnungen von Marx über Hegel, soweit dies uns heute bekannt ist, stammen aus dem Jahre 1843, und zwar eine Kritik des Hegelschen Staatsrechtes (geschr. v. März bis August 1843, in: MEGA, I, 1(1), S. 401 - 553. MEW, Bd. 1, S. 201 ff.) und eine "Einleitung zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie". (geschr. um die Jahreswende 1843/44, in: MEGA, I, 1(1), S. 607 - 621. MEW, Bd. 1, S. 378 ff.).

*4.12
Monnerot, Jules, Marx et le romantisme, in: Le Romantisme Allemand, Cahiers du Sud, 24. Jg., Mai- Juni 1937, Nr. 194, S. 155.

*4.13
Ohne Quellenvermerk verwendet Lukács das Zitat in seinem Artikel Marx und das Problem des ideologischen Verfalls, in: Internat. Literatur, 8. Jg. (1938), H. 7, S. 106. Zum Teil verwendet er es wieder in seinem Buch Der junge Hegel (a. a. 0., S. 66a. Werke Bd. 8, S. 639), und zwar mit folgender Angabe: Marx, Grundrisse der politischen Ökonomie, I, S. 80. Moskau 1939. Diese Schrift ist bei uns nicht bekannt.

*4.14
Karl Marx, Chronik seines Lebens, a. a. O., S. 6.

*4.15
Es muß ihr allerdings zugestanden werden, daß sie im Vergleich zur jüngeren historischen Schule geradezu theoretisch war.

*4.16
Speech of Dr. Marx on Protection, Free Trade, and the Working Classes. 1847. In: MEGA, I, 6, S. 429/30. MEW, Bd. 4, S. 305 - 308. (Übersetzung)

*4.17
Salin, Edgar, Geschichte der Volkswirtschaftslehre, 3. Aufl. Bern 1944.

*4.18
Salin, 1. c., S. 208.

*4.19
Salin, 1. c., S. 164.

*4.20
Theorien über den Mehrwert, 2. Bd., 1. Teil

*4.21
Salin, 1. c., S. 216.

*4.22
Salin, 1. c., S. 257/18.

*4.23
Salin, 1. c., S. 218.

*4.24
Besonders Spiethoff bemüht sich, die anschauliche Theorie methodologisch zu fundieren, so z. B. in einem Beitrag zur Festgabe für Alfred Weber (Anschauliche und reine volkswirtschaftliche Theorie und ihr Verhältnis zueinander, in: Synopsis, Festgabe für Alfred Weber, hg. v. Edgar Salin, S. 567 - 664. Heidelberg 1948). Spiethoff scheidet die anschauliche Theorie von der reinen Theorie und von der Geschichte. Er schreibt: "Die anschauliche Theorie will Theorie sein, das heißt, sie will Allgemeingültiges aussagen. Sie befaßt sich trotz ihres Strebens nach Wirklichkeitsnähe nicht mit geschichtlichen Einmaligkeiten, die einer nur für sie gültigen Erklärung zugeführt werden können" (S. 588). Auch wenn wir vom statuierten Gegensatz von Einmaligem (als Gegenstand der Geschichte) und Allgemeingültigem (als Gegenstand der Theorie) absehen, so ist niemals ersichtlich, trotz aller technischen Finessen, deren sich die anschauliche Theorie bedienen kann, wie Wirklichkeitserkenntnis zustandekommen soll, da alle angeführten Einzeltechniken und Hilfsverfahren synthetisch zusammengenommen noch keine Erklärung dafür liefern, wie Geschichte und Theorie sich zueinander verhalten. So mißversteht Spiethoff auch das Verhältnis von Tendenz und historischem Gesetz. Das Allgemeingültige ist eine ebenso wirkliche Erscheinung wie das Einmalige (wenn es Einmaliges in sich begreifen und erklären soll). Darum ist es abwegig zu erklären: "Die Wirklichkeit ist in jeder Hinsicht von einer solchen Vielfältigkeit der Erscheinungen erfüllt, daß darüber nichts Allgemeingültiges ausgesagt werden kann. Nur über ganz bestimmt festgelegte Erscheinungen und bestimmte Beziehungen zu andern ebenso erfaßten Erscheinungen läßt sich Allgemeingültiges ermitteln" (S. 569). Was als Allgemeingültiges in der Vielfalt der Erscheinungen ausgesondert werden kann, weist als Allgemeingültiges der Erscheinungen auf die historische Einmaligkeit hin, es ist das aus der Historizität der Erscheinungen ausgesonderte Allgemeingültige. Das Verfahren der anschaulichen Theorie, wie es Spiethoff beschreibt, erfaßt den Gegenstand von der Peripherie her, die Frage nach dem Verhältnis von Theorie und Geschichte bleibt unbeantwortet, das Problem des Zusammenhanges von Objekt und Methode bleibt ungelöst.

*4.25
Vgl. Dopsch, Alfred, Zur Methodologie der Wirtschaftsgeschichte, in: Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters, Gesammelte Aufsätze v. A. Dopsch. Wien 1928.


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