Bibliothek
|
Team |
Rainer Winkelmann |
Thema |
GRUNDBESTIMMUNGEN DER THEORIE DER SOZIALEN ARBEIT - aus: Erster Teil: Kommentar: Materialistische Geschichtsauffassung versus technokratisches Menschenbild - aus: KARL MARX: Exzerpte über Arbeitsteilung, Maschinerie und Industrie
( orginal )
|
Status |
1983 - Ullstein |
Letzte Bearbeitung |
06/2004 |
Home |
www.mxks.de
|
1. Erster Teil: Kommentar: Materialistische Geschichtsauffassung versus technokratisches Menschenbild - 1. Kapitel: Zur Aufgabenstellung und Problematik einer historisch-kritischen Edition. Theoretische Grundbestimmungen
1.1. Grundbestimmungen der Theorie der sozialen Arbeit
1. Erster Teil: Kommentar: Materialistische Geschichtsauffassung versus technokratisches Menschenbild - 1. Kapitel: Zur Aufgabenstellung und Problematik einer historisch-kritischen Edition. Theoretische Grundbestimmungen
1.1. Grundbestimmungen der Theorie der sozialen Arbeit
- I
Die materialistische Auffassung von Gesellschaft geht davon aus, daß die produktive Tätigkeit des gesellschaftlichen Menschen zur Selbsterhaltung, d. h. die Produktion des materiellen Lebens die Grundlage aller gesellschaftlichen Verhältnisse und Entwicklungen darstellt. Dies war von Marx spätestens in der "Deutschen Ideologie" so formuliert worden, stellte aber bereits das Resultat der "Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie" dar. Hiermit ist gerade der Gegensatz gegen eine idealistische Auffassung bezeichnet.
Zugleich ist hiermit festgehalten die Ablehnung einer individualistischen Auffassung: Produktion gibt es immer nur in Gesellschaft, die diese Produktion als Selbstreproduktion leistet. Eine Vorstellung der Produktion als individueller Tätigkeit ist eine Robinsonade, die sich praktisch wie theoretisch selbst aufhebt, auch wenn es sich hierbei um eine Lieblingsmodellvorstellung der bürgerlichen politischen Ökonomie handelt, die schon bei A. Smith festzustellen ist und dort auch als Resultat seiner platonischen Auffassung deutlich wird.
Es ist hiermit aber zugleich ein anderes Problem gestellt, nämlich das Verhältnis von Arbeit und Produktion bzw. von Arbeitsprozeß und Produktionsprozeß. Diese sind nämlich keineswegs identisch. Vielmehr gibt es Arbeit auch im Zirkulationsprozeß wie auch im Konsumptionsprozeß, und jedesmal ist es Verausgabung lebendiger Arbeit, die das bewegende Moment ausmacht. Dies ist auch für die
-XIX-
Produktion der Fall, wo es sich um einen Arbeitsprozeß in bestimmten Verhältnissen handelt, dessen Ganzheit als Produktionsprozeß zu bezeichnen ist.
Die Verhältnisse der Arbeit sind doppelter Art: Als Verhältnis zur Natur sowie als gesellschaftliche Verhältnisse.
"Der Arbeitsprozeß. . . in seinen einfachen und abstrakten Momenten... ist zweckmäßige Tätigkeit zur Herstellung von Gebrauchswerten, Aneignung des Natürlichen für menschliche Bedürfnisse, allgemeine Bedingung des Stoffwechsels zwischen Mensch und Natur, ewige Naturbedingung des menschlichen Lebens, und daher unabhängig von jeder Form dieses Lebens, vielmehr allen seinen Gesellschaftsformen gleich gemeinsam."
Dieser Arbeitsprozeß ist "Verausgabung menschlicher Arbeitskraft." - "Der Gebrauch der Arbeitskraft ist die Arbeit selbst." Und diese Arbeit ist allgemein betrachtet "produktive Verausgabung von menschlichem Hirn, Muskel, Nerv, Hand usw."
Diese Arbeit ist spezifisch menschliche Arbeit, eine "Form, worin sie dem Menschen ausschließlich angehört" als "zweckmäßige Tätigkeit" , die gebunden ist an einen "zweckmäßigen Willen" und ein Element abstrakter Arbeit notwendig mit enthält: "Was aber von vornherein den schlechtesten Baumeister vor der schlechtesten Biene auszeichnet, ist, daß er die Zelle in seinem Kopf gebaut hat, bevor er sie in Wachs baut. Am Ende des Arbeitsprozesses kommt ein Resultat heraus, das beim Beginn desselben schon in der Vorstellung des Arbeiters, also schon ideell vorhanden war." Hiermit ist die Arbeit als spezifisch menschliche Arbeit gegen einen Naturprozeß abgegrenzt.
-
II
Zugleich aber handelt es sich bei der Arbeit um einen Prozeß, der sich auf die Natur bezieht und auch von seiten des Menschen Elemente von Aktivierung von Naturkräften enthält: "Die Arbeit ist zunächst ein Prozeß zwischen Mensch und Natur, ein Prozeß, worin der Mensch seinen Stoffwechsel mit der Natur durch seine eigene Tat vermittelt, regelt und kontrolliert. Er tritt dem Naturstoff selbst als eine Naturmacht gegenüber. Die seiner Leiblichkeit angehörigen Naturkräfte, Arme und Beine, Kopf und Hand, setzt er in Bewegung, um sich den Naturstoff in einer für sein eigenes Leben brauchbaren Form anzueignen."
Die Arbeit als Verhältnis zur Natur ist jedoch kein unmittelbares, sondern ein mittelbares Verhältnis, indem der Mensch ein Arbeitsinstrument, Arbeitswerkzeug oder Arbeitsmittel benutzt: "Ein Arbeits-
-XX-
mittel ist ein Ding oder ein Komplex von Dingen, die der Arbeiter zwischen sich und den Arbeitsgegenstand schiebt und die ihm als Leiter seiner Tätigkeit auf diesen Gegenstand dienen. Er benutzt die mechanischen, physikalischen, chemischen Eigenschaften der Dinge, um sie als Machtmittel auf andere Dinge, seinem Zweck gemäß wirken zu lassen."
Das Arbeitsmittel ist jedoch selbst in der Regel ein Produkt vergangener Arbeit, ein produziertes Produktionsmittel, das also nicht unmittelbar gegeben, sondern durch die vergangene Arbeit vermittelt ist, also neben seiner vermittelnden Relation - zwischen Mensch und Natur zumindest, u. U. aber auch zwischen verschiedenen Arbeiten oder gesellschaftlichen Gruppen vermittelnd - auch ein vermitteltes Verhältnis enthält: "Sobald der Arbeitsprozeß nur einigermaßen entwickelt ist, bedarf er bereits bearbeiteter Arbeitsmittel. . . Der Gebrauch und die Schöpfung von Arbeitsmitteln, charakterisieren den spezifisch menschlichen Arbeitsprozeß, und Franklin definiert daher den Menschen als ´a toolmaking animal´.
Dieselbe Wichtigkeit welche der Bau von Knochenreliquien für die Erkenntnis der Organisation untergegangener Tiergeschlechter, haben Reliquien von Arbeitsmitteln für die Beurteilung untergegangener ökonomischer Gesellschaftsformationen. Nicht was gemacht wird, sondern wie, mit welchen Arbeitsmitteln gemacht wird, unterscheidet die ökonomischen Epochen. Die Arbeitsmittel sind nicht nur Gradmesser der menschlichen Arbeitskraft, sondern auch Anzeiger der gesellschaftlichen Verhältnisse, worin gearbeitet wird." Diese letztere Ausführung unterstreicht Marx noch durch eine Fußnote:
"Sowenig die bisherige Geschichtsschreibung die Entwicklung der materiellen Produktion, also die Grundlage alles gesellschaftlichen Lebens und daher aller wirklichen Geschichte kennt, hat man wenigstens die vorhistorische Zeit . . . nach dem Material der Werkzeuge und Waffen in Steinalter, Bronzealter und Eisenalter abgeteilt." Die Arbeitsmittel sind also Anzeiger, d. h. Ausdruck der gesellschaftlichen Verhältnisse, worin gearbeitet wird bzw. wurde, wenn es sich um vergangene Gesellschaftsepochen handelt. Sie sind keineswegs die Ursache dieser gesellschaftlichen Verhältnisse - dies wäre eine technologische Geschichtsauffassung - sondern Ausdruck hiervon, da sich in ihnen und in ihrer Produktion alle Verhältnisse der Arbeit zur Natur und in der Gesellschaft ausgedrückt haben und in sie eingegangen sind. Ein Beispiel, das Marx selbst hierfür gibt, sind die nur rohen Arbeitsinstrumente der Sklavenarbeit in den Südstaaten der USA, da
-XXI-
feinere - und damit produktivere Instrumente von den Sklaven aufgrund ihres rebellischen Verhältnisses zu ihrer Arbeit verwüstet würden.
Von der gesellschaftlichen Bestimmtheit in den Arbeitsinstrumenten abzusehen, wäre eine andere Form der technologischen Geschichtsauffassung oder der technokratischen Gesellschaftsauffassung. In den Arbeitsinstrumenten drücken sich die Verhältnisse der Arbeit zur Natur und in der Gesellschaft aus, in denen sie produziert werden, aber auch der Arbeit, für die sie als Arbeitsinstrumente dienen sollen. Dies ist eine keineswegs bruchlose Doppelbestimmtheit.
Die Arbeitsinstrumente, die von Marx in der eben zitierten Passage als Dinge oder Komplexe von Dingen bezeichnet werden, brauchen durchaus keine einfachen Dinge zu sein, wie es durch die vorzeitlichen Beispiele suggeriert wird, die Marx in Anlehnung an die damalige ökonomische Literatur zitiert, also Stein und Stock etc., sondern können durchaus sehr komplex sein, wie Maschinen oder ganze Fabriken: Dies macht auf dieser Ebene der Abstraktion keinen Unterschied.
Mit dem Arbeitsinstrument tritt innerhalb der Arbeit selbst ein Verhältnis von toter und lebendiger Arbeit ein. Die Arbeitsinstrumente sind als produzierte Produktionsmittel vergangene, tote Arbeit, die in ihnen aufgehäuft wurde. Der Umfang dieser Aufhäufung toter Arbeit variiert stark je nach dem konkreten Charakter der Arbeitsmittel.
Das Arbeitsmittel als Quantum toter Arbeit bleibt tot und nutzlos, solange es nicht in einem Arbeitsprozeß in Kontakt mit lebendiger Arbeit gebracht wird, wobei es selbst das Passivum, die lebendige Arbeit das Aktivum bildet: "Eine Maschine, die nicht im Arbeitsprozeß dient, ist nutzlos. Außerdem verfällt sie der zerstörenden Gewalt des natürlichen Stoffwechsels. . . Die lebendige Arbeit muß diese Dinge ergreifen, sie von den Toten erwecken, sie aus nur möglichen in wirkliche und wirkende Gebrauchswerte verwandeln. Vom Feuer der Arbeit beleckt, als Leiber derselben angeeignet, zu ihren begriffs- und berufsmäßigen Funktionen im Prozeß begeistet, werden sie zwar auch verzehrt, aber zweckvoll, als Bildungselemente neuer Gebrauchswerte, neuer Produkte, die fähig sind, als Lebensmittel in die individuelle Konsumtion oder als Produktionsmittel in neuen Arbeitsprozeß einzugehen." Die hiermit beschriebene neue Dimension, die der Arbeitsprozeß erhält durch das Auftreten von Arbeitsmitteln als
-XXII-
Aufhäufungen vergangener, toter Arbeit, ist die Repotentialisierung vergangener Arbeit durch die lebendige Arbeit, die hiermit eine neue, eigene Qualität erhält. Mit der Repotentialisierung wird die Produktivkraft, die allein Eigenschaft lebendiger Arbeit ist, auch wenn sie häufig als Eigenschaft der Arbeitsmittel begriffen und dargestellt wird, weil sie diesen Schein im Kapitalismus real erhält (womit zugleich das Verhältnis zwischen Produktivkraft und Produktivität als einer rein technischen Relation vermischt wird), vermehrt auf der Grundlage der Fähigkeit der lebendigen Arbeit, die tote Arbeit in den Arbeitsmitteln zum Leben zu erwecken. Dies geschieht jedoch nur angesichts der gegenständlichen Bedingungen der Arbeit - nämlich im Verhältnis zu Arbeitsmittel und Arbeitsgegenstand.
Mit dem Arbeitsmittel erhält aber auch eine andere Dimension der Arbeit eine neue, zusätzliche Bedeutung, die schon von Anfang an in ihr angelegt ist, nämlich die Frage des Wie, der Art und Weise der zweckmäßigen Verrichtung. Dies ist das Problem der Technik bzw. Technologie in der Arbeit.
Ein und dieselbe Arbeitsaufgabe kann nämlich auf verschiedene Art gelöst werden, die je nach den gegenständlichen und gesellschaftlichen Bedingungen der Arbeit variieren kann, z. 1. aber auch innerhalb derselben. Diese Variation der Arbeit ist teils eine unmittelbare Variation, die spontan stattfindet als eine unmittelbare Eigenschaft der Arbeit, teilweise eine gesellschaftlich vermittelte, etwa in Form einer Entwicklung und Uberlieferung von Arbeitstechnik oder Qualifikation. Dies ist die andere Seite der Aufhäufung vergangener Arbeit als Potenz der lebendigen Arbeit, nämlich als technologisches Wissen oder bestimmte Art und Weise der Qualifikation der Arbeit, als Erfahrung etc., d. h. als subjektive Seite der Technologie; aber auch als Art und Weise der Arbeitsinstrumente, besondere, erfahrungsmäßig bzw. durch spezielle Arbeit gewonnene Form derselben usw.: Dies ist die gegenständliche Seite der Technologie. Technologie als solche ist demnach die Abstraktion dieser Art und Weise, also Wissen und Kenntnis - teils als wissenschaftliche Kenntnis, teils als praktische Erfahrung, die selbst wieder einen Bezug teils auf die lebendige Arbeit, teils auf das Arbeitsmittel hat. Die Konkretion und praktische Anwendung dieser technologischen Kenntnisse bildet die Technik, die als Art und Weise der Arbeit, d. h. als Arbeitsmethode und als spezielle Beschaffenheit der Arbeitsinstrumente realisiert wird, also auch wieder eine subjektive und eine objektive Seite hat.
-XXIII-
Mit der Technologie des Arbeitsinstruments gewinnt die Variation der Arbeit eine neue Potenz, die nun nicht mehr nur Variation der Arbeitstechnik ist, sondern einen zusätzlichen, größeren Rahmen erhält, insbesondere, wenn die Variation zu einer gesellschaftlich organisierten Aufgabe wird.
-
III
Die Verhältnisse der Arbeit in der Gesellschaft sind mannigfacher Art. Für den gegenwärtigen Zweck genügt es jedoch, wie für die Relation der Arbeit zur Natur geschehen, einige Grundbestimmungen anzuführen.
Es war weiter oben darauf hingewiesen worden, daß es keine individuelle Arbeit im strengen Sinne gibt, sondern daß es sich mit dieser Modellvorstellung der Robinsonade um eine verbreitete Illusion handelt. Dies bedeutet umgekehrt, daß produktive Arbeit immer in Gesellschaft stattfindet. Hieraus ergibt sich das Problem der produzierenden Einheit und seiner sozialen Organisation als eines produktiven Organs der Gesellschaft.
Diese produzierende Einheit, die ein Stamm, eine Familie, ein Dorf oder ein Betrieb sein kann, je nach der Verfassung der Gesellschaft überhaupt, hat eine innere soziale Organisation sowie eine Relation zur Gesellschaft, die voneinander zu unterscheiden sind, aber auch zusammenhängen, wie Marx im Zusammenhang mit der Teilung der Arbeit - also einer sehr komplexen Kategorie der sozialen Organisation der Arbeit - in der kapitalistischen Manufaktur ausgeführt hat, wo er den Gegensatz zwischen Teilung der Arbeit in der Werkstatt und gesellschaftlicher Anarchie nachgewiesen hat.
Die soziale Organisation der Arbeit enthält als wesentliche Dimension die Kooperation sowie die Teilung der Arbeit in ihren verschiedenen Abstufungen und Zusammenhängen. Beide Kategorien hängen eng zusammen, wie schon aus der Marxschen Definition der Kooperation deutlich wird: "Die Form der Arbeit vieler, die in demselben Produktionsprozeß oder in verschiedenen, aber zusammenhängenden Produktionsprozessen planmäßig neben- und miteinander arbeiten, heißt Kooperation."
Wird der Zusammenhang mit der Arbeitsteilung hier schon in der Definition deutlich, so noch mehr in den von Marx verwendeten Beispielen, wo jeweils auch Elemente von Kooperation enthalten sind, wenn er Beispiele für Arbeitsteilung gibt und umgekehrt. So spricht Marx von Kooperation beim Beispiel einer Kette von Bauarbeitern, die von Hand zu Hand Ziegel weiterreichen, während Skarbek, von dem das Beispiel stammt, nicht ohne Berechtigung von
-XXIV-
partieller Arbeitsteilung spricht. Noch deutlicher wird diese Verbindung, wenn Marx als Konsequenz der Kooperation unter kapitalistischen Verhältnissen die Herausbildung einer Leitungs- und Überwachungsfunktion mit einer ganzen Hierarchie von Leitern analysiert.
Kooperation und Arbeitsteilung bilden zusammen die Kombination der Arbeit. So spricht Marx - allerdings noch im Kapitel über die Kooperation - von der "Wirkung der kombinierten Arbeit" sowie dem "kombinierte(n) Arbeiter oder Gesamtarbeiter" , der verschiedene Raumteile des Produkts gleichzeitig angreifen kann.
Marx entwickelt die Bestimmungen über Kooperation und Arbeitsteilung sowie überhaupt die Organisation der Arbeit seinem Thema, nämlich der kapitalistischen Gesellschaft entsprechend, meist schon für den Fall dieser Gesellschaftsformation. So faßt er die Bestimmung der sozialen Organisation der Arbeit auch am Beispiel der Manufaktur in folgender Weise (die jedoch generelle Gültigkeit hat): "Die manufakturmäßige Teilung der Arbeit schafft durch Analyse der handwerksmäßigen Tätigkeit, Spezifizierung der Arbeitsinstrumente, Bildung der Teilarbeiter, ihre Gruppierung und Kombination in einem Gesamtmechanismus, die qualitative Gliederung und quantitative Proportionalität gesellschaftlicher Produktionsprozesse, also eine bestimmte Organisation gesellschaftlicher Arbeit, und entwickelt damit zugleich neue, gesellschaftliche Produktivkraft der Arbeit."
Neben der gesellschaftlichen Organisation und verknüpft mit ihr wird in dieser Analyse von Marx auch der enge Zusammenhang mit der Entwicklung der Arbeitsinstrumente deutlich, wie er z. 1. oben bereits angesprochen wurde. Hierbei spielt das Verhältnis lebendiger und toter Arbeit sowie die damit zusammenhängende Überlieferung von akkumulierten Kenntnissen und Fähigkeiten eine wichtige Rolle. Damit wird die Gesamtheit der gesellschaftlichen Verhältnisse bedeutsam, da nicht nur die Relation zwischen den mittelbaren und unmittelbaren Produzenten eine zentrale Bedeutung erhält sowie das Verhältnis zwischen produzierender und konsumierender Einheit, sondern der instrumentale Charakter von Kultur überhaupt für diesen Prozeß der gesellschaftlichen Vermittlung und Uberlieferung wichtige Vermittlungsfunktion hat.
Dieser Zusammenhang wird sehr klar dargestellt bei Krader: "We distinguish between combination of labor and combination in society. The objective combination of labor is in the first place the combination of living with dead labor, or the direct combination of the worker with the product, the means of production, in this case, the instruments of
-XXV-
labor, and the mediate combination of living labor with the product thereof in the process of production as a whole. The process of social reproduction is constituted of the dual relation, direct and mediate, of production. The combination of social labor is mediate in another sense, in that present living labor joins with past living labor in the process of social reproduction as a whole, and by this means, the skills of the past are transmitted to the present, whereupon they are internalized and variously applied. Combination of living labor among the workers in the present takes the various forms of coordinate labor, whereby each one performs the same task as the next one does, wether simultaneously ore seriatim, . . . this has been called the mechanical solidarity of labor. Combination of living labor takes the various forms of cooperative labor, with coordiantion of various specialized tasks and functions; this has been called the organic solidarity of labor. Together these various forms of combined labor are organic in the sense of being communally or socially organized. ... The combination of living labor in the present is in one of its moments the division of labor, . ."
-
IV
Die hiermit skizzierten Grundbeziehungen der allgemeinen Theorie der sozialen Arbeit sind die Grundlage, auf der letztlich eine Auseinandersetzung zwischen der historisch-materialistischen Auffassung und einer idealistischen einerseits und einer technologischen Auffassung der geschichtlichen Entwicklung andererseits geführt werden kann.
Dies schon allein deswegen, weil die Entwicklung der Theorie der Arbeit ein zentrales Element der Ausarbeitung der materialistischen Geschichtsauffassung ist. Sie knüpft an die allgemeinen Grundlagen derselben an, wie sie etwa mit der "Deutschen Ideologie" oder den "Feuerbachthesen" gegeben sind und bedeutet eine Entfaltung der Verhältnisse der materiellen Produktion, wie sie dort als Grundlage der Gesellschaft und daher auch der geschichtlichen Entwicklung dargelegt worden sind. Die Theorie der Arbeit ist also die Entwicklungsstufe der materialistischen Auffassung, wie sie im "Kapital" ausgearbeitet vorliegt.
Wenn es also die Intention der vorliegenden Arbeit ist, die Rolle der technologischen Exzerpte aus Babbage und Ure im Marxschen Werk nachzuzeichnen, und es sich ergeben hatte, daß diese Exzerpte sowohl zeitlich als auch sachlich im Zusammenhang mit der Durcharbeitung der politischen Ökonomie durch Marx stehen, wobei diese Durcharbeitung wiederum die Ausarbeitung der materialistischen Geschichts-
-XXVI-
auffassung bedeutet, die im gleichen Zeitraum in einer Folge immer neuer Entwürfe und Bestimmungen Schritt für Schritt weiterentwickelt wird, dann ist die Theorie der sozialen Arbeit in allgemeiner Form die letztendliche Grundlage, auf der allein die Bedeutung der technologischen Exzerpthefte theoretisch eingeordnet werden kann. Dies um so mehr, als mit dem technologischen Problem sogleich ein Thema angesprochen wird, das zentrale Beziehungen der Theorie der Arbeit betrifft, wenn auch nur in allgemeiner Form. Um die Probleme und Mängel der technologischen Betrachtungsweise der Gesellschaft kennzeichnen zu können, ist es also notwendig, sich zuvor der allgemeinsten Bestimmungen hiervon zu versichern, auch wenn die Behandlung dieser Probleme bei Babbage und Ure selbstverständlich auf einer sehr viel konkreteren Ebene stattfindet: Beide Autoren schreiben nicht explizit über eine Theorie der sozialen Arbeit. Auch ist mit den wenigen allgemeinen Bestimmungen, die hier entwickelt wurden, die konkrete Ebene der Problematik, wie sie bei den genannten Autoren vorliegt und von Marx auch so gelesen, exzerpiert und verwendet worden ist, nicht einfach "erledigt", sondern nur allgemein eingeordnet und in ihren allgemeinsten Implikationen geklärt.
Die technologische Geschichtsbetrachtung, die mit einer Position der technokratischen Gesellschaftsauffassung identisch ist , ist eine Form eines falschen Materialismus, die sich selbst im Gegensatz zum Idealismus befindet, aber im Kern die Verhältnisse von Arbeit, Produktion sowie Arbeit - Arbeitsgegenstand - Arbeitsmittel nicht richtig erfaßt.
Hier sind verschiedene fehlerhafte Thesen möglich und auch real festzustellen, die aber untereinander zusammenhängen. Der wohl grundlegende Fehler der technologischen Geschichtsbetrachtung besteht in einem falschen Arbeitsbegriff, indem Arbeit nicht als spezifisch menschliche Arbeit begriffen wird, sondern als Naturkraft. Es war oben gezeigt worden, daß die menschliche Arbeit unter anderem auch als Naturkraft wirksam werden kann - etwa beim Aufheben eines Steines, wo im physikalischen Sinne Arbeit geleistet wird - darin aber nicht ihr Spezifikum liegt. Marx drückt dies sehr klar z. B. in der Kritik an Justus von Liebig aus: Liebig schreibt: "Durch eine weiter getriebene Pulverisierung und häufigeres Pflügen wird der Luftwechsel im Inneren poröser Erdteile befördert, und die Oberfläche der Erdteile, auf welche die Luft einwirken soll, vergrößert und erneuert, aber es ist leicht verständlich, daß die Mehrbeträge des
-XXVII-
Feldes nicht proportionell der auf das Feld verwandten Arbeit sein können, sondern daß sie in einem weit kleineren Verhältnis steigen." Hierzu bemerkt Marx mit Recht: "Abgesehen von irriger Deutung des Wortes ´Arbeit´, worunter Liebig etwas anderes versteht als die politische Ökonomie, . ."
Bei Verwendung eines solchen naturwissenschaftlichen bzw. technologischen Arbeitsbegriffes für die lebendige menschliche Arbeit verschwimmt die Differenz zwischen Arbeitsprozeß und Produktionsprozeß und dieser wird zu einem reinen Naturprozeß, in dem verschiedene Naturkräfte und natürliche Agentien aufeinander wirken, ohne daß menschliche Arbeit diese aufeinander vermittelt. Dies wäre also allenfalls partiell realisierbar, nämlich als vollautomatisierte Produktion, nicht jedoch im gesellschaftlichen Maßstab als gesellschaftliche Produktion und gesellschaftliche Arbeit in der Produktion. Von hier aus ist es nur ein kleiner Schritt zu der Auffassung der menschlichen Arbeit als Appendix der Maschinen sowie zu Vergleichen zwischen "Maschinenarbeit" und "Handarbeit" als gleichen Qualitäten.
Ein weiterer Fehler der technologischen Geschichtsauffassung besteht darin, die gesellschaftliche Vermittlung der Arbeitsinstrumente zu übergehen und sie rein in ihrem Verhältnis zur Natur zu betrachten. Von hier aus ergibt sich konsequent eine Auffassung von der Technologie bzw. dem technologischen Fortschritt als Motor der Geschichte bzw. als beherrschender gesellschaftlicher Macht, also der Auffassung, die der Terminus "technokratische Gesellschaftsauffassung" exakt wiedergibt. Es wird hiermit die Arbeit in ihren gesellschaftlichen Verhältnissen - insbesondere ihrem Verhältnis zur toten Arbeit sowie in ihrem Verhältnis zur Natur - als Motor der Geschichte geleugnet und damit die materialistische Geschichtsauffassung im Kern abgelehnt.
Es liegt auf der Hand, daß die technologische Geschichtsauffassung eine kapitalistische Ideologie ist, die mit der Entwicklung der Maschinerie in der Produktion scheinbare Bestätigung und Energie gewann. Es wird nämlich hiermit dem Produktionsmittel, das als konstantes fixes Kapital die Erscheinungsform des Kapitals in der Produktion ist, eine eigene Produktivkraft, neben und unabhängig von der lebendigen Arbeit beigelegt und zugleich eine Dominanz über diese eingeräumt. Dies alles läßt sich in exemplarischer Form bei Ure studieren.
Es hat sich gezeigt, daß bei Marx mit der Ausarbeitung der materialistischen Geschichtsauffassung die Theorie der sozialen Arbeit entwickelt und im ersten Band des "Kapital" dargestellt wurde.
-XXVIII-
Diese Darstellung findet aber selbstverständlich immer im Zusammenhang mit dem eigentlichen Thema des Marxschen Werkes statt - nämlich der kapitalistischen Produktionsweise. Daher finden sich meist nur kürzere Passagen, in denen diese Theorie rein als solche dargestellt wird, und diese Passagen sind verstreut über mehrere Kapitel des "Kapital". Andere wichtige Ausführungen zu diesem Thema werden schon von vornherein zugespitzt auf kapitalistische Verhältnisse gemacht.
Es zeigte sich, daß die eigentliche Entwicklung der Theorie der sozialen Arbeit im dritten Abschnitt, 5. Kapitel des "Kapital" beginnt und spätestens mit dem 11. und 12. Kapitel - über Kooperation und Arbeitsteilung - im vierten Abschnitt fortgesetzt wird. Zuvor waren jedoch schon sehr viele zentrale Bestimmungen im ersten Abschnitt, vor allem im ersten Kapitel gemacht worden bei der Analyse der Ware und des Wertes. Diese Analyse kann selbstverständlich nicht ohne die Untersuchung der Arbeit und der Produktion geleistet werden, die daher dort auch vorweggenommen wird aus den bekannten Gründen: um die Sphäre der Warenproduktion als die erscheinende Sphäre der kapitalistischen Produktion darstellen zu können, zugleich als ihr vorausgesetztes Resultat und die Ware als Keimzelle der kapitalistischen Produktionsweise erfassen zu können.
Marx selbst erläutert die Notwendigkeit dieser Form der Darstellung im Kapitel über Kooperation - freilich unmittelbar nur auf die Darstellung der Ökonomie der Produktionsmittel bezogen: "Der Gang der Analyse gebietet diese Zerreißung des Gegenstandes, die zugleich dem Geist der kapitalistischen Produktion entspricht."
Nachdem einige der allgemeinen Grundbestimmungen der Theorie der sozialen Arbeit dargestellt worden sind, kommt es für die Erfassung konkreter Probleme, wie etwa den Prozeß der Industrialisierung darauf an, konkretere Verhältnisse und Bestimmungen zu untersuchen, ohne die grundlegenden Bestimmungen der allgemeineren Theorie außer acht zu lassen, aber auch ohne hierbei in eine Art "Subsumptionslogik" zu verfallen, in der das Konkrete aus dem Allgemeineren abgeleitet werden kann: dies wäre ein idealistisches Vorgehen.
Im Zuge dieser Untersuchung, die hier nicht geleistet werden kann, vielmehr im "Kapital" bereits vorliegt, sind die Verhältnisse der Wertproduktion, Mehrwertproduktion, der Verwertung und Kapitalbewegung zu begreifen als gesellschaftlich spezifische Verhältnisse, die sich entfalten auf der Grundlage der Entwicklung der Produktiv-
-XXIX-
kräfte und der produktiven Organisation der Gesellschaft im Prozeß der gesellschaftlichen Produktion und Reproduktion und auf diese Grundlage zurückwirken. Hiermit ist die kapitalistische Formverwandlung des Prozesses der gesellschaftlichen Produktion thematisiert, mit ihrer Differenz zwischen formeller und reeller Subsumption der Produktion unter das Kapitalverhältnis.
Die konkreten Ausführungen von Marx zu diesem Prozeß - nämlich historisch gesprochen die Entwicklung der Manufaktur und der großen Industrie - sind der Ort, an dem die Exzerpte aus Babbage und Ure im "Kapital" Verwendung finden. Diese Verwendung soll im folgenden an einigen Problembereichen untersucht werden mit der theoretischen Fragestellung, inwieweit die technologische Geschichtsauffassung, die bei Ure überwiegend und massiv, bei Babbage in widersprüchlicher Weise vorhanden ist, dort konkret überwunden worden ist.
-
V
Die dargestellte innere Vorgehensweise der Arbeit drückt sich in folgender Kapitelführung aus:
- Im zweiten Kapitel geht es darum, die beschriebene theoriegeschichtliche Linie mit Adam Smith beginnend über Ricardo sowie die Entwicklung und Aufspaltung der Ricardoschen Schule zum Problem von Arbeitsteilung und Maschinerie darzustellen. Auf diesem Hintergrund ist es möglich, die Autoren Babbage und Ure theoriegeschichtlich zu verorten, so daß die anschließende Darstellung der Autoren im allgemeinen sowie eine Darstellung und kurze Einschätzung ihrer von Marx exzerpierten Texte im besonderen den Stand der damaligen wissenschaftlichen Diskussion wiedergibt und damit die Stellung der beiden Autoren in ihrer Zeit.
-
Das dritte Kapitel stellt die aktive Auseinandersetzung von Marx mit den Autoren in Form des Exzerpierens derbeiden Bücherdar, versucht hierbei das Leseinteresse wie auch das übergreifende Erkenntnisinteresse von Marx herauszuarbeiten und so die Bedeutung der Autoren und die Marxsche Position zu ihnen zum Zeitpunkt des Exzerpierens zu skizzieren, soweit sich dies gegenständlich festmachen läßt.
-
Das vierte Kapitel versucht die Wirkungsgeschichte der Exzerpte innerhalb der Marxschen Entwicklung nachzuzeichnen anhand von Marxschen Veröffentlichungen - also Verwendung der Exzerpte für Veröffentlichungen - sowie Briefen und anderen biographischen Dokumenten. Es geht hier also darum, Veränderungen der Marxschen Position zu den Autoren festzustellen. Aus Gründen des Umfangs muß darauf verzichtet werden, die Veränderung der Marx-
-XXX-
schen Position im Hinblick auf den theoretischen Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit bzw. auf die in den Exzerpten festgehaltenen Fragestellungen und Probleme auch dort nachzuvollziehen, wo keine expliziten Bezüge auf die Autoren Ure und Babbage von Marx hergestellt werden. Statt dessen wird eine kurze Analyse der Verwendung der Materialien aus diesen Exzerpten besonders in der "Misere de la Philosophie" von 1847 (dem Jahr also, in dem auch das Kommunistische Manifest verfaßt wurde) vorgenommen als der frühesten Marxschen Veröffentlichung, in der explizit auf die Autoren Ure und Babbage Bezug genommen wird. Es wird hiermit das Marxsche Interesse und die Marxsche Position gegenüber Ure und Babbage zwei Jahre nach dem Anfertigen der Exzerpte untersucht.
Da die Verwendungsanalyse insoweit beschränkt werden mußte, als nicht der jeweilige Entwicklungsstand der Problematik einbezogen werden konnte, für die Marx von den Exzerpten Gebrauch gemacht hat, wurde hier ein mehr formaler Weg der Analyse gewählt. Die Ausführungen im 4. Kapitel stützen sich daher weitgehend auf die tabellarische Darstellung der Verwendungen im Anhang 3. Dort werden einige ergänzende Hinweise auf die Zusammenhänge in der Verwendungsgeschichte vor allem nach 1860 gegeben. Für diese Zeit der verstärkten politökonomischen Studien von Marx wäre im gegebenen Rahmen keine zufriedenstellende Untersuchung mehr möglich gewesen.
-
Im fünften, theoretisch-systematischen Kapitel, wird im Rückgriff auf die Theorie der sozialen Arbeit bzw. das Problem der sozialen Organisation der Arbeit versucht, den Einfluß der Exzerpte aus Babbage und Ure im "Kapital" festzustellen. Hierzu werden mehrere "materiale Problembereiche" diskutiert, bei denen diese Exzerpte von Marx verwendet werden. Es handelt sich hierbei vor allem um Probleme aus dem 11. bis 13. Kapitel des ersten Bandes des "Kapital".
-
Diese Einzelanalysen werden im fünften Kapitel auf dem Hintergrund des gesamten "Kapital" zusammenfassend eingeschätzt, in dem nachgewiesen wird, daß Marx in vielfacher Hinsicht die entscheidenden, richtungweisenden Beiträge zur Überwindung der Falschheiten und Einseitigkeiten der Positionen von Babbage und Ure geliefert hat, andererseits in vielen wesentlichen Problemen von ihnen gelernt hat und zum dritten teilweise deren Fehler in der Detailanalyse nicht vollständig überwunden hat, obwohl doch im Großen und aufs Ganze betrachtet die Überwindung dieser Fehler gerade seine persönliche Leistung ist. Es lassen sich also durchaus unterschiedliche "Schichten"
-XXXI-
von Problemanalyse im Marxschen Kapital nachweisen, deren weitergehende theoretische Analyse, Erklärung und Einschätzung hier ausgeklammert werden und der weiteren theoretischen Forschung überlassen bleiben müssen, um den Charakter der vorliegenden Arbeit als einer historisch-kritischen Materialuntersuchung gerecht zu bleiben.
Anmerkungen
Marx beschreibt dies selbst in folgender Weise: "Die erste Arbeit, unternommen zur Losung der Zweifel, die mich bestürmten, war eine kritische Revision der Hegelschen Rechtsphilosophie, . . . Meine Untersuchung mündete in dem Ergebnis, daß Rechtsverhältnisse wie Staatsformen weder aus sich selbst zu begreifen sind, noch aus der sogenannten allgemeinen Entwicklung des menschlichen Geistes, sondern vielmehr in den materiellen Lebensverhältnissen wurzeln, deren Gesamtheit Hegel, nach dem Vorbild der Engländer und Franzosen des 18. Jahrhunderts, unter dem Namen ´bürgerliche Gesellschaft´ zusammenfaßt, daß aber die Anatomie der bürgerlichen Gesellschaft in der politischen Ökonomie zu suchen sei." Vorwort "Zur Kritik . . ." a.a.O. S 8. Marx formulierte 1845 in der ersten Feuerbach-These: "Der Hauptmangel alles bisherigen Materialismus . . ist, daß der Gegenstand, die Wirklichkeit, Sinnlichkeit nur unter der Form des Objekts oder der Anschauung gefaßt wird; nicht aber als sinnlichmenschliche Tätigkeit, Praxis; ..." (MEW 3, S 5, Hervorhebung i.O.) Ist bei dieser Formulierung aus dem Frühjahr 1845 bei Praxis sehr stark an gesellschaftlich-politische revolutionäre Praxis gedacht, so bezieht er in der "Deutschen Ideologie" ausdrücklich die gesellschaftliche Produktion in diesen Begriff der Praxis ein, stellt ihn genauer sogar als dessen Grundlage dar: "Wir müssen... damit anfangen, daß wir die erste Voraussetzung aller menschlichen Existenz, also auch aller Geschichte konstatieren, nämlich die Voraussetzung, daß die Menschen imstande sein müssen zu leben, um ´Geschichte machen´ zu können. Zum Leben aber gehört vor allem Essen und Trinken, Wohnung, Kleidung und noch einiges mehr. Die erste geschichtliche Tat ist also die Erzeugung der Mittel zur Befriedigung dieser Bedürfnisse, die Produktion des materiellen Lebens selbst . ." (MEW 3, S 28).
"Kapital" 1, a.a.O. S 198 - 5. Kapitel: Arbeitsprozeß und Verwertungsprozeß. Vergl. auch "Deutsche Ideologie", a.a.O. S 29: "Die Produktion des Lebens, sowohl des eignen in der Arbeit wie des fremden in der Zeugung, erscheint nun schon sogleich als ein doppeltes Verhältnis - einerseits als natürliches, andrerseits als gesellschaftliches Verhältnis-, gesellschaftlich in dem Sinne, als hierunter das Zusammenwirken mehrer Individuen, gleichviel unter welchen Bedingungen, auf welche Weise und zu welchem Zweck, verstanden wird. Hieraus geht hervor, daß eine bestimmte Produktionsweise oder industrielle Stufe stets mit einer bestimmten Weise des Zusammenwirkens oder gesellschaftlichen Stufe vereinigt ist, und diese Weise des Zusammenwirkens ist selbst eine ´Produktivkraft´, daß die Menge der den Menschen zugänglichen Produktivkräfte den gesellschaftlichen Zustand bedingt und also die ´Geschichte der Menschheit´ stets im Zusammenhange mit der Geschichte der Industrie und des Austausches studiert und bearbeitet werden muß."
"Kapital" 1, a.a.O. S 58 (1. Kapitel: Die Ware, 2. Doppelcharakter der in den Waren dargestellten Arbeit).
"Die seiner (des Menschen; d. Verf.) Leiblichkeit angehörigen Naturkräfte, Arme und Beine, Kopf und Hand, setzt er in Bewegung, um sich den Naturstoff in einer für sein eignes Leben brauchbaren Form anzueignen. Indem er durch diese Bewegung durch die Natur außer ihm wirkt und sie verändert, verändert er zugleich seine eigene Natur." "Kapital", a.a.O. S 192. Dies bedeutet klar, daß von vornherein im Arbeitsprozeß sowohl abstrakte als auch konkrete, geistige und physische Potenzen aktiviert werden.
Ibid. S 193 (5. Kapitel: Arbeitsprozeß und Verwertungsprozeß).
Ibid. S 194. Der Ausdruck "Komplex von Dingen" deutet schon auf komplexe Arbeitsinstrumente hin, z. B. Maschinen, Maschinensysteme, Fabriken etc., die hier also ausdrücklich einbegriffen sind! Der "Mensch" oder der "Arbeiter" sind hier noch durchaus allgemein gefaßt, ohne gesellschaftliche Differenzierung - nicht jedoch als Individuen! Vergl. FN 23: dies ist selbstverständlich eine Abstraktion, die sofort aufgelöst werden muß!
Ibid. S 195, FN 5a - zur 2. Ausgabe.
Krader: Treatise .. . a.a.O. S 161 f. Vergl. auch zum Begriff der Potentialität S 74, 75 sowie 301 ff.
Der heutige Begriff von Technologie, der in sich unterschiedlich ist, bezieht sich überwiegend auf die Kenntnis des "Wie",die in der Maschine realisiert ist. In diesem Sinne wird dann eine neue Maschine als "neue Technologie" bezeichnet. Der Ausdruck insgesamt ist insofern irreführend, als von einem Logos der Technik selbstverständlich keine Rede sein kann, nicht nur, weil darin lediglich eine "instrumentelle Vernunft" enthalten ist (also eine Reduktion des Vernunftbegriffes, wenn nicht geradezu seine Negation), sondern vor allem angesichts der Heterogenität der "Technologie" sowie ihres Gegenstandsbereichs.
"Kapital" 1, a.a.O. S 344 (11. Kapitel: Kooperation).
Ibid. S 346. Vergl. auch ibid. S 347: "Es ist der Mangel dieser Kooperation, wodurch im Westen der Vereinigten Staaten eine Masse Korn und in den Teilen Ostindiens, wo englische Herrschaft das alte Gemeinwesen zerstört hat, eine Masse Baumwolle jährlich verwüstet wird." Die Zerstörung des alten Gemeinwesens ist also die Vernichtung bzw. Störung der produzierenden Einheit oder der sozialen Organisation der Arbeit, ohne daß eine genügende neue Organisation an deren Stelle tritt.
Ibid. S 351. Durkheim hat angesichts dieser inneren Unterschiede innerhalb der sozialen Kombination von Arbeit die Differenzierung zwischen mechanischer und organischer Solidarität der Arbeit vorgeschlagen (Emile Durkheim: De la division du travail sociale, Paris 1893), während Kinder hier analytischer ist und die Begriffe "coordinate labor" und "cooperative labor" vorschlägt ("Treatise ... " a.a.0. S 109).
"Kapital", a.a.O. S 346. Es ist allerdings irrtümlich, wenn Marx von einer "auf Teilung der Arbeit beruhende(n) Kooperation" spricht (ibid. S 356). Umgekehrt muß diese Reihenfolge erfaßt werden, da die Teilung der Arbeit selbstverständlich ihre Vereinigung bzw. ihren kooperativen Charakter voraussetzt. Diese richtige Reihenfolge ist in der Reihenfolge des 11. Kapitels: "Kooperation" zum 12. Kapitel: "Teilung der Arbeit und Manufaktur" ausgedrückt sowie im Text oft recht klar ausgesprochen, so z. B. "Die Kooperation bleibt die Grundform der kapitalistischen Produktionsweise, obgleich ihre einfache Gestalt selbst als besondere Form neben ihren weitcrentwickclten Formen erscheint" (ibid. S 355).
Krader: Treatise . . . a.a.0. S 109 f.
Es existieren durchaus unterschiedliche technokratische Gesellschaftstheorien, so z. B. als eher politologische Theorie über die zentrale Rolle einer bestimmten sozialen Gruppe von Technokraten, technischer Intelligenz o. ä., die Verkürzung einer Vorstellung von gesellschaftlichem Fortschritt auf den technischen oder naturwissenschaftlichen Fortschritt, Konzepte über "Sozialtechnologie" etc. Es findet sich jedoch bereits bei H. Scott 1920 eine Verknüpfung und wechselseitige Begründung dieser verschiedenen Auffassungen in der Lehre, daß "die antagonistischen Widersprüche der kapitalistischen Produktionsweise für die Werktätigen ohne sozialistische Revolution allein durch den technisch-wissenschaftlichen Fortschritt und die darauf begründete Vormachtstellung und Herrschaft der technischen Intelligenz beseitigt und somit allen Menschen in den kapitalistischen Ländern in gleicher Weise Glück und Wohlstand gesichert werden könnten" (Philosophisches Wörterbuch, Hrsg. v. Georg Klaus und Manfred Buhr, Leipzig 1964). Hier bestehen überraschende Parallelen zur Auffassung vor allem von Andrew Ure, aber in vielem auch zu Charles Babbage. Aber auch in vielen Theorien zur zeitgenössischen "alternativen Technologie" sind starke Elemente einer - negativen - technokratischen Gesellschaftsauffassung zu finden, abgesehen von einer verbreiteten, aber falschen Ausdehnung des Technik-Begriffes auf große soziale Institutionen bzw. Großbürokratien. (Hier bildet das zweckrationale Denken das tertium comparationis.) Die hier diskutierten Züge der technokratischen Gesellschaftsauffassung, die mit einer technologischen Geschichtsauffassung eng verknüpft sind, bilden jedoch allgemeine Grundbestimmungen für diese verschiedenen Theorien, die alle letztlich als verschiedene Formen eines "abstrakt naturwissenschaftlichen Materialismus, der den geschichtlichen Prozeß ausschließt" ("Kapital" 1, a.a.O. S 393, FN 89), zu fassen sind. Vergl. hierzu auch Krader: Dialectic . . . a.a.O. S 246 ff. sowie Müller, a.a.O. Kap. 5. Eine exemplarische Analyse einer bestimmten technologischen Geschichtsauffassung, nämlich der Theorie der hydraulischen Gesellschaft, gibt Krader: Treatise . . . a.a.O. S 315. 42 "Kapital" 1, a.a.O. S 529, FN 325.
Es ist interessant, daß Marx gerade in dem genannten Werk von Liebig einen ökonomisch-theoretischen Einfluß von Malthusscher Theorie feststellen kann. Marx schreibt nach einer kurzen positiven Beurteilung von Liebigs Werk: "Zu bedauernd bleibt, daß er aufs Gratewohl Äußerungen wagt wie folgende: ´Durch eine weiter getriebene Pulverisierung und häufigeres Pflügen. .´"
Liebig wiederholt hier das von Malthus popularisierte "Gesetz" vom abnehmenden Bodenertrag, aber nicht als ökonomisches Gesetz, sondern als quasi Naturgesetz. Zugleich verwendet er hierbei, wie Marx sogleich anmerkt, einen naturwissenschaftlichen, nicht gesellschaftlichen Arbeitsbegriff. Das Groteske hierbei besteht darin, daß gerade Liebig, der mittels semer agrochemischen Erkenntnisse mithilft, die Produktivität der Landwirtschaft zu revolutionieren und natürliche Schranken der Bodenfruchtbarkeit gesellschaftlich verschiebbar zu machen, den reaktionären und falschen Thesen von Malthus anhängt.
^
top
last update : Tue Jun 29 00:40:56 CEST 2004 Rainer Winkelmann
automatically created by Linux/X86; vendor=Apache Software Foundation; version=1; http://xml.apache.org/xalan-j