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Team |
Georg Lukács |
Thema |
1. DIE ARBEIT - Zur Ontologie des gesellschaftlichen Seins
( Orginal )
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Status |
1971 - Kapitel 1 - Luchterhand 1986 |
Letzte Bearbeitung |
08/2004 |
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www.mxks.de
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1. Die Arbeit
1.1. Die Arbeit als teleologische Setzung
1.2. Die Arbeit als Modell der gesellschaftlichen Praxis
1.3. Die Subjekt-Objekt-Beziehung in der Arbeit und ihre Folgen
1. Die Arbeit
Wenn man die spezifischen Kategorien des gesellschaftlichen Seins, ihr Herauswachsen aus den früheren Seinsformen, ihre Verbundenheit mit ihnen, ihre Fundiertheit auf sie, ihre Unterscheidung von ihnen, ontologisch darstellen will, muß dieser Versuch mit der Analyse der Arbeit beginnen. Natürlich darf nie vergessen werden, daß jede Seinsstufe, im Ganzen wie in den Details, Komplexcharakter hat, d. h. daß auch ihre zentralsten und ausschlaggebendsten Kategorien nur in und aus der Gesamtbeschaffenheit des betreffenden Seinsniveaus adäquat begriffen werden können. Und bereits der oberflächlichste Blick auf das gesellschaftliche Sein zeigt die unauflösbare Verschlungenheit seiner entscheidenden Kategorien wie Arbeit, Sprache, Kooperation und Arbeitsteilung, zeigt neue Beziehungen des Bewußtseins zur Wirklichkeit und darum zu sich selbst etc. Keine kann in isolierter Betrachtung adäquat erfaßt werden; man denke etwa an die Fetischisierung der Technik, die vom Positivismus »entdeckt«, gewisse Marxisten (Bucharin) tief beeinflussend, noch heute eine nicht unbeträchtliche Rolle spielt, und zwar nicht nur bei den blinden Verherrlichern der gegenwärtig so einflußreichen Universalität der Manipulation, sondern auch bei ihren abstrakt-ethisch dogmatischen Widersachern.
Man muß deshalb zur Entwirrung der Frage auf die von uns bereits analysierte Methode der zwei Wege von Marx zurückgreifen, den neuen Seinskomplex zuerst analytisch-abstrahierend zerlegen, um auf einer so gewonnenen Grundlage zum Komplex des gesellschaftlichen Seins als nicht nur gegebenen und darum bloß vorgestellten, sondern auch in seiner realen Totalität begriffenen zurückkehren (oder vordringen) zu können. Dabei geben uns die ebenfalls bereits untersuchten Entfaltungstendenzen der verschiedenen Seinsarten eine bestimmte methodologische Hilfe. Die heutige Wissenschaft fängt an, konkret auf die Spuren der Genesis
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des Organischen aus dem Unorganischen zu kommen, indem sie aufzeigt, daß unter bestimmten Umständen (Atmosphäre, Luftdruck etc.) bestimmte höchst primitive Komplexe entstehen können, in denen die fundamentalen Kennzeichen des Organischen bereits keimhaft enthalten sind. Diese können freilich unter den gegenwärtigen konkreten Bedingungen nicht mehr existieren, können nur durch ihre experimentelle Herstellung aufgezeigt werden. Und die Entwicklungslehre der Organismen zeigt uns, wie allmählich, sehr widerspruchsvoll, mit vielen Sackgassen, die spezifisch organischen Reproduktionskategorien die Herrschaft in den Organismen erlangen. Es ist z.B. charakteristisch, daß die Pflanzen ihre gesamte Reproduktion - der Regel nach, Ausnahmen sind hier unwichtig - auf der Grundlage eines Stoffwechsels mit der unorganischen Natur vollziehen. Erst im Tierreich kommt es dazu, daß dieser Stoffwechsel sich rein oder wenigstens überwiegend im Bereich des Organischen vollzieht, daß, wieder der Regel nach, selbst die notwendigen unorganischen Stoffe erst durch eine solche Vermittlung verarbeitet werden. Der Weg der Evolution ist der der maximalen Herrschaft der spezifischen Kategorien einer Lebenssphäre über jene, die ihre Existenz und Wirksamkeit in unauffiebbarer Weise aus der niedrigeren Seinssphäre erhalten.
Für das gesellschaftliche Sein spielt die Organik diese Rolle (und durch ihre Vermittlung natürlich auch die Welt des Unorganischen). Wir haben bereits in anderen Zusammenhängen eine derartige Entwicklungsrichtung im Gesellschaftlichen dargestellt, das, was Marx das »Zurückweichen der Naturschranke« genannt hat. Freilich ist hier ein experimentelles Zurückgreifen auf die Übergänge von vorwiegender Organik in der Gesellschaftlichkeit von vornherein ausgeschlossen. Das gesellschaftliche hic et nunc eines solchen Übergangsstadiums läßt sich eben wegen der penetranten Irreversibilität des historischen Charakters des gesellschaftlichen Seins unmöglich experimentell rekonstruieren. Wir können also keine unmittelbare und genaue Kenntnis dieser Transformation des organischen Seins ins gesellschaftliche erlangen. Das erreichbare Maximum ist eine Erkenntnis Post festum, eine Anwendung der Marxschen Methode, daß die Anatomie des Menschen den Schlüssel zur Anatomie des Affen darbietet, daß also das primitivere Stadium aus dem höheren, aus seiner Entwicklungsrichtung, aus seinen Entwicklungstendenzen - gedanklich - rekonstruierbar wird. Die maximale Annäherung können uns etwa Ausgrabungen geben, die Licht auf verschiedene Etappen des Übergangs anatomisch-physiologisch und sozial (Werkzeuge etc.) werfen. Der Sprung bleibt aber doch ein Sprung und kann letzten Endes nur durch das angedeutete Gedankenexperiment begrifflich klargelegt werden.
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Man muß also stets darüber im klaren sein, daß es sich um einen - ontologisch notwendig - sprunghaften Übergang von einem Seinsniveau in ein anderes, qualitativ verschiedenes handelt. Die Hoffnung der ersten Generation der Darwinisten, das »missing link« zwischen Affen und Menschen zu finden, mußte schon darum vergeblich sein, weil biologische Kennzeichen nur die Übergangsstufen, niemals aber den Sprung selbst erhellen können. Wir haben aber auch darauf hingewiesen, daß die an sich noch so präzise Beschreibung der psychophysischen Unterschiede zwischen Mensch und Tier an der ontologischen Tatsache des Sprunges (und des realen Prozesses, in dem er sich verwirklicht) so lange vorbeigehen muß, bis sie nicht die Entstehung dieser Eigenschaften des Menschen aus seinem gesellschaftlichen Sein erklären kann. Ebensowenig können psychologische Experimente mit hochentwickelten Tieren, vor allem mit Affen, das Wesen dieser neuen Zusammenhänge aufklären. Man vergißt dabei leicht die Künstlichkeit in den Lebensbedingungen solcher Tiere. Erstens ist die naturhafte Unsicherheit ihrer Existenz (Nahrungssuche, Bedrohtheit) aufgehoben, zweitens arbeiten sie nicht mit selbstgemachten, sondern vom Experimentator hergestellten und gruppierten Werkzeugen etc. Das Wesen der menschlichen Arbeit beruht aber darauf, daß sie erstens inmitten des Kampfes ums Dasein entsteht, zweitens, daß alle ihre Etappen Produkte seiner Selbsttätigkeit sind. Gewisse, vielfach stark überschätzte Ähnlichkeiten müssen deshalb äußerst kritisch betrachtet werden. Das einzig wirklich lehrreiche Moment besteht im Sichtbarwerden der großen Elastizität im Verhalten der höheren Tiere; ein besonderer, qualitativ noch entwickelter Grenzfall muß jene Art gewesen sein, bei der der Sprung zur Arbeit in der Wirklichkeit gelang; die heute existierenden Arten stehen in dieser Hinsicht offenbar auf einer viel tieferen Stufe, von ihnen aus ist zur echten Arbeit keine Brücke zu schlagen.
Da es sich dabei um den konkreten Komplex der Gesellschaftlichkeit als Seinsform handelt, kann berechtigterweise die Frage auftauchen, warum wir gerade die Arbeit aus diesem Komplex herausheben und ihr eine derart bevorzugte Stellung im Prozeß und für den Sprung der Genesis zuschreiben. Die Antwort ist, ontologisch betrachtet, einfacher, als sie auf den ersten Anblick zu sein scheint:
Weil alle anderen Kategorien dieser Seinsform ihrem Wesen nach bereits rein gesellschaftlichen Charakters sind; ihre Eigenschaften, ihre Wirksamkeitsweisen entfalten sich erst im bereits konstituierten gesellschaftlichen Sein, die Art ihrer Erscheinung mag noch so primitiv sein, sie setzt doch den Sprung als bereits vollzogen voraus. Nur die Arbeit hat ihrem ontologischen Wesen nach ausgesprochenen Übergangscharakter: Sie ist ihrem Wesen nach eine Wechselbeziehung zwischen Mensch (Gesellschaft) und Natur, und zwar sowohl unorganischer
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(Werkzeug, Rohstoff, Arbeitsgegenstand etc.) wie organischer, die freilich auf bestimmten Punkten in der eben angeführten Reihe ebenfalls figurieren kann, vor allem aber den Übergang im arbeitenden Menschen selbst vom bloß biologischen Sein zum gesellschaftlichen kennzeichnet. Marx sagt daher mit Recht: »Als Bildnerin von Gebrauchswerten, als nützliche Arbeit, ist die Arbeit daher eine von allen Gesellschaftsformen unabhängige Existenzbedingung des Menschen, ewige Naturnotwendigkeit, um den Stoffwechsel zwischen Mensch und Natur, also das menschliche Leben zu vermitteln.« Man soll bei einer solchen Betrachtung der Genesis nicht am Ausdruck »Gebrauchswert« als bereits allzu ökonomischen Terminus Anstoß nehmen. Bevor der Gebrauchswert mit dem Tauschwert In ein Reflexionsverhältnis geraten ist, was nur auf einer relativ bereits viel höheren Stufe geschehen kann, bezeichnet der Gebrauchswert nichts weiter als ein Arbeitsprodukt, das der Mensch in der Reproduktion seiner Existenz nützlich zu verwenden imstande ist. In der Arbeit sind alle Bestimmungen, die, wie wir sehen werden, das Wesen des Neuen am gesellschaftlichen Sein ausmachen, in nuce enthalten. Die Arbeit kann also als Urphänomen, als Modell des gesellschaftlichen Seins betrachtet werden; das Erhellen dieser Bestimmungen gibt deshalb bereits ein so klares Bild über seine wesentlichen Züge, daß es methodologisch vorteilhaft erscheint, mit ihrer Analyse zu beginnen.
Man muß sich jedoch dabei stets klar darüber sein, daß mit dieser isolierten Betrachtung der hier unterstellten Arbeit eine Abstraktion vollzogen wird; Gesellschaftlichkeit, erste Arbeitsteilung, Sprache etc. entstehen zwar aus der Arbeit, jedoch nicht in einer rein bestimmbaren, zeitlichen Nachfolge, sondern dem Wesen nach simultan. Es ist also eine Abstraktion sui generis, die wir hier vollziehen; methodologisch ist sie ähnlichen Charakters wie jene Abstraktionen, die wir bei der Analyse des gedanklichen Aufbaus des »Kapital« von Marx ausführlich behandelt haben. Ihre erste Auflösung erfolgt bereits im zweiten Kapitel, in der Untersuchung des Reproduktionsprozesses des gesellschaftlichen Seins. Darum bedeutet diese Form der Abstraktion, wie auch bei Marx, nicht, daß Probleme solcher Art völlig zu einem - freilich vorläufigen -Verschwinden gebracht werden, sondern bloß, daß sie hier gewissermaßen nur am Rande, am Horizont erscheinen und ihre angemessene, konkrete und totale Untersuchung entwickelteren Stufen der Betrachtung vorbehalten bleibt. Sie treten vorläufig nur so weit ans Tageslicht, als sie unmittelbar mit der - abstraktiv gefaßten - Arbeit zusammenhängen, ihre direkten ontologischen Folgen sind.
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1.1. Die Arbeit als teleologische Setzung
Es ist das Verdienst von Engels, die Arbeit in den Mittelpunkt der Menschwerdung des Menschen gestellt zu haben. Auch er untersucht die
biologischen Voraussetzungen ihrer neuen Rolle in diesem Sprung vom Tier zum Menschen. Er findet sie in der Differenzierung, die die
Lebensfunktion der Hand bereits bei den Affen erhält. »Sie dient vorzugsweise zum Pflücken und Festhalten der Nahrung, wie dies schon bei
niederen Säugetieren mit den Vorderpfoten geschieht. Mit ihr bauen sich manche Affen Nester in den Bäumen oder gar, wie der Schimpanse,
Dächer zwischen den Zweigen zum Schutz gegen die Witterung. Mit ihr ergreifen sie Knüttel zur Verteidigung gegen Feinde oder bombardieren
diese mit Früchten und Steinen.« Engels weist jedoch mit derselben Entschiedenheit darauf hin, daß trotz solcher Vorbereitungen hier doch
ein Sprung vorliegt, der sich nicht mehr innerhalb der Sphäre des Organischen abspielt, sondern ein prinzipielles, qualitatives,
ontologisches Hinausgehen darüber bedeutet. In diesem Sinne sagt Engels über Affen- und Menschenhand: »Die Zahl und allgemeine Anordnung
der Knochen und Muskeln stimmen bei beiden; aber die Hand des niedrigsten Wilden kann Hunderte von Verrichtungen ausführen, die keine
Affenhand ihr nachmacht. Keine Affenhand hat je das rohste Steinmesser verfertigt.« Engels hebt dabei den äußerst langsamen Prozeß hervor,
in dem dieser Übergang sich vollzieht, was aber an seinem Sprungcharakter nichts ändert. Bei nüchternem und richtigem Herantreten an
ontologische Probleme muß man sich immer vor Augen halten, daß jeder Sprung eine qualitative und strukturelle Veränderung im Sein bedeutet,
bei welcher die Ausgangsstufe zwar bestimmte Voraussetzungen und Möglichkeiten der späteren und höheren in sich enthält, diese jedoch aus
jener nicht in einfacher geradliniger Kontinuität entwickelt werden können. Dieser Bruch mit der normalen Kontinuität der Entwicklung
macht das Wesen des Sprunges aus, nicht das zeitlich plötzliche oder allmähliche Entstehen der neuen Seinsform. Auf die Zentralfrage
dieses Sprunges bei der Arbeit kommen wir sogleich zu sprechen. Es muß nur erwähnt werden, daß Engels hier, mit Recht, Gesellschaftlichkeit
und Sprache unmittelbar aus der Arbeit ableitet. Diese Fragen werden wir, unserem Programm entsprechend, erst später behandeln können.
Hier sei nur auf das eine Moment kurz hingewiesen, daß die sogenannten tierischen Gesellschaften (und auch die »Arbeitsteilung« überhaupt
im Tierreich) biologisch fixierte Differenzierungen sind, wie man dies im »Bienenstaat« am
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besten beobachten kann. Daß deshalb, einerlei wie eine solche Organisation entstanden sein mag, sie aus sich selbst heraus keine immanente Entwicklungsmöglichkeit mehr besitzt; sie ist nichts weiter als eine besondere Anpassungsweise einer Tierart an ihre Umgebung; je vollkommener die so entstandene »Arbeitsteilung« funktioniert, je fester sie biologisch verankert ist, desto weniger. Die von der Arbeit erzeugte Arbeitsteilung in der menschlichen Gesellschaft erschafft dagegen, wie wir sehen werden, ihre eigenen Reproduktionsbedingungen, und zwar In einer Weise, wo die einfache Reproduktion des jeweils Vorhandenen nur den Grenzfall der typischen erweiterten Reproduktion bildet. Das schließt natürlich nicht das Vorkommen von Sackgassen in der Entwicklung aus; deren Ursachen sind jedoch immer von der Struktur der jeweiligen Gesellschaft und nicht von der biologischen Beschaffenheit ihrer Mitglieder bestimmt.
Marx sagt über das Wesen der bereits adäquat gewordenen Arbeit folgendes: »Wir unterstellen die Arbeit in einer Form, worin sie dem Menschen ausschließlich angehört. Eine Spinne verrichtet Operationen, die denen des Webers ähneln, und eine Biene beschämt durch den Bau ihrer Wachszellen manchen menschlichen Baumeister. Was aber von vornherein den schlechtesten Baumeister vor der besten Biene auszeichnet, ist, daß er die Zelle in seinem Kopf gebaut hat, bevor er sie in Wachs baut. Am Ende des Arbeitsprozesses kommt ein Resultat heraus, das beim Beginn desselben schon in der Vorstellung des Arbeiters, also schon ideell vorhanden war. Nicht daß er nur eine Formveränderung des Natürlichen bewirkt; er verwirklicht im Natürlichen zugleich seinen Zweck, den er weiß, der die Art und Weise seines Tuns als Gesetz bestimmt und dem er seinen Willen unterordnen muß.« Damit ist die ontologische Zentralkategorie der Arbeit ausgesprochen: Durch die Arbeit wird eine teleologische Setzung innerhalb des materiellen Seins als Entstehen einer neuen Gegenständlichkeit verwirklicht. So wird die Arbeit einerseits zum Modell einer jeden gesellschaftlichen Praxis, indem in dieser - wenn auch durch noch so weitverzweigte Vermittlungen - stets teleologische Setzungen, letzten Endes materiell, verwirklicht werden. Natürlich darf, wie wir später sehen werden, dieser Modellcharakter der Arbeit für das Handeln der Menschen in der Gesellschaft nicht schematisch überspannt werden; gerade die Berücksichtigung der höchst wichtigen Unterschiede zeigt die wesenhafte ontologische Verwandtschaft auf, denn eben in diesen Unterschieden offenbart sich, daß die Arbeit darum als Modell zum Verständnis der anderen gesellschaftlich-teleologischen Setzungen dienen kann, weil sie dem Sein nach ihre Urform ist. Die bloße Tatsache, daß die Arbeit die Verwirklichung einer teleologischen Setzung
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ist, ist ein elementares Erlebnis des Alltagslebens aller Menschen, weshalb auch diese Tatsache ein unausrottbarer Bestandteil eines jeden Denkens, von täglichen Gesprächen bis zur Ökonomie und Philosophie, geworden ist. Das Problem, das hier entsteht, ist also nicht ein Für und Wider des teleologischen Charakters der Arbeit, das eigentliche Problem besteht vielmehr darin, die fast unbeschränkte Verallgemeinerung dieser elementaren Tatsache - wieder: vom Alltag bis zu Mythos, Religion und Philosophie - einer echt kritischen ontologischen Betrachtung zu unterwerfen.
Es ist also keineswegs überraschend, daß große und stark auf das soziale Dasein gerichtete Denker, wie Aristoteles und Hegel, den teleologischen Charakter der Arbeit am klarsten begriffen haben und daß ihre Strukturanalysen nur einiger Ergänzungen und keineswegs entscheidender Korrekturen bedürfen, um auch für heute ihre Gültigkeit zu bewahren. Das eigentliche ontologische Problem entsteht daraus, daß die teleologische Setzungsart - auch von Aristoteles und Hegel - nicht auf die Arbeit (oder im erweiterten, aber berechtigten Sinn auf die menschliche Praxis überhaupt) beschränkt bleibt, sondern zu einer allgemeinen kosmologischen Kategorie erhoben wird, wodurch in der ganzen Geschichte der Philosophie ein durchlaufendes Konkurrenzverhältnis, eine unlösbare Antinomik zwischen Kausalität und Teleologie entsteht. Es ist bekannt, daß die hinreißend wirkende Zweckmäßigkeit des Organischen Aristoteles - auf dessen Denken die Beschäftigung mit Biologie und Medizin einen dauernden und tiefen Einfluß ausgeübt hat - derart faszinierte, daß in seinem System der objektiven Teleologie der Wirklichkeit eine entscheidende Rolle zufällt. Es ist ebenso bekannt, daß Hegel, der den teleologischen Charakter der Arbeit noch konkreter und dialektischer als Aristoteles dargestellt hat, seinerseits die Teleologie zum Motor der Geschichte und dadurch seines gesamten Weltbilds gemacht hat. (Wir haben auf einige dieser Probleme schon im Hegel-Kapitel hingewiesen.) Und so geht dieser Gegensatz von den Anfängen der Philosophie bis zur prästabilierten Harmonie von Leibniz durch die ganze Geschichte des Denkens und der Religionen hindurch.
Wenn wir hier auf die Religionen hinweisen, so ist das in der Beschaffenheit der Teleologie als einer objektiv ontologischen Kategorie begründet. Während namlich die Kausalität ein Prinzip der auf sich selbst gestellten Selbstbewegung ist, die diesen ihren Charakter auch dann bewahrt, wenn eine Kausalreihe in einem Bewußtseinsakt ihren Ausgangspunkt hat, ist die Teleologie ihrem Wesen nach eine gesetzte Kategorie: Jeder teleologische Prozeß beinhaltet eine Zielsetzung und damit ein zielsetzendes Bewußtsein. Setzen bedeutet deshalb in diesem Zusammenhang kein bloßes Ins-Bewußtsein-Heben, wie bei anderen Kategorien, vor allem bei der Kausalität; sondern das Bewußtsein initiiert mit dem Akt des
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Setzens einen realen Prozeß, eben den teleologischen. Das Setzen hat also hier einen unaufhebbar ontologischen Charakter. Die teleologische Auffassung von Natur und Geschichte bedeutet somit nicht bloß ihre Zweckmäßigkeit, ihr Gerichtetsein auf ein Ziel, sondern auch, daß ihre Existenz, ihre Bewegung, als Gesamtprozeß wie in den Details, einen bewußten Urheber haben muß. Das Bedürfnis, das solche Weltkonzeptionen ins Leben ruft, nicht nur bei den philiströsen Verfassern von Theodizeen des 18.Jahrhunderts, sondern auch bei so nüchternen und tiefen Denkern wie Aristoteles und Hegel, ist ein elementar und primitiv menschliches: das Bedürfnis nach der Sinnhaftigkeit des Daseins, des Weltlaufs bis hinunter - und dies in erster Linie - zu den Ereignissen des individuellen Lebens. Auch nachdem die Entwicklung der Wissenschaften jene religiöse Ontologie, in der das teleologische Prinzip sich ungehemmt kosmisch ausleben konnte, zertrümmert hat, lebt dieses primitive und elementare Bedürfnis im Denken und Fühlen des Alltagslebens weiter. Wir denken dabei nicht nur etwa an den Atheisten Niels Lyhne, der am Krankenbett seines sterbenden Kindes durch ein Gebet den von Gott dirigierten teleologischen Ablauf zu beeinflussen versuchte; diese Einstellung gehört zu den fundamentalen psychisch bewegenden Kräften des Alltagslebens überhaupt. N. Hartmann formuliert diese Lage in seiner Analyse des teleologischen Denkens sehr richtig: »Da ist die Tendenz, bei jeder Gelegenheit zu fragen, "wozu" es gerade so kommen mußte. "Wozu mußte mir das passieren?" Oder: "Wozu muß ich so leiden?", "Wozu mußte er so früh sterben?" Bei jedem Geschehnis, das uns irgendwie "betrifft", liegt es nah, so zu fragen, und wenn es auch nur der Ausdruck der Rat- und Hilflosigkeit ist. Man setzt stillschweigend voraus, daß es doch zu irgend etwas gut sein müsse; man sucht einen Sinn, eine Rechtfertigung darin zu fassen. Als ob es so ausgemacht wäre, daß alles, was geschieht, einen Sinn haben muß.« Und er zeigt auch, daß, sprachlich und auf der Ausdrucksoberfläche des Denkens, das Wozu sich oft in ein Warum verwandeln kann, ohne das dem Wesen nach herrschende Finalinteresse irgendwie in den Hintergrund zu drängen. Daß bei der tiefen Verwurzelung solcher Gedanken und Gefühle im Alltagsleben höchst selten ein radikaler Bruch mit der Herrschaft der Ideologie in Natur, Leben etc. vollzogen wird, ist leicht verständlich; dieses im Alltag so hartnäckig wirksam bleibende religiöse Bedürfnis färbt auch auf weitere Gebiete als das unmittelbar persönliche eigene Leben spontan stark ab.
Diesen Zwiespalt kann man bei Kant deutlich beobachten. Mit seiner Bestimmung des organischen Lebens als »Zweckmäßigkeit ohne Zweck« hat er das ontologi-
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sche Wesen der organischen Sphäre des Seins genial umschrieben. Er zertrümmert mit richtiger Kritik die oberflächliche Ideologie der Theodizeen seiner Vorgänger, die in der bloßen Zuträglichkeit eines Dings für das andere bereits die Verwirklichung einer transzendenten Teleologie erblicken. Er eröffnet damit den Weg zur richtigen Erkenntnis dieser Seinssphäre, indem es als möglich erscheint, daß aus bloß kausal notwendigen (und darum zugleich zufälligen) Verknüpfungen Seinsstrukturen entstehen, in deren innerer Bewegtheit (Anpassung, Reproduktion des Einzelnen und der Gattung) Gesetzmäßigkeiten zur Geltung gelangen, die man mit Recht als objektiv zweckmäßig für die betreffenden Komplexe bezeichnen kann. Kant verbaut sich jedoch selbst den Weg dazu, aus diesen Feststellungen zum wirklichen Problem vorzudringen. Unmittelbar methodologisch dadurch, daß er, wie dies bei ihm die Regel ist, ontologische Fragen erkenntnistheoretisch zu lösen versucht. Und da seine Theorie der objektiv gültigen Erkenntnis ausschließlich auf Mathematik und Physik orientiert ist, muß er zu der Folgerung gelangen, daß seine eigene geniale Einsicht keine Erkenntnisfolgen für die Wissenschaft des Organischen haben könne. So sagt er in einer berühmt gewordenen Formulierung: »Es ist für Menschen ungereimt, auch nur einen solchen Anschlag zu fassen, oder zu hoffen, daß noch dereinst ein Newton aufstehen könne, der auch nur die Erzeugung eines Grashalms nach
Naturgesetzen, die keine Absicht geordnet hat, begreiflich machen werde
« Die Problematik dieser Aussage zeigt sich nicht nur darin, daß sie kein ganzes Jahrhundert später von der Wissenschaft der Evolution, schon in ihrer ersten Darwinschen Formulierung, widerlegt wurde. Engels schreibt nach seiner Lektüre Darwins an Marx: »Die Teleologie war nach einer Seite hin noch nicht kaputt gemacht, das ist jetzt geschehn.« Und Marx, obwohl er der Methode Darwins gegenüber Vorbehalte macht, stellt fest, daß Darwins Werk »die naturhistorische Grundlage für unsere Ansicht enthält« .
Eine weitere, noch wichtigere Folge des Kantschen Versuchs, ontologische Fragen erkenntnistheoretisch zu stellen und zu beantworten, ist, daß das ontologische Problem selbst letzten Endes unentschieden bleibt und das Denken bei einer »kritisch« bestimmten Grenze seines Wirkungsbereichs zum Stillstand gebracht wird, ohne die Frage positiv oder negativ, im Rahmen der Objektivität, beantworten zu können. Damit wird, gerade durch die Erkenntniskritik, eine Tür für transzendente Spekulationen, für eine letzthinnige Anerkennung der Möglichkeit teleologischer Lösungen offengelassen, wenn diese auch für das Gebiet der
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Wissenschaft von Kant nicht anerkannt werden. Wir denken vor allem an die - später für Schelling entscheidend wichtige - Konzeption vom intuitiven »intellectus archetypus«, den wir Menschen zwar nicht besitzen, dessen Existenz aber nach Kant »keinen Widerspruch enthalte« und der diese Fragen zu lösen imstande wäre. Das Problem von Kausalität und Ideologie erscheint deshalb ebenfalls in der Form des - für uns - unerkennbaren Dinges an sich. Mag Kant noch so oft die Ansprüche der Theologie abweisen: Diese Negation beschränkt sich auf »unsere« Erkenntnis, denn auch die Theologie tritt mit dem Anspruch auf, Wissenschaft zu sein, und bleibt deshalb, soweit sie Wissenschaft sein will, der Autorität der Erkenntniskritik unterworfen. Die Sache bleibt nur dabei, daß in der Naturerkenntnis kausale und teleologische Erklärungsarten einander ausschließen, und wo Kant die menschliche Praxis untersucht, richtet er seine Aufmerksamkeit ausschließlich auf ihre höchste, subtilste, gesellschaftlich abgeleitetste Form, auf die reine Moral, die deshalb bei ihm nicht aus den Aktivitäten des Lebens (der Gesellschaft) dialektisch hervorgeht, sondern in einem wesentlichen und unaufhebbaren Gegensatz zu diesen Aktivitäten steht. Auch hier bleibt also das eigentlich ontologische Problem unbeantwortet.
Wie in jeder echten Frage der Ontologie, hat auch hier die richtige Antwort einen in ihrer Unmittelbarkeit trivial scheinenden Charakter, sie wirkt stets als eine Art Ei des Kolumbus. Man muß jedoch bloß die Bestimmungen, die in der Marxschen Lösung der Arbeitsteleologie enthalten sind, etwas genauer betrachten, um zu sehen, mit wie weittragenden und falsche Problemgruppen auflösend entscheidenden Folgen schwere Macht in ihnen steckt. Aus der Stellungnahme von Marx zu Darwin ist klar, was allerdings für jeden Kenner seines Denkens eine Selbstverständlichkeit ist, daß er außerhalb der Arbeit (der menschlichen Praxis) die Existenz einer jeden Teleologie leugnet. Die Erkenntnis der Arbeitsteleologie bei Marx geht also schon deshalb über die Lösungsversuche auch so großer Vorläufer wie Artistoteles oder Hegel weit hinaus, weil für Marx die Arbeit nicht eine der vielen Erscheinungsformen der Ideologie im allgemeinen ist, sondern der einzige Punkt, wo eine teleologische Setzung als reales Moment der materiellen Wirklichkeit ontologisch nachweisbar ist. Diese richtige Erkenntnis der Wirklichkeit erhellt ontologisch eine ganze Reihe von Fragen. Erstens erhält das entscheidende reale Charakteristikon der Ideologie, daß sie nur als Setzung Wirklichkeit erlangen kann, eine einfache, selbstverständliche, reale Grundlage: Man muß ihre Marxsche Bestimmung nicht wiederholen, um einzusehen, daß jede Arbeit unmöglich wäre, wenn ihr nicht eine solche Setzung voranginge, um ihren
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Prozeß in allen seinen Etappen zu determinieren. Diese Wesensart der Arbeit haben freilich auch Aristoteles und Hegel klar erfaßt; indem sie jedoch die organische Welt, den Gang der Geschichte ebenfalls teleologisch zu begreifen versuchten, mußten sie dort überall ein Subjekt der notwendigen Setzung fingieren (Weltgeist bei Hegel), wodurch die Realität sich zwangsläufig in einen Mythos verwandeln mußte. Durch die Marxsche exakt und streng abgrenzende Beschränkung der Ideologie auf die Arbeit (auf die soziale Praxis), dadurch, daß sie aus allen anderen Seinsweisen gestrichen wird, verliert sie aber nicht an Bedeutung; im Gegenteil, diese wächst dadurch, daß eingesehen werden muß, daß die uns bekannte höchste Stufe des Seins, das gesellschaftliche, erst durch eine solche reale Wirksamkeit des Teleologischen in ihm sich als eigenartig konstituiert, sich aus der Stufe, auf die ihre Existenz basiert ist, aus dem organischen Leben heraushebt, zu einer neuen selbständigen Seinsart wird. Wir können vom gesellschaftlichen Sein nur dann vernünftig sprechen, wenn wir begreifen, daß seine Genesis, seine Abhebung von seiner Basis, sein Eigenständigwerden, auf der Arbeit, d.h. auf der fortlaufenden Verwirklichung teleologischer Setzungen beruht.
Dieses erste Moment hat aber sehr weitgehende philosophische Konsequenzen. Es ist aus der Geschichte der Philosophie bekannt, welche geistigen Kämpfe zwischen Kausalität und Teleologie als kategoriellen Grundlagen der Wirklichkeit und ihrer Bewegungen ausgetragen wurden. Jede theologisch orientierte Philosophie mußte, um ihren Gott gedanklich mit dem Kosmos, mit der Welt des Menschen in Einklang zu bringen, die Superiorität der Ideologie vor der Kausalität verkünden; selbst wenn der Gott die Weltuhr bloß aufzieht und damit das Kausalitätssystem in Gang bringt, ist eine solche Hierarchie von Schöpfer und Geschöpf und damit die Priorität der teleologischen Setzung unvermeidlich. Andererseits mußte jeder vormarxistische Materialismus, der das transzendente Beschaffensein der Welt leugnete, damit zugleich auch die Möglichkeit einer real wirksamen Teleologie bestreiten. Wir haben gesehen, daß auch Kant - freilich in seiner erkenntnistheoretisch orientierten Terminologie - von der Unvereinbarkeit von Kausalität
und Ideologie sprechen muß. Wird dagegen, wie bei Marx, die Ideologie ausschließlich in der Arbeit als real wirksame Kategorie erkannt, so folgt daraus unausbleiblich eine konkrete, reale und notwendige Koexistenz von Kausalität und Teleologie; sie bleiben zwar Gegensätze, aber nur innerhalb eines einheitlichen realen Prozesses, dessen Bewegtheit auf die Wechselwirkung dieser Gegensätze gegründet ist, der, um diese Wechselwirkung als Realität hervorzubringen, die Kausalität, ohne ihr Wesen sonst anzutasten, in eine ebenfalls gesetzte verwandelt.
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Um dies ganz klar zu sehen, kann man auch die Analysen der Arbeit von Aristoteles und Hegel heranziehen. Aristoteles unterscheidet in der Arbeit die Komponenten Denken (Noesis) und Hervorbringen ( Poesis ). Durch das erstere wird das Ziel gesetzt, und die Mittel seiner Verwirklichung werden erforscht, durch das letztere gelangt das so gesetzte Ziel zur Verwirklichung. Wenn nun N. Hartmann die erste Komponente analytisch in zwei Akte, nämlich Zielsetzung und Erforschung der Mittel zerlegt, so konkretisiert er in einer richtigen und lehrreichen Weise den bahnbrechenden Gedanken von Aristoteles, ändert aber unmittelbar nichts Entscheidendes an dessen ontologischem Wesen. Denn dieses liegt darin, daß ein gedanklicher Entwurf zur materiellen Verwirklichung gelangt, daß eine erdachte Zielsetzung die materielle Wirklichkeit verändert, etwas Materielles in die Wirklichkeit einfügt, das der Natur gegenüber etwas qualitativ und radikal Neues vorstellt. Das zeigt sehr plastisch das Beispiel des Aristoteles vom Häuserbau. Das Haus ist ebenso etwas materiell Seiendes wie der Stein, das Holz etc. Trotzdem entsteht in der teleologischen Setzung eine den Elementen gegenüber völlig verschiedene Gegenständlichkeit. Aus dem bloßen Ansichsein von Stein oder Holz kann durch keinerlei immanente Weiterführung ihrer Eigenschaften, der in ihnen wirksamen Gesetzmäßigkeiten und Kräfte ein Haus »abgeleitet« werden. Es ist dazu die Macht des menschlichen Gedankens und Willens vonnöten, die diese Eigenschaften materiell-faktisch in einen prinzipiell völlig neuen Zusammenhang einordnen. Insofern war Aristoteles der erste, der die Wesensart dieser aus der »Logik« der Natur her unvorstellbaren Gegenständlichkeit ontologisch erkannt hat. (Es ist schon hier sichtbar, daß alle idealistischen oder religiösen Formen der Naturteleologie, der Natur als Schöpfung Gottes, metaphysische Projektionen dieses einen realen Modells sind. In der Schöpfungsgeschichte des Alten Testaments ist dieses Modell so deutlich sichtbar, daß der Gott nicht nur - wie das menschliche Subjekt der Arbeit - das Geleistete stets überprüft, sondern auch, ebenfalls wie der arbeitende Mensch, nach getaner Arbeit sich ein Ausruhen gönnt. Bei anderen Schöpfungsmythen, auch wenn sie unmittelbar bereits eine philosophische Form erhalten haben, kann man ebenso unschwer das irdisch-menschliche Arbeitsmodell erkennen; man denke nochmals an die Weltuhr, die von Gott aufgezogen wurde.)
Mit alledem soll der Wert der Hartmannschen Differenzierung nicht unterschätzt werden. Die Trennung der beiden Akte, nämlich der Zielsetzung von der Erforschung der Mittel, ist für das Verständnis des Arbeitsprozesses, insbesonde-
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re für seine Bedeutung in der Ontologie des gesellschaftlichen Seins von höchster Wichtigkeit. Und gerade hier zeigt sich die untrennbare Verbundenheit der an sich gegensätzlichen, abstrakt angesehen einander ausschließenden Kategorien: Kausalität und Teleologie. Das Erforschen der Mittel zur Verwirklichung des Zielsetzens muß nämlich eine objektive Erkenntnis der Verursachung jener Gegenständlichkeiten und Prozesse enthalten, deren Ingangsetzen das gesetzte Ziel zu realisieren imstande ist. Zielsetzung und Erforschung der Mittel können dabei insofern nichts Neues hervorbringen, als die Naturwirklichkeit als solche das bleiben muß, was sie an sich ist, ein System von Komplexen, deren Gesetzmäßigkeit allen menschlichen Bestrebungen und Gedanken gegenüber in voller Gleichgültigkeit verharrt. Das Erforschen hat dabei eine doppelte Funktion: Es deckt einerseits das auf, was an sich, unabhängig von jedem Bewußtsein, in den betreffenden Gegenständen waltet, andererseits entdeckt es neue Kombinationen, neue Funktionsmöglichkeiten an ihnen, durch deren In-Bewegung-Setzen erst das teleologisch gesetzte Ziel verwirklichbar wird. Im Ansichsein des Steines ist keinerlei Intention, ja selbst keinerlei Anzeichen enthalten, daß er als Messer oder als Beil benutzt werden könne; er kann jedoch nur dann diese Funktion als Werkzeug erhalten, wenn seine objektiv vorhandenen, an sich seienden Eigenschaften einer derartigen Kombination fähig sind, die dies möglich macht. Das ist bereits auf primitivster Stufe ontologisch eindeutig zu sehen. Wenn der Urmensch einen Stein aufliest, um ihn etwa als Beil zu benutzen, so muß er diesen Zusammenhang zwischen den - vielfach zufällig entstandenen - Eigenschaften des Steins und seiner jeweilig konkreten Brauchbarkeit richtig erkennen. Erst damit hat er den von Aristoteles und Hartmann analysierten Erkenntnisakt vollzogen; je entwickelter die Arbeit wird, desto deutlicher zeigt sich diese Sachlage. Hegel, der, wie wir wissen, durch Ausdehnung des Teleologiebegriffes viel Verwirrung stiftete,hat diese Wesensart der Arbeit schon früh richtig erkannt. In seinen Jenaer Vorlesungen von 1805/06 heißt es, »daß die eigene Tätigkeit der Natur, Elastizität der Uhrfeder, Wasser, Wind angewendet wird, um in ihrem sinnlichen Dasein etwas ganz anderes zu tun, als sie tun wollten, daß ihr blindes Tun zu einem zweckmäßigen gemacht wird, zum Gegenteile ihrer selbst...« und der Mensch »läßt die Natur sich abreiben, sieht ruhig zu und regiert nur mit leichter Mühe das Ganze...« Es ist bemerkenswert, daß der später in Hegels Geschichtsphilosophie so wichtige Begriff von der List der Vernunft hier bei der Analyse der Arbeit, vielleicht zum ersten Male, auftaucht. Hegel sieht richtig die Doppelseitigkeit dieses Prozesses, einerseits, daß die teleologische Setzung »bloß« die eigene
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Tätigkeit der Natur ausnützt, andererseits, daß die Verwandlung dieser Tätigkeit diese zum Gegenteil ihrer selbst macht. Diese Naturtätigkeit verwandelt sich also, ohne naturontologische Veränderung ihrer Grundlagen, in gesetzte. Damit hat Hegel eine ontologisch ausschlaggebende Seite der Rolle der Naturkausalität im Arbeitsprozeß beschrieben: Ohne einer inneren Veränderung unterworfen zu sein, entsteht aus den Naturgegenständen, aus den Naturkräften etwas völlig anderes; der arbeitende Mensch kann ihre Eigenschaften, die Gesetze ihrer Bewegung in vollkommen neue Kombinationen einfügen, ihnen vollkommen neue Funktionen, Wirkungsweisen verleihen. Da sich dies jedoch nur inmitten der ontologischen Unaufhebbarkeit der Naturgesetze vollziehen kann, kann die einzige Änderung der Naturkategorien bloß darin bestehen, daß sie - im ontologischen Sinne - gesetzt werden; ihr Gesetztsein ist die Vermittlung ihrer Unterordnung unter die bestimmende teleologische Setzung, wodurch zugleich aus dem gesetzten Ineinander von Kausalität und Ideologie ein einheitlich homogener Gegenstand, Prozeß etc. wird.
Natur und Arbeit, Mittel und Zweck ergeben also auf diese Weise etwas in sich Homogenes: den Arbeitsprozeß, und am Schluß das Arbeitsprodukt. Die Aufhebung der Heterogenitäten durch die Einheitlichkeit, die Homogenität der Setzung, hat aber ihre deutlich bestimmten Schranken. Wir sprechen gar nicht von der aufgezeigten Selbstverständlichkeit, daß die Homogenisierung die richtige Erkenntnis der in der Wirklichkeit nicht homogenen Kausalzusammenhänge voraussetzt. Werden diese im Prozeß des Erforschens verfehlt, so können sie - im ontologischen Sinn - überhaupt nicht gesetzt werden; sie bleiben in ihrer naturgemäßen Weise weiter wirksam, und die teleologische Setzung hebt sich selbst auf, indem sie, als nicht zu verwirklichende, auf eine der Natur gegenüber notwendig ohnmächtige Bewußtseinstatsache reduziert wird. Hier ist der Unterschied zwischen Setzung in ontologischem und erkenntnistheoretischem Sinn handgreiflich faßbar. Erkenntnistheoretisch ist eine den Gegenstand verfehlende Setzung noch immer eine Setzung, wenn über sie auch das Werturteil der Falschheit oder eventuell nur der Unvollständigkeit ausgesprochen werden muß. Das ontologische Setzen der Kausalität im Komplex einer teleologischen Setzung muß aber ihren Gegenstand richtig ergreifen, oder sie ist - in diesem Zusammenhang - überhaupt keine Setzung. Diese Feststellung bedarf jedoch, um nicht aus Überspannung in Unwahrheit umzuschlagen, einer dialektischen Beschränkung. Da jeder Naturgegenstand, jeder Naturprozeß eine intensive Unendlichkeit an Eigenschaften, Wechselbeziehungen zur Umwelt etc, vorstellt, bezieht sich das eben Ausgeführte nur auf jene Momente der intensiven Unendlichkeit, die für die teleologische Setzung positiv oder negativ von Bedeutung sind. Wenn zur Arbeit
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auch nur eine annähernde Erkenntnis dieser intensiven Unendlichkeit als einer solchen notwendig wäre, hätte sie auf primitiven Stufen der Naturbeobachtung (von Erkenntnis im bewußten Sinn gar nicht zu reden) niemals entstehen können. Dieser Tatbestand ist nicht nur darum bemerkenswert, weil darin die objektive Möglichkeit der schrankenlosen Höherentwicklung der Arbeit enthalten ist, sondern auch, weil daraus deutlich hervorgeht, daß ein richtiges Setzen, ein Setzen, das die für den jeweiligen Zweck notwendigen Kausalmomente so weit adäquat erfaßt, als dies für die konkrete Zielsetzung
konkret erforderlich ist, selbst in solchen Fällen erfolgreich zu verwirklichen bleibt, wo die allgemeinen Vorstellungen über Gegenstände, Zusammenhänge, Prozesse etc, in der Natur als Erkenntnisse der Natur in ihrer Ganzheit noch völlig unangemessen sind. Diese Dialektik zwischen strenger Richtigkeit im engeren Gebiet der konkreten teleologischen Setzung und möglicher, sehr weitgehender Falschheit im Erfassen der Natur in ihrem vollen Ansichsein hat für das Gebiet der Arbeit eine sehr weittragende Bedeutung, die uns später noch eingehend beschäftigen wird.
Die früher festgestellte Homogenisierung von Zweck und Mittel muß aber noch von einem anderen Gesichtspunkt aus dialektisch beschränkt und dadurch konkretisiert werden. Schon die doppelte Gesellschaftlichkeit der Zielsetzung - die sowohl aus einem gesellschaftlichen Bedürfnis entsteht wie auch eine solche zu befriedigen berufen ist, während die Naturhaftigkeit der Substrate der Mittel ihrer Verwirklichung die Praxis unmittelbar in eine anders geartete Umgebung und Tätigkeit leitet - schafft eine prinzipielle Heterogenität zwischen Zweck und Mittel. Ihre Aufhebung durch die Homogenisierung in der Setzung birgt, wie wir eben gesehen haben, eine wichtige Problematik in sich, die darauf weist, daß die einfache Unterordnung der Mittel unter den Zweck nicht so einfach ist, wie sie auf den ersten unmittelbaren Anblick zu sein scheint. Man darf nämlich nie die schlichte Tatsache aus den Augen verlieren, daß Realisierbarkeit oder Vergeblichkeit der Zielsetzung schlechthin davon abhängt, wieweit es im Erforschen der Mittel gelungen ist, die Naturkausalität in eine - ontologisch gesprochen - gesetzte zu verwandeln. Die Zielsetzung entsteht aus einem gesellschaftlich-menschlichen Bedürfnis; damit sie jedoch zu einer echten Zielsetzung wird, muß die Erforschung der Mittel, d.h., die Erkenntnis der Natur, eine bestimmte, ihnen angemessene Stufe erreicht haben; ist diese noch nicht errungen, so bleibt die Zielsetzung ein bloß utopisches Projekt, eine Art Traum, wie etwa das Fliegen von Ikaros bis Leonardo und lange über ihn hinaus Traum blieb. Der Punkt also, wo die Arbeit mit dem Entstehen des wissenschaftlichen Denkens und seiner Entwicklung vom Gesichtspunkt der Ontologie des gesellschaftlichen Seins zusammenhängt, ist gerade jenes Gebiet, das als Erforschung der Mittel bezeich-
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net wurde. Wir haben bereits auf das Prinzip des Neuen, das selbst in der primitivsten Arbeitsteleologie steckt, hingewiesen. Jetzt können wir hinzufügen, daß das ununterbrochene Produzieren von Neuem, wodurch in der Arbeit, man könnte sagen, die Gebietskategorie des Gesellschaftlichen erscheint, ihre erste klare Abhebung von jeder bloßen Naturhaftigkeit, in dieser Entstehungs- und Entwicklungsweise der Arbeit enthalten ist. Das hat zur Folge, daß in jedem konkreten einzelnen Arbeitsprozeß das Ziel die Mittel beherrscht und reguliert. Wenn jedoch von den Arbeitsprozessen in ihrer historischen Kontinuität und Entwicklung innerhalb der realen Komplexe des gesellschaftlichen Seins die Rede ist, entsteht eine gewisse, sicher nicht absolute und totale, für die Entwicklung der Gesellschaft und der Menschheit jedoch höchst bedeutsame Umkehrung dieses hierarchischen Verhältnisses. Da die für die Arbeit unentbehrliche Erforschung der Natur vor allem auf die Ausarbeitung der Mittel konzentriert ist, sind diese das hauptsächliche Vehikel der gesellschaftlichen Garantie einer Fixierung der Ergebnisse der Arbeitsprozesse, der Kontinuität der Arbeitserfahrung sowie insbesondere ihrer Höherentwicklung. Darum ist für das gesellschaftliche Sein selbst diese angemessenere Erkenntnis, die den Mitteln (Werkzeugen etc.) zugrunde liegt, oft wichtiger als die jeweilige Bedürfnisbefriedigung (Zielsetzung). Diesen Zusammenhang hat Hegel bereits richtig erkannt. Er schreibt darüber in seiner »Logik«:
»Das Mittel aber ist die äußerliche Mitte des Schlusses, welcher die Ausführung des Zweckes ist; an demselben gibt sich daher die Vernünftigkeit in ihm als solche kund, in diesem äußerlichen Andern und gerade durch diese Äußerlichkeit sich zu erhalten. Insofern ist das Mittel ein Höheres als die endlichen Zwecke der äußern Zweckmäßigkeit; - der Pflug ist ehrenvoller, als unmittelbar die Genüsse sind, welche durch ihn bereitet werden und die Zwecke sind. Das Werkzeug erhält sich, wahrend die unmittelbaren Genüsse vergehen und vergessen werden. An seinen Werkzeugen besitzt der Mensch die Macht über die äußerliche Natur, wenn er auch nach seinen Zwecken ihr vielmehr unterworfen ist.«
Wir haben zwar diesen Gedankengang im Hegel-Kapitel bereits angeführt; seine Wiederholung scheint uns deshalb nicht überflüssig zu sein, weil darin einige sehr wichtige Momente dieses Zusammenhangs
klar zum Ausdruck kommen. Erstens betont hier Hegel, im großen ganzen mit Recht, die größere Dauer der Mittel den unmittelbaren Zielen, Erfüllungen gegenüber. Freilich ist dieser Gegensatz in der Wirklichkeit lange nicht so schroff, wie Hegel ihn darstellt. Denn die einzelnen »unmittelbaren Genüsse« »vergehen« zwar und werden vergessen, aber die
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Bedürfnisbefriedigung, in der Gesellschaft als Ganzheit betrachtet, hat ebenfalls eine Dauer und Kontinuität. Wenn wir uns an die im Marx-Kapitel dargestellte Wechselbeziehung von Produktion und Konsumtion erinnern, so ist ersichtlich, daß diese sich nicht nur erhält und reproduziert, sondern auch ihrerseits auf jene einen gewissen Einfluß ausübt. Freilich ist in dieser Wechselwirkung, wie wir dort gesehen haben, die Produktion (hier: das Mittel in der teleologischen Setzung) das übergreifende Moment, die Hegelsche Gegenüberstellung geht aber infolge der allzu schroffen Entgegensetzungen an ihrer realen gesellschaftlichen Bedeutung doch etwas vorbei. Zweitens wird, wieder mit Recht, beim Mittel das Moment der Herrschaft »über die äußerliche Natur« hervorgehoben, mit der ebenfalls richtigen dialektischen Beschränkung, daß der Mensch in seiner Zwecksetzung ihr doch unterworfen bleibt. Hier muß die Hegelsche Darstellung insofern konkretisiert werden, als dieses Unterworfensein sich zwar unmittelbar auf die Natur bezieht - der Mensch kann, wie wir bereits gezeigt haben, nur solche Ziele wirklich setzen, deren Verwirklichungsmittel er tatsächlich beherrscht - während es sich letzten Endes real um eine gesellschaftliche Entwicklung handelt, um den Komplex, den Marx als Stoffwechsel des Menschen, der Gesellschaft, mit der Natur bezeichnet, wobei fraglos das gesellschaftliche Moment
das übergreifende werden muß. Damit ist allerdings die Überlegenheit des Mittels noch stärker betont als bei Hegel selbst. Infolge dieser Sachlage ist, drittens, das Mittel, das Werkzeug, der wichtigste Schlüssel zur Erkenntnis jener Etappen der Menschheitsentwicklung, über welche wir keine anderen Dokumente besitzen. Hinter diesem Erkenntnisproblem ist jedoch, wie stets, ein ontologisches verborgen. Wir können aus den Werkzeugen, die Ausgrabungen oft als fast einzige Dokumente einer völlig versunkenen Periode ans Tageslicht fördern, viel mehr über das konkrete Leben der sie handhabenden Menschen erfahren, als unmittelbar in ihnen zu stecken scheint. Der Grund dafür besteht darin, daß das Werkzeug bei richtiger Analyse nicht nur die eigene Entstehungsgeschichte verraten kann, sondern weite Ausblikke auf Lebensweise, ja auf Weltauffassung etc. seiner Gebraucher eröffnet. Wir werden uns im folgenden auch mit solchen Problemen zu beschäftigen haben; wir weisen nur auf die sozial höchst allgemeine Frage des Zurückweichens der Naturschranke hin, die Gordon Childe in der Analyse der Töpferei in der Zeit, die er als neolithische Revolution bezeichnet, genau beschreibt. Er weist vor allem auf den Zentralpunkt hin, auf den prinzipiellen Unterschied zwischen dem Arbeitsprozeß in der Töpferei und dem in der Herstellung von Werkzeugen aus Stein oder Knochen. Wenn der Mensch, führt er aus, »ein Werkzeug aus Stein oder
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Knochen herstellte, war er immer durch die Gestaltung und die Größe des Ursprungsmaterials gebunden; er konnte nur Stücke davon wegnehmen. Keine solche Beschränkungen engen die Tätigkeit der Töpferin ein. Sie kann ihren Tonklumpen ganz so formen, wie sie ihn zu haben wünscht; sie kann weitere Teile zu ihm hinzufügen, ohne befürchten zu müssen, daß die Festigkeit der Fugen darunter leidet«. Damit ist an einem wichtigen Punkt der Unterschied zweier Epochen deutlich gemacht, und zwar wird die Richtung aufgezeigt, in der der Mensch sich von der Gebundenheit an das ursprünglich benutzte Naturmaterial befreit und seinen Gebrauchsgegenständen genau jene Beschaffenheit verleiht, die seinen gesellschaftlichen Bedürfnissen entspricht. Childe sieht auch, daß dieser Prozeß des Zurückweichens der Naturschranke ein allmählicher ist. Die neue Form ist zwar nicht mehr durch das vorgefundene Material gebunden, sie ist aber doch aus ähnlichen Voraussetzungen entstanden: »Daher sind die frühesten Töpfe offensichtlich Nachahmungen vertrauter Gefäße, die aus anderen Stoffen hergestellt waren - aus Kürbissen, Blasen, Häuten und Fellen, aus Korbwaren und Weidengeflecht oder
sogar aus Menschenschädeln.«
Viertens muß noch hervorgehoben werden, daß das Erforschen der Gegenstände und Prozesse in der Natur, das dem Setzen der Kausalität beim Schaffen der Mittel vorangeht, dem Wesen nach, wenn auch lange Zeit nicht bewußt erkannt, doch aus wirklichen Erkenntnisakten besteht und damit objektiv den Anfang, die Genesis der Wissenschaft beinhaltet. Auch hier gilt die Einsicht von Marx: »Sie wissen das nicht, aber sie tun es.« Mit den sehr weittragenden Konsequenzen der so entstehenden Zusammenhänge werden wir uns in diesem Kapitel erst später befassen können. Hier kann vorläufig nur darauf verwiesen werden, daß jedes Erfahren und Verwenden von Kausalzusammenhängen, also jedes Setzen einer realen Kausalität, zwar in der Arbeit stets als Mittel für ein einzelnes Ziel figuriert, objektiv jedoch die Eigenschaft hat, auf anderes, auch auf unmittelbar völlig Heterogenes, angewendet zu werden. Mag das lange Zeiten hindurch nur rein praktisch bewußt geworden sein, faktisch werden doch bei jeder erfolgreichen Anwendung auf ein neues Gebiet richtige Abstraktionen vollzogen, die in ihrer objektiven inneren Struktur bereits wichtige Kennzeichen des wissenschaftlichen Denkens an sich haben. Schon die bisherige Geschichte der Wissenschaften, obwohl sie dieses Problem selten ganz bewußt stellt, zeigt, in wie vielen Fällen höchst abstrakte, allgemeine Gesetzlichkeiten aus dem Erforschen der praktischen Bedürfnisse, der besten Art ihrer Befriedigung, d.h. aus dem Ergründen der
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besten Mittel in der Arbeit entsprangen. Aber auch davon abgesehen zeigt die Geschichte manche Beispiele dafür, daß Errungenschaften der Arbeit, weiter abstrahiert - und wir wiesen eben darauf hin, daß solche Verallgemeinerungen im Prozeß der Arbeit notwendig entstehen - zu Grundlagen einer bereits rein wissenschaftlichen Betrachtung der Natur erwachsen können. Eine solche Genesis der Geometrie ist z.B. allgemein bekannt. Es ist nicht hier der Ort, auf diesen Fragenkomplex näher einzugehen, es möge genügen, auf einen interessanten Fall hinzuweisen, den Bernal, sich auf die Spezialforschungen Needhams stützend, über die altchinesische Astronomie anführt. Er sagt, daß es erst nach der Erfindung des Rades möglich geworden ist, die Kreisbewegungen des Himmels um die Pole genau nachzuahmen. Es scheint, daß die chinesische Astronomie von dieser Idee der Rotation ausgegangen ist. Bis dahin wurde die Himmelswelt wie unsere behandelt. Aus der ihr innewohnenden Tendenz zum Selbständigwerden der Erforschung des Mittels bei Vorbereitung und Durchführung des Arbeitsprozesses erwächst also das wissenschaftlich gerichtete Denken und stammen später die verschiedenen Naturwissenschaften. Dabei handelt es sich natürlich nicht um eine einmalige Genesis eines neuen Gebiets der Tätigkeit aus dem anderen, sondern diese Genesis wiederholt sich, freilich in äußerst verschiedenen Formen, in der ganzen Geschichte der Wissenschaften bis heute. Die Moddllvorstellungen, die den kosmischen, physikalischen etc. Hypothesen zugrunde liegen, sind - zumeist unbewußt - von den ontologischen Vorstellungen des jeweiligen Alltags, die wiederum mit den jeweilig aktuellen Arbeitserfahrungen, Arbeitsmethoden, Arbeitsergebnissen eng zusammenhängen, mit determiniert. Manche große Wendung in den Wissenschaften hat ihre Wurzel in allmählich entstandenen, aber auf einer bestimmten Stufe als radikal, als qualitativ neu erscheinenden Weltbildern des Alltags (der Arbeit). Der gegenwärtig herrschende Zustand, daß bereits differenzierte und weitgehend organisierte Wissenschaften die Vorbereitungsarbeit für die Industrie besorgen, verdeckt zwar für viele diesen Tatbestand, verändert aber seine Tatsächlichkeit ontologisch nicht wesentlich; es wäre sogar interessant, die Einflüsse dieses Vorbereitungsmechanismus auf die Wissenschaft ontologisch-kritisch näher zu betrachten.
Schon die bisherige, bei weitem nicht vollständige Beschreibung der Arbeit zeigt, daß mit ihr, im Vergleich zu den vorangegangenen Seinsformen des Unorganischen und Organischen, eine qualitativ neue Kategorie in der Ontologie des gesellschaftlichen Seins erschienen ist. Eine solche Neuheit ist die Verwirklichung
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als adäquates, erdachtes und gewolltes Ergebnis der teleologischen Setzung. In der Natur gibt es nur Wirklichkeiten und einen ununterbrochenen Wandel ihrer jeweiligen konkreten Formen, ein jeweiliges Anderssein. Gerade die Marxsche Theorie der Arbeit als allein existierender Form eines teleologisch hervorgebrachten Seienden begründet damit zuerst die Eigenart des gesellschaftlichen Seins. Denn wären die verschiedenen idealistischen oder religiösen Theorien einer allgemeinen Herrschaft der Teleologie richtig, so würde, zu Ende gedacht, dieser Unterschied gar nicht existieren. Jeder Stein, jede Fliege wäre ebenso eine Verwirklichung der »Arbeit« Gottes, des Weltgeistes etc., wie die eben geschilderten Verwirklichungen in den teleologischen Setzungen der Menschen. Damit müßte konsequenterweise der entscheidende ontologische Unterschied zwischen Gesellschaft und Natur verschwinden. Wenn die idealistischen Philosophien dennoch einem Dualismus zustreben, so kontrastieren sie vorwiegend die - scheinbar - rein geistigen, von der materiellen Wirklichkeit - scheinbar - völlig losgelösten Bewußtseinsfunktionen der Menschen mit der Welt des bloß materiellen Seins. Kein Wunder, daß dabei das Terrain der eigentlichen Tätigkeit des Menschen, seines Stoffwechsels mit der Natur, aus der er hervorgeht, die er durch seine Praxis, vor allem durch seine Arbeit zunehmend beherrscht, zu kurz kommen muß, daß die als einzig echt aufgefaßte menschliche Tätigkeit ontologischfertig vom Himmel fällt, als »überzeitlich«, als »zeitlos« dargestellt wird, als Welt des Sollens im Gegensatz zum Sein. (Auf die reale Genesis des Sollens aus der Arbeitsteleologie kommen wir bald zu sprechen.) Die Widersprüche dieser Konzeption zu den ontologischen Ergebnissen der Wissenschaft der Neuzeit sind so offenkundig, daß sie nicht ausführlich erörtert werden müssen. Man versuche etwa, die »Geworfenheit« des Existentialismus mit dem Bild der Wissenschaft vom Entstehen des Menschen ontologisch in Einklang zu bringen. Die Verwirklichung dagegen stellt sowohl die genetische Verbundenheit wie den ontologisch wesentlichen Unterschied und Gegensatz her: Die Tätigkeit des Naturwesens Mensch läßt, auf der Basis des unorganischen und organischen Seins, aus ihnen hervorgegangen, eine eigenartige neue, kompliziertere und komplexere Stufe des Seins entstehen, eben das gesellschaftliche Sein. (Daß einzelne bedeutende Denker schon in der Antike auf die Eigenart der Praxis und der in ihr vollzogenen Verwirklichung eines Neuen reflektiert und einige ihrer Bestimmungen scharfsinnig erkannt haben, ändert an dieser Gesamtlage nichts Wesentliches.)
Die Verwirklichung als Kategorie der neuen Seinsform zeigt zugleich eine wichtige Konsequenz: Das Bewußtsein des Menschen hört mit der Arbeit auf, im ontologischen Sinn ein Epiphänomenon zu sein. Zwar scheint das Bewußtsein der Tiere, besonders der höheren, eine unleugbare Faktizität zu sein, sie ist aber doch
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ein blasses, dienendes Teilmoment ihres biologisch fundierten, nach den Gesetzen der Biologie ablaufenden Reproduktionsprozesses. Und zwar nicht bloß in der phylogenetischen Reproduktion, wo es ganz selbstverständlich evident ist, daß diese - nach Gesetzen, die wir heute noch nicht wissenschaftlich erfaßt haben, nur als ontologische Tatsachen zur Kenntnis nehmen mussen - sich ohne irgendein Zutun des Bewußtseins abspielt; sondern auch im ontogenetischen Reproduktionsprozeß. Letzteren beginnen wir insofern zu übersehen, als wir das tierische Bewußtsein als Produkt der biologischen Differenzierung, der wachsenden Komplexität der Organismen zu begreifen anfangen. Die Wechselbeziehungen der primitiven Organismen mit ihrer Umgebung laufen vorwiegend auf Grundlage biophysischer und biochemischer Gesetzmäßigkeiten ab. Je höher, je komplizierter ein tierischer Organismus geartet ist, desto mehr bedarf er feinerer, differenzierterer Organe, um sich in der Wechselbeziehung mit seiner Umwelt zu erhalten, um sich reproduzieren zu können. Es ist nicht hier der Ort, diese Entwicklung selbst skizzenhaft darzustellen (und der Verfasser hält sich auch nicht für kompetent dazu); es muß nur darauf hingewiesen werden, daß die allmähliche Entwicklung des tierischen Bewußtseins aus biophysischen und biochemischen Reaktionsweisen über von Nerven vermittelte Reize und Reflexe bis zu der erreichten höchsten Stufe stets im Rahmen der biologischen Reproduktion eingeschlossen bleibt. Sie zeigt freilich eine immer wachsende Elastizität in den Reaktionen auf die Umwelt und auf deren eventuelle Veränderungen; das zeigt sich sehr deutlich bei bestimmten Haustieren oder bei Experimenten mit Affen. Man darf aber nicht vergessen, worauf schon hingewiesen wurde, daß hier einerseits ein normalerweise nie vorhandenes Milieu der Sekurität für die Tiere entsteht, andererseits, daß dabei die Initiative, die Leitung, des Herbeischaffen von »Werkzeugen« etc. stets vom Menschen, nie von den Tieren selbst ausgeht. Das tierische Bewußtsein in der Natur geht nie über ein besseres Bedienen der biologischen Existenz und der Reproduktion hinaus, ist also - ontologisch betrachtet - ein Epiphänomenon des organischen Seins.
Erst in der Arbeit, im Setzen des Zieles und seiner Mittel geht das Bewußtsein mit einem selbstgelenkten Akt, der teleologischen Setzung, dazu über, sich nicht bloß der Umgebung anzupassen - wozu auch solche Tätigkeiten der Tiere gehören, die die Natur objektiv, unbeabsichtigt verändern - sondern in der Natur selbst von dieser aus unmögliche, ja undenkbare Veränderungen zu vollziehen. Indem also die Verwirklichung zu einem umformenden, neuformenden Prinzip der Natur wird, kann das Bewußtsein, das dazu Impuls und Richtung gegeben hat, ontologisch kein Epiphänomenon mehr sein. Mit dieser Feststellung scheidet sich der dialektische Materialismus vom mechanischen. Denn dieser erkennt als
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objektive Wirklichkeit nur die Natur in ihrer Gesetzlichkeit an. Marx vollzieht nun die Trennung des neuen Materialismus vom alten, des dialektischen vom mechanischen, mit großer Entschiedenheit in seinen bekannten Thesen über Feuerbach: »Der Hauptmangel alles bisherigen Materialismus (den Feuerbachschen mit eingerechnet) ist, daß der Gegenstand, die Wirklichkeit, Sinnlichkeit nur unter der Form des Objekts oder der Anschauung gefaßt wird; nicht aber als sinnlich menschliche Tätigkeit, Praxis; nicht subjektiv. Daher die tätige Seite abstrakt im Gegensatz zu dem Materialismus von dem Idealismus - der natürlich die wirkliche, sinnliche Tätigkeit als solche nicht kennt - entwickelt. Feuerbach will sinnliche - von den Gedankenobjekten wirklich unterschiedne Objekte: aber er faßt die menschliche Tätigkeit selbst nicht als gegenständliche Tätigkeit.« Und im weiteren spricht er deutlich aus, daß die Wirklichkeit des Denkens, der nicht mehr epiphänomenale Charakter des Bewußtseins, nur in der Praxis auffindbar und nachweisbar ist: »Der Streit über die Wirklichkeit oder Nichtwirklichkeit des Denkens - das von der Praxis isoliert ist - ist eine rein scholastische Frage.« Daß wir hier die Arbeit als Urform der Praxis dargestellt haben, entspricht durchaus dem Geist dieser Feststellungen von Marx; hat doch Engels viele Jahrzehnte später gerade in der Arbeit den entscheidenden Motor zum Menschwerden des Menschen erblickt. Natürlich ist diese unsere Behauptung, bis jetzt, nicht viel mehr als eine Deklaration, freilich eine, deren bloßes richtiges Aussprechen bereits manche entscheidende Bestimmungen des Gegenstandskomplexes enthält und sogar erhellt. Aber selbstverständlicherweise kann diese Wahrheit nur durch ihr möglichst vollständiges Explizitwerden sich als solche erweisen und bewähren, Schon die bloße Tatsache, daß in die Welt der Wirklichkeit Verwirklichungen (Ergebnisse der menschlichen Praxis in der Arbeit) als neue, aus der Natur nicht ableitbare Gegenständlichkeitsformen eintreten, die aber doch und gerade als solche ebenso Wirklichkeiten sind wie die Produkte der Natur, zeugt schon auf dieser Anfangsstufe für die Richtigkeit unserer Behauptung.
Über die konkreten Erscheinungs- und Äußerungsweisen des Bewußtseins sowie über die konkrete Seinsweise seiner nicht mehr epiphänomenalen Beschaffenheit wird in diesem Kapitel und in den folgenden noch viel die Rede sein. Jetzt kann nur das Grundproblem - vorläufig äußerst abstrakt - angedeutet werden. Es handelt sich dabei um die untrennbare Zusammengehörigkeit zweier einander gegenüber an sich heterogener Akte, die jedoch in ihrer neuen ontologischen Verbundenheit den eigentlichen seienden Komplex der Arbeit ausmachen und, wie wir sehen werden, das ontologische Fundament der gesellschaftlichen Praxis,
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ja des gesellschaftlichen Seins überhaupt bilden. Die beiden heterogenen Akte, von denen hier die Rede ist, sind: einerseits die möglichst genaue Widerspiegelung der in Betracht kommenden Wirklichkeit, andererseits die daran anknüpfende Setzung jener Kausalitätsketten, die, wie wir wissen, für die Verwirklichung der teleologischen Setzung unentbehrlich sind. Diese erste Beschreibung des Phänomens wird zeigen, daß beide unter sich heterogenen Betrachtungsweisen der Wirklichkeit,
sowohl jede für sich wie ihre unausweichliche Verbundenheit, die Grundlage zur ontologischen Eigenart des gesellschaftlichen Seins bilden. Wenn wir nun unsere Analyse mit der Widerspiegelung beginnen, so zeigt sich sogleich eine genaue Trennung von Objekten, die unabhängig vom Subjekt existieren, und von Subjekten, die jene, in mehr oder weniger richtiger Annäherung, durch Bewußtseinsakte abbilden, zu eigenem geistigen Besitz machen können. Diese bewußt gewordene Trennung von Subjekt und Objekt ist ein notwendiges Produkt des Arbeitsprozesses und zugleich die Grundlage für die spezifisch menschliche Existenzweise. Wenn das Subjekt, als im Bewußtsein losgelöst von der Objektwelt, nicht fähig wäre, diese zu betrachten, in ihrem Ansichsein zu reproduzieren, könnte jene Zielsetzung, die auch der allerprimitivsten Arbeit zugrundeliegt, nie zustande kommen. Natürlich stehen auch die Tiere in einem - immer komplizierter werdenden, schließlich durch eine Art von Bewußtsein vermittelten - Verhältnis zu ihrer Umgebung. Da dieses jedoch im Bereich des Biologischen beharrt, kann ein derartiges Getrenntsein und Gegenüberstehen von Subjekt und Objekt, wie beim Menschen, bei ihnen nie entstehen. Sie reagieren mit großer Sicherheit auf das, was für sie im gewohnten Lebensumkreis nützlich oder gefahrdrohend ist. Ich las z.B. einmal über eine bestimmte Art asiatischer Wildgänse, die nicht nur die Raubvögel überhaupt von weitem erkannten, sondern auch ihre verschiedene Arten genau unterschieden und auf die verschiedenen verschieden reagierten. Daraus folgt jedoch keineswegs, daß sie diese Arten, wie der Mensch, auch begrifflich unterschieden hätten. Es ist äußerst fraglich, ob sie sie in ganz anderen Verhältnissen, etwa wenn man ihnen experimentell diese Raubvögel in der Nähe, ruhend gezeigt hätte, überhaupt mit dem Fernbild und mit der drohenden Gefahr identifiziert hätten. Will man, was nie ohne Willkür geschehen kann, menschliche Bewußtseinskategorien auf die Tierwelt anwenden, so kann man sagen, daß die höchstentwickelten Tiere im besten Fall Vorstellungen der wichtigsten Momente ihrer Umwelt bilden können, nie aber Begriffe über sie. Freilich muß man den Terminus Vorstellung mit den nötigen Vorbehalten gebrauchen, denn wo bereits eine Begriffswelt ausgebildet ist, wirkt diese auf Anschauung und Vorstellung wieder zurück. Originär geht dieser Wandel ebenfalls unter der Einwirkung der Arbeit vor sich. Gehlen weist
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z.B. sehr richtig darauf hin, daß beim Menschen eine gewisse Arbeitsteilung der Sinne in der Anschauung vor sich geht, daß er imstande ist, Eigenschaften der Dinge, die er als biologisches Wesen nur durch den Tastsinn erfassen konnte, rein visuell wahrzunehmen.
Über die weiteren Folgen dieser Entwicklungsrichtung des Menschen durch die Arbeit werden wir in späteren Zusammenhängen noch viel Ergänzendes sagen müssen. Hier müssen wir uns, um die durch die Arbeit entstehende neue Grundstruktur klar herauszuarbeiten, darauf beschränken, daß in der Widerspiegelung der Wirklichkeit, als Voraussetzung für Ziel und Mittel der Arbeit, eine Trennung, eine Loslösung des Menschen von seiner Umgebung vollzogen wird, eine Distanzierung, die sich im Gegenüberstehen von Subjekt und Objekt klar offenbart. In der Widerspiegelung der Wirklichkeit löst sich die Abbildung von der abgebildeten Wirklichkeit ab, gerinnt zu einer eigenen »Wirklichkeit« im Bewußtsein. Wir haben das Wort Wirklichkeit in Anführungszeichen gesetzt, weil ja im Bewußtsein die Wirklichkeit bloß reproduziert wird; es entsteht eine neue Gegenständlichkeitsform, aber keine Wirklichkeit, und - gerade ontologisch - kann das Reproduzierte mit dem, was es reproduziert, unmöglich gleichartig, geschweige denn identisch sein. Im Gegenteil. Ontologisch teilt sich das gesellschaftliche Sein in zwei heterogene Momente, die vom Standpunkt des Seins nicht nur heterogen einander gegenüberstehen, sondern geradezu Gegensätze sind: das Sein und seine Widerspiegelung im Bewußtsein.
Diese Dualität ist eine Grundtatsache des gesellschaftlichen Seins. Die früheren Seinsstufen sind im Vergleich dazu streng einheitlich. Die ununterbrochene und unausweichliche Bezogenheit der Widerspiegelung auf das Sein, ihre Einwirkungen darauf schon in der Arbeit, aber noch ausgeprägter in weiteren Vermittlungen (die erst später zur Darstellung gelangen können), die Determiniertheit der Widerspiegelung durch ihr Objekt etc. können diese fundamentale Dualität nie völlig aufheben. Mit dieser Dualität tritt der Mensch aus der Tierwelt heraus. Wenn Pawlow das nur dem Menschen eigene zweite Signalsystem beschreibt, stellt er richtig fest, daß allein dieses System sich von der Wirklichkeit entfernen, in ihrer Wiedergabe fehlgehen kann. Das ist nur möglich, weil die Widerspiegelung sich auf das ganze, vom Bewußtsein unabhängige, stets intensiv unendliche Objekt richtet, dieses in seinem Ansichsein zu erfassen sucht und gerade infolge der dazu notwendigen, selbstgesetzten Distanz dabei irregehen kann. Das bezieht sich selbstredend nicht nur auf die Anfangsstadien der Widerspiegelung. Auch wenn komplizierte, in sich homogen geschlossene Hilfskonstruktionen des
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Erfassens der Wirklichkeit durch Widerspiegelung, wie Mathematik, Geometrie, Logik etc., schon entstanden sind, bleibt diese Möglichkeit des Irrtums infolge der Distanzierung unverändert bestehen; gewisse primitive Irrtumsmöglichkeiten werden zwar - relativ - ausgeschaltet, es treten aber kompliziertere, gerade durch die weiter distanzierenden Vermittlungssysteme hervorgebrachte an ihre Stelle. Andererseits folgt aus dieser Distanzierung und Objektivierung, daß die Abbilder niemals quasiphotographische, mechanisch treue Kopien der Wirklichkeit sein können. Sie sind immer von den Zielsetzungen, also genetisch gesprochen, von der gesellschaftlichen Reproduktion des Lebens, originär von der Arbeit bestimmt. In meiner »Eigenart des Ästhetischen« habe ich, das Alltagsdenken analysierend, auf diese konkret teleologische Orientiertheit der Widerspiegelung hingewiesen. Man könnte sagen, daß hier die Quelle ihrer Fruchtbarkeit, ihrer ununterbrochenen Entdeckungstendenz von neuem zu finden ist, während die eben geschilderte Objektivation in einer entgegengesetzten Richtung korrektiv tätig ist. Das Resultat ist also, wie stets bei Komplexen, ein Ergebnis der Wechselwirkung von Gegensätzen. Mit alledem haben wir aber noch nicht den entscheidenden Schritt zum Verständnis der ontologischen Beziehung von Widerspiegelung und Wirklichkeit getan. Die Widerspiegelung hat dabei eine eigenartige widerspruchsvolle Position: Einerseits ist sie der strikte Gegensatz zu jedem Sein, sie ist, eben weil sie Widerspiegelung ist, kein Sein; andererseits und zugleich ist sie das Vehikel zum Entstehen der neuen Gegenständlichkeit im gesellschaftlichen Sein, zu dessen Reproduktion auf gleichbleibender oder erhöhter Stufe. Dadurch erhält das die Wirklichkeit widerspiegelnde Bewußtsein einen gewissen Möglichkeitscharakter. Wie erinnerlich, verficht Aristoteles die Ansicht, daß ein Baumeister, auch wenn er nicht baut, der Möglichkeit (Dynamis) nach doch ein Architekt bleibt, während Hartmann auf den Arbeitslosen hinweist, bei dem diese Möglichkeit ihren real nichtigen Charakter offenbart, nämlich, daß er nicht zu arbeiten imstande ist. Hartmanns Beispiel ist sehr lehrreich, weil es zeigt, wie dieser, im Banne von einseitigen und verengten Vorstellungen, an dem hier real vorliegenden Problem achtlos vorbeigeht. Es ist nämlich unzweifelhaft, daß während einer tiefen Wirtschaftskrise viele Arbeiter keine faktische Möglichkeit haben, Arbeit zu erhalten; es ist aber ebenso fraglos - und hierin liegt die tiefe Ahnung der Wahrheit in der Aristotelischen Dynamis-Konzeption - daß er jederzeit bei günstiger Wendung der Konjunktur seine alte Arbeit wieder aufzunehmen imstande ist. Wie soll nun diese seine Beschaffenheit, vom Standpunkt einer Ontologie des gesellschaftlichen Seins, anders bestimmt werden, als dadurch, daß er, infolge seiner Erziehung, seines Lebenslaufs, seiner Erfahrungen etc., auch als Arbeitsloser - seiner Dynamis nach - ein Arbeiter bleibt? Dadurch
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entsteht keineswegs, was Hartmann befürchtet, ein »Gespensterdasein der Möglichkeit«, denn der Arbeitslose (mit dieser realen Unmöglichkeit, Arbeit zu finden) ist ebenso ein seiender, potentieller Arbeiter wie im Falle der Verwirklichung seines Bestrebens, Arbeit zu finden. Es kommt nur darauf an, zu verstehen, daß Aristoteles in seinem breiten und tiefen, universellen und vielseitigen Bestreben, die gesamte Wirklichkeit philosophisch zu erfassen, Phänomene wahrnimmt, denen gegenüber Hartmann, infolge seiner Befangenheit in logisch-erkenntnistheoretischen Vorurteilen, trotz richtigen Einsichten in bestimmte Probleme, hilflos gegenübersteht. Daß bei Aristoteles diese Kategorie der Möglichkeit, wegen seiner falschen Ansichten über den teleologischen Charakter auch der nicht gesellschaftlichen Wirklichkeit und der Gesellschaft als Ganzheit, oft verworren wirkt, ändert, wenn man das ontologisch Reale von bloßen Projektionen in nicht teleologisch gearteten Seinsformen zu unterscheiden versteht, nichts Wesentliches. Man könnte freilich sagen, daß die erworbenen Fähigkeiten zur Arbeit ebenso Eigenschaften des arbeitslosen Arbeiters bleiben, wie sonstige Eigenschaften eines jeden Seienden, die z.B. in der unorganischen Natur oft sehr große Zeitspannen hindurch keine aktuelle Wirksamkeit erhalten und doch Eigenschaften des betreffenden Seienden bleiben. Auf den Zusammenhang zwischen Eigenschaft und Möglichkeit haben wir schon früher wiederholt hingewiesen. Das würde vielleicht zur Widerlegung Hartmanns ausreichen, nicht jedoch zum Erfassen der spezifischen Eigenart der sich hier offenbarenden Möglichkeit, auf die die Dynamis-Konzeption von Aristoteles hinzielt. Interessanterweise kann man den Anknüpfungspunkt gerade bei Hartmann selbst finden. In der Analyse des biologischen Seins weist er, wie wir festgestellt haben, daraufhin, daß die Anpassungsfähigkeit eines Organismus von seiner Labilität, wie Hartmann diese Eigenschaft bezeichnet, abhängt. Daß Hartmann bei der Behandlung dieser Frage das Problem der Möglichkeit nicht berührt, tut nichts zur Sache. Natürlich könnte man auch diese Charakteristik der Organismen als ihre Eigenschaft bezeichnen und damit das Problem der Möglichkeit auch hier für erledigt erklären. Damit wäre aber der Kern unserer gegenwärtigen Frage umgangen. Es kommt dabei nicht darauf an, daß diese Labilität vorläufig nicht im voraus erkennbar, sondern erst Post festum feststellbar ist, denn die Frage, ob etwas im ontologischen Sinn erkennbar ist, ist dafür, ob es in dieser Hinsicht ein Seiendes ist, gleichgültig. (Die ontologische Realität der Gleichzeitigkeit zweier Ereignisse hat nichts damit zutun, ob wir diese Gleichzeitigkeit zu messen imstande sind.)
Unsere Fragestellung hat dieses ontologische Problem so beantwortet, daß die Widerspiegelung, gerade ontologisch betrachtet, an sich kein Sein ist, also auch kein »Gespensterdasein«, weil ganz einfach kein Sein. Und doch ist sie zweifellos
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die entscheidende Voraussetzung für die Setzung von Kausalreihen, und zwar gerade im ontologischen und nicht im erkenntnistheoretischen Sinn. Die so entstehende ontologische Paradoxie versucht nun die Dynamis-Konzeption von Aristoteles in ihrer dialektischen Rationalität zu erhellen. Aristoteles erkennt die ontologische Beschaffenheit der teleologischen Setzung richtig, wenn er ihr Wesen mit der Dynamis-Konzeption in eine untrennbare Verbindung bringt, indem er das Vermögen (Dynamis) als »die Fähigkeit, etwas gut oder gemäß einem Entschluß auszuführen«, bestimmt und diese Bestimmung bald danach dahin konkretisiert: »Denn wir sprechen dem Affizierten dank der Quelle, gemäß deren es affiziert wird, das Vermögen zu, affiziert zu werden - und zwar bisweilen dank einer Quelle, gemäß deren es nur überhaupt eine beliebige Affektion erfährt, bisweilen aber dank einer Quelle, gemäß deren es nicht nur eine beliebige, sondern eine zum Besseren führende Affektion erfährt. - Vermögen heißt weiter die Fähigkeit, etwas gut oder gemäß einem Entschluß auszuführen; denn bisweilen sagen wir von Leuten, die nur überhaupt gehen oder sprechen können, aber nicht gut oder nicht einem Vorsatz folgend: sie vermögen nicht zu sprechen oder zu gehen.« Aristoteles sieht alle ontologischen Paradoxien dieser Lage klar; er stellt fest, »daß die Verwirklichung dem Wesen nach früher als das Vermögen ist«, und pointiert sehr entschieden das hier vorhandene Modalitätsproblem: »Jedes Vermögen ist gleichzeitiges Vermögen von einander Widersprechendem; denn was nicht vermögend ist zu bestehen, das ist immer imstande, auch nicht verwirklicht zu sein. Was also vermögend ist zu sein, das ist sowohl imstande zu sein, wie auch, nicht zu sein; dasselbe Ding ist also vermögend zu sein, und gleichzeitig vermögend, nicht zu sein.«
Es würde uns ins Labyrinth einer unfruchtbaren Scholastik führen, wenn wir jetzt von Aristoteles fordern würden, er solle die »Notwendigkeit« der von ihm so gut dargestellten Konstellation mit zwingender Logik »ableiten«. Das ist bei einer so eminent rein ontologischen Frage prinzipiell unmöglich. Bestimmte Verworrenheiten und in ihrer Folge Scheinableitungen entstehen bei Aristoteles überall, wo er das hier so richtig Erkannte über die menschliche Praxis hinaus erweitern will. Das Phänomen der Arbeit in ihrer Einzigartigkeit als dynamisch-komplexhafte Zentralkategorie einer neu entstehenden Seinsstufe steht in klar analysierbarer Form vor uns, wie sie ja auch vor Aristoteles stand; es kommt nur darauf an, durch entsprechende ontologische Analyse diese dynamische Struktur als Komplex aufzudecken, um dadurch - nach dem Marxschen Muster, daß die Anatomie des
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Menschen den Schlüssel zur Anatomie des Affen ergibt - wenigstens den abstrakt-kategoriellen Weg, der hierher geführt hat, verständlich machen zu können. Es scheint höchst wahrscheinlich, daß die, auch von Hartmann ihrer Bedeutung gemäß geschilderte, Labilität im biologischen Sein hochentwickelter Tiere dafür eine gewisse Basis bilden könnte. Die Entwicklung der Haustiere, die im ständigen und intimen Umgang mit den Menschen stehen, zeigt, wie große Möglichkeiten in dieser Labilität stecken können. Es muß aber gleichzeitig festgehalten werden, daß diese Labilität nur eine allgemeine Grundlage dafür bildet, daß die entwickelteste Form dieser Erscheinung durch einen Sprung, der in der setzenden Tätigkeit des allerprimitivsten, noch im Übergang aus der Tierheit befindlichen Menschen einsetzt, die Grundlage zum wirklichen Menschsein bilden kann. Der Sprung kann also nur Post festum verständlich gemacht werden, auch wenn bedeutende Gedankenvorstöße, wie diese neue Form der Möglichkeit im Dynamis-Begriff von Aristoteles, viel Licht auf den so erkennbaren Weg werfen.
Der Übergang von der Widerspiegelung als einer besonderen Form des Nichtseins zum aktiven und produktiven Sein des Setzens von Kausalzusammenhängen bietet eine entfaltete Form der Aristotelischen Dynamis, die wir als den Alternativcharakter einer jeden Setzung im Arbeitsprozeß bestimmen können. Dieser tritt zuerst beim Setzen des Zieles der Arbeit ans Tageslicht. Man kann seinen Charakter am besten beim Betrachten der allerprimitivsten Arbeitsakte feststellen. Wenn der Urmensch aus einer Masse von Steinen einen als für seine Zwecke geeignet scheinenden auswählt und die anderen liegenläßt, so ist klar, daß hier eine Wahl, eine Alternative vorliegt. Und zwar eben in dem Sinne, daß der Stein, als an sich seiender Gegenstand der unorganischen Natur, in keiner Weise dazu präformiert war, ein Instrument für diese Setzung zu werden. Natürlich wächst auch das Gras nicht, um von den Rindern gefressen zu werden, und diese nicht, um Fleisch für die Nahrung der Raubtiere zu liefern. In beiden Fällen liegt aber von der Seite der fressenden Tiere eine biologische Gebundenheit an eine jeweils derartige Nahrung, die ihr Verhalten mit biologischer Notwendigkeit determiniert. Darum ist ihr dabei auftretendes Bewußtsein eindeutig determiniert: ein Epiphänomenon, niemals eine Alternative. Der zum Instrument ausgewählte Stein wird aber durch einen Bewußtseinsakt ausgewählt, der nicht mehr biologischen Charakters ist. Es müssen - durch Beobachtung und Erfahrung, d.h. durch Widerspiegelung und durch ihre bewußtseinsmäßige Verarbeitung - bestimmte Eigenschaften des Steins erkannt werden, die ihn für die geplante Tätigkeit geeignet oder ungeeignet machen. Der nach außen höchst einfache und einheitliche Akt, die Auswahl eines Steines, ist seiner inneren Struktur nach höchst
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kompliziert und voller Widersprüche. Es handelt sich nämlich dabei um zwei aufeinander heterogen bezogene Alternativen. Erstens: Ist der Stein für den gesetzten Zweck richtig oder falsch gewählt? Zweitens: Ist das Ziel richtig oder falsch gesetzt, d.h. ist ein Stein überhaupt ein wirklich geeignetes Instrument für diese Zielsetzung? Es ist leicht ersichtlich, daß beide Alternativen nur aus einem dynamisch funktionierenden und dynamisch verarbeiteten System der Widerspiegelungen der Wirklichkeit (also aus einem System von an sich nichtseienden Akten) emporsteigen können. Es ist aber ebenso leicht ersichtlich, daß erst, wenn die Ergebnisse der nichtseienden Widerspiegelung sich zu einer solchen alternativ strukturierten Praxis verdichten, aus dem nur naturhaft Seienden ein Seiendes im Rahmen des gesellschaftlichen Seins werden kann, etwa ein Messer oder eine Axt, also eine völlig und radikal neue Gegenständlichkeitsform dieses Seienden. Denn der Stein in seinem naturhaften Dasein und Sosein hat gar nichts mit Messer oder Axt zu tun.
Diese Eigenart der Alternative tritt auf etwas entwickelterer Stufe noch plastischer hervor, wenn nämlich der Stein nicht nur aufgelesen und als Instrument der Arbeit gebraucht wird, sondern, um ein besseres Arbeitsmittel zu sein, einem weiteren Prozeß der Bearbeitung unterworfen wird. Hier, wo die Arbeit in einem noch eigentlicheren Sinn verwirklicht wird, enthüllt die Alternative noch deutlicher ihr wahres Wesen: Sie ist kein einmaliger Akt der Entscheidung, sondern ein Prozeß, eine ununterbrochene zeitliche Kette von immer neuen Alternativen. Wenn man auch noch so flüchtig auf den Prozeß einer beliebigen Arbeit - und sei sie noch so primitiv - reflektiert, so muß man sehen, daß es sich niemals bloß um das mechanische Durchführen einer Zielsetzung handeln kann. Die Kausalkette in der Natur läuft »von selbst« gemäß ihrer eigenen naturhaften inneren Notwendigkeit des »wenn
dann« ab. In der Arbeit wird jedoch, wie wir gesehen haben, nicht nur das Ziel teleologisch gesetzt, sondern auch die Kausalkette, die es verwirklicht, muß sich in eine gesetzte Kausalität verwandeln. Denn sowohl das Arbeitsmittel wie der Arbeitsgegenstand sind an sich der Naturkausalität unterworfene Naturdinge, die erst in der teleologischen Setzung, erst durch diese, obwohl sie Naturgegenstände bleiben, eine gesellschaftlich seiende Gesetztheit im Arbeitsprozeß erhalten können. Darum wiederholt sich im Detail des Arbeitsprozesses fortlaufend diese Alternative: Eine jede einzelne Bewegung im Prozeß des Schleifens, Schabens etc, muß richtig erdacht sein (auf richtiger Widerspiegelung der Wirklichkeit beruhen), richtig auf die Zielsetzung orientiert, richtig manuell durchgeführt sein etc. Ist dies nicht der Fall, so wird in jedem Augenblick die gesetzte Kausalität aufhören, wirksam zu sein, und der Stein muß wieder ein einfaches, naturhaften Kausalitäten unterworfenes, naturhaftes Seiendes werden,
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das gar nichts mehr mit Arbeitsmittel oder Arbeitsgegenstand zu tun hat. Die Alternative erstreckt sich also auf die einer richtigen oder fehlerhaften Tätigkeit, um Kategorien, die erst im Arbeitsprozeß zu Formen der Wirklichkeit werden, ins Leben zu rufen.
Natürlich können die Fehler von sehr verschieden abgestufter Beschaffenheit sein, nämlich entweder durch den folgenden Akt oder durch die folgenden Akte korrigierbare, was wieder neue Alternativen in die geschilderte Entschlußkette einführt - wobei auch hier die leichte oder schwere, in einem Akt oder in einer Reihe von Akten vollziehbare Korrektur sich variierend einschiebt - oder der begangene Fehler kann die ganze Arbeit vergeblich machen. Die Alternativen im Arbeitsprozeß sind also nicht gleichartig, nicht gleichrangig. Das, was Churchill für die viel komplizierteren Fälle der gesellschaftlichen Praxis geistvoll gesagt hat, daß man durch einen Entschluß in eine »Periode der Konsequenzen« eintreten kann, taucht als Charakteristik der Struktur jeder gesellschaftlichen Praxis bereits in der primitivsten Arbeit auf. Diese ontologische Struktur des Arbeitsprozesses als einer Kette von Alternativen darf nicht dadurch verdunkelt werden, daß im Laufe der Entwicklung, sicherlich schon auf relativ niedrigen Entwicklungsstufen, die einzelnen Alternativen des Arbeitsprozesses durch Einübung und Gewohnheit zu bedingten Reflexen werden und deshalb bewußtseinsmäßig »unbewußt« vollzogen werden können. Ohne hier auf Beschaffenheit und Funktion der bedingten Reflexe eingehen zu können - sie zeigen sich auf komplizierteren Stufen, sowohl in der Arbeit selbst als auf allen Gebieten der gesellschaftlichen Praxis etwa als Widersprüchlichkeiten der Routine etc. - muß nur festgestellt werden, daß jeder bedingte Reflex ursprünglich Gegenstand einer Alternativentscheidung gewesen ist, und zwar sowohl in der Entwicklung der Menschheit als bei jedem Individuum, das ja diese bedingten Reflexe erst durch Lernen, Einübung etc. ausbilden kann, und am Anfang dieses Prozesses stehen eben die Ketten von Alternativen.
Die Alternative, ebenfalls ein Akt des Bewußtseins, ist also die Vermittlungskategorie, durch deren Hilfe die Widerspiegelung der Wirklichkeit zum Vehikel des Setzens eines Seienden wird. Dabei ist zu betonen, daß dieses Seiende in der Arbeit stets etwas Naturhaftes ist, und diese seine naturhafte Beschaffenheit kann niemals völlig aufgehoben werden. So groß die umformenden Wirkungen des teleologischen Setzens der Kausalitäten im Arbeitsprozeß auch sein mögen, die Naturschranke kann nur zurückweichen, aber niemals völlig verschwinden; das bezieht sich auf den Atomreaktor ebenso wie auf die Steinaxt. Denn, um nur eine der hier auftauchenden Möglichkeiten zu erwähnen, die Naturkausalitäten werden zwar den arbeitsmäßig gesetzten unterworfen, hören aber, da jeder Naturgegenstand
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eine intensive Unendlichkeit von Eigenschaften als Möglichkeiten in sich faßt, niemals völlig zu wirken auf. Da ihre Wirksamkeit in völliger Heterogenität zur teleologischen Setzung steht, muß diese in vielen Fällen der teleologischen Setzung entgegengesetzte, ja zuweilen diese zerstörende Konsequenzen zeitigen (Korrosion des Eisens etc.). Das hat zur Folge, daß die Alternative auch mit der Vollendung des jeweiligen Arbeitsprozesses weiter in Funktion bleiben muß, als Überwachung, Kontrolle, Reparatur etc., daß solche vorbeugenden Setzungen die Alternativen in der Zielsetzung und ihrer Verwirklichung ununterbrochen vermehren müssen. Die Entwicklung der Arbeit trägt deshalb dazu bei, den Alternativcharakter der menschlichen Praxis, des Verhaltens des Menschen zu seiner Umgebung und zu sich selbst immer stärker auf Alternativentscheidungen zu basieren. Die Überwindung der Tierheit durch den Sprung zum Menschwerden in der Arbeit, die Überwindung des Epiphänomenalen der bloß biologischen Determiniertheit des Bewußtseins erlangt also durch die Entwicklung der Arbeit eine unaufhaltsame Steigerung, eine Tendenz zur herrschenden Universalität. Auch hier zeigt sich, daß die neuen Seinsformen erst in ihrer allmählichen Entfaltung zu wirklich herrschenden universellen Bestimmungen ihrer eigenen Sphäre erwachsen können. Im Sprung des Übergangs und noch lange Zeit danach stehen sie im ständigen Wettbewerb mit den niedrigeren Seinsformen, aus denen sie entsprungen sind und die - unaufhebbar - ihre materielle Basis bilden, auch dann, wenn der Umformungsprozeß schon ein sehr hohes Niveau erreicht hat.
Von hier rückblickend kann erst die von Aristoteles entdeckte Dynamis als neue Form der Möglichkeit in ihrer ganzen Tragweite gewürdigt werden. Denn die fundierende Setzung sowohl des Zieles wie der Mittel seiner Durchführung enthält im Laufe der Entwicklung immer stärker eine eigenartig fixierte Gestalt, die die Illusion erwecken könnte, als wäre sie bereits an sich ein gesellschaftlich Seiendes, Denken wir an eine moderne Fabrik. Das Modell (die teleologische Setzung) wird von einem oft sehr großen Kollektiv ausgearbeitet, durchdiskutiert, berechnet etc., bevor es zur Verwirklichung in der Produktion selbst gelangen kann. Obwohl auf diese Weise die materielle Existenz vieler Menschen auf die Ausarbeitung solcher Modelle basiert ist, obwohl der Prozeß des Modellschaffens eine bedeutende materielle Grundlage zu haben pflegt (Büros , Einrichtungen etc.), bleibt das Modell doch - im Sinne von Aristoteles - eine Möglichkeit, die ebenso nur durch den auf Alternativen beruhenden Beschluß der Durchführung, durch diese selbst zur Wirklichkeit werden kann wie in der Entscheidung des Urmenschen, diesen oder jenen Stein zum Gebrauch als Beil oder Axt auszuwäh-
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len. Ja der Alternativcharakter des Entschlusses, die teleologische Setzung zu verwirklichen, erhält noch weitere Komplizierungen, die aber seine Bedeutung als Sprung von der Möglichkeit zur Wirklichkeit nur noch stärker betonen. Man bedenke, daß für den Urmenschen nur die unmittelbare Brauchbarkeit überhaupt den Gegenstand der Alternative gebildet hat, während in der Entwicklung der Gesellschaftlichkeit der Produktion, d. h. der Ökonomie, die Alternativen eine immer verzweigtere, differenziertere Gestalt erhalten, Schon die Entwicklung der Technik hat zur Folge, daß der Entwurf des Modells das Ergebnis einer Kette von Alternativen sein muß, aber ein noch so hoher Entwicklungsgrad der Technik (ihr Unterbau durch eine Reihe von Wissenschaften) kann nicht der alleinige Entscheidungsgrund der Alternative sein. Denn das so ausgearbeitete technische Optimum fällt keineswegs mit dem ökonomischen Optimum ohne weiteres zusammen. Ökonomie und Technik sind zwar in der Entwicklung der Arbeit unzertrennlich koexistent, stehen in ununterbrochenen Wechselbeziehungen zueinander, das hebt jedoch ihre Heterogenität, die sich, wie wir gesehen haben, in der widerspruchsvollen Dialektik von Zweck und Mittel zeigt, keineswegs auf, verstärkt sogar oft ihre Widersprüchlichkeit. Diese Heterogenität, auf deren komplizierte Momente wir hier nicht eingehen können, hat zur Folge, daß die Arbeit zwar zu ihrer immer höheren, immer gesellschaftlicheren Realisierung die Wissenschaft als Hilfsorgan geschaffen hat, daß aber die Wechselbeziehung beider sich stets nur in einer ungleichmäßigen Entwicklung realisieren konnte.
Wenn wir nun ein solches Projekt ontologisch betrachten, so ist klar ersichtlich, daß es die Wesenszeichen der Aristotelischen Möglichkeit, des Vermögens an sich trägt: »Was also vermögend ist zu sein, das ist sowohl imstande zu sein, wie auch, nicht zu sein.« Marx sagt genau im Sinne von Aristoteles, daß das Arbeitsinstrument im Laufe des Arbeitsprozesses »aus der bloßen Möglichkeit sich ebenfalls in Wirklichkeit übersetzt hat«. Ein noch so kompliziertes und auf Grundlage richtiger Widerspiegelungen entworfenes Projekt, das abgelehnt wird, bleibt ein Nichtseiendes, obwohl es die Möglichkeit in sich barg, ein Seiendes zu werden. Es bleibt also dabei, daß nur die Alternative jenes Menschen (oder jenes Kollektivs von Menschen), der berufen ist, den Prozeß der materiellen Verwirklichung durch Arbeit in Gang zu setzen, diese Verwandlung des Vermögens in Seiendes bewerkstelligen kann. Das zeigt nicht nur die obere Grenze dieser Art Möglichkeit, wirklich zu werden, an, sondern auch die untere, die bestimmt, wann und wieweit eine auf Verwirklichung gerichtete bewußtseinsmäßige Widerspiegelung
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der Wirklichkeit zu einer Möglichkeit in diesem Sinne werden kann. Diese Möglichkeitsgrenze läßt sich keineswegs auf Gedankenniveau, auf Exaktheit, auf Originalität etc. in unmittelbarer Rationalität zurückführen. Die geistigen Momente des Projekts einer Zielsetzung für Arbeit spielen natürlich, letzten Endes, in der Entscheidung der Alternative eine wichtige Rolle; es würde aber eine Fetischisierung der ökonomischen Ratio bedeuten, wenn wir darin allein den Motor des Überspringens von Möglichkeit zur Wirklichkeit auf dem Gebiet der Arbeit erblicken würden. Eine solche Ratio ist ein Mythos, ebenso wie die Annahme, die von uns geschilderten Alternativen würden sich auf einer Ebene der abstrakten reinen Freiheit vollziehen. In beiden Fällen muß daran festgehalten werden, daß die auf Arbeit gerichteten Alternativen immer unter konkreten Umständen zur Entscheidung streben, wieder einerlei, ob es sich um die Herstellung einer Steinaxt oder um das Modell eines Autos handelt, das dann in hunderttausend Exemplaren produziert wird. Das hat erstens zur Folge, daß die Rationalität sich auf das konkrete Bedürfnis stützt, das jenes Einzelprodukt zu befriedigen hat. Die Komponenten, die diese Bedürfnisbefriedigung und darum auch die Vorstellungen darüber determinieren, bestimmen deshalb den Aufbau des Projekts, die Auswahl und Gruppierung der Gesichtspunkte, neben dem Versuch, die Kausalitätsverhältnisse der Verwirklichung richtig widerzuspiegeln; letzten Endes ist also die Bestimmung in der Einzelheit der geplanten Verwirklichung begründet. Ihre Rationalität kann also niemals eine absolute sein, sondern - wie stets bei Versuchen, etwas zu verwirklichen - die konkrete Rationalität eines Zusammenhanges »wenn
dann«. Daß innerhalb eines solchen Rahmens derartig notwendige Verbindungen obwalten, macht erst die Alternative zu einer möglichen: Sie setzt - innerhalb dieses konkreten Komplexes - die notwendige Aufeinanderfolge der einzelnen Schritte voraus. Man könnte freilich einwenden: Da Alternative und Prädetermination einanAder logisch ausschließen, muß gerade jene in der Freiheit des Entschlusses ein ontologisches Fundament haben. Das ist bis zu einem gewissen Grad, aber nur bis zu einem gewissen Grad, richtig. Um es aber wirklich zu verstehen, muß man sich vor Augen halten, daß die Alternative von jeder Seite aus gesehen nur eine konkrete sein kann: die Entscheidung eines konkreten Menschen (oder einer konkreten Menschengruppe) über die konkret besten Verwirklichungsbedingungen einer konkreten Zielsetzung. Daraus folgt, daß jede Alternative (auch jede Kette von Alternativen) sich in der Arbeit nie auf die Wirklichkeit im allgemeinen bezieht; sie ist eine konkrete Auswahl zwischen Wegen, deren Ziel (letzten Endes die Bedürfnisbefriedigung) nicht das sich entscheidende Subjekt, sondern das gesellschaftliche Sein, in dem es lebt und wirkt, hervorgebracht hat. Das Subjekt kann nur aus diesem von ihm unabhängig
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existierenden Seinskomplex bestimmte, durch diesen determinierte Möglichkeiten zum Gegenstand seiner Zielsetzung, seiner Alternative erheben. Und es ist ebenso einleuchtend, daß der Spielraum der Entscheidung ebenfalls durch diesen Seinskomplex umrissen wurde; daß dabei Breite, Weite, Tiefe etc. in der Richtigkeit der Widerspiegelung der Wirklichkeit eine gewichtige Rolle spielen, versteht sich von selbst, ändert aber nichts daran, daß auch das Setzen der Kausalreihen innerhalb der teleologischen Setzung unmittelbar oder vermittelt - letzten Endes durch das gesellschaftliche Sein determiniert ist.
Selbstverständlich bleibt dabei die Tatsache bestehen, daß der jeweilige konkrete Beschluß zur teleologischen Setzung nie vollständig, mit zwingender Notwendigkeit aus seinen vorangegangenen Bedingungen abgeleitet werden kann. Andererseits muß allerdings festgestellt werden, daß, wenn man nicht den jeweilig einzelnen teleologischen Setzungsakt, sondern die Gesamtheit dieser Akte und ihre Wechselbeziehungen zueinander in einer jeweiligen Gesellschaft betrachAtet, man unweigerlich dazu kommt, in ihnen tendenzielle Ähnlichkeiten, Konvergenzen, Typen etc. festzustellen. Die Proportion dieser konvergierenden bzw. divergierenden Tendenzen in dieser Totalität zeigt die Realität des eben angedeuteten konkreten Spielraums der teleologischen Setzungen auf. Der reale gesellschaftliche Prozeß, aus dem sowohl Zielsetzung wie Auffindung und Anwendung der Mittel emporsteigt, bestimmt eben den konkret umgrenzten Spielraum für mögliche Fragen und Antworten, für Alternativen, die real verwirklicht werden können. Die determinierenden Komponenten erscheinen in der jeweiligen Totalität noch konkreter und fester umrissen als in den isoliert betrachteten einzelnen Setzungsakten. Damit ist jedoch nur eine Seite der Alternative dargestellt. Die noch so klar umrissene Beschreibung eines jeweiligen Spielraums kann die Tatsache nicht aus der Welt schaffen, daß im Akt der Alternative ein Moment der Entscheidung, der Wahl enthalten ist und daß »Ort« und Organ dieser Entscheidung das menschliche Bewußtsein bildet; gerade diese ontologisch reale Funktion hebt dieses aus der Epiphänomenalität der vollständig biologisch bedingten tierischen Bewußtseinsformen heraus.
In einem bestimmten Sinne könnte man deshalb hier vom ontologischen Keim der Freiheit sprechen, die in den philosophischen Streitigkeiten über Mensch und Gesellschaft eine so große Rolle gespielt hat und heute noch spielt. Die Wesensart einer solchen ontologischen Genesis der Freiheit, die in der Alternative innerhalb des Arbeitsprozesses zum ersten Mal in der Wirklichkeit erscheint, muß aber noch deutlicher konkretisiert werden, um keinerlei Mißdeutungen entstehen zu lassen.
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Wenn wir nämlich die Arbeit in ihrer ursprünglichen Wesensart - als Produzent von Gebrauchswerten - als »ewige«, im Wechsel der gesellschaftlichen Formationen sich immer erhaltende Form des Stoffwechsels zwischen Mensch (Gesellschaft) und Natur fassen, so ist klar, daß die Intention, die den Charakter der Alternative bestimmt, obwohl sie von gesellschaftlichen Bedürfnissen ausgelöst wird, sich auf eine Veränderung von Naturgegenständen richtet. In den bisherigen Betrachtungen waren wir bestrebt, diese originäre Wesensart der Arbeit festzuhalten und ihre entwickelteren komplizierteren Formen, die bereits bei der gesellschaftlich-ökonomischen Setzung des Tauschwerts und seinen Wechselbeziehungen mit dem Gebrauchswert entstehen, für spätere Analysen aufzusparen. Es ist natürlich schwer möglich, dieses Niveau der Abstraktion im Sinne von Marx überall konsequent festzuhalten, ohne bei einzelnen Analysen Tatsachen heranzuziehen, die bereits konkretere, durch die jeweilige Gesellschaft bedingte Umstände voraussetzen. So, als wir zuletzt über Heterogenität von technischem und ökonomischem Optimum sprachen; wir gingen dort auf eine solche Erweiterung des Blickfeldes nur deshalb ein, um die Kompliziertheit der Momente bei der Umwandlung der Möglichkeit in Wirklichkeit an einem konkreten Beispiel - gewissermaßen als Horizont - anzudeuten. Jetzt aber muß von der Arbeit ausschließlich im engsten Sinne des Wortes, in ihrer Urform, als Organ des Stoffwechsels zwischen Mensch und Natur die Rede sein, denn nur so kann man jene Kategorien aufzeigen, die sich ontologisch notwendig aus dieser Urform ergeben, die deshalb aus der Arbeit ein Modell der gesellschaftlichen Praxis überhaupt machen. Es wird die Aufgabe kommender Untersuchungen sein, größtenteils erst in der Ethik, jene Komplikationen, Beschränkungen etc, auf zuzeigen, die sich auf dem Boden einer immer stärker in ihrer entfalteten Totalität erfaßten Gesellschaft ergeben.
So verstanden zeigt die Arbeit ontologisch ein Doppelgesicht: Einerseits wird an dieser ihrer Allgemeinheit einleuchtend, daß eine Praxis nur infolge einer teleologischen Setzung eines Subjekts möglich ist, daß aber eine solche Setzung eine Erkenntnis und ein Setzen der naturkausalen Prozesse als Setzungen in sich schließt. Andererseits handelt es sich darin derart überwiegend um ein Wechselverhältnis zwischen Mensch und Natur, daß man bei der Analyse der Setzung das Recht hat, nur die daraus entspringenden Kategorien zu berücksichtigen. Wir werden alsbald sehen, daß, auch wenn wir uns den Veränderungen zuwenden, die die Arbeit in ihrem Subjekt hervorruft, wir die Besonderheit dieses Verhältnisses, das die Wesensart der neu entstehenden Kategorien beherrscht, wahrnehmen, so daß die äußerst wichtigen anderen Wandlungen im Subjekt bereits Produkte entwickelterer, vom gesellschaftlichen Standpunkt höherer Stadien sind, die
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freilich ihre ursprüngliche Form in der bloßen Arbeit zur ontologischen Voraussetzung haben müssen. Wir haben gesehen, daß die entscheidende neue Kategorie, die den Umschlag der Möglichkeit in Wirklichkeit ins Leben ruft, eben die Alternative ist. Was ist nun deren wesentlicher ontologischer Gehalt? Es klingt beim ersten Aussprechen vielleicht etwas überraschend, wenn wir an dieser als übergreifendes Moment ihren vorwiegend erkenntnismäßigen Charakter ins Licht stellen. Selbstverständlich ist der erste Impuls zur teleologischen Setzung der Wille zur Bedürfnisbefriedigung. Dieser ist aber noch ein gemeinsamer Zug zwischen tierischem und menschlichem Leben. Die Scheidung der Wege setzt erst ein, wenn zwischen Bedürfnis und Befriedigung die Arbeit, die teleologische Setzung eingeschaltet wird. Schon in diesem Tatbestand, worin der erste Impuls zur Arbeit enthalten ist, kommt ihre vorwiegend erkenntnismäßige Beschaffenheit klar zum Ausdruck, denn es ist zweifellos ein Sieg des bewußten Verhaltens über die bloße Spontaneität des biologisch Instinktmäßigen, wenn zwischen Bedürfnis und unmittelbare Befriedigung die Arbeit als Vermittlung geschoben wird.
Noch deutlicher zeigt sich diese Lage, wenn die Vermittlung in der Alternativkette der Arbeit verwirklicht wird. Der Arbeitende muß notwendig einen Erfolg seiner Tätigkeit erstreben. Diesen kann er aber nur dann erlangen, wenn er sowohl in der Zielsetzung wie in der Auswahl ihrer Mittel sich unablässig darauf richtet, alles, was mit der Arbeit zusammenhängt, in seinem objektiven Ansichsein zu erfassen und sich zu ihm, zum Ziel und zu seinen Mitteln ihrem Ansichsein entsprechend zu verhalten. Darin ist nicht nur die Intention auf objektive Widerspiegelung enthalten, sondern auch das Bestreben, alles bloß Instinktmäßige, Gefühlsmäßige etc., das die objektive Einsicht trüben könnte, auszuschalten. Damit entsteht eben die Vorherrschaft des Bewußten über das Instinktive, des Erkenntnishaften über das bloß Emotionale. Natürlich soll damit nicht gesagt werden, daß die entstehende Arbeit des Urmenschen sich in den Formen einer heutigen Bewußtheit abgespielt hätte. Die Bewußtseinsformen sind sicherlich von diesen qualitativ derart verschieden, daß wir sie nicht einmal zu rekonstruieren imstande sind. Es gehör jedoch, wie bereits gezeigt wurde, zu den objektiven, seinsmäßigen Voraussetzungen der Arbeit, daß nur eine richtige Widerspiegelung der Wirklichkeit, wie sie an sich, unabhängig vom Bewußtsein ist, die Verwirklichung der der Zielsetzung gegenüber gleichgültig heterogenen Naturkausalitäten, ihre Verwandlung in gesetzte, der teleologischen Setzung dienende, vollziehen kann. Die konkreten Alternativen der Arbeit in der Zielbestimmung wie in der Durchführung beinhalten also letzten Endes immer vor allem eine Wahl zwischen Richtigkeit und Falschheit. Das macht ihr ontologisches Wesen aus, ihre Macht,
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die Aristotelische Dynamis jeweils in eine konkrete Verwirklichung zu verwandeln. Diese primäre Erkenntnismäßigkeit der Arbeitsalternativen ist also eine unaufhebbare Faktizität, ist eben das ontologische Geradesosein der Arbeit; es kann also ganz unabhängig davon ontologisch erkannt werden, in welchen Bewußtseinsformen es sich ursprünglich und vielleicht noch lange Zeiten hindurch realisiert.
Diese Verwandlung des arbeitenden Subjekts - die eigentliche Menschwerdung des Menschen - ist die notwendige seinsmäßige Folge dieses objektiven Geradesoseins der Arbeit. In seiner Bestimmung der Arbeit, deren Text wir bereits ausführlich zitiert haben, spricht Marx auch über ihre bestimmende Einwirkung auf das menschliche Subjekt. Er zeigt, daß der Mensch, indem er auf die Natur einwirkt, sie verändert, »verändert er zugleich seine eigne Natur. Er entwickelt die in ihr schlummernden Potenzen und unterwirft das Spiel ihrer Kräfte seiner eignen Botmäßigkeit . Das bedeutet vor allem, worüber schon in der objektiven Analyse der Arbeit die Rede sein mußte, eine Herrschaft der Bewußtheit über das bloß biologisch Instinktive. Das hat von der Seite des Subjekts aus betrachtet eine sich immer erneuernde Kontinuität dieser Herrschaft zur Folge, und zwar eine Kontinuität, die in jeder einzelnen Arbeitsbewegung als neues Problem, als neue Alternative auftaucht und jedesmal, wenn die Arbeit gelingen soll, mit dem Sieg der richtigen Einsicht über das bloß Instinktive enden muß. Denn ebenso wie das Natursein des Steines sich in vollendeter Heterogenität zu seinem Gebrauch als Messer oder Axt befindet und nur infolge des Setzens richtig erkannter Kausalketten durch den Menschen diese Verwandlung erfahren kann, steht es mit den ursprünglich biologisch-instinktiven Bewegungen etc. auch beim Menschen selbst. Diese muß der Mensch selbst eigens für die jeweilige Arbeit ausdenken und im ständigen Kampf gegen das bloß Instinktive in ihm selbst, gegen sich selbst durchsetzen. Auch hier zeigt sich die Aristotelische Dynamis (Marx gebraucht den auch vom Historiker der Logik, Prantl, gewählten Terminus »Potenz«) als kategorieller Ausdruck dieses Übergangs. Das, was Marx hier Potenz nennt, ist letzten Endes dasselbe, was N. Hartmann als die Labilität im biologischen Sein der höheren Tiere bezeichnet, eine große Elastizität in der Anpassung, wenn nötig auch an gründlich veränderte Umstände. Das war sicher die biologische Grundlage der Verwandlung eines entwickelten Tieres in den Menschen. Wir können dies bei höher entwickelten Tieren in Gefangenschaft wie bei Haustieren beobachten. Nur bleibt dieses elastische Verhalten, dieses Aktuellwerden von Potenzen auch hier rein biologisch, indem die Anforderungen an das Tier von außen, vom
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Menschen dirigiert, als neue Umgebung, im weitesten Sinne des Wortes, auftreten, so daß das Bewußtsein auch hier ein Epiphänomenon bleiben muß. Die Arbeit bedeutet aber, wie bereits betont, einen Sprung in dieser Entwicklung. Die Anpassung geht nicht nur aus dem Instinktiven ins Bewußte über, sondern sie entfaltet sich als eine »Anpassung« an nicht von der Natur geschaffene, vielmehr an selbstgewählte, an selbstgeschaffene Umstände.
Eben deshalb ist die »Anpassung« beim arbeitenden Menschen keine innerlich stabile und statische wie bei anderen Lebewesen, die der Regel nach auf eine unveränderte Umgebung in gleicher Weise zu reagieren pflegen, und keine von außen gelenkte wie bei den Haustieren. Das Moment des Selbstgeschaffenen verändert nicht nur die Umgebung selbst und diese nicht nur unmittelbar materiell, sondern auch in ihren materiellen Rückwirkungen auf den Menschen; so wird z.B. infolge der Arbeit das Meer, das anfangs eine Bewegungsgrenze bedeutet hat, zu einem immer intensiveren Verbindungsmittel. Aber darüber hinaus - und, natürlich, solche Funktionswandlungen verursachend - wirkt diese strukturelle Beschaffenheit der Arbeit auch auf das arbeitende Subjekt zurück. Will man die dabei entstehenden Wandlungen im Subjekt richtig verstehen, so muß man von der bereits geschilderten objektiven Lage ausgehen, daß es der Initiator der Zielsetzung, der Verwandlung widerspiegelter Kausalketten in gesetzte, des Verwirklichens all dieser Setzungen im Arbeitsprozeß ist. Es handelt sich also um eine ganze Reihe verschiedener Setzungen theoretischer und praktischer Art durch das Subjekt. Das Gemeinsame in allen diesen, wenn man sie als Akte eines Subjekts zu begreifen versucht, ist, daß überall das unmittelbar, instinktiv Erfaßbare infolge der Distanzierung, die jedes Setzen notwendig in sich begreift, durch Bewußtseinsakte ersetzt oder wenigstens beherrscht wird. Man darf dabei sich vom Schein, daß in jeder eingeübten Arbeit die meisten einzelnen Akte nicht mehr einen direkt bewußten Charakter besitzen, nicht irreführen lassen. Das »Instinktive«, »Nichtbewußte« an ihnen beruht auf der Verwandlung von bewußt entstandenen Bewegungen in fixierte bedingte Reflexe. Diese unterscheiden sich vor allem nicht hierin von den instinktiven Äußerungen der höheren Tiere, sondern darin, daß dieses Nichtmehrbewußtsein etwas ständig auf Kündigung, auf Widerruf Eingestelltes ist. Akkumulierte Arbeitserfahrungen haben sie fixiert, neue können sie jederzeit durch neue, ebenfalls auf Widerruf fixierte ersetzen. Die Anhäufung der Arbeitserfahrungen hat also eine derartige Doppellinie des Aufhebens und des Aufbewahrens der eingeübten Bewegungen, die deshalb, auch wenn sie als bedingte Reflexe fixiert sind, diesen ihren Ursprung aus der distanzierenden, Ziel und Mittel bestimmenden, die Durchführung überwachenden und korrigierenden Setzung in jedem Fall in sich enthalten.
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Diese Distanzierung hat als weitere wichtige Folge, daß der arbeitende Mensch dazu gezwungen ist, seine Affekte bewußt zu beherrschen. Er mag müde werden, wird aber, wenn die Unterbrechung der Arbeit schadet, diese doch fortsetzen; er mag, z.B. bei der Jagd, von Furcht erfaßt werden, er wird aber dennoch an seinem Platz ausharren und den Kampf mit starken und gefährlichen Tieren dennoch aufnehmen etc. (Hier sei nochmals betont, daß wir jetzt eine Arbeit um ihrer Gebrauchswerte willen unterstellen, was ja sicherlich auch ihre anfängliche Form war. Erst in den viel komplizierteren Klassengesellschaften kreuzen andere, aus dem gesellschaftlichen Sein entsprungene Motive dieses ursprüngliche Verhalten, z.B. Sabotage der Arbeit. Aber die Herrschaft des Bewußten über das Instinktive bleibt auch hier als Grundrichtung erhalten.) Es ist ohne weiteres evident, daß damit Verhaltungsarten ins menschliche Leben eintreten, die für das eigentliche Menschsein des Menschen schlechthin ausschlaggebend werden. Es ist allgemein bekannt, daß die Herrschaft des Menschen über seine Instinkte, Affekte etc. das Hauptproblem einer jeden Gesittung ist, von Gewohnheit und Tradition bis zu den höchsten Formen der Ethik. Die Probleme der höheren Stufen können natürlich erst später, wirklich angemessen nur in der Ethik selbst, behandelt werden; es ist aber für die Ontologie des gesellschaftlichen Seins entscheidend wichtig, daß sie bereits in der alleranfänglichsten Arbeit auftauchen, und zwar in der ganz distiuktiven Form des bewußten Beherrschens der Affekte etc. Man hat den Menschen oft als werkzeugmachendes Tier charakterisiert. Das ist auch richtig, muß aber damit ergänzt werden, daß das Machen und der Gebrauch von Werkzeugen die hier geschilderte Selbstbeherrschung des Menschen zwangsläufig als unabdingbare Voraussetzung der erfolgreichen Arbeit mit sich führt. Auch das ist ein Moment des hier geschilderten Sprunges, des Heraustretens des Menschen aus dem bloß tierischen Dasein. Wenn bei Haustieren ähnliche Erscheinungen aufzutauchen scheinen, z.B. das Apportieren der Jagdhunde, so muß nochmals wiederholt werden, daß solche Gewohnheiten nur im Umgang mit den Menschen, nur vom Menschen dem Tiere aufgezwungen entstehen können, während der Mensch für sich selbst die Selbstbeherrschung durchsetzt als notwendige Voraussetzung der Verwirklichung seiner selbstgesetzten Ziele in der Arbeit. Es gilt also auch in dieser Hinsicht für die Arbeit, daß sie das Vehikel für das Sichselbstschaffen des Menschen als Menschen ist. Als biologisches Wesen ist er ein Produkt der Naturentwicklung. Mit seiner Selbstverwirklichung, die natürlich auch in ihm selbst ein Zurückweichen der Naturschranke, freilich niemals ihr Verschwinden, ihr vollständiges Überholen bedeuten kann, tritt er in ein neues, selbstbegründetes Sein ein: in das gesellschaftliche.
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1.2. Die Arbeit als Modell der gesellschaftlichen Praxis
Unsere letzten Darlegungen haben gezeigt, wie Probleme, die auf entwickelter Stufe der Menschenentwicklung eine sehr verallgemeinerte, dematerialisierte, subtile und abstrakte Gestalt erhalten, die deshalb später die Hauptthemen der Philosophie ausmachen, in ihren allgemeinsten, aber entscheidensten Bestimmungen bereits in den Setzungen des Arbeitsprozesses in nuce enthalten sind. Darum glauben wir, das Recht zu haben, in der Arbeit das Modell einer jeden gesellschaftlichen Praxis, eines jeden aktiven gesellschaftlichen Verhaltens zu erblicken. Da wir im folgenden die Absicht haben, diese Wesensart der Arbeit in ihren Beziehungen zu Kategorien höchst komplizierter und abgeleiteter Art darzustellen, müssen unsere bereits ausgesprochenen Vorbehalte in bezug auf den Charakter jener Arbeit, die wir unterstellen, noch weiter konkretisiert werden. Wir sagten: Es sei vorerst nur von der Arbeit als Produzent nützlicher Gegenstände, Gebrauchswerte die Rede. Die neuen Funktionen, die die Arbeit im Laufe der Entstehung einer gesellschaftlichen Produktion im eigentlichen Sinne erhält (Probleme des Tauschwerts), sind in unserer Modellvorstellung noch nicht enthalten und gelangen erst im nächsten Kapitel zu einer wirklichen Darstellung.
Noch wichtiger ist jedoch, jetzt darauf hinzuweisen, was die Arbeit in diesem Sinn von den entwickelteren Formen der gesellschaftlichen Praxis unterscheidet. Die Arbeit in diesem ursprünglichen engeren Sinn beinhaltet einen Prozeß zwischen menschlicher Aktivität und Natur: ihre Akte sind auf die Umwandlung von Naturgegenständen in Gebrauchswerte gerichtet. In den späteren, entwickelteren Formen der gesellschaftlichen Praxis tritt daneben die Wirkung auf andere Menschen mehr in den Vordergrund, wobei diese Wirkung letzten Endes - freilich nur letzten Endes - eine Vermittlung zur Produktion von Gebrauchswerten bezweckt. Auch hier bilden die teleologischen Setzungen und die durch sie an Gang gebrachten gesetzten Kausalreihen das ontologisch-struktive Fundament. Der wesentliche Inhalt der teleologischen Setzung ist aber nunmehr - ganz allgemein, ganz abstrakt gesprochen - der Versuch, einen anderen Menschen (oder eine Menschengruppe) dazu zu bringen, daß er seinerseits konkrete teleologische Setzungen vollziehe. Dieses Problem taucht sofort auf, wenn die Arbeit insofern bereits gesellschaftlich geworden ist, als sie auf Kooperation mehrerer Menschen beruht; diesmal unabhängig davon, ob das Problem des Tauschwerts schon auftaucht oder die Kooperation nur auf Gebrauchswerte gerichtet ist. Darum kann diese zweite Form der teleologischen Setzung, bei der das gesetzte Ziel unmittelbar eine Zielsetzung anderer Menschen ist, schon auf sehr primitiver Stufe auftreten.
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Denken wir an die Jagd in der Altsteinzeit. Die Größe, Kraft, Gefährlichkeit der zu jagenden Tiere macht die Kooperation einer Menschengruppe notwendig. Soll aber die Kooperation erfolgreich funktionieren, so muß eine Verteilung der Funktionen unter den einzelnen Teilnehmern erfolgen (Treiber und Jäger). Die teleologischen Setzungen, die hier real erfolgen, haben also vom Standpunkt der unmittelbaren Arbeit einen sekundären Charakter; es muß ihnen eine teleologische Setzung vorangegangen sein, die den Charakter, die Rolle, die Funktion etc. der einzelnen, nunmehr konkreten und realen, auf ein Naturobjekt gerichteten Setzungen bestimmt. Das Objekt dieser sekundären Zielsetzung ist also nicht mehr etwas rein Naturhaftes, sondern das Bewußtsein einer Menschengruppe; die Zielsetzung intentioniert nicht mehr unmittelbar die Veränderung eines Naturgegenstandes, sondern das Zustandekommen einer teleologischen Setzung, welche freilich bereits auf Naturgegenstände gerichtet ist; die Mittel sind ebenfalls nicht mehr unmittelbar Einwirkungen auf Naturgegenstände, sondern wollen solche Einwirkungen bei anderen Menschen erzielen.
Solche sekundär teleologischen Setzungen stehen bereits der gesellschaftlichen Praxis entwickelterer Stufen viel näher als die Arbeit selbst, wie wir sie hier unterstellen. Eine eingehende Analyse kann erst später erfolgen. Der Unterschied selbst mußte aber schon hier angedeutet werden. Teils, weil schon der erste Anblick dieses höheren gesellschaftlichen Niveaus der Arbeit zeigt, daß die Arbeit im bisher behandelten Sinn dessen unaufhebbare reale Grundlage, das Endziel einer eventuell sehr weitverzweigten Vermittlungskette teleologischer Setzungen bildet, teils, weil ebenfalls schon der erste Anblick dieser Zusammenhänge zeigt, daß die ursprüngliche Arbeit notwendig solche kompliziertere Formen aus sich selbst, aus eigener Dialektik ihrer Beschaffenheit heraus entwickeln muß. Und dieser doppelte Zusammenhang weist auf eine simultane Identität und Nichtidentitit auf den verschiedenen Stufen der Arbeit auch bei weiten, vervielfältigten und komplizierten Vermittlungen hin.
Wir haben bereits gesehen, daß die bewußt vollzogene teleologische Setzung eine Distanzierung in der Widerspiegelung der Wirklichkeit verursacht, daß mit dieser Distanzierung erst die Subjekt-Objekt-Beziehung im eigentlichen Sinne des Wortes entsteht. Beides involviert simultan das Entstehen einer begrifflichen Erfassung der Phänomene der Wirklichkeit und ihren angemessenen Ausdruck durch die Sprache. Wollen wir die Genesis solcher sehr komplizierten und verwickelten Wechselwirkungen sowohl im Entstehen selbst wie in ihrer weiteren Entwicklung ontologisch richtig verstehen, so müssen wir davon ausgehen, daß überall, wo von echten Seinsveränderungen die Rede ist, der totale Zusammenhang des jeweiligen Komplexes seinen Elementen gegenüber primär ist. Diese
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können nur aus ihrem jeweiligen konkreten Zusammenwirken innerhalb des betreffenden Seinskomplexes begriffen werden, während es eine vergebliche Mühe wäre, den Seinskomplex selbst aus seinen Elementen gedanklich nachkonstruieren zu wollen. Man käme dabei zu Scheinproblemen, wie im abschreckenden scholastischen Beispiel, ob das Huhn - ontologisch - früher ist als das Ei. Diese Frage könnte man heute fast wie einen bloßen Witz auffassen; man sollte aber dabei bedenken, daß die Frage, ob das Wort aus dem Begriff oder umgekehrt entstanden ist, um keinen Deut wirklichkeitsnäher, also vernünftiger, ist. Denn Wort und Begriff, Sprache und begriffliches Denken bilden zusammengehörige Elemente des Komplexes: Gesellschaftliches Sein und sie können nur im Zusammenhang von dessen ontologischer Analyse, vermittels der Erkenntnis der realen Funktionen, die sie innerhalb dieses Komplexes ausüben, ihrem wahren Wesen nach begriffen werden. Natürlich gibt es in jedem solchen System von Wechselbeziehungen innerhalb eines seienden Komplexes, wie bei jeder Wechselwirkung, ein übergreifendes Moment. Dieser Charakter entsteht in rein ontologischer Beziehung unabhängig von jedweder Werthierarchie: In solchen Wechselbeziehungen können die einzelnen Momente entweder einander gegenseitig bedingend sein, wie im eben angeführten Fall von Wort und Begriff, wo keines ohne das andere vorhanden sein kann, oder es entsteht eine derartige Bedingtheit, daß das eine Moment die Voraussetzung für das Ins-Leben-Treten des anderen bildet und dieses Verhältnis nicht umkehrbar ist. So steht die Arbeit zu den anderen Momenten des Komplexes: gesellschaftliches Sein. Eine genetische Ableitung der Sprache oder des begrifflichen Denkens aus der Arbeit ist ohne weiteres möglich, da der Vollzug des Arbeitsprozesses Forderungen an das vollziehende Subjekt stellt, die nur durch den Umbau der bis dahin vorhandenen psychophysischen Fähigkeiten und Möglichkeiten in Sprache und begriffliches Denken simultan erfüllt werden können, während weder diese selbst ohne vorangegangene Arbeitsanforderungen noch gar als die Genesis des Arbeitsprozesses hervorrufenden Bedingungen ontologisch begriffen werden können. Es versteht sich naturgemäß von selbst, daß, wenn einmal die Bedürfnisse der Arbeit Sprache und begriffliches Denken ins Leben gerufen haben, ihre Entwicklung eine ununterbrochene, unauflösbare Wechselwirkung sein muß, und der Tatbestand, daß die Arbeit auch weiter das übergreifende Moment bildet, hebt die Permanenz solcher Wechselwirkungen keineswegs auf, verstärkt und intensiviert sie im Gegenteil. Daraus folgt notwendig, daß innerhalb eines solchen Komplexes eine ununterbrochene Beeinflussung der Sprache und des begrifflichen Denkens durch die Arbeit und vice versa vor sich gehen muß.
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Nur eine solche Auffassung der ontologischen Genesis als die eines konkret strukturierten Komplexes kann auch die Tatsache erhellen, wieso diese Genesis ein Sprung (aus dem organischen Sein ins gesellschaftliche) und zugleich ein langwieriger Prozeß von Jahrtausenden ist. Der Sprung tritt in Erscheinung, sobald die neue Beschaffenheit des Seins selbst in höchst primitiven, vereinzelten Akten sich real verwirklicht. Es ist aber dann eine äußerst langwierige Entwicklung, zumeist eine widerspruchsvolle und ungleichmäßige vonnöten, bis die neuen Seinskategorien extensiv wie intensiv derart zunehmen, daß die neue Seinsstufe als ausgeprägt und auf sich beruhend sich zu konstituieren vermag.
Wie wir bereits gesehen haben, besteht der wesentlichste Zug solcher Entwicklungen darin, daß die der neuen Seinsstufe spezifisch eigenen Kategorien in den neuen Komplexen eine immer stärkere Suprematie über die niedrigeren Stufen, die freilich materiell dauernd ihre Existenz fundieren müssen, erlangen. So ist es im Verhältnis der organischen Natur zur anorganischen, so hier in dem des gesellschaftlichen Seins zu beiden Seinsstufen der Natur. Diese Entfaltung der einer Seinsstufe ureigenen Kategorien erfolgt immer durch ihre wachsende Differenzierung und damit durch ihr zunehmendes - freilich stets bloß relatives - Selbständigwerden innerhalb der jeweiligen Komplexe einer Seinsart.
Das ist im gesellschaftlichen Sein bei den Formen der Widerspiegelung der Wirklichkeit am deutlichsten sichtbar. Die Tatsache, daß nur - im Zusammenhang der jeweils konkreten Arbeit - eine sachlich richtige Widerspiegelung der für das Arbeitsziel in Betracht kommenden Kausalverhältnisse, ihre unbedingt notwendige Verwandlung in gesetzte bewerkstelligen kann, wirkt nicht bloß in der Richtung einer ständigen Überprüfung und Vervollkommnung der Widerspiegelungsakte, sondern auch in der ihrer Verallgemeinerung. Indem die Erfahrungen einer konkreten Arbeit bei einer anderen ausgenützt werden, entsteht allmählich ihre - relative - Verselbständigung, d.h. die verallgemeinernde Fixierung bestimmter Beobachtungen, die nunmehr nicht ausschließlich und direkt auf eine einzelne Verrichtung bezogen sind, vielmehr eine gewisse Verallgemeinerung als Beobachtung von Naturvorgängen überhaupt erhalten. In solchen Verallgemeinerungen entstehen die Keime der zukünftigen Wissenschaften, deren Anfänge, wie die von Geometrie und Arithmetik, sich in einer fernen Vergangenheit verlieren. Ohne ein klares Bewußtsein darüber zu haben, enthalten schon sehr anfängliche Verallgemeinerungen entscheidende Prinzipien der späteren, wirklich selbständig gewordenen Wissenschaften. So das Prinzip der Desanthropomorphisierung, des abstraktiven Ansehens von Bestimmungen, die untrennbar an die menschlichen Reaktionen auf die Umwelt (und auch an den Menschen selbst) gebunden sind. Diese Prinzipien sind in den primitivsten Konzeptionen von
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Arithmetik und Geometrie bereits implicite enthalten. Freilich unabhängig davon, ob die sie ausdenkenden und gebrauchenden Menschen ihr wirkliches Wesen begriffen haben. Die hartnäckige Verknüpfung solcher Begriffe mit magischen und mythischen Vorstellungen, die sehr weit in die historische Zeit hineinragt, zeigt, wie sich im Bewußtsein der Menschen zweckmäßig notwendiges Handeln, sein richtiges gedankliches Vorbereiten und Durchführen mit falschen Vorstellungen über Nichtseiendes als wahrem, letztem Grund ununterbrochen und immer höhere Formen der Praxis hervorrufend mischen kann. Das zeigt, daß das Bewußtsein über die Aufgaben, über die Welt, über das Subjekt selbst aus der Reproduktion der eigenen Existenz (und mit ihr der des Seins der Gattung) als ihr unentbehrliches Instrument herauswächst; es wird zwar immer ausgebreiteter, immer selbständiger, bleibt jedoch ebenfalls in unaufhebbarer Weise, wenn auch noch so weit vermittelt, letzten Endes doch ein Instrument dieser Reproduktion des Menschen selbst.
Über das hier gestreifte Problem des falschen Bewußtseins und über die Möglichkeit seiner zuweilen so fruchtbaren relativen Richtigkeit kann nur in späteren Zusammenhängen angemessen gesprochen werden. Diese Betrachtungen führten uns nur zu dem paradoxen Verhältnis, wo - in der Arbeit, für die Arbeit, durch die Arbeit ins Leben gerufen - das Bewußtsein des Menschen in seine Tätigkeit der Selbstreproduktion eingreift. Man könnte das so ausdrücken: Die Selbständigkeit der Widerspiegelung der äußeren und inneren Welt im menschlichen Bewußtsein ist eine unabdingbare Voraussetzung des Entstehens und der Höherentwicklung der Arbeit. Die Wissenschaft, die Theorie als selbsttätig und eigenständig gewordene Gestalt von ursprünglichen teleologisch-kausalen Setzungen in der Arbeit kann aber auch auf der Stufe ihrer Höchstentwicklung diese letzthinnige Gebundenheit an ihren Ursprung nie völlig ablegen. Unsere späteren Betrachtungen werden zeigen, daß sie diese Bindung an die Bedürfnisbefriedigung des Menschengeschlechts nie verlieren konnte, mögen die Vermittlungen, die sie an diese knüpfen, noch so komplizierte und weitverzweigte geworden sein. In diesem gedoppelten Verhältnis von Gebundenheit und Auf sichselbstgestelltsein spiegelt sich ebenfalls ein wichtiges Problem, das das menschliche Nachdenken, das Bewußtsein und Selbstbewußtsein der Menschheit im Laufe der Geschichte immer wieder neu zu stellen und zu beantworten gezwungen ist: das Problem von Theorie und Praxis. Um zu diesem Fragenkomplex den richtigen Ausgangspunkt zu finden, müssen wir wieder zu dem bis jetzt schon oft berührten Problem zurückkehren: zu dem von Teleologie und Kausalität.
Solange der reale Prozeß des Seins in Natur und Geschichte teleologisch aufgefaßt wurde, wobei der Kausalität nur die Rolle des durchführenden Organs für den
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»Endzweck« zugesprochen werden konnte, mußte die Theorie, die Kontemplation als die höchste Form des menschlichen Verhaltens gefaßt werden. Denn solange der teleologische Charakter der Wirklichkeit als unerschütterliche Grundlage des Wesens der objektiven Wirklichkeit galt, konnte der Mensch sich zu dieser letzten Endes nur kontemplativ verhalten; die Selbstverständigung über die eigenen Lebensprobleme der Menschen, sowohl im unmittelbaren wie im subtilst vermittelten Sinne, scheint nur bei einer solchen Attitüde zur Wirklichkeit erfaßbar zu sein. Zwar wird der teleologisch gesetzte Charakter der menschlichen Praxis relativ früh erkannt. Da aber die sich daraus ergebenden konkreten Tätigkeiten doch in einer teleologisch gefaßten Totalität von Natur und Gesellschaft mündeten, blieb diese philosophische, ethische, religiöse etc. Suprematie des kontemplativen Erfassens der kosmischen Teleologie doch bestehen. Es ist nicht hier der Ort, die durch eine solche Weitsicht hervorgerufenen geistigen Kämpfe auch nur anzudeuten. Es sei nur kurz bemerkt, daß die hierarchische Höchststelle der Kontemplation zumeist auch in jenen Philosophien bewahrt bleibt, die in der Kosmologie bereits den Kampf gegen die Herrschaft der Teleologie aufgenommen haben. Der Grund scheint auf den ersten Anblick paradox: Die völlige Entgöttlichung der Außenwelt des Menschen vollzieht sich langsamer als die Befreiung von deren teleologisch-theodizeehaften Beschaffenheiten. Dazu kommt, daß die denkerische Leidenschaft, gerichtet auf die Entlarvung der objektiven Teleologie mit religiös fingiertem Subjekt, oft einer vollständigen Austreibung der Teleologie zustrebt, die dann einem konkreten Begreifen der Praxis (Arbeit) hindernd im Wege steht. Erst in der klassischen deutschen Philosophie beginnt die Praxis, ihrem Gewicht gemäß bewertet zu werden. Marx sagt in der von uns bereits angeführten ersten Feuerbach-These als Kritik des alten Materialismus: »Daher die tätige Seite abstrakt im Gegensatz zu dem Materialismus von dem Idealismus... entwickelt.« Diese Gegenüberstellung, die schon hier mit dem Adjektiv »abstrakt« auch eine Kritik des Idealismus in sich faßt, konkretisiert sich in dem Vorwurf, daß der Idealismus »natürlich die wirkliche, sinnliche Tätigkeit als solche nicht kennt« . Wir wissen: Die Kritik von Marx an Hegels »Phänomenologie« in den »Ökönomisch-philosophischen Manuskripten« konzentriert sich gerade um dieses Verdienst, um diese Schranke des deutschen Idealismus, vor allem Hegels.
Damit ist die Position von Marx sowohl gegen den alten Materialismus als gegen den Idealismus klar umrissen: Die Lösung des Problems von Theorie und Praxis erfordert das Zurückgreifen auf die Praxis in ihrer realen und materiellen
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Erscheinungsweise, wo ihre fundamentalen ontologischen Bestimmungen deutlich und eindeutig ablesbar zum Vorschein kommen. Das ontologisch Entscheidende ist dabei das Verhältnis von Teleologie und Kausalität. Das für die Entwicklung des menschlichen Denkens, des menschlichen Weltbildes Bahnbrechende der Fragestellung, womit die Arbeit in den Mittelpunkt dieses Streites gesetzt wird, beschränkt sich nicht nur darauf, daß aus dem Ablauf des Seins in seiner Totalität jedes Hineinprojizieren von Teleologie kritisch entfernt, daß die Arbeit (die gesellschaftliche Praxis) als der einzige Seinskomplex verstanden wird, in welchem der teleologischen Setzung eine authentisch wirkliche, die Wirklichkeit verändernde Rolle zukommt; es bestimmt auch auf dieser Basis, aber diese verallgemeinernd und mit einer solchen Verallgemeinerung über die bloße Feststellung eines ontologisch grundlegenden Tatbestandes hinausgehend, das philosophisch einzig richtige Verhältnis zwischen Teleologie und Kausalität. Das Wesentliche an diesem Verhältnis haben wir bereits bei der Analyse der dynamischen Struktur der Arbeit dargestellt: Teleologie und Kausalität sind nicht, wie sich dies bis dahin aus jeder erkenntnistheoretischen oder logischen Analyse ergeben hat, einander ausschließende Prinzipien im Ablauf der Prozesse, im Dasein und Sosein der Dinge, sondern allerdings einander heterogene Prinzipien, die jedoch bei all ihrer Widersprüchlichkeit nur zusammen in untrennbarer dynamischer Koexistenz die ontologische Grundlage bestimmter Bewegungskomplexe ergeben, und zwar solcher, die nur im Bereich des gesellschaftlichen Seins ontologisch möglich sind, deren Wirksamkeit in dieser jedoch zugleich das Hauptcharakteristikum dieser Seinsstufe ergibt.
Wir haben ebenfalls in der vorangegangenen Analyse der Arbeit eine weitere, höchst wichtige Charakteristik dieser kategoriellen Bewegungsbestimmungen feststellen können: Es gehört zum Wesen der Teleologie, daß sie nur als gesetzte real funktionieren kann. Um ihr Sein ontologisch konkret umreißen zu können, muß deshalb, wenn ein Prozeß berechtigterweise als teleologischer charakterisiert werden soll, auch das Sein des setzenden Subjekts ontologisch unbezweifelbar bewiesen werden. Die Kausalität kann dagegen sowohl in gesetzter wie in nicht gesetzter Weise wirksam werden. Die richtige Analyse erfordert also nicht nur eine genaue Unterscheidung dieser beiden Seinsweisen, sondern auch, daß die Bestimmung des Gesetztseins von jeder philosophischen Zweideutigkeit befreit werde. In sehr einflußreichen Philosophien nämlich - es genügt, auf die Hegelsche hinzuweisen - verschwimmt und verschwindet darum der Unterschied zwischen bloß erkenntnismäßigen und materiell realen, seinsmäßigen Setzungen der Kausalität. Wenn wir auf Grund früherer Analysen das Gewicht darauf legen, daß ausschließlich eine materiell-seinsmäßig gesetzte Kausalität in die von uns geschil-
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derte Koexistenz mit der immer gesetzten Teleologie treten kann, so haben wir die Bedeutung der bloß erkenntnismäßigen Setzung der Kausalität - die spezifisch erkenntnistheoretische oder logische Setzung ist deren weitere Abstrahierung, kommt also hier nicht in Betracht - keineswegs herabgesetzt. Im Gegenteil. Unsere früheren Darlegungen haben deutlich gezeigt, daß die seinsmäßige Setzung von konkreten Kausalitätsreihen ihre Erkenntnis, also ihr erkenntnismäßiges Gesetztsein, voraussetzt. Wir dürfen nur nie aus den Augen verlieren, daß durch diese Setzung nur eine Möglichkeit, im Sinne der Aristotelischen Dynamis, erreicht werden kann, daß die Umwandlung des Potentiellen in Verwirklichung ein besonderer Akt ist, der zwar diese voraussetzt, aber zu ihr im Verhältnis der heterogenen Andersheit steht; dieser Akt ist eben die Entscheidung, die aus der Alternative entspringt.
Die ontologische Koexistenz von Teleologie und Kausalität im arbeitenden (praktischen) Verhalten des Menschen, und nur hier, hat seinsmäßig zur Folge, daß ihrem gesellschaftlichen Wesen nach Theorie und Praxis Momente eines und desselben gesellschaftlichen Seinskomplexes sein müssen, so daß man sie nur von diesem Wechselverhältnis ausgehend adäquat begreifen kann. Gerade hier kann die Arbeit in der aufklärendsten Weise als Modell dienen. Das klingt vielleicht beim ersten Anhören etwas befremdend, denn gerade die Arbeit ist in offenkundigster Weise teleologisch orientiert, das Interesse an der Verwirklichung des gesetzten Zieles tritt hier am penetrantesten zutage. Trotzdem ist in der Arbeit, in ihren Akten, die die spontane Kausalität in gesetzte verwandeln, eben weil es sich hier noch ausschließlich um eine Wechselbeziehung zwischen Mensch und Natur und nicht zwischen Mensch und Mensch, Mensch und Gesellschaft handelt, der reine Erkenntnischarakter der Akte ungestörter bewahrt als in den höheren, in denen gesellschaftliche Interessen unvermeidlich schon in die Widerspiegelung der Tatsachen hineinspielen. Die Setzungsakte der Kausalität in der Arbeit sind in reinster Form auf den Wertgegensatz von Wahr und Falsch orientiert, denn wir haben bereits früher gezeigt, daß jedes Verkennen der an sich seienden Kausalität im Prozeß ihres Setzens unweigerlich zum Scheitern des ganzen Arbeitsprozesses führen muß. Dagegen ist ohne weiteres evident, daß in jeder Setzung der Kausalität, wo das unmittelbar gesetzte Ziel eine Veränderung des setzenden Bewußtseins von Menschen ist, die gesellschaftliche Interessiertheit, die in jeder Zielsetzung - natürlich auch in der der einfachen Arbeit - mit enthalten ist, unweigerlich auch das Setzen der zur Verwirklichung unerläßlichen Kausalreihen beeinflussen muß. Dies um so mehr, als bei der Arbeit selbst das Setzen der Kausalreihen auf Gegenstände und Prozesse bezogen ist, die sich in ihrem Gesetztsein dem teleologischen Ziel gegenüber völlig gleichgültig verhalten,
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während jene Setzungen, die in den Menschen bestimmte Entscheidungen von Alternativen bezwecken, in einem Material wirksam werden, das von selbst, spontan zu Alternativentscheidungen drängt. Diese Art der Setzung intentioniert also eine Änderung, ein Verstärken oder Abschwächen solcher Tendenzen im Bewußtsein der Menschen, arbeitet demzufolge nicht in einem an sich gleichgültigen, sondern in einem schon an sich günstigen oder ungünstigen, tendenziell an sich auf Zwecksetzungen hin bewegten Material. Selbst eine eventuelle Gleichgültigkeit der Menschen einer derart beabsichtigten Beeinflussung gegenüber hat mit der früher erwähnten Gleichgültigkeit des Naturmaterials nur die Bezeichnung gemeinsam. Für die Natur ist die Gleichgültigkeit eine Metapher, die ihre immerwährende, unveränderliche, völlig neutrale Heterogenität den menschlichen Zielsetzungen gegenüber angeben soll, während die Gleichgültigkeit von Menschen solchen Absichten gegenüber eine konkrete, unter Umständen veränderbare, sozial und individuell konkret verursachte Verhaltensart ist.
In den Setzungen der Kausalität höherer, gesellschaftlicherer Art ist deshalb ein beeinflussendes Eindringen der teleologischen Zielsetzung in ihre geistigen Reproduktionen unvermeidlich. Selbst wenn dieser letzte Akt sich als Wissenschaft, als - relativ - selbständiger Faktor des gesellschaftlichen Lebens konstituiert hat, ist es, ontologisch betrachtet, eine Illusion, zu glauben, daß eine gesellschaftlich völlig unvoreingenommene Wiedergabe der hier herrschenden Kausalitätsketten und dadurch vermittelt auch der Naturkausalitäten erlangt werden könnte, daß hier eine gereinigtere Form der unmittelbaren und ausschließlichen Konfrontation von Mensch und Natur erreichbarer wäre als in der Arbeit selbst. Natürlich wird hier eine weitaus genauere, weiterreichendere, vertieftere, vollständigere etc. Erkenntnis der betreffenden Naturkausalitäten erreicht, als je in einer auf sich selbst gestellten Arbeit möglich wäre. Das ist eine Selbstverständlichkeit, entscheidet aber nicht unser gegenwärtiges Problem. Es kommt darauf an, daß dieser Fortschritt an Erkenntnis den Verlust der ausschließlichen Gegenüberstellung von Mensch und Natur in sich begreift, wobei sofort hinzugefügt werden muß, daß auch dieser Verlust seinem Wesen nach sich in der Richtung auf den Fortschritt zu bewegt. In der Arbeit wird nämlich der Mensch mit dem Sein an sich jenes Naturausschnitts konfrontiert, der mit dem Arbeitsziel unmittelbar in Verbindung steht. Werden diese Erkenntnisse auf eine höhere Stufe der Verallgemeinerung erhoben, was bereits in den Anfängen der sich der Selbständigkeit zu entwickelnden Wissenschaft geschieht, so ist dies unmöglich, ohne in die Widerspiegelung der Natur mit der Gesellschaftlichkeit des Menschen verbundene, ontologisch intentionierte Kategorien aufzunehmen. Das darf freilich nicht in einem vulgär-direkten Sinn verstanden werden. Erstens ist jede
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teleologische Setzung letzten Endes gesellschaftlich bestimmt, die der Arbeit in einer sehr prägnanten Weise durch das Bedürfnis, von dessen verursachendem Einfluß auch keine Wissenschaft völlig frei sein kann. Das würde jedoch noch keinen entscheidenden Unterschied ausmachen. Zweitens aber stellt die Wissenschaft in den Mittelpunkt ihrer desanthropomorphisierenden Widerspiegelung der Wirklichkeit die Verallgemeinerung der Zusammenhänge. Wir haben gesehen, daß dies nicht mehr unmittelbar zum ontologischen Wesen der Arbeit, vor allem nicht zu ihrer Genesis gehört; in ihr kommt es bloß auf das richtige Erfassen eines konkreten Naturphänomens an, soweit dessen Beschaffenheit in einer notwendigen Verbundenheit mit dem teleologisch gesetzten Arbeitsziel steht. Über die vermittelteren Zusammenhänge mag der Arbeitende die falschesten Vorstellungen haben; sie müssen bei richtiger Widerspiegelung der unmittelbaren den Erfolg des Arbeitsprozesses nicht stören (Beziehung der primitiven Arbeit zur Magie).
Sobald jedoch die Widerspiegelung auf Verallgemeinerungen gerichtet ist, tauchen - einerlei, wie bewußt dies geschieht - zwangsläufig Probleme auch einer allgemeinen Ontologie auf. Und so sehr diese, was die Natur betrifft, in ihrem unverfälschten Ansichsein von der Gesellschaft und ihren Bedürfnissen völlig verschieden, ihnen gegenüber völlig neutral sind, kann die ins Bewußtsein gehobene Ontologie für keine gesellschaftliche Praxis, im bereits untersuchten vermittelteren Sinn, gleichgültig sein. Die enge Verbundenheit von Theorie und Praxis hat zur notwendigen Folge, daß letztere in ihren konkreten gesellschaftlichen Erscheinungsformen sehr weitgehend von den ontologischen Vorstellungen der Menschen über die Natur mitbeeinflußt werden. Die Wissenschaft ihrerseits, wenn sie das adäquate Erfassen der Wirklichkeit ernst nimmt, kann unmöglich vor diesen ontologischen Fragestellungen ausweichen; ob dies bewußt oder ohne Bewußtheit geschieht, ob die Fragen und Antworten richtig oder falsch sind, ob sie die Möglichkeit, solche Fragen vernünftig zu beantworten, leugnet, scheint auf diesem Niveau einerlei zu sein, denn selbst dieses Leugnen wirkt sich im gesellschaftlichen Bewußtsein in irgendeiner Weise ontologisch aus. Und da die gesellschaftliche Praxis sich immer in einer geistigen Umwelt von ontologischen Vorstellungen abwickelt, einerlei, ob vom Alltag oder vom Horizont wissenschaftlicher Theorien die Rede ist, bleibt der von uns angedeutete Tatbestand für die Gesellschaft fundamental. Von den »Asebeia«-Prozessen in Athen über Galilei oder Darwin bis zur Relativitätstheorie wirkt sich diese Sachlage im gesellschaftlichen Sein zwangsläufig aus. Hier zeigt sich der dialektische Charakter der Arbeit als Modell für die gesellschaftliche Praxis gerade darin, daß diese in ihren entwickelteren Formen viele Abweichungen von der Arbeit selbst zeigt.
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Eine andere, freilich mit der jetzt behandelten vielfach verbundene Form solcher vermittelten Komplikationen haben wir früher geschildert. Beide Analysen zeigen, daß die Arbeit die grundlegende und darum die einfachste und eindeutigste Form jener Komplexe ist, deren dynamisches Zusammen die Eigenart der gesellschaftlichen Praxis ausmacht. Eben deshalb ist es immer wieder notwendig, darauf hinzuweisen, daß die spezifischen Züge der Arbeit nicht ohne weiteres auf kompliziertere Formen der gesellschaftlichen Praxis übertragen werden dürfen. Die wiederholt aufgezeigte Identität der Identität und Nichtidentität in ihren Strukturformen geht, so glauben wir, darauf zurück, daß die Arbeit selbst das radikal neue Verhältnis des Stoffwechsels mit der Natur materiell verwirklicht, wahrend die überwiegende Mehrzahl der anderen, komplizierteren Formen der gesellschaftlichen Praxis diesen Stoffwechsel mit der Natur, die Grundlage der Reproduktion des Menschen in der Gesellschaft, bereits zur unaufhebbaren Voraussetzung hat. Mit der wirklichen Beschaffenheit dieser komplizierteren Formen werden wir uns erst in den folgenden Kapiteln und in wirklich angemessener Weise erst in der Ethik beschäftigen können.
Bevor wir aber zu einer - es sei nochmals betont: vorläufigen, einleitenden - Darlegung des Verhältnisses von Theorie und Praxis übergehen, scheint es uns nützlich, nochmals einen Blick nach rückwärts, auf die ontologischen Entstehungsbedingungen der Arbeit selbst zu werfen. In der unorganischen Natur kommt eine Tätigkeit überhaupt nicht vor. Das, was in der organischen den Anschein einer solchen erweckt, beruht im Grunde genommen darauf, daß der Reproduktionsprozeß in der organischen Natur auf ihren entwickeltesten Stufen Wechselwirkungen zwischen Organismus und Umwelt, die sogar unmittelbar von einem Bewußtsein gelenkt werden, hervorbringt. Aber auch auf ihrer höchsten Stufe (wir sprechen immer von in Freiheit lebenden Tieren) sind diese bloß biologische Reaktionen auf die für die unmittelbare Existenz wichtigen Erscheinungen der Umwelt; sie können deshalb keinerlei Subjekt-Objekt-Beziehung hervorbringen. Dazu ist jene Distanzierung notwendig, die wir bereits geschildert haben. Das Objekt kann erst Gegenstand des Bewußtseins werden, wenn dieses ihn auch dort und darin zu erfassen versucht, wo keine unmittelbar biologischen Interessen den die Bewegungen tragenden Organismus mit dem Gegenstand verknüpfen. Andererseits wird das Subjekt nur dadurch Subjekt, daß es eine derartige Umstellung an seiner Einstellung zu den Gegenständen der Außenwelt vollzieht. Daraus ist ersichtlich, daß das Setzen des teleologischen Ziels und der kausal funktionierenden Mittel seiner Verwirklichung als Bewußtseinsakte unabhängig voneinander gar nicht vollziehbar ist. Die von uns festgestellte untrennbare Zusammengehörigkeit von Teleologie
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und gesetzter Kausalität spiegelt und verwirklicht sich in diesem Komplex des Arbeitsvollzugs.
Diese, man könnte sagen, Urstruktur der Arbeit hat ihr Korrelat darin, daß die Verwirklichung der gesetzten Kausalreihen das Kriterium dafür abgibt, ob ihre Setzung eine richtige oder verfehlte gewesen ist. Es ist also klar, daß in der Arbeit, für sich genommen, die Praxis das unbedingte Kriterium für die Theorie abgibt. So unbezweifelbar dies im allgemeinen ist, und zwar nicht nur für die Arbeit im engeren Sinn, sondern auch für alle ähnlichen Tätigkeiten komplizierteren Art, wo die menschliche Praxis ausschließlich der Natur gegenübersteht (man denke etwa an das Experiment in den Naturwissenschaften), sosehr bedarf es der Konkretisierung, sobald jene engere materielle Grundlage, die die Arbeit (und auch das isoliert genommene Experiment) charakterisiert, in der betreffenden Tätigkeit überschritten wird, d.h., sobald die theoretisch gesetzte Kausalität eines konkreten Komplexes in den Gesamtzusammenhang der Wirklichkeit, in ihr gedanklich reproduziertes Ansichsein eingefügt werden soll. Das geschieht aber bereits im Experiment selbst, zunächst abgesehen von seinem theoretischen Auswerten. Jedes Experiment entsteht im Interesse einer Verallgemeinerung. Es setzt teleologisch eine Gruppierung von Materien, Kräften etc. in Bewegung, an deren bestimmten Wechselwirkungen - möglichst ungestört von ihren heterogenen, also in bezug auf die gesuchten Wechselbeziehungen zufälligen, Umständen - festgestellt werden soll, ob ein hypothetisch gesetztes Kausalverhältnis der Wirklichkeit entspricht, ob es also für die zukünftige Praxis als richtig gesetztes gelten kann. Es ist sicher, daß dabei unmittelbar die Kriterien, die sich in der Arbeit selbst zeigten, gültig bleiben, ja unmittelbar eine noch reinere Form erlangen: Das Experiment kann ebenso eindeutig zwischen richtig und falsch das Urteil fällen wie die Arbeit selbst und vollbringt dies auf einem höheren Niveau der Verallgemeinerung, auf dem der mathematisch formulierbaren Fassung der für diesen Phänomenkomplex bezeichnenden quantitativen Sachzusammenhänge. Soll nun sein Ergebnis zur Vervollkommnung des Arbeitsprozesses selbst benutzt werden, so zeigt sich hier keinerlei Problematik in der Praxis als Kriterium der Theorie. Komplizierter wird die Frage, wenn die so erzielte Kenntnis zur Erweiterung der Erkenntnis selbst verwertet werden soll. Denn in diesem Fall kommt es nicht nun darauf an, ob ein bestimmter, konkreter Kausalzusammenhang geeignet ist, in einer ebenfalls konkreten und bestimmten Konstellation eine bestimmte und konkrete teleologische Setzung zu befördern, sondern auch auf eine allgemeine Erweiterung,Vertiefung etc. unserer Erkenntnis der Natur im allgemeinen. In solchen Fällen reicht das bloß mathematische Erfassen der quantitativen Seiten eines materiellen Zusammenhangs nicht mehr
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aus; das Phänomen muß vielmehr in der wirklichen Eigenart seines materiellen Seins begriffen und sein so begriffenes Wesen mit den anderen, bereits wissenschaftlich sichergestellten Seinsweisen in Einklang gebracht werden. Unmittelbar bedeutet das so viel, daß die mathematische Formulierung des Experimentresultats durch ihre physikalische, chemische oder biologische etc. Interpretation ergänzt und vervollkommnet werden muß. Das geht aber - unabhängig vom Willen der Beteiligten - notwendig in eine ontologische Interpretation über. Denn jede mathematische Formel ist in dieser Hinsicht mehrdeutig; die Einsteinsche Fassung der speziellen Relativitätstheorie und die der sogenannten Lorentz-Transformation sind einander rein mathematisch äquivalent - die Diskussion über ihre Richtigkeit setzt eine über die Totalität des physikalischen Weltbilds voraus, geht also zwangsläufig ins Ontologische über.
Diese schlichte Wahrheit bezeichnet jedoch ein ständiges Kampfgebiet in der Geschichte der Wissenschaft. Wiederum, gleichviel, in welchem Grade bewußt, sind alle ontologischen Vorstellungen der Menschen weitgehend gesellschaftlich beeinflußt, einerlei, ob darin die Komponente des Alltagslebens, des religiösen Glaubens etc. dominierend ist. Diese Vorstellungen spielen in der gesellschaftlichen Praxis der Menschen eine höchst einflußreiche Rolle, verdichten sich oft geradezu zu einer gesellschaftlichen Macht; es sei nur an die Ausführungen der Marxschen Dissertation über Moloch etc. erinnert. Daraus entstehen zuweilen offene Kämpfe zwischen wissenschaftlich objektiv fundierten und bloß im gesellschaftlichen Sein verankerten ontologischen Konzeptionen. Unter Umständen - und das ist für unsere Zeit charakteristisch - dringt dieser Gegensatz in die Methode der Wissenschaften selbst ein. Die Möglichkeit dazu ergibt sich daraus, daß die neu erkannten Zusammenhänge auch bei Suspension der ontologischen Entscheidungen praktisch ausgewertet werden können. Das hat schon zur Zeit Galileis der Kardinal Bellarmin in bezug auf die Kopernikanische Astronomie in ihrem Gegensatz zur theologischen Ontologie klar erkannt. Im modernen Positivismus trat Duhem offen für die »wissenschaftliche Überlegenheit« der Bellarminschen Auffassung auf , und im selben Sinne formulierte Poancare seine Interpretation des methodologischen Wesens der Kopernikanischen Entdeckung: »Es ist bequemer vorauszusetzen, daß die Erde sich dreht, weil man damit die astronomischen Gesetze in einer viel einfacheren Sprache ausdrückt.« Diese Tendenz erhält nun bei den Klassikern des Neopositivismus ihre entwickelteste
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Form, indem jeder Bezug auf das Sein im ontologischen Sinn als »Metaphysik« und darum als unwissenschaftlich abgelehnt wird und einzig und allein die gesteigerte praktische Anwendbarkeit als Kriterium für die wissenschaftliche Wahrheit gelten soll.
Damit erhält der ontologische Gegensatz, der in jedem Arbeitsprozeß, in der ihn leitenden Bewußtheit steckt, nämlich der von echter Seinserkenntnis durch wissenschaftliche Höherentwicklung der Kausalsetzung auf dem einen und von Beschränkung auf bloß praktische Manipulation konkret erkannter Kausalzusammenhänge auf dem anderen Pol, eine im gegenwärtigen gesellschaftlichen Sein tief verankerte Gestalt. Denn es wäre höchst oberflächlich, diese Lösungsart des in der Arbeit erscheinenden Widerspruchs vom Kriteriumscharakter der Praxis für die Theorie einfach auf erkenntnistheoretische, formallogische oder wissenschaftstheoretische Auffassungen zurückzuführen. Das waren solche Fragestellungen und Antworten ihrem wirklichen Wesen nach niemals. Zwar spielten lange Zeit hindurch die Unentwickeltheit der Naturerkenntnis, die Schranken in der Beherrschung der Natur eine große Rolle darin, daß die Praxis als Kriterium in beschränkten oder verzerrten Formen eines falschen Bewußtseins erschien. Dessen konkrete Formen und vor allem dessen Einfluß, Ausbreitung, Macht etc. haben aber stets gesellschaftliche Verhältnisse, natürlich in Wechselwirkung mit dem engen ontologischen Horizont, bestimmt. Heute, wo die sachliche Entwicklungsstufe der Wissenschaften eine richtige Ontologie objektiv ermöglichen würde, ist diese Grundlage des falschen ontologischen Bewußtseins auf dem Gebiet der Wissenschaft und ihres geistigen Einflusses noch evidenter in herrschenden gesellschaftlichen Bedürfnissen begründet. Um nur die allerwichtigsten zu nehmen, ist vor allem die Manipulation in der Ökonomie zu einem ausschlaggebenden Faktor der Reproduktion im heutigen Kapitalismus geworden und hat sich von diesem Zentrum ausgehend auf alle Gebiete der gesellschaftlichen Praxis ausgebreitet. Diese Tendenz erhält eine weitere - offene oder latente - Unterstützung von religiöser Seite. Was Bellarmin vor Jahrhunderten zu verhindern bestrebt war, nämlich den Zusammenbruch der ontologischen Grundlagen der Religionen, ist allgemein eingetreten. Die theologisch fixierten ontologischen Dogmen der Religionen zerbrechen, verflüchtigen sich immer mehr, und an ihre Stelle tritt ein vom Wesen des heutigen Kapitalismus ausgehendes, bewußtseinsmäßig meistens subjektivistisch begründetes religiöses Bedürfnis. Zu dessen Unterbau trägt die Manipulationsmethode in den Wissenschaften viel bei, indem sie den kritischen Sinn für wirkliches Sein zersetzt und so den Weg für ein
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subjektiv verbleibendes religiöses Bedürfnis freilegt, weiter indem bestimmte Theorien der modernen neopositivistisch beeinflußten Wissenschaften, z.B. über Raum und Zeit, Kosmos etc. eine gedankliche Versöhnung mit den verblassenden ontologischen Kategorien der Religionen erleichtern. Es ist bezeichnend, daß es - obwohl die führenden Naturwissenschaftler hier die Position einer vornehmen positivistisch-wissenschaftlichen Neutralität zu beziehen pflegen - Gelehrte von Namen und Verdienst gibt, die versuchen, solche Interpretationen der neuesten Naturwissenschaften mit den modernen religiösen Bedürfnissen direkt zu versöhnen.
In den vorangegangenen Betrachtungen ist einiges früher Ausgeführte wiederholt worden. Wir taten es, um hier ganz konkret zu zeigen, was früher ebenfalls schon angedeutet wurde, daß die direkte, absolute, kritiklose Erklärung der Praxis zum Kriterium der Theorie nicht unproblematisch ist. So sicher dieses Kriterium in der Arbeit selbst und - teilweise - im Experiment zur Geltung gelangen kann, so sehr muß in jedem komplizierteren Fall eine bewußte ontologische Kritik einsetzen, um die fundamental richtige Beschaffenheit dieser Kriteriumsfunktion der Praxis nicht zu gefährden. Es hat sich nämlich gezeigt, worüber ebenfalls schon öfter die Rede war und noch die Rede sein wird, daß sowohl in der »intentio recta« des Alltagslebens wie in der der Wissenschaft und der Philosophie die gesellschaftliche Entwicklung Situationen und Richtungen schaffen kann, die diese »intentio recta« verbiegen, vom Erfassen des wirklichen Seins ablenken. Die deshalb notwendig gewordene ontologische Kritik muß also unbedingt eine konkrete, in der jeweiligen gesellschaftlichen Totalität fundierte, auf die gesellschaftliche Totalität orientierte sein. Es wäre höchst irreführend, anzunehmen, daß in allen Fällen die Wissenschaft das Alltagsdenken, die Philosophie die Wissenschaften ontologisch-kritisch richtig korrigieren könnte oder daß umgekehrt das Alltagsdenken der Wissenschaft und der Philosophie gegenüber die Rolle der Molièreschen Köchin spielen könnte. Die geistigen Folgen der ungleichmäßigen Entwicklung in der Gesellschaft sind so stark und so vielfältig, daß jedes Schema im Herantreten an diesen Problemkomplex nur weitere Abirrungen vom Sein zeitigen müßte. Die ontologische Kritik muß sich also auf das differenzierte - klassenmäßig konkret differenzierte - Ganze der Gesellschaft und auf die Wechselbeziehungen in den so entstehenden Verhaltungsarten richten. Nur so kann das für jede geistige Entwicklung, für jede gesellschaftliche Praxis ausschlaggebend wichtige Funktionieren der Praxis als Kriterium der Theorie richtig angewendet werden.
Wir haben bis jetzt das Entstehen neuer Komplexe von neuen oder neufunktionierten Kategorien (gesetzte Kausalität) vorwiegend von der Seite des objektiven Arbeitsprozesses aus betrachtet. Es ist aber unvermeidlich, auch zu untersuchen,
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welche ontologischen Wandlungen dieser Sprung des Menschen aus der Sphäre des biologischen Seins ins gesellschaftliche in der Verhaltungsweise des Subjekts hervorbringt. Auch dabei ist es unvermeidlich, daß wir vom ontologischen Zusammen des Teleologischen und des gesetzt Kausalen ausgehen, denn das Neue, das im Subjekt entsteht, ist ein notwendiges Ergebnis dieser kategoriellen Konstellation. Wenn wir nun davon ausgehen, daß der entscheidende Akt des Subjekts seine teleologische Setzung und ihre Verwirklichung ist, so erscheint es als sogleich einleuchtend, daß das kategoriell bestimmende Moment dieser Akte das Auftreten einer vom Sollen determinierten Praxis beinhaltet. Das unmittelbar bestimmende Moment einer jeden als Verwirklichung intentionierten Handlung muß schon darum das Sollen sein, weil jeder Schritt der Verwirklichung dadurch determiniert ist, ob und wie er das Erreichen des Zieles fördert. Die Richtung der Determination dreht sich auf diese Weise um: In der normalen biologischen, kausalen Determiniertheit, also beim Menschen ebenso wie beim Tier, entsteht ein kausaler Ablauf, in welchem unvermeidlicherweise stets die Vergangenheit die Gegenwart bestimmt. Auch die Anpassung der Lebewesen an eine veränderte Umgebung verläuft mit kausaler Notwendigkeit, indem die im Organismus von seiner Vergangenheit produzierten Eigenschaften auf eine solche Veränderung erhaltend oder zerstörend reagieren. Das Zielsetzen kehrt, wie wir gesehen haben, dieses Verhalten um: Das Ziel ist (im Bewußtsein) früher da als seine Verwirklichung, und im Prozeß, der zu ihr führt, wird jeder Schritt, jede Bewegung von der Zielsetzung (von der Zukunft) aus gelenkt. Der Sinn der gesetzten Kausalität besteht, von hier aus gesehen, darin, daß die Kausalglieder, Kausalketten etc, dazu ausgewählt, in Bewegung gebracht, ihrer Bewegung überlassen etc. werden, um die Verwirklichung des eingangs beschlossenen Zieles zu fördern. Auch wo, nach Hegels Worten, im Arbeitsprozeß die Natur sich bloß »abarbeitet«, ist dies ebenfalls kein kausal spontaner, sondern ein teleologisch gelenkter Prozeß, dessen Entwicklung gerade in der Verbesserung, Konkretisierung und Differenzierung dieses teleologischen Lenkens spontaner Prozesse besteht (Gebrauch von Naturkräften wie Feuer oder Wasser für Arbeitszwecke). Vom Subjekt aus gesehen ist dieses von der als bestimmt gesetzten Zukunft aus determinierte Handeln eben ein vom Sollen des Zieles aus gelenktes.
Man soll sich auch hier davor hüten, Kategorien, die erst auf entwickelteren Stufen auftreten können, in diese Urform des Sollens hineinzuprojizieren. Dadurch kann, wie dies insbesondere im Kantianismus geschah, nur eine fetischisierte Verzerrung des ursprünglichen Sollens entstehen, die auch auf das Begreifen der entwickelteren Formen ungünstig einwirkt. Der Tatbestand beim beginnenden Auftreten des Sollens ist einfach genug: Das Setzen der Kausalität besteht ja gerade
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darin, daß solche Kausalketten, Kausalverhältnisse erkannt werden, die bei entsprechender Auswahl, Beeinflussung etc. das gesetzte Ziel zu verwirklichen imstande sind, und der Arbeitsprozeß selbst bedeutet nichts weiter, als diese Art des Einwirkens auf konkret kausale Verhältnisse um die Verwirklichung des Zieles ins Leben zu rufen. Wir haben gesehen, daß dabei notwendig eine ununterbrochene Kette von Alternativen entsteht, wobei die richtige Entscheidung einer jeden von der Zukunft, von dem zu verwirklichenden Ziele aus bestimmt ist. Die richtige Erkenntnis der Kausalität, ihr richtiges Setzen, kann nur als vom Ziele aus bestimmt begriffen werden; eine zutreffende Beobachtung und ihre Anwendung, die, sagen wir, beim Schleifen eines Steines höchst zweckvoll ist, kann beim Schaben die ganze Arbeit verderben. Die richtige Widerspiegelung der Wirklichkeit ist natürlich unaufhebbar die Voraussetzung eines richtig funktionierenden Sollens; diese richtige Widerspiegelung kann aber nur dann effektiv werden, wenn sie die Verwirklichung des Gesollten real befördert. Es kommt hier nicht einfach auf eine richtige Widerspiegelung der Wirklichkeit überhaupt, auf ein angemessenes Reagieren auf sie überhaupt an, sondern jede Richtigkeit oder Falschheit, also jede Entscheidung einer Alternative im Arbeitsprozeß, kann ausschließlich vom Ziele, von seiner Verwirklichung aus beurteilt werden. Auch hier ist also von einer unaufhebbaren Wechselwirkung zwischen Sollen und Widerspiegelung der Wirklichkeit (zwischen Teleologie und gesetzter Kausalität) die Rede, wobei dem Sollen die Funktion des übergreifenden Moments zukommt. Das Sichabheben von den früheren Formen, das Autochthonwerden des gesellschaftlichen Seins drückt sich gerade in diesem Übergreifen jener Kategorien aus, in denen der neue, entwickeltere Charakter dieser Seinsart den sie fundierenden gegenüber zum Ausdruck gelangt.
Wir haben aber schon wiederholt darauf hingewiesen, daß solche Sprünge von einem Seinsniveau zum höheren sehr lange Zeitspannen erfordern, daß die Entwicklung einer Seinsweise in dem allmählichen - widerspruchsvollen, gleichmäßigen - Vorherrschendwerden ihrer spezifischen Kategorien besteht. In der ontologischen Geschichte einer jeden Kategorie ist ein solcher Prozeß des Eigentlichwerdens sichtbar und nachweisbar. Die Unfähigkeit des idealistischen Denkens, auch die einfachsten und einleuchtendsten ontologischen Verhältnisse zu begreifen, beruht methodologisch letzten Endes darauf, daß es sich damit begnügt, die höchstentwickelten, vergeistigten, subtilsten Erscheinungsweisen der Kategorien erkenntnistheoretisch oder logisch zu analysieren, wobei die ontologisch richtungweisenden Problemkomplexe ihrer realen Genesis nicht bloß vernachlässigt, ja völlig ignoriert werden; es werden vielmehr die vom Standpunkt des Stoffwechsels der Gesellschaft mit der Natur weit entfernten Formen der
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gesellschaftlichen Praxis allein in Betracht gezogen und bei diesen die oft verwickelten Vermittlungen, die sie mit ihren Urformen verbinden, nicht nur nicht zur Kenntnis genommen, sondern zwischen Ur- und entwickelten Formen geradezu Gegensätze konstruiert. So verschwindet in der überwiegenden Mehrzahl der idealistischen Behandlungen dieser Fragen die Eigenart des gesellschaftlichen Seins so gut wie gänzlich; es wird eine künstlich wurzellos gemachte Sphäre des Sollens (des Wertes) konstruiert und diese mit einem - angeblich - bloß naturhaften Sein der Menschen kontrastiert, obwohl dieses objektiv ontologisch immer ebenso gesellschaftlich ist wie jenes. Daß der vulgäre Materialismus darauf mit einem einfachen Ignorieren der Rolle des Sollens im gesellschaftlichen Sein reagiert und diese ganze Sphäre nach dem Modell der reinen Naturnotwendigkeit zu begreifen versucht, trägt viel zur Verwirrung dieses Problemkomplexes bei, bringt auf beiden Polen - freilich inhaltlich und methodologisch entgegengesetzte, aber sachlich zusammengehörige - Fetischisierungen der Phänomene hervor.
Eine solche Fetischisierung des Sollens ist am deutlichsten bei Kant zu beobachten. Die Kantsche Philosophie untersucht die menschliche Praxis nur in bezug auf die höchsten Formen der Moral. (Inwiefern die bei Kant fehlende Unterscheidung zwischen Moral und Ethik diese Betrachtungen »von oben« trübt und zur Erstantheit bringt, kann natürlich erst in der Ethik behandelt werden.) Hier kommt es darauf an, die Schranken seiner Anschauungen »von unten«, von der Seite des Fehlens jedweder gesellschaftlichen Genesis zu untersuchen. Wie in allen folgerichtigen idealistischen Philosophien entsteht bei Kant eine hypostasierende Fetischisierung der Vernunft. Die Notwendigkeit verliert, auch erkenntnis-theoretisch, in solchen Weltbildern ihren sie allein zu konkretisieren fähigen »Wenn... dann«-Charakter; sie erscheint als schlechthin Absolutes. Die übersteigertste Form dieser Absolutisierung der Ratio zeigt sich verständlicherweise In der Moral. Das Sollen wäre damit - subjektiv wie objektiv - von den konkreten Alternativen der Menschen losgerissen; diese erscheinen vielmehr im Lichte einer solchen Verabsolutierung der moralischen Ratio bloß als angemessene oder unangemessene Verkörperungen derartig absoluter und damit dem Menschen gegenüber transzendent bleibender Gebote. Kant sagt: »In einer praktischen Philosophie, wo es uns nicht darum zu tun ist, Gründe anzunehmen von dem, was geschieht, sondern Gesetze von dem, was geschehen soll, ob es gleich niemals geschieht
« Der Imperativ, der die Sollensbeziehungen in den Menschen hervorruft, wird damit zu einem transzendent-absoluten (kryptotheologischen) Prinzip. Seine Beschaffenheit beruht darauf, daß er »eine Regel, die durch ein
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Sollen, welches die objektive Nötigung der Handlung ausdrückt«, und zwar bezogen auf ein Wesen (d.h. auf den Menschen), »bei dem Vernunft nicht ganz allein Bestimmungsgrund des Willens ist«, darstellt. Damit erscheint die real ontologische Art der menschlichen Existenz, die tatsächlich nicht allein von einer Kantschen hypostasierten Vernunft bestimmt wird, bloß als ein kosmisch (theologisch) entstehender Sonderfall für die allgemeine Geltung des Imperativs. Kant grenzt auch sehr scharf seine Objektivität, sein Gelten für alle »Vernunftwesen« von dem uns allein als real bekannten Bereich der gesellschaftlichen Praxis der Menschen ab. Er leugnet zwar nicht ausdrücklich, daß die hier entstehenden, die Handlung bestimmenden - im Gegensatz zur absoluten Objektivität des Imperativs - subjektiven Maximen ebenfalls als eine Art von Sollen wirken können, sie sind jedoch bloß »praktische Vorschriften«, keine »Gesetze«, und zwar darum, »weil ihnen die Notwendigkeit fehlt, welche, wenn sie praktisch sein soll, von pathologischen, mithin dem Willen zufällig anklebenden Bedingungen unabhängig sein muß« . Dadurch werden alle konkreten Eigenschaften, Bestrebungen etc. der Menschen in seinem Sinne »pathologisch«, denn sie kleben nur zufällig dem - ebenfalls fetischisierten abstrakten Willen an. Es ist nicht hier der Ort, eine eingehende Kritik dieser Moral zu geben. Hier beschäftigt uns allein die Ontologie des gesellschaftlichen Seins und gegenwärtig der ontologische Charakter des Sollens in diesem Bereich. Darum mögen hier diese spärlichen Andeutungen, die aber die Grundposition Kants für unsere gegenwärtigen Zwecke hinreichend beleuchten, genügen. Es sei nur noch darauf hingewiesen, was ebenfalls den kryptotheologischen Charakter dieser Moral kennzeichnet, daß Kant überzeugt war, er könne mit dieser von allen gesellschaftlich-menschlichen Bestimmungen abstrahierenden Weise doch die höchst alltäglichen moralischen Alternativen der Menschen absolut, gesetzgeberisch beantworten. Wir denken dabei an seine ziemlich bekannt gewordene Entscheidung, warum man Depositen nicht unterschlagen dürfe, die Hegel noch in seiner Jenaer Periode scharf und richtig kritisiert hat. Da diese Kritik in meinem Buch über den jungen Hegel ausführlich behandelt wurde , kann dieser Hinweis hier ausreichen.
Es ist wieder kein Zufall, daß gerade Hegel gegen diese Auffassung des Sollens bei Kant so entschieden aufgetreten ist. Freilich ist seine eigene Auffassung ebenfalls nicht ohne Problematik. Es stehen dabei in seinem Denken zwei verschiedene Tendenzen einander unvermittelt gegenüber. Einerseits eine berechtigte Abneigung gegen die Kantsche transzendente Überspannung des Sollensbegriffs. Dies
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führt jedoch oft zu einer bloß abstrakten, einseitigen Opposition. So in seiner »Rechtsphilosophie«, wo er der innerlichen Problematik und Zweideutigkeit der Kantschen formalen Gesinnungsmoral in der Sittlichkeit eine inhaltliche gegenüberzustellen versucht. Hier behandelt er das Sollen ausschließlich als Erscheinungsweise der Moralität, als Standpunkt »des Sollens oder der Forderung«, als eine Tätigkeit, »die noch zu keinem was ist kommen kann«. Diese ist erst in der Sittlichkeit, in der erfüllten Gesellschaftlichkeit der menschlichen Existenz erreicht, wo deshalb dieser Kantsche Sollensbegriff seinen Sinn und seine Geltung verliert: Die Falschheit dieser Position Hegels hängt mit der Art dieser seiner Polemik zusammen. Indem er Enge und Beschränktheit der Kantschen Sollenslehre kritisiert, vermag er selbst nicht positiv über deren Enge und Beschränktheit hinauszukommen. So richtig sein Aufzeigen der inneren Problematik der Kantschen reinen Moral ist, so schief ist die erfüllende Gegenüberstellung der Sittlichkeit als erfüllter Gesellschaftlichkeit, wo der Sollenscharakter der Praxis in der Moralität durch die Sittlichkeit aufgehoben wird.
Wo Hegel diesen Fragenkomplex unbefangen, unabhängig von einer Polemik gegen Kant in der »Enzyklopädie« behandelt, kommt er, obwohl auch hier von einigen idealistischen Vorurteilen belastet, viel näher zu einer echt ontologischen Fragestellung. Im Abschnitt über den subjektiven Geist, bei der Untersuchung des praktischen Gefühls als einer der Stufen seiner Entwicklung, bestimmt er das Sollen folgendermaßen: »Das praktische Gefühl enthält das Sollen, seine Selbstbestimmung als an sich seiend, bezogen auf eine seiende Einzelnheit, die nur in der Angemessenheit zu jener als gültig sei.« Hegel erkennt hier ganz richtig, daß das Sollen eine elementare, anfängliche und ursprüngliche Kategorie der menschlichen Existenz ist. Freilich beachtet er hier, was bei seiner grundlegend richtigen Einsicht in den teleologischen Charakter der Arbeit verwunderlich ist, seine Beziehung zu dieser nicht. Dafür folgen echt idealistisch absprechende Bemerkungen über die Beziehung dieses Sollens zum Angenehmen und Unangenehmen, wobei er nicht versäumt, diese als »subjektive und oberflächliche« Gefühle abzutun. Das hindert ihn aber nicht daran, zu ahnen, daß dieses Sollen für den ganzen Bereich der menschlichen Existenz eine bestimmende Bedeutung hat. So sagt er: »Das Übel ist nichts anders als die Unangemessenheit des Seins zu dem Sollen«, und fügt noch ergänzend hinzu: »Dieses Sollen hat viele Bedeutungen, und da die zufälligen Zwecke gleichfalls die Form des Sollens haben, unendlich viele.« Diese Ausdehnung des Sollensbegriffs gewinnt an Wert noch dadurch,
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daß Hegel seine Geltung ausdrücklich auf das menschliche (auf das gesellschaftliche) Sein beschränkt und die Existenz jedweden Sollens in der Natur bestreitet. So zwiespältig solche Ausführungen auch sein mögen, zeigen sie einen ungeheuren Schritt über den subjektiven Idealismus seiner Zeit und auch der folgenden hinaus. Bald werden wir sehen können, daß Hegel diesen Problemen gegenüber gelegentlich einen noch freieren Standpunkt beziehen kann.
Wenn wir die, wie wir glauben, unbezweifelbare Genesis des Sollens aus dem teleologischen Wesen der Arbeit richtig begreifen wollen, müssen wir nochmals daran erinnern, was wir bereits über die Arbeit als Modell für jede gesellschaftliche Praxis ausgeführt haben, nämlich, daß zwischen dem Modell und seinen späteren, viel komplizierteren Varianten ein Verhältnis der Identität von Identität und Nichtidentität besteht. Das ontologische Wesen des Sollens in der Arbeit richtet sich zwar auf das arbeitende Subjekt und bestimmt nicht nur dessen Verhalten In der Arbeit, sondern auch zu sich selbst als Subjekt des Arbeitsprozesses. Dieser ist jedoch, wie wir es gerade bei diesen Betrachtungen nachdrücklich betont haben, ein Prozeß zwischen Mensch und Natur, die ontologische Grundlage zum Stoffwechsel zwischen Mensch und Natur. Diese Beschaffenheit des Zieles, des Objekts, der Mittel bestimmt auch das Wesen des subjektiven Verhaltens. Und zwar dahin, daß auch vom Subjekt aus gesehen nur eine auf Grundlage der höchstgespannten Objektivität vollzogene Arbeit erfolgreich sein kann, daß deshalb die Subjektivität in diesem Prozeß eine produktiv dienende Rolle spielen muß. Natürlich beeinflussen die Eigenschaften des Subjekts (Beobachtungsgabe, Geschicklichkeit, Fleiß, Ausdauer etc.) den Ablauf des Arbeitsprozesses extensiv wie intensiv in entscheidendem Ausmaße. Jedoch alle dabei zur Mobilisierung gelangenden Fähigkeiten des Menschen sind immer wesentlich nach außen gerichtet, auf das faktische Beherrschen, auf das materielle Umformen des Naturgegenstandes durch die Arbeit. Soweit, was unvermeidlich ist, das Sollen auch an bestimmte Seiten der Innerlichkeit des Subjekts appelliert, sind seine Anforderungen doch so gestellt, daß die Wandlungen im Inneren des Menschen ein Vehikel zur besseren Bewältigung des Stoffwechsels mit der Natur abgeben. Die Selbstbeherrschung des Menschen, die notwendigerweise zuerst als Wirkung des Sollens in der Arbeit auftaucht, die wachsende Herrschaft seiner Einsicht über die eigenen spontan biologischen Neigungen, Gewohnheiten etc, wird durch die Objektivität dieses Prozesses geregelt und gelenkt; diese ist aber ihrem Wesen nach im Naturdasein des Objekts, der Mittel etc, der Arbeit fundiert. Will man die auf das Subjekt einwirkende und modifizierende Seite des Sollens in der Arbeit richtig begreifen, so muß man von dieser Objektivität als Regulator ausgehen. Sie hat zur Folge, daß für die Arbeit in primärer Weise das tatsächliche Verhalten des
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Arbeitenden den Ausschlag gibt; das, was sich inzwischen im Subjekt selbst abspielt, muß darauf nicht unbedingt einen Einfluß ausüben. Wir haben freilich gesehen, daß das Sollen in der Arbeit Eigenschaften des Menschen erweckt und fördert, die später für entwickeltere Formen der Praxis ausschlaggebend werden; es genügt, wenn an das Beherrschen der Affekte erinnert wird. Diese Wandlungen des Subjekts sind hier aber nicht, wenigstens nicht unmittelbar, auf seine Totalität als Person gerichtet; sie können in der Arbeit selbst ausgezeichnet funktionieren, ohne auf das übrige Leben des Subjekts einzuwirken. Sie erhalten allerdings wichtige Möglichkeiten dazu, aber bloß Möglichkeiten.
Sobald, wie wir gesehen haben, das teleologische Ziel die Beeinflussung anderer Menschen zu ihrerseits zu vollziehenden teleologischen Setzungen wird, erhält die Subjektivität des Setzenden eine qualitativ veränderte Rolle, und die Entwicklung der gesellschaftlichen Beziehungen der Menschen führt schließlich dahin, daß auch die Selbstumwandlung des Subjekts zum unmittelbaren Gegenstand von sollensartigen teleologischen Setzungen wird. Natürlich unterscheiden sich diese Setzungen nicht nur in ihrer größeren Kompliziertheit, sondern, gerade deshalb, auch qualitativ von jenen Formen des Sollens, die wir im Arbeitsprozeß aufgefunden haben. Ihre eingehende Analyse wird Gegenstand der späteren Kapitel und vor allem der Ethik selbst sein. Diese unleugbaren qualitativen Differenzen dürfen jedoch den grundlegend gemeinsamen Tatbestand, daß sie nämlich alle Sollensbeziehungen sind, Akte, in denen nicht die Vergangenheit in ihrer spontanen Kausalität die Gegenwart bestimmt, in denen vielmehr die teleologisch gesetzte Zukunftsaufgabe das bestimmende Prinzip der auf sie gerichteten Praxis ist, nicht verdunkeln.
Der alte Materialismus hat den Weg »von unten« geistig kompromittiert, indem er die höherstrukturierten, komplizierteren Erscheinungen direkt aus dem niedrigeren als ihre einfachen Produkte entstehen lassen wollte (Moleschotts berüchtigte Ableitung des Denkens aus der Chemie des Gehirns, also als reines Naturprodukt). Der von Marx begründete neue Materialismus betrachtet zwar die naturhafte Grundlage der menschlichen Existenz als unaufhebbar, das ist für ihn jedoch nur ein Motiv mehr, die spezifische Gesellschaftlichkeit jener Kategorien, die aus dem Prozeß der ontologischen Scheidung von Natur und Gesellschaft entspringen, gerade in ihrer Gesellschaftlichkeit klarzulegen. Darum ist beim Problem des Sollens in der Arbeit ihre Funktion als Verwirklichung des Stoffwechsels zwischen Natur und Gesellschaft so wichtig. Diese Beziehung ist die Grundlage sowohl der Entstehung des Sollens überhaupt aus der gesellschaftlich-menschlichen Art der Bedürfnisbefriedigung wie seiner Beschaffenheit, seiner besonderen Qualität und aller seinsbestimmten Schranken, die von diesem Sollen als Form
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und Ausdruck von Wirklichkeitsverhältnissen ins Leben gerufen und bestimmt werden. Die Erkenntnis dieses Zugleichseins von Identität und Nichtidentität reicht jedoch zum vollen Verständnis der Lage nicht aus. Es wäre ebenso verfehlt, zu versuchen, aus dem Sollen im Arbeitsprozeß seine komplizierteren Formen etwa logisch abzuleiten, wie der Dualismus der Entgegensetzung in der idealistischen Philosophie falsch ist. Das Sollen im Arbeitsprozeß enthält, wie wir gesehen haben, schon als solches Möglichkeiten verschiedenster Art, objektive wie subjektive. Welche von ihnen und wie zu gesellschaftlichen Wirklichkeiten werden, hängt von der jeweiligen konkreten Entwicklung der Gesellschaft ab, und, wie wir ebenfalls wissen, diese Entwicklung läßt sich in ihren konkreten Bestimmungen erst post festum adäquat begreifen.
Mit dem Problem des Sollens als Kategorie des gesellschaftlichen Seins ist das des Wertes untrennbar verknüpft. Denn so wie das Sollen als bestimmender Faktor der subjektiven Praxis im Arbeitsprozeß nur darum diese spezifisch determinierende Rolle spielen kann, weil das dadurch Erzielte für den Menschen wertvoll ist, so kann der Wert in einem solchen Prozeß unmöglich verwirklicht werden, wenn er nicht imstande ist, in den arbeitenden Menschen das Sollen seiner Verwirklichung als Richtschnur der Praxis zusetzen. Trotz dieser intimen Zusammengehörigkeit, die auf den ersten Anblick fast wie eine Identität wirkt, bedarf der Wert doch einer gesonderten Behandlung. Die beiden Kategorien gehören ja darum so innig zueinander, weil sie beide Momente eines und desselben gemeinsamen Komplexes sind. Und da der Wert vorwiegend die Zielsetzung beeinflußt und Prinzip der Beurteilung des verwirklichten Produktes ist, während das Sollen mehr den Regulator des Prozesses selbst abgibt, muß vieles an beiden als Kategorien des gesellschaftlichen Seins verschieden beschaffen sein, was natürlich ihre Zusammengehörigkeit nicht aufhebt, sondern im Gegenteil konkretisiert. Gehen wir davon aus, daß der Wert das Endprodukt der jeweiligen Arbeit als wertvoll oder wertlos charakterisiert, so taucht sogleich die Frage auf: Ist diese Charakteristik eine objektive oder bloß eine subjektive? Ist der Wert eine objektive Eigenschaft eines Dinges, die im wertenden Akt des Subjekts bloß - richtig oder unrichtig - anerkannt wird, oder entsteht der Wert geradezu als Ergebnis solcher wertenden Akte?
Sicher ist der Wert aus den naturgegebenen Eigenschaften eines Gegenstandes nicht unmittelbar zu gewinnen. Das ist für alle höheren Formen des Wertes sofort einleuchtend. Man muß dabei gar nicht an so »vergeistigte« Werte wie die ästhetischen oder ethischen denken; schon am Anfang des ökonomischen Verkehrs des Menschen, bei der Entstehung des Tauschwerts stellt Marx, wie wir seinerzeit gezeigt haben, sein nichtnaturhaftes Wesen fest: »Bisher hat noch kein
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Chemiker Tauschwert in Perle oder Diamant entdeckt.« Gegenwärtig haben wir es freilich noch mit einer elementareren Erscheinungsweise des Wertes zu tun, mit dem Gebrauchswert, bei dem eine unaufhebbare Gebundenheit an das naturhafte Dasein vorhanden ist. Er wird Gebrauchswert, indem er für das Leben der Menschen nützlich ist. Da es sich dabei um den Übergang aus dem bloß naturhaften Sein ins gesellschaftliche dreht, sind, wie Marx zeigt, Grenzfälle möglich, wo ein Gebrauchswert vorhanden ist, ohne Produkt der Arbeit zu sein. »Es ist dies der Fall«, sagt Marx, »wenn sein Nutzen für den Menschen nicht durch Arbeit vermittelt ist. So Luft, jungfräulicher Boden, natürliche Wiesen, wildwachsendes Holz usw.« Wenn wir dabei die Luft ausnehmen, die tatsächlich einen Grenzfall vorstellt, so sind alle anderen Gegenstände wertvoll als Grundlagen einer späteren nützlichen Arbeit, als Möglichkeiten für das Schaffen von Arbeitsprodukten. (Wir haben schon früher darauf hingewiesen, daß wir auch das Sammeln von Naturprodukten als eine Anfangsform der Arbeit betrachten; ein genaues Hinsehen auf seine Beschaffenheit zeigt gleich, daß alle objektiven und subjektiven Kategorien der Arbeit auch im Sammeln keimhaft nachzuweisen sind.) Wir können deshalb, ohne von der Wahrheit abzuweichen, in so allgemeinen Betrachtungen die Gebrauchswerte, die Güter, als konkrete Produkte der Arbeit auffassen. Das hat zur Folge, daß wir im Gebrauchswert eine objektive gesellschaftliche Gegenständlichkeitsform erblicken können. Ihre Gesellschaftlichkeit ist in der Arbeit begründet: Die überwältigende Mehrzahl der Gebrauchswerte ist durch Arbeit, durch Verwandlung der Gegenstände, der Umstände, der Wirksamkeit etc, der Naturobjekte entstanden, und dieser Prozeß entfaltet sich, als Zurückweichen der Naturschranke, mit der Entwicklung der Arbeit, mit ihrer Gesellschaftlichkeit immer mehr sowohl in die Breite wie in die Tiefe. (Heute hat sogar die Luft durch Entstehen von Hotels, Sanatorien etc. einen Tauschwert.)
So stellen die Gebrauchswerte, die Güter, eine gesellschaftliche Gegenständlichkeitsform vor, die sich nur darin von den anderen Kategorien der Ökonomie unterscheidet, daß sie als Objektivierung des Stoffwechsels der Gesellschaft mit der Natur ein Charakteristikum sämtlicher gesellschaftlicher Formationen, aller ökonomischen Systeme ist, daß sie - in ihrer Allgemeinheit betrachtet - keinerlei historischer Wandlung unterworfen ist; natürlich ändern sich dabei die konkreten Erscheinungsweisen ununterbrochen, auch innerhalb derselben Formation. Zweitens ist der Gebrauchswert innerhalb dieses Rahmens etwas Objektives.
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Ganz abgesehen davon, daß in der Entwicklung der Gesellschaftlichkeit der Arbeit die Anzahl jener Gebrauchswerte, die nur vermittelt der unmittelbaren Bedürfnisbefriedigung dienen, ständig zunimmt - man vergesse nie, daß, wenn etwa ein Kapitalist eine Maschine kauft, er ihren Gebrauchswert erwerben will -ist die Nützlichkeit, die einen Gegenstand zum Gebrauchswert macht, auch in der Anfangszeit der Arbeit mit weitgehender Genauigkeit feststellbar. Daß diese Nützlichkeit einen teleologischen Charakter hat, Nützlichkeit für bestimmte konkrete Zwecke, hebt diese Objektivität nicht auf. Der Gebrauchswert entsteht also nicht als einfache Resultante von subjektiven, bewertenden Akten, sondern diese machen bloß die objektive Nützlichkeit des Gebrauchswerts bewußt; ihre Richtigkeit oder Irrigkeit bewährt sich in der objektiven Beschaffenheit des Gebrauchswerts, nicht umgekehrt.
Nützlichkeit als Eigenschaft der Dinge scheint auf den ersten Anblick etwas Paradoxes zu sein. Die Natur kennt diese Kategorie überhaupt nicht, bloß den kausal bedingten kontinuierlichen Prozeß des Anderswerdens. Nur in den Theodizeen konnten so abgeschmackte Bestimmungen vorkommen, daß es etwa die »Nützlichkeit« des Hasen wäre, Nahrungsmittel für den Fuchs zu sein usw. Denn Nützlichkeit kann nur auf eine teleologische Setzung bezogen die Seinsart irgendeines Gegenstandes bestimmen, nur in diesem Verhältnis gehört es zu seinem Wesen als eines Seienden, nützlich oder sein Gegensatz zu sein. In der Philosophie mußte daher nicht nur die ontologische Rolle der Arbeit begriffen werden, sondern auch ihre Funktion in der Konstituierung des gesellschaftlichen Seins als neue und selbständige Seinsart, um zu einer wirklichkeitsgemäßen Fragestellung zu gelangen. Es ist deshalb methodologisch leicht verständlich, daß Weltbilder, die von einem angeblich teleologischen Charakter der gesamten Wirklichkeit ausgingen, die Charakteristik der Gegenstände in Natur und Gesellschaft auf das Geschaffensein von dem transzendenten Weltschöpfer zurückführten und durch dessen Objektivität zu begründen versuchten. So sagt Augustin über die Dinge: »Sie sind, weil sie von Dir geschaffen sind, sind aber nicht, weil sie nicht sind, was Du bist. Denn nur das ist wirklich, was unveränderlich bleibt.« Das Sein der Dinge drückt also ihren Wertcharakter als Geschaffenheit von Gott aus, während ihr Verderben ihre nichtseienden Momente aufzeigt. In diesem Sinne ist »alles, was existiert, gut«; das Böse, das Übel »ist kein wirkliches Ding« . Natürlich ist dies nur ein besonderer Fall solcher kosmisch-theologischen Begründungen der Objektivität der Dinge und mit diesen und durch sie der Werte. Wir können hier auf die unter sich sehr
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verschiedenen Varianten solcher Positionen nicht eingehen, wir stellen bloß fest, daß die Objektivität auch hier aus der Arbeit - freilich aus deren transzendenter Hypostasierung als Schöpfung - abgeleitet wird. Daraus folgt jedoch, daß einerseits, noch ausgeprägter als in allgemein idealistischen Weltbildern, die komplizierten, vergeistigteren Werte in einem mehr oder weniger schroffen Gegensatz zu den materiellen, irdischen geraten und es von der Setzungsart jener abhängt, ob diese einfach ihnen untergeordnet oder - asketisch - geradezu verworfen werden. Wir werden in der Ethik sehen, daß hinter allen solchen Bewertungen reale Widersprüchlichkeiten des gesellschaftlichen Seins stecken; auf die Details solcher Problemkomplexe kann aber hier noch nicht eingegangen werden.
Jedenfalls entsteht dabei eine - freilich transzendent verzerrte - objektivistische Beantwortung der Wert- und Güterprobleme. Wegen ihrer transzendent-theologischen Begründung ist es verständlich, daß die mit der Renaissance entstandene antireligiöse Weltanschauungsopposition das Gewicht auf die subjektiven Wertungsakte legte. So sagt Hobbes: »Gut nennt der Mensch jedweden Gegenstand seiner Neigung, böse aber alles, was er verabscheut und haßt, schlecht das, was er verachtet. Es müssen also die Ausdrücke gut, böse und schlecht mit Bezug auf den, der sie gebraucht, verstanden werden; denn nichts ist durch sich selbst gut, böse oder schlecht, und der Bestimmungsgrund dazu liegt nicht in der Natur der Dinge selbst, sondern er muß von dem, der dieselben gebraucht,
abhängen.« Sehr ähnlich Spinoza: »Was das Gute und das Schlechte anlangt, so bezeichnen diese Ausdrücke auch nichts Positives in den Dingen, wenn man die Dinge nämlich an sich selbst betrachtet... Denn ein und dasselbe Ding kann zu derselben Zeit gut und schlecht und auch indifferent sein.« Diese bedeutenden Oppositionsbewegungen gegen die teleologische Transzendenz der Wertauffassung erreichen ihren philosophischen Gipfelpunkt in der Aufklärung; wir finden bei den Physiokraten und den englischen Ökonomen des 18.Jahrhunderts die ersten Versuche ihrer ökonomischen Begründung, die ihre konsequenteste, aber zugleich flachste und geistloseste Form bei Bentham erhalten hat.
Die Betrachtung dieser beiden Extreme ist für unsere ontologische Fragestellung darum lehrreich, weil in beiden gesellschaftlich reale Wertsysteme als wertlos oder unwichtig diffamiert werden, um eine autochthone Wertgeltung nur in den subtil geistigen bzw. unmittelbar materiellen Werten aufzufinden. Daß in beiden
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Systemen Werte auf dem gleichen Niveau, jedoch mit verschiedenen Inhalten, ebenfalls verworfen werden (Beispiel: der Manichäismus von Augustin), ändert nichts an diesem Tatbestand. Denn bei beiden Extremen kommt es darauf an, die letzthinnige Einheitlichkeit des Werts als realen Faktor des gesellschaftlichen Seins, unbeschadet seiner qualitativen, höchst bedeutsamen Strukturwandlungen im Laufe der Entwicklung der Gesellschaft, zu leugnen. Das tertium datur diesen beiden Extremen gegenüber kann bloß die dialektische Methode bieten. Denn nur in dieser ist es möglich, klarzulegen, daß in der ontologischen Genesis einer neuen Seinsart deren ausschlaggebende Kategorien bereits enthalten sind - darum bedeutet ihr Entstehen einen Sprung in der Entwicklung -, daß diese aber anfangs nur an sich vorhanden sind und die Entfaltung des Ansich zum Fürsich immer ein langwieriger, ungleichmäßiger und widerspruchsvoller historischer Prozeß sein muß. Diese Aufhebung des Ansich durch seine Verwandlung in ein Fürsich enthält die komplizierten, formallogisch einander auszuschließen scheinenden Bestimmungen von Vernichten, Aufbewahren, Auf-ein-höheres-Niveau-Heben. Darum ist es notwendig, bei dem Vergleich von primitiven und entwickelten Formen auch des Werts, an diesem komplizierten Charakter der Aufhebung festzuhalten. Die Aufklärung irrte, wenn sie - oft sophistisch, oft, gedeihlich gesprochen, im Schweiße ihres Angesichts - bemüht war, etwa die höchsten Tugenden aus der bloßen Nützlichkeit abzuleiten. Das ist in direkter Weise unmöglich. Das bedeutet aber nicht, daß das dialektische Prinzip des Aufbewahrens dabei keine Rolle spielen würde. Hegel, der, wie wir gesehen haben, oft idealistischen Vorurteilen zum Opfer fiel, hat schon in der »Phänomenologie des Geistes« den Versuch gemacht, die objektiv vorhandenen Widersprüchlichkeiten der Aufklärung in der Frage der Nützlichkeit als fundamentalen Werts zur Grundlage der bewußten Widerspruchslehre der eigenen Dialektik zu machen. Diese ontologisch gesunde Tendenz ist bei ihm nie völlig verlorengegangen. In seiner »Geschichte der Philosophie« kommt er z.B. auf die Behandlung der Nützlichkeit bei den Stoikern zu sprechen und zeigt mit nüchterner Kritik, wie falsch die »vornehme« Ablehnung dieser Kategorien seitens des Idealismus ist, wie sie sich in den höheren Wertformen der Praxis doch - als aufgehobenes Moment - bewahren kann und muß. Hegel sagt hier: »Was die Nützlichkeit betrifft, so braucht die Moral nicht so spröde dagegen zu tun; denn jede gute Handlung ist in der Tat nützlich, d.h. eben, sie hat Wirklichkeit, bringt etwas Gutes hervor. Eine gute Handlung, die nicht nützlich ist, ist keine Handlung, hat keine Wirklichkeit. Das Unnützliche an sich des Guten ist die Abstraktion desselben als einer Nichtwirklichkeit. Man darf nicht nur, sondern muß auch das Bewußtsein der Nützlichkeit haben; denn es ist wahr, daß das Gute nützlich ist zu
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wissen. Die Nützlichkeit heißt nichts anderes, als wissen, was man tut, Bewußtsein über die Handlung zu haben.«
Wir müssen also bei der ontologischen Genesis des Werts davon ausgehen, daß in der Arbeit als Produktion von Gebrauchswerten (Gütern) die Alternative von brauchbar oder unbrauchbar für die Bedürfnisbefriedigung als Problem der Nützlichkeit, als aktives Element des gesellschaftlichen Seins gesetzt ist. Will man also an die Frage der Objektivität des Wertes herantreten, so kann man sofort sehen, daß er eine Bejahung der richtigen teleologischen Setzung beinhaltet, besser gesagt: Die Richtigkeit der teleologischen Setzung - die richtige Verwirklichung vorausgesetzt - bedeutet eine jeweilig konkrete Realisierung des jeweiligen Werts. Die Konkretheit im Wertverhältnis muß besonders unterstrichen werden. Denn zu den Elementen der idealistischen Fetischisierung der Werte gehört die abstrakte Überspannung ihrer Objektivität, nach dem Muster der uns bereits bekannten Überspannung der Ratio. Wir müssen daher auch beim Wert seinen gesellschaftlich ontologischen »Wenn... dann«-Charakter hervorheben; ein Messer ist wertvoll, wenn es gut schneiden kann etc. Die Verallgemeinerung, daß der produzierte Gegenstand nur so weit wertvoll ist, als er der Bedürfnisbefriedigung richtig, möglichst optimal, zu dienen imstande ist, hebt diese Struktur des »wenn.
dann« nicht in eine abstrakt-absolute Sphäre, sie faßt nur das Verhältnis des »wenn ... dann« in einer auf Gesetzlichkeit gerichteten Abstraktion auf. In diesem Sinne ist der Wert, der in der Arbeit als Gebrauchswert reproduzierendem Prozeß erscheint, fraglos objektiv Nicht nur, weil das Produkt an der teleologischen Setzung gemessen werden kann, sondern diese selbst kann in ihrem »Wenn... dann«-Verhältnis zur Bedürfnisbefriedigung als objektiv vorhanden, als geltend nachgewiesen und überprüft werden. Es kann also hier keine Rede davon sein, daß die Wertungen als einzelne Setzungen den Wert als solchen konstituieren würden. Im Gegenteil. Der im Prozeß erscheinende, ihm eine gesellschaftliche Gegenständlichkeit verleihende Wert ist es, der darüber entscheidet, ob die Alternative in der teleologischen Setzung und ihrer Verwirklichung dem Wert angemessen, also richtig, also wertvoll gewesen ist.
Natürlich ist hier, wie schon früher beim Sollen, die Gesamtlage weitaus einfacher und eindeutiger als bei den komplizierteren Formen, die nicht mehr ausschließlich der Sphäre des Stoffwechsels der Gesellschaft mit der Natur angehören, die vielmehr, diese Sphäre als Grundlage stets voraussetzend, in einer gesellschaftlich gewordenen Welt wirksam sind. Auch dieser Fragenkomplex kann in angemessener Weise erst in späteren Zusammenhängen behandelt werden; wir wählen hier
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nur ein Beispiel, um Art und Richtung der neu entstehenden Vermittlungen und Verwirklichungen methodologisch aufzuzeigen. Nehmen wir in der allgemeinsten Form das, was Marx die »Metamorphose der Waren« nennt, den einfachen Kauf und Verkauf der Waren. Damit ein Warenverkehr auf Grundlage von Tauschwert und Geld überhaupt möglich werde, muß eine Arbeitsteilung in der Gesellschaft vorhanden sein. Jedoch, sagt Marx: »Die gesellschaftliche Teilung der Arbeit macht seine (des Warenbesitzers, G. L.) Arbeit ebenso einseitig als seine Bedürfnisse vielseitig.« Diese elementare und widerspruchsvolle Konsequenz der Arbeitsteilung schafft eine Lage, in der die sachlich zusammengehörenden Akte, Kauf und Verkauf, praktisch auseinanderfallen, voneinander selbständig, einander gegenüber zufällig werden, »keiner braucht unmittelbar zu kaufen, weil er selbst verkauft hat«, sagt Marx. Man sieht also: »Daß die selbständig einander gegenübertretenden Prozesse eine innere Einheit bilden, heißt ebensosehr, daß ihre innere Einheit sich in äußeren Gegensätzen bewegt.« Und Marx weist an dieser Stelle darauf hin, daß in dieser Form »die Möglichkeit, aber auch nur die Möglichkeit der Krisen« enthalten ist. (Ihre Wirklichkeit erfordert freilich Verhältnisse, die auf dem Niveau der einfachen Warenzirkulation noch gar nicht existieren können.)
Schon die Erwähnung dieser wenigen, freilich wichtigen Momente zeigt, um wieviel der reale, immer gesellschaftlicher werdende ökonomische Prozeß komplizierter ist als die einfache Arbeit, die unmittelbare Produktion von Gebrauchswerten. Das schließt aber die Objektivität der hier entstehenden Werte keineswegs aus. Auch die komplizierteste Ökonomie ist eine Resultante von einzelnen teleologischen Setzungen, von ihren Verwirklichungen, beide in der Form von Alternativen. Natürlich ergibt die Gesamtbewegung jener Kausalketten, die sie ins Leben rufen, durch ihre unmittelbaren und vermittelten Wechselwirkungen hindurch eine gesellschaftliche Bewegung, deren letzthinnige Bestimmungen sich zu einer prozessierenden Totalität zusammenfassen. Diese ist aber für die setzenden und sich alternativ entscheidenden einzelnen ökonomischen Subjekte von einer bestimmten Stufe an nicht mehr so unmittelbar zu erfassen, daß sie ihre Entscheidungen mit voller Sicherheit auf den Wert orientieren könnten, wie dies bei der einfachen, Gebrauchswerte schaffenden Arbeit der Fall war. Die Menschen können ja in den meisten Fällen kaum die Konsequenzen ihrer eigenen Entschlüsse richtig verfolgen. Wie könnten also ihre Wertsetzungen den ökonomischen Wert konstituieren? Der Wert selbst ist aber doch objektiv da, und gerade seine Objektivität bestimmt - wenn auch objektiv nicht mit adäquater Gewißheit,
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subjektiv nicht mit adäquater Bewußtheit - auch die einzelnen teleologischen, auf den Wert gerichteten Setzungen.
Wie die immer komplizierter werdende gesellschaftliche Arbeitsteilung aus sich heraus Werte produziert, haben wir teilweise schon im Marx-Kapitel angedeutet, und wir werden auf diese Frage noch öfters zurückkommen. Hier sei nur darauf hingewiesen, daß die durch den Tauschwert vermittelte und in Gang gebrachte Arbeitsteilung das Prinzip der Beherrschung der Zeit durch ihre innere bessere Ausnützung produziert. »Ökonomie der Zeit«, sagt Marx, »darein löst sich schließlich alle Ökonomie auf. Ebenso muß die Gesellschaft ihre Zeit zweckmäßig einteilen, um eine ihren Gesamtbedürfnissen gemäße Produktion zu erzielen; wie der Einzelne seine Zeit richtig einteilen muß, um sich Kenntnisse in angemeßnen Proportionen zu erwerben oder um den verschiednen Anforderungen an seine Tätigkeit Genüge zu leisten. Ökonomie der Zeit, sowohl wie planmäßige Verteilung der Arbeitszeit auf die verschiednen Zweige der Produktion, bleibt also erstes ökonomisches Gesetz auf Grundlage der gemeinschaftlichen Produktion.« Marx spricht hier davon als von dem Gesetz der gesellschaftlichen Produktion. Mit Recht, denn die kausalen Wirkungen der verschiedenen Erscheinungen fassen sich zu einem solchen Gesetz zusammen, wirken dadurch bestimmend auf die Einzelakte zurück, und der Einzelne muß sich, bei Strafe des Untergangs, diesem Gesetz anpassen.
Ökonomie der Zeit bedeutet aber zugleich ein Wertverhältnis. Schon die einfache, nur auf Gebrauchswert gerichtete Arbeit war ein Unterwerfen der Natur durch den Menschen, für den Menschen, sowohl in ihrer Umformung nach seinen Bedürfnissen wie in der Erlangung der Herrschaft über seine eigenen, bloß naturhaften Instinkte und Affekte und dadurch vermittelt in der beginnenden Ausbildung seiner spezifisch menschlichen Fähigkeiten. Das objektive Gerichtetsein der ökonomischen Gesetzlichkeit auf Zeitersparnis setzt unmittelbar die jeweils optimale Arbeitsteilung in der Gesellschaft durch, führt also jeweils das Entstehen eines gesellschaftlichen Seins auf höherem Niveau der immer reiner werdenden Gesellschaftlichkeit herbei. Diese Bewegung ist also objektiv, unabhängig davon, wie die Beteiligten sie auffassen, ein Schritt zur Verwirklichung der gesellschaftlichen Kategorien aus ihrem anfänglichen Ansichsein in ein immer reicher bestimmtes, immer effektiveres Fürsichsein. Die adäquate Verkörperung dieses Fürsichseins der entfalteten, zu sich gekommenen Gesellschaftlichkeit ist aber der Mensch selbst. Nicht das abstrakte, nie und nirgendwo existierende Idol eines isolierten Menschen überhaupt, sondern der Mensch in seiner konkreten
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gesellschaftlichen Praxis, der Mensch, der mit seinen Taten, in seinen Taten das Menschengeschlecht verkörpert, zur Wirklichkeit macht. Marx hat diesen Zusammenhang zwischen Ökonomie und zwischen dem, was das ökonomische Leben in den Menschen selbst hervorbringt, stets klar gesehen. In gedanklich unmittelbarem Anschluß an die soeben zitierte Stelle über die Ökonomie der Zeit als Wertprinzip des Ökonomischen schreibt er: »Die wirkliche Ökonomie
besteht in Ersparung von Arbeitszeit;
diese Ersparung [ist] aber identisch mit Entwicklung der Produktivkraft. Also keineswegs Entsagen vom Genuß, sondern Entwickeln von power, von Fähigkeiten zur Produktion und daher sowohl der Fähigkeiten, wie der Mittel des Genusses. Die Fähigkeit des Genusses ist Bedingung für denselben, also erstes Mittel desselben und diese Fähigkeit ist Entwicklung einer individuellen Anlage, Produktivkraft. Die Ersparung von Arbeitszeit gleich Vermehren der freien Zeit, d.h. Zeit für die volle Entwicklung des Individuums, die selbst wieder als die größte Produktivkraft zurückwirkt auf die Produktivkraft der Arbeit.« Über die konkreten Probleme, die Marx hier aufwirft, besonders über die Beziehung der Muße zur Produktivkraft der Arbeit, können wir erst im letzten Kapitel eingehend sprechen.
Für Marx selbst sind an dieser Stelle nicht die einzelnen Probleme, die dabei auftauchen, in erster Reihe bedeutsam, sondern der allgemein notwendige untrennbare Zusammenhang der objektiv ökonomischen Entwicklung mit der des Menschen. Die ökonomische Praxis wird von den Menschen - in alternativen Akten vollzogen, ihre Totalität bildet aber einen objektiv dynamischen Komplex, dessen Gesetze, über das Wollen eines jeden einzelnen Menschen hinausgehend, ihm als seine objektive gesellschaftliche Wirklichkeit in aller Härte, die die Wirklichkeit charakterisiert, gegenüberstehen, in ihrer objektiv prozessierenden Dialektik jedoch den gesellschaftlichen Menschen auf immer höherer Stufe produzieren und reproduzieren; genauer gesagt: sowohl jene Beziehungen, die die Höherentwicklung des Menschen ermöglichen, wie im Menschen selbst jene Fähigkeiten, die solche Möglichkeiten in Wirklichkeit verwandeln, produzieren und reproduzieren. Darum kann Marx seine von uns eben angeführten Bestimmungen so fortführen: »Betrachten wir die bürgerliche Gesellschaft im großen und ganzen, so erscheint immer als letztes Resultat des gesellschaftlichen Produktionsprozesses die Gesellschaft selbst, d.h. der Mensch selbst in seinen gesellschaftlichen Beziehungen. Alles, was feste Form hat, wie Produkt etc., erscheint nur als Moment, verschwindendes Moment in dieser Bewegung. Der unmittelbare Produktionsprozeß selbst erscheint hier nur als Moment. Die Bedingungen und
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Vergegenständlichungen des Prozesses sind selbst gleichmäßig Momente desselben, und als die Subjekte desselben erscheinen nur die Individuen, aber die Individuen in Beziehungen aufeinander, die sie ebenso reproduzieren, wie neuproduzieren. Ihr eigner beständiger Bewegungsprozeß, in dem sie sich ebensosehr erneuern, als die Welt des Reichtums, die sie schaffen.« Es ist interessant, diese Darstellung mit der früher von uns zitierten Hegelschen zu vergleichen, in der dieser die Arbeitsinstrumente als das objektiv dauernde Moment an der Arbeit, im Gegensatz zur Vergänglichkeit der durch sie ermöglichten jeweiligen Bedürfnisbefriedigung, hervorhebt. Der unmittelbar auffallende Gegensatz beider Aussprüche ist aber doch nur ein scheinbarer. Hegel hat, den Akt der Arbeit selbst analysierend, im Werkzeug ein für die gesellschaftliche Entwicklung dauernd wirksames Moment hervorgehoben, eine entscheidend wichtige Vermittlungskategorie, infolge welcher der einzelne Arbeitsakt über seine Einzelheit hinausgeht und welche ihn selbst zu einem Moment der gesellschaftlichen Kontinuität erhebt. Hegel gibt also eine erste Andeutung darüber, wie der Arbeitsakt zum Moment der gesellschaftlichen Reproduktion werden kann. Marx betrachtet dagegen den ökonomischen Prozeß in seiner entfalteten dynamischen Totalität, und in dieser muß der Mensch als Anfang und Ende, als Initiator und Endergebnis des Gesamtprozesses erscheinen, wobei er zwar oft - und in seiner Einzelheit immer - in dessen Fluten zu verschwinden scheint, aber allem noch so begründeten Schein zum Trotz das wirkliche Wesen dieses Prozesses ausmacht.
Die Objektivität des ökonomischen Werts ist im Wesen der Arbeit als Stoffwechsel zwischen Gesellschaft und Mensch begründet, die objektive Wirklichkeit seines Wertcharakters weist aber über diesen elementaren Zusammenhang weit hinaus. Schon die Urform der Arbeit, die die Nützlichkeit als Wert ihres Produktes setzt, bezieht sich zwar unmittelbar auf die Bedürfnisbefriedigung, sie setzt aber im Menschen, der sie vollbringt, bereits einen Prozeß in Gang, dessen objektive Intention - einerlei, wie weit diese angemessen bewußt wird - auf die reale Ausbildung der Höherentwicklung des Menschen gerichtet ist. So entsteht im ökonomischen Wert eine qualitative Steigerung jenem Wert gegenüber, der mit der einfachen, Gebrauchswerte produzierenden Tätigkeit bereits immanent gegeben war. Es entsteht dabei ein widerspruchsvolle Doppelbewegung: Einerseits erfährt der Nützlichkeitscharakter des Werts eine Steigerung ins Universelle, ins Beherrschen des ganzen menschlichen Lebens, und dies simultan mit einem Immer-abstrakter-Werden der Nützlichkeit, indem der stets vermittelte, zur
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Allgemeinheit erhobene, in sich widerspruchsvolle Tauschwert im gesellschaftlichen Verkehr der Menschen miteinander die führende Rolle übernimmt. Dabei darf freilich nie vergessen werden, daß das Geltendwerden des Tauschwerts immer seine Basiertheit auf dem Gebrauchswert voraussetzt. Das Neue ist also eine widerspruchsvolle, dialektische Entfaltung der in der Genesis bereits vorhandenen ursprünglichen Bestimmungen, nie ihre einfache abstrakte Negation. Andererseits ist diese Entwicklung selbst, die zum Schaffen wirklich gesellschaftlicher Formationen wie Kapitalismus und Sozialismus geführt hat, in sich selbst, in höchst bedeutsamer und fruchtbarer Weise, widerspruchsvoll: Die entfaltete Gesellschaftlichkeit der Produktion bringt ein immanent auf sich gestelltes, in sich geschlossenes System des Ökonomischen hervor, in welchem eine reale Praxis nur auf Grundlage des Gerichtetseins auf immanent ökonomische Zielsetzungen und Mittelerforschungen möglich ist. Das Entstehen des Terminus »homo oeconomicus« ist durchaus kein Zufall, noch bloßes Mißverständnis; er drückt das unmittelbar notwendige Verhalten des Menschen in einer Welt der gesellschaftlich gewordenen Produktion angemessen und plastisch aus. Freilich nur das unmittelbare Verhalten. Denn wir haben sowohl im Marx-Kapitel wie in den gegenwärtigen Betrachtungen feststellen müssen, daß es keine ökonomischen Akte geben kann - von der ursprünglichen Arbeit bis zur rein gesellschaftlichen Produktion -, denen nicht zugleich eine ihnen ontologisch immanente Intention auf das Menschwerden des Menschen im weitesten Sinne, also von der Genesis bis zur Entfaltung, zugrunde liegen würde. Diese ontologische Beschaffenheit der ökonomischen Sphäre wirft ein Licht auf ihre Beziehung zu den anderen Bereichen der menschlichen Praxis. Der Ökonomie kommt dabei, wie wir in anderen Zusammenhängen wiederholt gesehen haben, die ontologisch primäre, fundierende Funktion zu. Und obwohl auch dies bereits öfter dargelegt wurde, scheint uns nicht überflüssig, hier nochmals hervorzuheben: In dieser ontologischen Priorität ist keinerlei Werthierarchie enthalten, Sie betont bloß den schlichten, seinsmäßigen Tatbestand, daß eine bestimmte Form des Seins die unaufhebbare ontologische Grundlage des anderen bildet, und nicht umgekehrt noch wechselseitig. Eine solche Feststellung ist an sich völlig wertfrei. Nur in der Theologie und im theologisch gefärbten Idealismus repräsentiert die ontologische Priorität zugleich die höhere Wertmäßigkeit.
Mit dieser ontologischen Grundanschauung ist auch die Richtung und die Methode angegeben, wie man innerhalb einer Seinssphäre die Entwicklung der höheren (komplizierteren, weiter vermittelten) Kategorien sowohl kontemplativer wie praktischer Art aus den einfacheren, fundierenden genetisch zu erfassen hat. Abzulehnen ist sowohl jede »logische Ableitung« des Aufbaus, der Anord-
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nung der Kategorien (hier: der Werte), ausgehend von ihrem abstrakt erfaßten Allgemeinbegriff. Denn dadurch würden Zusammenhänge und Beschaffenheiten, deren Eigenart ontologisch real in ihrer gesellschaftlich-geschichtlichen Genesis fundiert ist, den Anschein einer begrifflich-systematischen Hierarchie erhalten, die infolge dieser Diskrepanz zwischen echtem Sein und angeblich bestimmendem Begriff ihr konkretes Wesen, ihre konkrete Wechselwirkung nur verfälschen könnte. Ebenso abzulehnen ist die vulgärmaterialistische Ontologie, die die komplizierten Kategorien einfach als mechanische Produkte der elementarfundierenden faßt und dadurch sich selbst einerseits jedes Verständnis der Besonderheit jener versperrt, andererseits zwischen ihnen eine falsche, angeblich ontologische Hierarchie schafft, wonach nur diesen ein Sein im eigentlichen Sinne zukommen könnte. Die Ablehnung beider derartig falschen Auffassungen ist besonders wichtig, wenn wir die Beziehung des ökonomischen Werts zu den anderen Werten der gesellschaftlichen Praxis (und zu dem mit ihr aufs engste verbundenen theoretischen Verhalten) richtig begreifen wollen. Wir haben gesehen, daß der Wert untrennbar mit dem alternativen Charakter der gesellschaftlichen Praxis zusammenhängt. Die Natur kennt keinen Wert, nur Kausalzusammenhänge und durch sie hervorgebrachte Wandlungen, Andersheiten der Dinge, Komplexe etc. Die effektive Rolle des Werts in der Wirklichkeit ist daher auf das gesellschaftliche Sein beschränkt. Wir haben gezeigt, wie die Alternativen in der Arbeit und in der ökonomischen Praxis auf Werte orientiert sind, die keineswegs bloße Resultate, Zusammenfassungen etc. der einzelnen subjektiven Werte vorstellen, sondern im Gegenteil in ihrer Objektivität innerhalb des gesellschaftlichen Seins über die Richtigkeit oder Falschheit der wertgerichteten Alternativsetzungen entscheiden.
Wir haben in unseren früheren Betrachtungen darauf hingewiesen, daß der entscheidende Unterschied zwischen den ursprünglichen Alternativen in der bloß auf Gebrauchswert gerichteten Arbeit und der auf höherer Stufe sich vor allem darauf gründet, daß jene Natur selbst umformende teleologische Setzungen enthält, während in dieser das Ziel in erster Reihe die Einwirkung auf das Bewußtsein anderer Menschen ist, um sie zu gewünschten teleologischen Setzungen zu veranlassen. Das Gebiet der gesellschaftlich entfalteten Ökonomie enthält Wertsetzungen beider Art in vielfachen Verflechtungen, wobei auch die ersteren in einem solchen Komplex, ohne ihr ursprüngliches Wesen zu verlieren, variierenden Änderungen unterworfen werden. Damit ist im Bereich der Ökonomie bereits eine größere Komplexität des Werts und der Wertsetzungen entstanden. Wenn wir jedoch auf die nichtökonomischen Gebiete übergehen, so stehen wir noch größeren, qualitativ vielfach anders gewordenen Fragen gegenüber. Das
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bedeutet keineswegs, daß die Kontinuität des gesellschaftlichen Seins aufhören würde, dazusein und ständig wirksam zu werden. Es ist einerseits klar, daß bestimmte, im Laufe der Geschichte sich zur Selbständigkeit entwickelnde Arten und Regelungen der gesellschaftlichen Praxis ihrem Wesen nach bloße Vermittlungsformen sind und ursprünglich auch als solche entstanden, um die gesellschaftliche Reproduktion besser zu regeln; man denke an die Rechtssphäre im weitesten Sinne des Wortes. Wir haben aber gesehen, daß diese vermittelnde Funktion, eben um ihre Aufgabe optimal zu erfüllen, eine von der Ökonomie selbständige, ihr gegenüber heterogen strukturierte Verfassung erhalten muß. Es wird hier wieder sichtbar, daß sowohl das idealistische Fetischisieren, das aus der Rechtssphäre etwas völlig auf sich selbst Gestelltes machen will, wie der vulgäre Materialismus, der diesen Komplex mechanisch aus der ökonomischen Struktur ableiten will, an den eigentlichen Problemen vorbeigehen müssen. Es ist gerade die objektiv gesellschaftliche Abhängigkeit des Rechtsbereichs von der Ökonomie, verbunden mit ihrer dadurch hervorgebrachten Heterogenität ihr gegenüber, die in ihrer dialektischen Simultaneität die Eigenart und die gesellschaftliche Objektivität des Werts bestimmen. Andererseits haben wir sowohl im Marx-Kapitel wie auch hier gesehen, daß die rein ökonomischen Setzungen unmöglich praktisch vollzogen werden können, ohne in den Einzelmenschen, in ihren Beziehungen zueinander etc. - bis hinauf zur realen Entstehung der Menschengattung - menschliche Fähigkeiten wachzurufen und zu entwickeln (unter Umständen freilich bloß deren Möglichkeit im Sinne der Aristotelischen Dynamis), die in ihren Konsequenzen weit über das rein Ökonomische hinausgehen, die aber dennoch nie - wie sich dies der Idealismus vorstellt - den Boden des gesellschaftlichen Seins verlassen können. Jede Utopie ist in ihrem Inhalt und ihrer Richtung von jener Gesellschaft bestimmt, die sie verwirft; jedes ihrer geschichtlich-menschlichen Gegenbilder bezieht sich auf eine bestimmte Erscheinung des gesellschaftlich-geschichtlich seienden hic et nunc. Es gibt kein menschliches Problem, das letzthin nicht von der realen Praxis des gesellschaftlichen Lebens ausgelöst und zutiefst bestimmt wäre.
Die Gegensätzlichkeit ist hier nur ein wichtiges Moment der Zusammengehörigkeit. Wir haben bereits im Marx-Kapitel ausführlich darüber gesprochen, daß die großartigsten menschlichen Ergebnisse der menschlichen Entwicklung oft - und keineswegs zufällig - in solchen gegensätzlichen Formen in Erscheinung treten und dadurch, objektiv gesellschaftlich, die Quelle unabweislicher Wertkonflikte
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werden. Man denke etwa an die dort angeführte Geschichte der einzig echten und wirklichen Entstehung des Menschengeschlechts. Gerade weil die sich in der Ökonomie vollziehende Entwicklung ihrer Totalität nach keine teleologisch gesetzte ist, sondern trotz ihrer Grundlage in den einzelnen teleologischen Setzungen der Einzelmenschen aus spontan notwendigen Kausalketten besteht, können die in ihnen historisch jeweils konkret notwendigen Erscheinungsweisen die schärfsten Gegensätze zwischen objektiv ökonomischem - und darum objektiv menschheitlichem - Fortschritt und seinen menschlichen Folgen zum Ausdruck bringen. (Es ist vielleicht überflüssig, zu wiederholen, daß nach unserer Anschauung die Erscheinungswelt einen seienden Teil der gesellschaftlichen Wirklichkeit bildet.) Von der Auflösung des Urkommunismus bis zu den gegenwärtigen Formen der Manipulation begegnet uns diese Gegensätzlichkeit überall in der Geschichte. Es kann dabei sogleich beobachtet werden, daß, während die alternative Stellungnahme zur ökonomischen Entwicklung selbst, beinahe nach dem Modell der einfachen Arbeit, weitgehend eindeutig ist, bei den moralischen Stellungnahmen zu den das Leben bestimmenden Folgen der Ökonomie ein Antagonismus der Werte zu herrschen scheint. Das hat seinen Grund darin, daß, wo der ökonomisch-gesellschaftliche Prozeß mit kausalgesetzlich bestimmter Eindeutigkeit sich fortschrittlich bewegt, die Alternativreaktionen auf ihn ebenfalls eine - unmittelbare - Werteindeutigkeit hervorrufen müssen. Balzac, als der tiefste Historiker der Entwicklung des Kapitalismus in Frankreich, zeigt im Verhalten seines Birotteaus das Versagen den damals gegenwärtigen Usancen des Kapitalismus gegenüber, und, obwohl dessen psychologisch-moralische Motive achtenswerter Art sind, bleibt das Versagen doch etwas wertmäßig Negatives, während, daß sein Gehilfe und tüchtiger Schwiegersohn Popinot dieselben ökonomischen Probleme zu lösen imstande ist, mit Recht eine positive Wertung erfährt. Es ist nicht zufällig und für den Klarblick Balzacs charakteristisch, daß er in der späteren Entwicklung Popinots die menschlich-moralischen Schattenseiten seiner ökonomischen Erfolge schonungslos als Negativitäten darstellt.
Diese Eindeutigkeit in der Unterscheidung zwischen ökonomischen und nicht mehr ökonomischen, menschlich-moralischen Alternativen läßt sich aber lange nicht so scharf abgrenzen wie im Falle jener Arbeit, die nichts als einfacher Stoffwechsel mit der Natur ist. Eine wie hier geschilderte Eindeutigkeit kann nur dann aktuell werden, wenn der ökonomische Prozeß in seiner Objektivität, gewissermaßen als »zweite Natur«, wirksam wird und wenn zugleich der Inhalt der Alternative des betreffenden Individuums völlig oder vorwiegend auf das eigentlich ökonomische Gebiet konzentriert ist. Sonst muß die - oft direkt antagonistische - Widersprüchlichkeit zwischen dem ökonomischen Prozeß
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selbst und seinen gesellschaftlich-menschlichen Erscheinungsweisen das Übergewicht erhalten, Schon im alten Rom hat Lucanus das hier entstehende Wertdilemma klar ausgesprochen: »Victrix causa diis placuit, sed victa Catoni.» Und man muß nur an die Gestalt des Don Quijote denken, wo diese Spannung zwischen der leidenschaftlich abgelehnten objektiv progressiven gesellschaftlichen Entwicklungsnotwendigkeit und dem ebenso leidenschaftlichen Bekenntnis zur moralischen Integrität der Menschengattung, auch in den Formen des endgültig Vergangenen, als Vereinigung des grotesk Törichten und der erhabenen Seeleneinheit in derselben Gestalt konzentriert erscheint. Damit sind wir aber noch lange nicht bei den Wurzeln dieser Widersprüchlichkeit angelangt. Die immanente Gesetzlichkeit der Ökonomie produziert nicht nur diese Antagonismen zwischen dem objektiven Wesen ihres Prozesses und seinen jeweiligen Erscheinungsformen im menschlichen Leben, sondern macht den Antagonismus zu einem ontologischen Fundament der Gesamtentwicklung selbst, indem etwa der Urkommunismus mit ökonomischer Notwendigkeit von der Klassengesellschaft abgelöst wird und damit Klassenzugehörigkeit und Teilnahme am Klassenkampf die Lebensentscheidungen eines jeden Gesellschaftsgliedes tiefgreifend bestimmen. So entsteht, sobald der Inhalt der Alternativen über den Stoffwechsel der Gesellschaft mit der Natur entschieden hinausgeht, ein Spielraum der konfliktvollen Erscheinungen. Die auf Verwirklichungen von Werten gerichteten Alternativen nehmen dabei vielfach sogar die Form von unlösbaren Pflichtenkonflikten an, da in diesen der Konflikt sich nicht bloß innerhalb der Anerkennung eines Werts als des Was? und Wie? der Entscheidung abspielt, sondern als ein Konflikt konkreter, konkret geltender Werte untereinander die Praxis bestimmt; die Alternative ist auf eine Wahl zwischen einander bekämpfenden Werten gerichtet. Es scheint also, als ob unsere Betrachtung zu der, hier bereits erwähnten, tragischrelativistischen Konzeption Max Webers zurückführen würde, wonach dieser konfliktbeladene, unauflösbare Pluralismus der Werte die Grundlage der menschlichen Praxis in der Gesellschaft bildet.
Das ist aber doch nur ein Schein. Dahinter steckt nicht die Wirklichkeit selbst, sondern einerseits ein Verharren bei der Unmittelbarkeit, in der sich die Phänomene der Erscheinungswelt zeigen, andererseits ein überrationalisiertes, logisiertes, hierarchisches System der Werte. Diese gleich falschen Extreme ergeben, allein in Gang gebracht, entweder einen rein relativistischen Empirismus oder ein auf die Wirklichkeit nicht adäquat anwendbares Vernunftgebäude; aufeinander bezogen erwecken sie den Anschein einer Ohnmacht der moralischen Vernunft
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der Wirklichkeit gegenüber. Hier können wir uns mit diesem Fragenkomplex nicht konkret und eingehend beschäftigen; das wird eine der Aufgaben der Ethik sein. Erst don wird es möglich, die in ihren Formen des Wandels und des Sichbewahrens im Wandel sehr verschiedenartigen Werte und Wertverwirklichungen gebührend zu differenzieren. Hier können wir diesen Prozeß nur an einem Beispiel, an dem der gesellschaftlich richtigen Entscheidung in einer bedeutsamen Alternative, ganz allgemein andeuten. Worauf es hier allein ankommt, ist, in aller Kürze, die Hauptzüge jener ontologischen Methode auf zuzeigen, mit der man sich diesem Komplex annähern soll. Wir müssen dabei von jener Bestimmung der Substantialität ausgehen, von der wir in früheren Zusammenhängen bereits gesprochen haben. Die neueren Einsichten über das Sein haben die statische, unveränderliche Konzeption der Substanz zerstört; daraus folgt jedoch keineswegs die Notwendigkeit ihres Leugnens innerhalb der Ontologie, sondern bloß die Erkenntnis ihres wesentlich dynamischen Charakters. Substanz ist, was sich im ewigen Wandel der Dinge, sich selbst wandelnd, in ihrer Kontinuität zu bewahren imstande ist. Dieses dynamische Sichselbstbewahren ist aber nicht unbedingt an eine »Ewigkeit« gebunden. Substanzen können entstehen und vergehen, ohne deshalb, wenn sie sich nur in der Zeitspanne ihrer Existenz dynamisch erhalten, aufzuhören, Substanzen zu sein.
Jeder echte Wert ist nun ein wichtiges Moment in jenem fundamentalen Komplex des gesellschaftlichen Seins, den wir als Praxis bezeichnen. Das Sein des gesellschaftlichen Seins bewahrt sich als Substanz im Reproduktionsprozeß; dieser ist aber Komplex und Synthese von teleologischen Akten, die von dem Bejahen oder Verwerfen eines Werts sachlich nicht zu trennen sind, So wird in jeder praktischen Setzung ein Wert - positiv oder negativ - intentioniert, was den Schein erwecken könnte, als wären die Werte selbst nur gesellschaftliche Synthesen dieser Akte. Daran ist nur so viel richtig, daß die Werte unmöglich eine seinsmäßige Relevanz in der Gesellschaft erhalten könnten, müßten sie nicht zu Gegenständen solcher Setzungen werden. Diese Bedingung der Wertverwirklichung ist aber mit der ontologischen Genesis des Wertes nicht einfach identisch. Die echte Quelle der Genesis ist vielmehr der ununterbrochene strukturelle Wandel des gesellschaftlichen Seins selbst, aus dem die wertverwirklichenden Setzungen unmittelbar entspringen. Es ist, wie wir gesehen haben, eine Grundwahrheit der Marxschen Konzeption, daß die Menschen ihre Geschichte selbst machen, es jedoch nicht unter selbstgewählten Umständen tun können. Die Menschen beantworten selbst - mehr oder weniger bewußt, mehr oder weniger richtig - jene konkreten Alternativen, die die jeweiligen Möglichkeiten der gesellschaftlichen Entwicklung ihnen stellen. Darin ist jedoch implicite bereits der Wert enthalten. Daß etwa die
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Herrschaft des Menschen über seine Affekte als Ergebnis der Arbeit ein Wert ist, unterliegt keinem Zweifel, ist aber in der Arbeit selbst enthalten und kann gesellschaftlich wirklich werden, ohne unbedingt sofort eine bewußte Form zu erhalten und seine Werthaftigkeit im arbeitenden Menschen zur Geltung zu bringen. Es ist ein Moment des gesellschaftlichen Seins und ist deshalb real seiend und wirksam, auch wenn es nicht oder nur unvollständig bewußt wird.
Freilich ist auch das Bewußtwerden gesellschaftlich keineswegs zufällig. Wir haben dieses Moment der Unabhängigkeit besonders betonen müssen, um den gesellschaftlich-ontologischen Seinscharakter des Werts gebührend zu akzentuieren. Er ist eine gesellschaftliche Beziehung zwischen Ziel, Mittel und Individuum, die als solche ein gesellschaftliches Sein besitzt. Freilich enthält dieses Seht zugleich ein Element der Möglichkeit, indem es an sich nur den Lösungsspielraum der konkreten Alternativen bestimmt, ihren sozialen und individuellen Gehalt, die Lösungsrichtungen der in ihr enthaltenen Fragen. Die Entfaltung dieses Ansichseins, sein Erwachsen zu einem wahrhaften Fürsichsein erlangt der Wert in den ihn erfüllenden Akten. Es ist aber für den hier vorliegenden ontologischen Tatbestand charakteristisch, daß diese für die letzthinnige Realität des Werts unentbehrliche Verwirklichung in der menschlichen Praxis unlösbar an den Wert selbst gebunden bleibt. Es ist der Wert, der seine Verwirklichung ihren Bestimmungen aufprägt, nicht umgekehrt. Das darf nicht so verstanden werden, als ob aus dem Wert seine Verwirklichung nun gedanklich »abgeleitet« werden könnte, als ob die Verwirklichung sein einfaches menschliches »Arbeitsprodukt« wäre. Die Alternativen sind unaufhebbare Fundamente der Art der gesellschaftlich-menschlichen Praxis und können nur abstraktiv, nie real vom individuellen Entschluß losgelöst werden. Was aber eine solche Alternativlösung für das gesellschaftliche Sein bedeutet, hängt vom Wert ab, besser gesagt von dem jeweiligen Komplex der realen Möglichkeiten, auf die Problematik eines gesellschaftlich-geschichtlichen hic et nunc praktisch zu reagieren. Jene Entscheidung also, die diese realen Möglichkeiten in ihrer reinsten Form - ob wertbejahend oder wertverneinend - verwirklichen, erreichen der jeweiligen Entwicklungsstufe entsprechend eine positive oder negative Vorbildlichkeit. Diese erhält sich auf primitiver Stufe in unmittelbarer, mündlicher Traditionalität. Zu Helden des Mythos werden diejenigen, die solche - in Werten kulminierende - Alternativen des Stammeslebens auf einem solchen Niveau der menschlichen Vorbildlichkeit beantwortet haben, daß diese Antwort in beispielgebender Weise - positiv oder negativ - für die Reproduktion eines solchen Lebens gesellschaftlich dauernd wichtig und darum zum Bestandteil dieses Reproduktionsprozesses in seinem Wandel und Sichbewahren geworden ist.
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Dieses Aufbewahrtbleiben muß nicht eigens belegt werden; es ist ja allgemein bekannt, wie sich solche persönlichen Lösungen gesellschaftlicher Alternativen schon aus der Mythen schaffenden Zeit bis in unsere Gegenwart erhalten haben. Das bloße Erhaltenbleiben drückt jedoch nur eine Seite dieses Prozesses aus. Es ist ebenso wichtig, festzustellen, daß dies nur dann möglich wird, wenn es stets einem ununterbrochenen Wandel in seiner Interpretation, d.h. in seiner Anwendbarkeit als Vorbild für die Praxis der jeweiligen Gegenwart, unterworfen werden kann. Daß dies in den ersten Zeiten auf dem Weg der mündlichen Überlieferung, später auf dem der dichterisch-künstlerischen Gestaltung etc, geschieht, ändert an dem hier grundlegenden Tatbestand nichts. Denn in allen diesen Fällen handelt es sich darum, daß eine auf eine gesellschaftliche Alternative gerichtete Handlung, bei ununterbrochenem Wechsel ihrer konkreten Details, deren Auslegung etc., sich doch als kontinuierlich, als für das gesellschaftliche Sein wesentlich bleibend bewahrt. Daß dies in der Form einer individuellen Alternative und nicht, wie in einigen anderen Wertgebieten, in der eines Gebotes oder Verbotes geschieht, drückt den spezifischen Charakter des sich hier realisierenden Wertes aus: seine unmittelbar aus der Persönlichkeit des Menschen entspringende Tendenz, seine Selbstbestätigung als Kontinuität des innerlichen Kerns der Menschengattung. Der wahre gesellschaftliche Zusammenhang zeigt sich vor allem darin, daß das schlechthin entscheidende Moment des Wandels, der Uminterpretation immer in den gesellschaftlichen Bedürfnissen der jeweiligen Gegenwart verankert ist. Diese Bedürfnisse entscheiden darüber, ob und wie die so fixierte Alternative ausgelegt wird. Nicht das Aufdecken der eventuell vorhandenen historischen Wahrheit ist hier ausschlaggebend. Wir wissen genau, daß der Brutus der Legende der historischen Wahrheit nicht entspricht; das schwächt aber die Wirkung der Shakespeare-Gestalt nicht im geringsten ab, und entgegengesetzte Bewertungen (Dante) sind ebenfalls in den Bedürfnissen ihrer Gegenwart begründet. Wandel und Beständigkeit sind also gleicherweise von der gesellschaftlichen Entwicklung hervorgebracht; ihre Wechselbeziehung spiegelt dabei eben jene neu erkannte Form der Substantialität, von der am Anfang dieses Gedankengangs die Rede war, deren organischer Bestandteil der Wert in seiner geschichtlichen Objektivität ist.
Die Objektivität der Werte beruht also darauf, daß sie bewegende und bewegte Bestandteile der gesellschaftlichen Gesamtentwicklung sind. Ihre Widersprüchlichkeit, die unbestreitbare Tatsache, daß sie sehr oft in ausgesprochener Gegensätzlichkeit zu ihrer ökonomischen Basis sowie zueinander stehen, ist auf diese Weise kein letzthinniger Wertrelativismus, wie Max Weber meint, und die Unmöglichkeit, sie in ein hierarchisch-tabellarisches System einzuordnen, weist
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noch weniger in diese Richtung. Ihre Existenz, die sich in der Form eines gesellschaftlich-faktisch verpflichtenden Sollens auswirkt, zu welcher innerlich notwendig ihre Pluralität, ihr Verhältnis zueinander in einer Skala von der Heterogenität bis zur Gegensätzlichkeit gehört, ist zwar nur post festum rationalisierbar, drückt jedoch gerade darin die widerspruchsvolle Einheitlichkeit, die ungleichmäßige Eindeutigkeit des gesellschaftlich-geschichtlichen Gesamtprozesses aus. Dieser bildet in seiner objektiv kausalen Bestimmtheit eine bewegte Ganzheit; da er sich jedoch aus der kausalen Summierung von alternativteleologischen Setzungen aufbaut, muß jedes ihn unmittelbar oder vermittelt fundierende oder hemmende Moment immer aus solchen alternativ-teleologischen Setzungen bestehen. Den Wert dieser Setzungen entscheidet ihre wahre, in der Praxis objektiv gewordene Intention, die auf Wesentliches oder Flüchtiges, Fortschrittliches oder Hemmendes etc. gerichtet sein kann. Weil im gesellschaftlichen Sein alle diese Tendenzen real vorhanden und wirksam sind, weil sie deshalb in dem handelnden Menschen Alternativen von verschiedenster Richtung, Niveau etc. hervorbringen, ist die Erscheinungsweise der Relativität keineswegs zufällig. Sie trägt auch dazu bei, daß in den Fragen und Antworten eine Tendenz zur Echtheit, wenigstens teilweise, lebendig bleibt, da ja die Alternative der jeweiligen Praxis sich nicht nur im Ja oder Nein zu einem bestimmten Wert äußert, sondern zugleich darin, welcher Wert jeweils die Grundlage der konkreten Alternative bildet und aus welchen Gründen zu ihm so Stellung genommen wird. Wir wissen: Die ökonomische Entwicklung ergibt objektiv das Rückgrat des tatsächlichen Fortschritts. Die entscheidenden, sich im Prozeß erhaltenden Werte sind deshalb - bewußt oder unbewußt, unmittelbar oder eventuell weit vermittelt - immer auf diesen bezogen; es ergibt aber objektiv wichtige Unterschiede, welche Momente dieses Gesamtprozesses die jeweilige Alternative meint und trifft. Dadurch erhalten sich die Werte im sich ununterbrochen erneuernden gesellschaftlichen Gesamtprozeß, dadurch werden sie, in ihrer Art, zu seienden Bestandteilen des gesellschaftlichen Seins in seinem Reproduktionsprozeß, zu Elementen des Komplexes: gesellschaftliches Sein.
Wir haben absichtlich einen Wert zur Demonstration dieser ontologischen Lage ausgewählt, der von der Arbeit als Modell sehr weit entfernt ist. Wir taten es zuerst, um zu zeigen, daß auch in solchen Fällen, in denen die Alternative unmittelbar bereits rein innerlich geworden ist, der Intention der Entscheidung doch objektiv gesellschaftliche Existenzbestimmungen zugrunde liegen, daß also der in der Praxis verwirklichte Wert doch gesellschaftlich objektiven Charakters sein muß. Wir haben früher an das Beispiel der Brutus-Gestalt erinnert, wo dieser Zusammenhang, dieses Wurzeln des Werts im gesellschaftlichen Sein, handgreif-
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lich faßbar ist. Ebenso, vielleicht noch stärker, wird sie sichtbar, wenn wir daran erinnern, daß in den Augen Hesiods Prometheus ein von den Göttern rechtens bestrafter Frevler war und seine Gestalt seit der Tragödie des Aischylos im Bewußtsein der Menschheit als Lichtbringer und Wohltäter weiterlebt. Wenn wir noch hinzufügen, daß der alttestamentarische Sündenfall (NB: mit der Arbeit als Strafe dafür) und die christliche Lehre von der Erbsünde den Hesiodischen Standpunkt mit gesteigerter sozialer Wirkungskraft vertreten, so haben wir ein eindeutiges Bild vor uns, woraus leicht abzulesen ist, daß die Alternativen in diesem Fall die Entscheidung zum Gehalt hatten, ob der Mensch in seiner Arbeit sich selbst als Menschen zustande bringt - oder ob er sich als dienendes Produkt transzendenter Mächte aufzufassen hat, woraus notwendig folgt, daß jede im Menschen selbst, in seiner Gesellschaftlichkeit begründete selbständige Tat einen Frevel gegen die höheren Mächte in sich birgt. Für das Zur-Geltung-Gelangen der Gesellschaftlichkeit in den Alternativen ist jedoch - zweitens - diese ihre Struktur ein extremer, freilich höchst bedeutsamer Fall, der in der Geschichte der Menschheit nur auf relativ entwickelter Stufe wirksam werden kann. Die gesellschaftlich notwendige Setzung von Werten muß deshalb auch anders strukturierte Pille hervorbringen. Da dieser ganze Problemkomplex nur in der Ethik angemessen behandelt werden kann, beschränken wir uns auf rein formelle Hinweise: Es gibt gesellschaftliche Werte, die einen institutionellen Apparat, der freilich höchst verschiedene Formen annehmen kann, brauchen, um sich gesellschaftlich durchzusetzen (Recht, Staat, Religion etc.), und es gibt Fälle, in denen die Objektivationen der Widerspiegelung der Wirklichkeit zu Trägern von Werten, zu Auslösungen von Wertsetzungen werden etc. Die Differenzen, die heterogenen Strukturen, die direkte Gegensätzlichkeiten hervorrufen, wäre unmöglich, hier auch nur anzudeuten, denn diese äußern sich adäquat ausnahmslos nur in den konkreten gesellschaftlichen Wechselbeziehungen und Wechselwirkungen aller Werte miteinander, sind also nur in einer wirklich synthetischen, auf die Totalität der gesellschaftlichen Praxis und damit des gesellschaftlichen Seins gerichteten Darstellung erfaßbar.
1.3. Die Subjekt-Objekt-Beziehung in der Arbeit und ihre Folgen
Damit sind jene Erscheinungsweisen der spezifisch menschlichen Lebensführung, die, wenn auch noch so weit vermittelt, aus der Arbeit entspringen und darum ontologisch-genetisch aus ihr begriffen werden müssen, noch lange nicht erschöpft. Bevor wir jedoch auf einige, scheinbar sehr entlegene, dem Wesen nach
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jedoch hier verwurzelte Fragen näher eingehen können, müssen wir eine bereits von uns gestreifte unmittelbare Folgeerscheinung der Arbeit, nämlich die Entstehung des Subjekt-Objekt-Verhältnisses und die darin wirklich wirkende notwendige Distanziertheit des Objekts vom Subjekt, etwas näher betrachten. Diese Distanziertheit schafft sogleich eine unentbehrliche, mit Eigenleben versehene Basis für das gesellschaftliche Sein der Menschen: die Sprache. Engels sagt mit Recht, sie käme daher, daß die Menschen »einander etwas zu sagen hatten. Das Bedürfnis schuf sich sein Organ.« Was bedeutet jedoch, etwas zu sagen? Mitteilungen, und zwar höchst wichtige, wie betreffend Gefahr, Nahrungsmittel, sexuelles Begehren etc., finden wir bereits bei den höheren Tieren. Der Sprung zwischen diesen Mitteilungen und denen der Menschen, auf die Engels treffend hinweist, liegt gerade in dieser Distanz. Der Mensch spricht immer »über« etwas Bestimmtes, das er dadurch in einem doppelten Sinn von seinem unmittelbaren Dasein abhebt: Erstens, indem es als ein unabhängig existierendes Objekt gesetzt ist, zweitens - und darin kommt die Distanzierung womöglich noch stärker zum Vorschein - indem er zwar bemüht ist, das jeweilige Objekt als konkretes deutlich zu machen; seine Ausdrucksmittel, seine Bezeichnungen sind aber so beschaffen, daß jedes Zeichen auch in völlig anderen Zusammenhängen vollgültig figurieren kann. Damit löst sich das im Wortzeichen Abgebildete von den Gegenständen, die es bezeichnet, und damit auch vom Subjekt, das es äußert, ab, wird zum gedanklichen Ausdruck für je eine ganze Gruppe von bestimmten Phänomenen, die in ganz anderen Zusammenhängen, von ganz anderen Subjekten in ähnlicher Weise angewendet werden können. Die Mitteilungsformen der Tiere kennen keine derartige Distanziertheit, sie bilden einen organischen Bestandteil des biologischen Lebensprozesses, und wenn sie auch einen deutlichen Inhalt haben, so ist dieser an konkret bestimmte Situationen der daran Beteiligten gebunden; wir können hier also nur in einem sehr übertragenen, leicht mißverständlichen Sinn überhaupt von Subjekten und Objekten sprechen, obwohl stets ein konkretes Lebewesen eine Mitteilung über ein konkretes Phänomen zu machen bestrebt ist, obwohl diese Mitteilungen in ihrer unabreißbaren Situationsgebundenheit höchst eindeutig zu sein pflegen. Die simultane Setzung des Subjekts und Objekts in der Arbeit und ebenso, aus ihr entspringend, in der Sprache distanzieren das Subjekt vom Objekt und vice versa, das konkrete Objekt von seinem Begriff etc., im hier angegebenen Sinn. Dadurch wird erst ein tendenziell schrankenlos erweiterbares Begreifen des Objekts und sein Beherrschen durch den Menschen möglich. Es ist nicht überraschend, daß das Benennen
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der Objekte, das Aussprechen ihres Begriffs, ihres Namens lange Zeit als magisches Wunder gegolten hat; noch im Alten Testament drückt sich die Herrschaft des Menschen über das Tier darin aus, daß Adam ihnen Namen gibt, worin zugleich das Heraustreten der Sprache aus der Natur deutlich bezeichnet wird.
Dieses Distanzschaffen erhält aber sowohl in der Arbeit selbst wie in der Sprache eine ständig zunehmende Differenzierung. Schon die einfachste Arbeit verwirklicht, wie wir gesehen haben, durch die Dialektik von Ziel und Mittel ein neues Verhältnis der Unmittelbarkeit und Vermittlung auch dadurch, daß jede durch Arbeit erreichte Bedürfnisbefriedigung bereits ihrem objektiven Wesen nach eine vermittelte ist; die ebenfalls unaufhebbare Tatsache, daß jedes Arbeitsprodukt, wenn es fertiggestellt, für den es gebrauchenden Menschen eine neue - nicht mehr naturhafte - Unmittelbarkeit besitzt, verstärkt in ihrer Gegensätzlichkeit diesen Tatbestand. (Das Kochen oder Braten des Fleisches ist eine Vermittlung, aber das Essen des gekochten und gebratenen Fleisches ist in diesem Sinn ebenso unmittelbar wie die des rohen, wenn auch das letztere naturhaft, das erstere gesellschaftlich ist.) Die Arbeit schiebt aber in ihrer Höherentwicklung immer ganze Serien von Vermittlungen zwischen den Menschen und sein unmittelbares Ziel, das er letzthin zu erreichen bestrebt ist. Dadurch entsteht in der Arbeit eine schon früher erscheinende Differenzierung der unmittelbaren und weiter vermittelten Zielsetzungen. (Man denke an die Herstellung von Waffen, die vom Auffinden des Erzes, von seinem Schmelzen bis zur Fertigstellung eine ganze Reihe von verschiedenen, einander gegenüber heterogenen teleologischen Zielsetzungen erfordert.) Eine gesellschaftliche Praxis ist nur möglich, wenn dieses Verhalten zur Wirklichkeit gesellschaftlich allgemein geworden ist. Daß bei einer solchen Ausweitung der Arbeitserfahrungen ihnen gegenüber ganz neue Verhältnisse und Strukturen entstehen, ist selbstverständlich, kann aber an der Tatsache, daß diese Unterscheidung des Unmittelbaren vom Vermittelten - bei ihrer simultanen Existenz in ihrem notwendigen Zusammenhang, ihrer Reihenfolge, ihrer Über- und Unterordnung etc. - aus der Arbeit entstanden ist, nichts ändern. Die gedankliche Distanzierung der Objekte durch die Sprache macht erst die dabei entstehende reale Distanzierung mitteilbar, zum möglichen Gemeinbesitz einer Gesellschaft fixierbar. Man denke bloß daran, daß das zeitliche Nacheinander der verschiedenen Operationen, ihre dem Wesen der Sache entsprechenden Vermittlungen (Reihenfolge, Pause etc.) unmöglich zur gesellschaftlichen Durchführbarkeit gelangen könnte - um nur das Allerwichtigste hervorzuheben - ohne eine eindeutige Gliederung der Zeit in der Sprache usw. Wie bei der Arbeit ist auch in der Sprache ein Sprung aus dem Natursein ins gesellschaftliche Sein vollzogen;
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hier wie dort ist dieser Sprung ein langsamer Prozeß, dessen erste Anfänge uns zwar ewig unbekannt bleiben werden, deren Entwicklungsrichtung wir jedoch mit Hilfe der Entwicklung der Werkzeuge ziemlich genau studieren und als postfestum-Erkenntnis auch in ihrer Gesamtheit einigermaßen überblicken können. Natürlich sind auch die ältesten Sprachdenkmäler, die die Ethnographie uns liefern kann, viel jünger als die ersten Werkzeuge. Eine Sprachwissenschaft aber, die die wirklich vorhandenen Zusammenhänge zwischen Arbeit und Sprache zum Gegenstand der Forschung, zum Leitfaden der Methode machen würde, könnte hier unsere Kenntnis vom geschichtlichen Prozeß innerhalb des Sprungs außerordentlich ausbreiten und vertiefen.
Wie bereits ausführlich dargestellt, verändert die Arbeit zwangsläufig auch die Natur des sie vollziehenden Menschen. Die Richtung, die dieser Umwandlungsprozeß einschlägt, ist mit der teleologischen Setzung und ihrer praktischen Verwirklichung von selbst gegeben. Wie wir zeigten, besteht die Zentralfrage der inneren Umgestaltung des Menschen darin, daß er eine bewußte Herrschaft über sich selbst erlangt. Nicht nur das Ziel ist früher im Bewußtsein da als seine materielle Verwirklichung; diese dynamische Struktur der Arbeit erstreckt sich auch auf jede einzelne Bewegung: Der arbeitende Mensch muß jede seiner Bewegungen im voraus planen und die Realisation seiner Planung ununterbrochen kritisch, bewußtseinsmäßig überprüfen, wenn er in seiner Arbeit das konkret optimal Mögliche erreichen will. Diese Herrschaft des menschlichen Bewußtseins über den eigenen Leib, die sich auch auf einen Teil der Bewußtseinssphäre, auf Gewohnheiten, Instinkte, Affekte erstreckt, ist ein elementares Erfordernis selbst der primitivsten Arbeit, muß also, da es ja ein von der tierischen Verfassung qualitativ verschiedenes, ihr gegenüber völlig heterogenes Verhältnis zu sich selbst erfordert, da diese Forderungen von jeder Art der Arbeit gestellt werden, auch die Vorstellungen des Menschen über sich selbst entscheidend prägen.
Objektiv ontologisch entsteht die von uns bereits aus verschiedenen Aspekten geschilderte neue Beschaffenheit des menschlichen Bewußtseins, das aufhört, ein biologisches Epiphänomenon zu sein, und ein wesentliches, aktives Moment des neuentstehenden gesellschaftlichen Seins bildet. Wenn wir in vielfacher Weise das Zurückweichen der Naturschranke infolge der Arbeit darlegten, so spielte dabei diese neue Funktion des Bewußtseins, als Träger der teleologischen Setzungen der Praxis, eine höchst bedeutsame Rolle. Wenn wir jedoch bei diesem Fragenkomplex mit streng ontologischer Kritik verfahren wollen, so müssen wir einsehen, daß es sich zwar um ein ununterbrochenes Zurückweichen der Naturschranke, niemals aber um ihre völlige Aufhebung handeln kann; der Mensch, das aktive
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Mitglied der Gesellschaft, der Motor ihrer Änderungen und Vorwärtsbewegungen, bleibt im biologischen Sinn unaufhebbar ein Naturwesen: Im biologischen Sinn bleibt sein Bewußtsein - trotz aller auch ontologisch entscheidenden Funktionswandlungen - untrennbar an den biologischen Reproduktionsprozeß seines Leibes gebunden; in der allgemeinen Tatsache einer solchen Gebundenheit überhaupt bleibt die biologische Basis des Lebens auch in der Gesellschaft unverändert bestehen. Alle Möglichkeiten, diesen Prozeß etwa durch angewandte Erkenntnis zu verlängern etc., können an dieser letzthinnigen ontologischen Gebundenheit des Bewußtseins an dem Lebensprozeß des Leibes nichts ändern.
Diese Beschaffenheit des Verhältnisses von zwei Seinssphären ist ontologisch betrachtet nichts strukturell Neues. Auch im biologischen Sein sind die physikalischen und chemischen Verhältnisse, Prozesse etc. unaufhebbar gegeben. Daß sie - je höher entwickelt der Organismus, desto mehr - Funktionen auszuüben imstande sind, die für nicht organisch gebundene, rein physikalische oder chemische Prozesse unmöglich wären, kann die unauflösliche Gebundenheit des Organismus an die Basis seines normalen Funktionierens nicht aufheben. So verschieden nun das Verhältnis des gesellschaftlichen Seins zum biologischen von dem eben erwähnten zwischen organischem und anorganischem Sein auch ist, diese Gebundenheit des komplizierteren höheren Systems an Existenz, Reproduktion etc., des es »von unten« fundierenden bleibt eine unabänderliche ontologische Tatsache. An sich wird dieser Zusammenhang auch nicht bezweifelt; die Entfaltung des Bewußtseins schafft jedoch gesellschaftlich relevante Setzungen, die bereits im Alltagsleben geeignet sind, die ontologische »intentio recta« auf falsche Bahnen zu lenken. Die so entstehenden Abweichungen von diesen Grundtatsachen der Ontologie des gesellschaftlichen Seins sind schon darum so schwer zu durchschauen und zu überwinden, weil sie auf unmittelbar unaufhebbare Tatsachen des Bewußtseins sich stützen zu können scheinen. Will man die Kompliziertheit dieser Lage nicht vulgarisierend vereinfachen, so darf man sich nicht an das Wort »scheinen« klammern, sondern muß ständig gewärtig sein, daß dieses Scheinen hier eine notwendige Erscheinungsweise des gesellschaftlich-menschlichen Seins zum Ausdruck bringt und darum, als solches isoliert betrachtet, als unwiderlegbar vorkommen muß; sein Charakter als doch bloße Erscheinung kann nur durch die Analyse des konkreten Komplexes in seiner widerspruchsvollen Dynamik zutage treten.
Wir haben also zwei gegensätzlich scheinende Tatsachen vor uns: Erstens die objektiv ontologische, daß Existenz und Wirksamkeit des Bewußtseins unablöslich an den biologischen Ablauf des lebenden Organismus gebunden ist, daß jedes
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individuelle Bewußtsein - und ein anderes kann es nicht geben - mit seinem Leib zusammen entsteht und vergeht. Zweitens die aus dem Arbeitsprozeß entstehende führende, leitende, bestimmende Rolle des Bewußtseins dem Leib gegenüber; dieser erscheint im so gegebenen Zusammenhang als dienendes, durchführendes Organ der teleologischen Setzungen, die nur vom Bewußtsein ausgehen und bestimmt werden können. Dieses über jeden Zweifel erhaben scheinende Grundfaktum des gesellschaftlichen Seins, nämlich die Herrschaft des Bewußtseins über den Leib, löst mit einer gewissen Zwangsläufigkeit im menschlichen Bewußtsein die Vorstellung aus: Das Bewußtsein bzw. die als seine substanzhaft als Träger gedachte »Seele« könnte unmöglich den Leib in solchem Ausmaße leiten und beherrschen, wenn sie nicht ihrer Substanz nach von diesem unabhängig, von ihm qualitativ verschiedenartig beschaffen wäre, wenn sie nicht ihm gegenüber eine selbständige Existenz besitzen würde. Es ist bei unbefangener, uninteressierter Betrachtung dieses Problemkomplexes - wozu es freilich nur selten kommt - evident, daß ein noch so sicheres Bewußtsein der Selbständigkeit noch keinen Beweis für ihr wirkliches Vorhandensein bringen kann. Soweit irgendein Seiendes dem Sein nach selbständig sein kann - dieses Verhältnis ist immer relativ - muß die Selbständigkeit ontologisch-genetisch ableitbar sein, die selbständige Funktion innerhalb eines Komplexes reicht als Beweis nicht aus. Dieser Beweis - natürlich nur innerhalb des gesellschaftlichen Seins, also auch hier nur relativ - ist für den Menschen in seiner Ganzheit, als Individuum, als Persönlichkeit zu führen, niemals also für Leib oder Bewußtsein (Seele), jedes für sich, isoliert betrachtet, wo objektiv-ontologisch eine unaufhebbare Einheit, die Unmöglichkeit des Seins des Bewußtseins ohne das simultane Sein des Leibes, gegeben ist. Ontologisch muß gesagt werden, daß ein Seinszustand des Leibes ohne Bewußtsein möglich ist, z.B. wenn infolge einer Krankheit das Bewußtsein ohne biologische Grundlage unmöglich ein Sein besitzen kann. Das widerspricht der selbständigen, leitenden, planenden Rolle des Bewußtseins dem Leib gegenüber keineswegs, ist vielmehr ihre ontologische Grundlage. Der Widerspruch zwischen Erscheinung und Wesen ist also hier in einer äußerst krassen Form vorhanden. Man darf freilich nicht vergessen, daß solche Gegensätzlichkeiten zwischen Erscheinung und Wesen gar nicht so selten vorkommen; es genügt, an die Bewegung der Sonne und der Planeten zu denken, wo die dem Wesen nach diametral entgegengesetzten Erscheinungsweisen für die Bewohner der Erde so fest in ihrer sinnlich-unmittelbaren Widerspiegelung der Phänomene gegeben sind, daß auch für den überzeugtesten Anhänger der Kopernikanischen Weltauffassung im unmittelbar-sinnlichen Alltagsleben die Sonne morgens auf- und abends untergeht.
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Daß dieser Widerspruch zwischen Erscheinung und Wesen im Bewußtsein der Menschen leichter, wenn auch an sich langsam, den Charakter eines primat ontologischen Widerspruchs verlor und als der, was er ist, als einer zwischen Erscheinung und Wesen, bewußt werden konnte, liegt darin, daß er sich auf das äußere Leben der Menschen bezieht und ihr Verhalten zu sich selbst nicht unmittelbar berühren muß. Natürlich spielt diese Frage im Zusammenbruch der religiösen Ontologie und der Verwandlung des ontologisch fundierten Glaubens in ein rein subjektives religiöses Bedürfnis eine gewisse Rolle, auf die wir hier unmöglich näher eingehen können. Bei der uns gegenwärtig interessierenden Frage handelt es sich dagegen um die für jeden Menschen alltäglich-vitalen Interessen an seinem geistigen Bilde von sich selbst. Dazu kommt noch verstärkend die Tatsache, daß zwar die objektiv-ontologische Selbständigkeit der »Seele« vom Leibe bloß auf einer unbegründeten Annahme, auf einer isolierend, falsch abstrahierenden Betrachtung des Gesamtprozesses beruht, jedoch das selbständige Handeln des Bewußtseins, die von ihm ausgehende Wesensart der teleologischen Setzungen, der bewußtseinsmäßigen Kontrolle ihrer Durchführung etc. objektive Tatsachen der Ontologie und des gesellschaftlichen Seins sind. Wenn also das Bewußtsein seine eigene Selbständigkeit vom Leibe als ontologisch absolute Wahrheit faßt, irrt es nicht in der unmittelbar gedanklichen Fixierung des Phänomens, wie beim Planetensystem, sondern bloß darin, daß es die - ontologisch notwendige Erscheinungsweise als direkt und adäquat in der Sache selbst fundiert betrachtet. Wie schwierig die Überwindung dieser notwendig dualistischen Erscheinungsweise eines ontologisch letzthin einheitlichen Kräftekomplexes ist, zeigt sich nicht nur in den Religionen, sondern auch immer wieder in der Geschichte der Philosophie. Selbst jene Denker, die sonst ernsthaft und erfolgreich bemüht waren, die Philosophie von den transzendent-theologischen Dogmen zu reinigen, strauchelten hier und mußten den alten Dualismus in neuen Formulierungen doch aufrechterhalten. Es genügt, an die großen Philosophen des 17.Jahrhunderts zu erinnern, bei denen in der unaufhebbaren Dualität von Ausdehnung und Denken diese Erscheinungsweise als ontologisch Letztes aufbewahrt bleibt (Descartes). Spinozas Pantheismus verschiebt die Lösung in eine transzendente Unendlichkeit; die Zweideutigkeit des deus sive natura drückt dies am energischsten aus. Und der ganze Okkasionalismus ist nichts weiter als ein Versuch, eine gedankliche Versöhnung ohne wirkliche ontologische Entwirrung des Grundproblems zu geben. Die Schwierigkeit, dieses Irregehen der ontologischen »intentio recta« im Alltagsleben und auch in der Philosophie zu durchschauen, steigert sich auch im Laufe der Entfaltung des gesellschaftlichen Seins. Freilich liefert die Entwicklung der Biologie als Wissenschaft immer neue und
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bessere Argumente für die Untrennbarkeit von Bewußtsein und Sein, für die Unmöglichkeit der Existenz einer »Seele« als selbständiger Substanz.
Dafür wirken aber andere Kräfte des sich ständig höher organisierenden gesellschaftlichen Lebens in der entgegengesetzten Richtung. Wir meinen dabei den Problemkomplex, den man als Sinnhaftigkeit des Lebens umschreiben kann. Dieser Sinn ist vom Menschen für den Menschen, für sich und seinesgleichen gesellschaftlich gesetzt; in der Natur kommt diese Kategorie überhaupt nicht vor, also auch nicht als Negation des Sinnes. Leben, Geburt, Tod sind als Erscheinungen des naturhaften Lebens gefaßt sinnfrei, weder sinnvoll noch sinnwidrig. Erst wenn der Mensch in der Gesellschaft für sein Leben einen Sinn sucht, ist mit dem Scheitern einer solchen Bestrebung ihr Gegenpol, die Sinnlosigkeit ebenfalls gesetzt. In den anfänglichen Gesellschaften erscheint diese Wirkungsart noch in einer spontanen, rein gesellschaftlichen Form: Ein Leben, das den Geboten der jeweiligen Gesellschaft entspricht, ist sinnvoll; so der Heldentod der Spartaner bei Thermopylä. Erst wenn die Gesellschaft sich so weit differenziert, daß der Mensch individuell sein Leben als sinnhaft gestaltet oder es der Sinnlosigkeit preisgibt, entsteht dieses Problem als allgemeines und mit ihm eine weitere Vertiefung des als selbständig Betrachtens der »Seele«, nunmehr ausdrücklich nicht nur dem Leib, sondern auch den eigenen spontanen Affekten gegenüber. Die unabänderlichen Fakten des Lebens, vor allem der Tod, der eigene ebenso wie der von anderen, macht das Bewußtsein von dieser Sinnhaftigkeit zu einer gesellschaftlich geglaubten Realität. An sich erfordert das Streben nach Sinnhaftmachen des Lebens keineswegs notwendigerweise eine Verfestigung dieses Dualismus von Leib und Seele; es genügt, um das zu sehen, nur an Epikur zu denken. Dies ist jedoch nicht die Regel solcher Entwicklungen. Die hier bereits erwähnte, spontan in die Außenwelt projizierte Teleologie des Alltagslebens hilft ontologische Systeme aufzubauen, in welchen die Sinnhaftigkeit des einzelnen Lebens als Teil, als Moment eines weltteleologischen Erlösungswerks erscheint. Ob dabei die Seligkeit im Himmel oder die Selbstauflösung in einer seligen Ungegenständlichkeit, in einem heilbringenden Nichtsein das krönende Ende der teleologischen Kette bildet, bleibt für diese Betrachtungen irrelevant. Wichtig ist, daß das Bewahrenwollen der sinnvollen Integrität der Persönlichkeit - von einer bestimmten Entwicklungsstufe an ein wichtiges Problem des gesellschaftlichen Lebens - eine geistige Stütze in einer von solchen Bedürfnissen entwickelten fingierten Ontologie erhält.
Wir sind mit Absicht auf so weitgehende, weitvermittelte Folgeerscheinungen unseres Phänomens, der ontologisch falschen Auslegung einer elementaren Tatsache des menschlichen Lebens, zu sprechen gekommen. Denn erst so wird
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sichtbar, ein wie weites Feld im Menschwerden des Menschen durch die Arbeit extensiv entstanden ist. Die Herrschaft des Ziele setzenden Bewußtseins über den gesamten sonstigen Menschen, vor allem über seinen eigenen Leib, das dadurch errungene distanziert-kritische Verhalten des menschlichen Bewußtseins zur eigenen Person, läßt sich, freilich in stets wandelnden Formen, mit neuen, immer differenzierteren Inhalten durch die Menschheitsgeschichte hindurch verfolgen. Und ihr Ursprung liegt zweifellos in der Arbeit. Deren Analyse führt zwanglos, von selbst zu dieser Phänomengruppe, während alle anderen Erklärungsversuche, ohne es zu wissen, die durch die Arbeit entstandenen Selbsterfahrungen des Menschen voraussetzen. Es ist z.B. irreführend, im Erlebnis des Traumes den Ursprung dieser Selbständigkeit der »Seele« zu suchen. Auch einige höhere Tiere träumen, ohne daß dadurch der tierisch-epiphänomenale Charakter ihres Bewußtseins eine solche Richtung nehmen könnte. Dazu kommt noch, daß die Unheimlichkeit des Traumes als Erlebnis gerade darin besteht, daß sein als Seele interpretiertes Subjekt Wege einschlägt, die ihrer normalen Herrschaft im Leben mehr oder weniger inkongruent zu sein scheinen. Ist jedoch einmal, infolge der wachen Arbeitserfahrungen, das selbständige Dasein der »Seele« zum fixen Funkt des Menschenbildes geworden, dann, aber nur dann, können Traumerlebnisse zu einem weiteren gedanklichen Aufbau ihres transzendenten Seins führen. Das geschieht schon in der Magie und mit entsprechenden Änderungen in den späteren Religionen.
Man darf aber nicht vergessen, daß sowohl die von der Magie erstrebte Beherrschung der sonst unbewältigten Naturkräfte wie die religiösen Auffassungen von Schöpfergöttern sich letzten Endes die menschliche Arbeit als Modell zugrunde legen. Engels, der gelegentlich auch dieses Problem streift, sich aber mehr für die Entstehung der idealistisch-philosophischen Weltauffassung interessiert, will diese daraus ableiten, daß schon auf einer relativ niedrigen Stufe (in der einfachen Familie) »der die Arbeit planende Kopf... die geplante Arbeit durch andre Hände ausführen lassen konnte« . Das ist sicher richtig für jene Gesellschaften, in denen die herrschenden Klassen bereits vollständig aufgehört haben, selbst zu arbeiten, in denen deshalb die von Sklaven verrichtete körperliche Arbeit einer gesellschaftlichen Verachtung anheimfiel; so in der entwickelten hellenischen Polis. Aber noch die Homerische Heroenwelt kennt keine prinzipielle Verachtung der körperlichen Arbeit; in ihr sind Arbeit und Muße noch nicht in klassenmäßiger Arbeitsteilung verschiedenen gesellschaftlichen Menschengruppen ausschließlich zugewiesen. »Ihn (Homer, G. L.) und seine Hörer reizt nicht das Ausmalen der
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Befriedigung, sondern sie empfinden die Lust an des Menschen Tun, an seiner Fähigkeit, sich ein Mahl zu gewinnen und zu bereiten und sich damit selbst zu stärken... Die Teilung des menschlichen Lebens in Arbeit und Muße ist hier im Homerischen Epos noch in ihrem konkreten Zusammenhang geschaut. Der Mensch arbeitet; das ist notwendig, um zu essen und mit dem Fleischopfer die Götter zu versöhnen, und wenn er gegessen und geopfert hat, beginnt die freie Freude,« Und wenn Engels im Anschluß an die angeführte Stelle davon spricht, daß der ideologische Prozeß, den er meint, »namentlich seit Untergang der antiken Welt die Köpfe beherrscht hat«, so weist er auf die weltanschauliche Wirkung, die der Spiritualismus des Christentums in Gang gebracht hat; das Christentum war jedoch, vor allem in seinen ersten Anfängen, in denen sein Spiritualismus vielleicht seinen Höhepunkt erlangte, keineswegs die Religion einer von der physischen Arbeit gesellschaftlich befreiten Oberschicht. Wenn wir nun weiter darauf bestehen, daß in der Arbeit selbst die objektiv wirksame, aber ontologisch relative Unabhängigkeit des Bewußtseins vom Leib entstand, zugleich mit ihrer - erscheinungsmäßig - völligen Selbständigkeit und deren Widerspiegelung in den Erlebnissen des Subjekts als »Seele«, so steht es ganz fern, daraus spätere kompliziertere Auffassungen dieses Komplexes direkt ableiten zu wollen. Was wir aufgrund der Ontologie des Arbeitsprozesses behaupten, ist nur jener schlichte Tatbestand, den wir beschrieben haben. Wenn er sich auf verschiedenen Entwicklungsstufen, in verschiedenen Klassenlagen sehr verschieden äußert, so folgen diese oft entgegengesetzten Differenzierungen des jeweiligen Inhalts aus der jeweiligen Struktur der jeweiligen sozialen Formation. Das schließt keineswegs aus, daß die Grundlage bei diesen so verschieden gearteten Erscheinungen eben jener ontologische Tatbestand sei, der mit der Arbeit, in ihr objektiv notwendig entstehen mußte.
Bereits die Frage, ob die Selbständigkeit der »Seele« eine diesseitige oder jenseitige Auslegung erfährt, ist vom Ursprung aus nicht mehr abzuleiten. Sicher waren die meisten magischen Vorstellungen wesentlich diesseitig: Die unbekannten Naturkräfte sollten durch Magie ebenso beherrscht werden wie die bekannten durch normale Arbeit, und die magischen Abwehrmaßnahmen etwa gegen gefährliche Einwirkungen der durch den Tod selbständig gewordenen »Seelen« entsprechen in ihrer allgemeinen Struktur durchaus den alltäglichen teleologischen Arbeitssetzungen, mag ihr Inhalt noch so phantastisch sein. Auch die Forderung eines Jenseits, wo die auf der Erde abgebrochene, fragmentarisch gebliebene Sinnhaftigkeit des Lebens etwa durch Seligkeit oder Verdammnis erfüllt wird, entstand als
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allgemein menschliches Phänomen - aus der Lage solcher Menschen, denen das ihnen offenstehende Leben keine diesseitige Erfüllung zu geben imstande war. Max Weber weist richtig auf das entgegengesetzte Extrem hin, daß etwa Kriegshelden ein Jenseits »unvornehm und würdelos« erscheint: »Den Tod und die Irrationalitäten des menschlichen Schicksals innerlich zu bestehen, ist dem Krieger eine alltägliche Sache, und die Chancen und Abenteuer des Diesseits erfüllen sein Leben derart, daß er etwas anderes als den Schutz gegen bösen Zauber und zeremonielle, dem ständischen Würdegefühl adäquate und zu Bestandteilen der Standeskonvention werdende Riten, allenfalls priesterliche Gebete für Sieg oder glücklichen, in einen Heldenhimmel führenden Tod von einer Religiosität nicht verlangt und ungern akzeptiert.« Es genügt, an Farinata degli Uberti Dantes, an die von Machiavelli gelobten Florentiner, denen am Heil ihrer Vaterstadt mehr lag als an ihrem eigenen Seelenheil, zu denken, um die Richtigkeit dieses Gedankengangs einzusehen. Eine derartige Vielfalt, die nur ein kleiner Ausschnitt der im gesellschaftlichen Sein verwirklichten ist, bedarf natürlich in jeder neuen historischen Gestalt einer besonderen Erklärung. Das schließt aber nicht aus, daß keine dieser Gestalten wirklich werden könnte, ohne jene ontologische Trennung von Bewußtsein und Leib, die in der Arbeit ihre erste und allgemein herrschende, fundamentale und Komplizierteres fundierende Funktion erhalten hat. In ihr - und nur in ihr - kann also die ontologische Genesis der späteren komplizierten gesellschaftlichen Phänomene gesucht und gefunden werden.
Wie grundlegend die Arbeit für das Menschwerden des Menschen ist, zeigt sich auch darin, daß ihre ontologische Beschaffenheit den genetischen Ausgangspunkt für noch eine, die Menschen im Laufe ihrer ganzen Geschichte tief bewegende Lebensfrage bildet, für die Freiheit. Auch bei ihrer Betrachtung müssen wir dieselbe Methode anwenden wie bisher: Bei Aufzeigen jener Urstruktur, die den Ausgangspunkt zu den späteren Formen, ihr unaufhebbares Fundament bildet, gleichzeitig auch jene qualitativen Unterschiede sichtbar machen, die im Laufe der späteren gesellschaftlichen Entwicklung mit spontaner Unvermeidlichkeit auftreten und die ursprüngliche Struktur des Phänomens notwendig, auch in wichtigen Bestimmungen entscheidend modifizieren. Die besondere Schwierigkeit für eine - allgemein methodologische - Untersuchung der Freiheit liegt gerade darin, daß sie zu den vielgestaltigsten, vielseitigsten, schillerndsten Erscheinungen der gesellschaftlichen Entwicklung gehört. Man könnte sagen: Jedes einzelne relativ
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eigengesetzlich gewordene Gebiet des gesellschaftlichen Seins produziert je eine eigene Form der Freiheit, die noch dazu, simultan mit der gesellschaftlich-geschichtlichen Entwicklung der betreffenden Sphäre, ebenfalls bedeutsamen Wandlungen unterworfen ist. Freiheit im juristischen Sinn bedeutet etwas wesentlich anderes als im Sinne der Politik, der Moral, der Ethik etc. Eine angemessene Behandlung der Freiheitsfrage kann also auch nur in der Ethik stattfinden. Eine solche Differenzierung ist schon drum theoretisch höchst wichtig, weil die idealistische Philosophie um jeden Preis einen einheitlich-systematischen Begriff der Freiheit suchte und jeweils auch gefunden zu haben vermeinte. Auch hier zeigen sich die verwirrenden Folgen jener weit verbreiteten Tendenz, die die ontologischen Fragen mit logisch-erkenntnistheoretischen Methoden zu lösen versucht. Demzufolge entsteht einerseits eine falsche, oft fetischisierende Homogenisierung heterogener Seinskomplexe, andererseits werden, wie schon früher gezeigt wurde, die komplizierteren Formen als Modellvorbilder der einfacheren gebraucht, und damit wird sowohl das genetische Verständnis der ersteren wie die richtige wertmäßige Analyse der letzteren methodologisch unmöglich gemacht.
Wenn wir nun, nach diesen unerlässlichen Vorbehalten, die ontologische Genesis der Freiheit in der Arbeit zu klären versuchen, müssen wir naturgemäß von dem alternativen Charakter der Zielsetzung in der Arbeit ausgehen. In dieser Alternative erscheint nämlich das der Natur völlig fremde Phänomen der Freiheit zum ersten Mal in einer deutlich umrissenen Gestalt: Indem das Bewußtsein in alternativer Weise darüber entscheidet, welches Ziel es setzen und wie es die dazu erforderlichen Kausalreihen als Mittel der Verwirklichung in gesetzte verwandeln will, entsteht ein dynamischer Wirklichkeitskomplex, zu dem in der Natur keinerlei Analogie zu finden ist. Das Phänomen der Freiheit kann also in seiner ontologischen Genesis nur hier aufgesucht werden. In erster Annäherung gesagt, Freiheit ist jener Bewußtseinsakt, als dessen Ergebnis ein neues, von ihm gesetztes Sein entsteht. Schon hier weicht unsere ontologisch-genetische Auffassung von der idealistischen ab. Denn erstens besteht die Grundlage der Freiheit, wenn wir von ihr als Moment der Wirklichkeit sinnvoll sprechen wollen, in einer konkreten Entscheidung zwischen verschiedenen konkreten Möglichkeiten; wird die Wahlfrage höher abstrahiert, wird sie vom Konkreten vollständig losgelöst, so verliert sie jeden Zusammenhang mit der Wirklichkeit, wird zu einer leeren Spekulation. Zweitens ist Freiheit ein - letzthinniges - Verändernwollen der Wirklichkeit (das freilich unter bestimmten Umständen das Aufbewahren ihres gegebenen Bestandes in sich begreift), wobei die Wirklichkeit als Ziel der Veränderung auch in der weitgehendsten Abstraktion aufbewahrt bleiben muß. Unsere bisherigen Be-
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trachtungen haben freilich auch gezeigt, daß eine Entscheidungsintention, die durch Vermittlungen auf Veränderung des Bewußtseins eines anderen Menschen oder seines eigenen gerichtet ist, ebenfalls eine derartige Veränderung meint. Der so entstehende Umkreis von realen Zielsetzungen ist also groß und umreißt eine große Vielfältigkeit; er hat aber doch in jedem Einzelfall genau bestimmbare Grenzen. Solange also keine derartige Intention auf Veränderung der Wirklichkeit nachweisbar ist, haben Bewußtseinszustände wie Erwägungen, Planungen, Wünsche etc. nichts mit dem realen Problem der Freiheit direkt zu tun.
Komplizierter ist die Frage, wieweit die äußere oder innere Determiniertheit der Entscheidung als Kriterium ihrer Freiheit aufgefaßt werden kann. Wird der Gegensatz von Determiniertheit oder Freiheit abstrakt logizistisch aufgefaßt, so kommt man dazu, daß nur ein allmächtiger und allwissender Gott innerlich wirklich frei sein könne, der würde aber wiederum seinem theologischen Wesen nach jenseits der Sphäre der Freiheit existieren. Als Bestimmung des in der Gesellschaft lebenden und gesellschaftiich handelnden Menschen ist die Freiheit nie völlig ohne Determination. Wir erinnern bloß an unsere früheren Ausführungen darüber, daß schon in der einfachsten Arbeit gewisse Knotenpunkte der Entscheidungen aufgetreten und der Entschluß hier, die eine Richtung und nicht die andere einzuschlagen, eine »Periode der Konsequenzen« herbeiführen kann, in welcher der Spielraum der Entscheidung sich äußerst einschränkt und unter Umständen praktisch gleich Null werden kann. Sogar bei Spielen, z.B. im Schachspiel, kann eine, teils durch eigene Züge heraufbeschworene, Lage eintreten, in welcher nur ein zwangsmäßig gegebener Zug möglich ist etc. Und für die innerlichst menschllchen Beziehungen hat Hebbel dies in seiner Tragödie »Herodes und Mariamne« sehr schön ausgedrückt:
»Für jeden Menschen kommt der Augenblick,
In dem der Lenker seines Sterns ihm selbst
Die Zügel übergibt. Nur das ist schlimm,
Daß er den Augenblick nicht kennt, daß jeder
Es sein kann, der vorüberrollt!«
Abgesehen von diesem für die konkrete Konzeption der Freiheit so wichtigen Moment der objektiven Existenz der Knotenpunkte innerhalb der Kette der Entscheidungen zeigt die Analyse dieser Lage noch eine bedeutsame Bestimmung in der Determiniertheit des Subjekts der Alternative: die notwendige Unkenntnis ihrer Folgen oder zumindest eines Teils ihrer Folgen. Diese Struktur wohnt bis zu
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einem gewissen Grad jeder Alternative inne; ihre quantitative Beschaffenheit muß jedoch auf die Alternative selbst qualitative Rückwirkungen haben. Es ist leicht einzusehen, daß vor allem das Alltagsleben ununterbrochen Alternativen stellt, die unerwartet auftauchen und oft bei Strafe des Untergangs sofort beantwortet werden müssen; bei diesen gehört zur wesentlichen Bestimmung der Alternative selbst, daß ihre Entscheidung in Unkenntnis der Mehrzahl der Komponenten, der Lage, der Folgen etc. gefällt werden muß. Aber auch hier bleibt ein Minimum an Freiheit in der Entscheidung erhalten; auch hier handelt es sich - als Grenzfall - doch um eine Alternative und nicht um ein von rein spontaner Kausalität determiniertes Naturgeschehen.
In einem bestimmten, theoretisch bedeutsamen Sinn repräsentiert selbst die primitivste Arbeit eine Art von Gegenpol zu den eben geschilderten Tendenzen. Daß die »Periode der Konsequenzen« auch im Arbeitsprozeß auftauchen kann, ändert die Grundlage eines solchen Gegensatzes nicht. Denn jede Arbeitssetzung hat ihr in Gedanken konkret und bestimmt gefaßtes Ziel; ohne ein solches wäre keine Arbeit möglich, während eine Alternative vom oben geschilderten Typus des Alltagslebens oft äußerst verschwommene, unklare Zielsetzungen hat. Wir unterstellen natürlich wie immer auch hier die Arbeit als bloße Hervorbringerin von Gebrauchswerten. Das hat zur Folge, daß das die Alternativen als die eines Stoffwechsels des Menschen mit der Natur setzende Subjekt bloß durch seine Bedürfnisse und durch seine Kenntnisse der Naturbestimmtheiten seines Objekts determiniert wird; Kategorien wie Unfähigkeit zu bestimmten Arbeitsweisen infolge der sozialen Struktur der Gesellschaft (z.B. Sklavenarbeit), wie gegen die Durchführung der Arbeit entstehende Alternativen sozialen Charakters (z.B. Sabotage in hochentwickelten gesellschaftlichen Produktionen) kommen auf dieser Stufe noch nicht vor. So ist hier vor allem die adäquate objektive Erkenntnis der Materie und der Vorgänge allein relevant für den erfolgreichen Prozeß der Verwirklichung; die sogenannten inneren Motive des Subjekts kommen dabei kaum in Frage. Der Inhalt der Freiheit unterscheidet sich deshalb wesentlich von dem der komplizierteren Formen. Man könnte ihn am besten so umschreiben: Je angemessener die im Subjekt erlangte Erkenntnis der jeweils in Betracht kommenden Naturzusammenhänge ist, desto größer wird seine freie Bewegung im Stoff; anders ausgedrückt: Je größer die adäquate Erkenntnis der jeweils wirkenden Kausalketten, desto adäquater können sie in gesetzte verwandelt werden, desto sicherer wird die Herrschaft des Subjekts über sie, d.h. seine hier erlangbare Freiheit.
Es ist aus alledem klar, daß jede Alternativentscheidung das Zentrum eines gesellschaftlichen Komplexes bildet, unter dessen dynamischen Komponenten
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Determiniertheit und Freiheit figurieren. Die Zielsetzung, mit welcher das ontologisch Neue als gesellschaftliches Sein auftritt, ist ein Akt der entstehenden Freiheit, indem Wege und Mittel der Bedürfnisbefriedigung nicht mehr Auswirkungen spontan biologischer Kausalketten sind, sondern Ergebnisse bewußt beschlossener und durchgeführter Handlungen. Jedoch gleichzeitig und in davon untrennbarer Weise ist dieser Akt der Freiheit unmittelbar vom Bedürfnis selbst - vermittelt von jenen gesellschaftlichen Beziehungen, die dessen Art, Qualität etc. hervorbringen - determiniert. Dieselbe Gedoppeltheit, das simultane Sein, die Wechselbeziehung von Determiniertheit und Freiheit ist auch in der Verwirklichung des Zieles feststellbar; alle ihre Mittel sind ursprünglich naturhaft gegeben, und diese ihre Gegenständlichkeit determiniert sämtliche Akte des Arbeitsprozesses, der, wie wir gesehen haben, aus einer Kette von Alternativen besteht. Endlich ist der Mensch, der den Arbeitsprozeß vollzieht, in seinem Geradesosein als Produkt der bisherigen Entwicklung gegeben; mag die Arbeit ihn noch so verändern, auch dieses Anderswerden entsteht auf dem Boden von Fähigkeiten, die zu Beginn der Arbeit teils naturhaft, teils gesellschaftiich ausgebildet bereits als mitbestimmende Momente, als Möglichkeiten im Sinne der Aristotelischen Dynamis in der menschlichen Arbeitsleistung vorhanden waren. Unsere frühere Behauptung, daß jede Alternative ihrem ontologischen Wesen nach konkret ist, daß eine allgemeine Alternative, eine Alternative überhaupt nur als Gedankenerzeugnis eines logisch-erkenntnistheoretischen Abstraktionsprozesses denkbar ist, verdeutlicht sich nunmehr in der Richtung, daß die sich in der Alternative äußernde Freiheit ihrem ontologischen Wesen nach ebenfalls konkret und nicht abstrakt-allgemein sein muß: Sie stellt ein bestimmtes Kraftfeld der Entscheidungen innerhalb eines konkreten gesellschaftlichen Komplexes dar, in welchem sowohl naturhafte wie gesellschaftliche Gegenständlichkeiten und Kräfte mit ihm simultan wirksam werden. Eine ontologische Wahrheit kann also nur diese konkrete Totalität besitzen. Daß in ihr im Laufe der Entwicklung die gesellschaftlichen Momente absolut wie relativ ständig zunehmen, kann diese Grundgegebenheit nicht ändern, um so weniger als bei der Arbeit, sowie sie hier unterstellt ist, das Moment der Beherrschung der Natur das ausschlaggebende bleiben muß, selbst bei einem noch so weitgehenden Zurückweichen der Naturschranke. Die freie Bewegung im Stoff ist und bleibt das übergreifende Moment für die Freiheit, soweit diese in Arbeitsalternativen zur Geltung gelangt.
Es darf aber nicht außer acht gelassen werden, daß diese Erscheinungsweise der Freiheit selbst dann, formell wie inhaltlich, aufrechterhalten bleibt, wenn die Arbeit schon längst ihren ursprünglichen, hier als Basis unterstellten Zustand verlassen hat. Man denke vor allem an die Entstehung von Wissenschaft (Mathe-
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matik, Geometrie etc.) aus immer stärker verallgemeinerten Arbeitserfahrungen. Natürlich lockert sich dabei die unmittelbare Verbindung mit der einmaligen konkreten Zielsetzung der einzelnen Arbeit. Da aber eine letzthinnige, wenn auch eventuell weitvermittelte Anwendung in der Arbeit als letzthinnige Verifikation in dieser bestehenbleibt, da, wenn auch in stark verallgemeinerter Weise, die letzthinnige Intention, reale Zusammenhänge in gesetzte und in teleologischen Setzungen verwendbare zu verwandeln, keine umwälzende Änderung erfährt, erleidet auch die für die Arbeit charakteristische Erscheinungsform der Freiheit, die freie Bewegung im Stoff keine fundamentale Umwälzung. Selbst auf dem Gebiet der künstlerischen Produktion ist die Lage eine ähnliche, obwohl hier die direkte Verknüpftheit mit der Arbeit selbst relativ seltener offenkundig ist (Verwandlung von lebenswichtigen Verrichtungen, wie Säen, Ernten, Jagd, Krieg etc., in Tänzen; Architektur). Dabei entstehen vielfache Komplikationen, auf die wir später noch zurückkommen werden. Ihr Grund besteht einerseits darin, daß die unmittelbare Verwirklichung in der Arbeit selbst hier sehr vielen, mannigfaltigen, oft äußerst heterogenen Vermittlungen unterworfen ist, andererseits, daß der Stoff, in welchem die freie Bewegung im Stoff als Gestalt der Freiheit entsteht, nicht mehr bloß die Natur ist, sondern vielfach schon der Stoffwechsel der Gesellschaft mit der Natur oder sogar der Prozeß des gesellschaftlichen Seins selbst. Eine wirklich ausgebreitete umfassende Theorie muß diese Komplikationen natürlich in Betracht ziehen, eingehend analysieren, was wieder nur in der Ethik durchführbar wird; hier genügt es, auf diese Möglichkeiten bloß hinzuweisen, bei der Feststellung, daß die Grundform der Freiheit dabei doch erhalten bleibt.
Da wir gesehen haben, daß in diesem Komplex eine untrennbare Wechselbeziehung zwischen Determiniertheit und Freiheit obwaltet, überrascht uns nicht, daß die philosophischen Behandlungen dieser Frage von dem Gegensatz zwischen Notwendigkeit und Freiheit auszugehen pflegen. Der so formulierte Gegensatz leidet erstens darunter, daß die bewußterweise zumeist logisch-erkenntnistheore
tisch orientierte Philosophie, vor allem die idealistische, die Determination einfach mit der Notwendigkeit identifiziert, worin eine rationalistische Verallgemeinerung und Überspannung des Begriffs der Notwendigkeit enthalten ist, ein Absehen von ihrem ontologischen echten »Wenn
dann«-Charakter. Zweitens herrscht im größten Teil der vormarxschen Philosophie, vor allem in der idealistischen, die uns bereits bekannte, ontologisch illegitime, Ausweitung des Begriffs der Teleologie auf Natur und Geschichte, wodurch es für sie außerordentlich erschwert ist, das Problem der Freiheit in seiner eigentlichen, echt seienden Form zu erfassen. Denn dazu ist notwendig, den qualitativen Sprung im
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Menschwerden des Menschen richtig zu begreifen, das der gesamten Natur, organischer und unorganischer, gegenüber etwas radikal Neues ist. Auch die idealistische Philosophie will ja durch den Gegensatz von Notwendigkeit und Freiheit dieses Neue hervorheben; sie schwächt es aber nicht nur dadurch ab, daß sie in die Natur eine Teleologie, die ontologische Voraussetzung der Freiheit hineinprojiziert, sondern auch dadurch, daß sie aus dem ontologisch-struktiven Gegensatz eine Privation der Natur und der Naturkategorien macht. Hegels berühmte und sehr einflußreich gewordene Bestimmung des Verhältnisses von Freiheit und Notwendigkeit lautet so: »Blind ist die Notwendigkeit nur, insofern dieselbe nicht begriffen wird
«
Ohne Frage erfaßt Hegel hier eine wesentliche Seite des Problems: die Rolle der richtigen Widerspiegelung, des richtigen Erfassens der an sich seienden spontanen Kausalität. Aber schon der Ausdruck »blind« weist auf jene Schiefheit der idealistischen Konzeption, auf die wir eben angespielt haben. Denn das Wort »blind« hat nur als Gegensatz zum Sehen einen wirklichen Sinn; ein Gegenstand, ein Prozeß etc., der seinem ontologischen Wesen nach nie bewußt, nie sehend werden kann, ist nicht blind (höchstens im ungenauen, metaphorischen Sinn); er steht vielmehr diesseits des Gegensatzes von Sehen und Blindheit. Ontologisch bedeutet das Richtige an dem, was Hegel hier meinte, daß ein kausaler Prozeß, dessen Gesetzlichkeit (Notwendigkeit) wir richtig erfaßt haben, für uns jene Unbeherrschbarkeit verlieren kann, die Hegel mit dem Ausdruck Blindheit bezeichnen will. An sich hat sich jedoch am naturkausalen Prozeß selbst nichts geändert, er kann nunmehr allerdings in einen von uns gesetzten verwandelt werden, und in diesem - aber nur in diesem - Sinn hört er auf, als »blinder« zu wirken. Daß es sich dabei nicht bloß um einen bildlichen Ausdruck handelt - dann wäre ja jede polemische Bemerkung müßig - zeigt die Tatsache, daß selbst Engels bei Behandlung dieser Frage von der Unfreiheit der Tiere spricht; wieder: Unfrei kann nur ein Wesen sein, das seine Freiheit verloren oder noch nicht errungen hat. Die Tiere sind nicht unfrei, sondern stehen allenfalls diesseits des Gegensatzes von frei und unfrei. Aber auch von einem noch wesentlicheren Gesichtspunkt aus gesehen enthält die Hegelsche Bestimmung der Notwendigkeit etwas Schiefes und Irreführendes. Das hängt mit seiner logisch-teleologischen Auffassung des ganzen Kosmos zusammen. Die Analyse der Wechselwirkung faßt er nämlich so zusammen: »Diese Wahrheit der Notwendigkeit ist somit die Freiheit.« Wir Wissen aus der kritischen Darstellung von Hegels System und Methode, daß durch
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die Bezeichnung, eine Kategorie sei die Wahrheit der anderen, der logische Aufbau der Aufeinanderfolge der Kategorien gemeint ist, d.h. ihre Stelle im Verwandlungsprozeß der Substanz ins Subjekt, auf dem Weg zum identischen Subjekt-Objekt.
Durch diese abstraktive Steigerung ins Metaphysische verlieren Notwendigkeit und Freiheit, und erst recht ihr Verhältnis zueinander, jenen konkreten Sinn, den Hegel ihnen zu geben bestrebt war und den er in der Analyse der Arbeit selbst, wie wir gesehen haben, vielfach getroffen hat. In dieser Verallgemeinerung entsteht das Phantom einer Identität, während eigentliche Notwendigkeit und Freiheit zu uneigentlichen Repräsentationen ihrer Begriffe herabsinken. Hegel führt ihr Verhältnis zusammenfassend aus: »Freiheit
und Notwendigkeit, als einander abstrakt gegenüberstehend, gehören nur der Endlichkeit an und gelten nur auf ihrem Boden. Eine Freiheit, die keine Notwendigkeit in sich hätte, und eine bloße Notwendigkeit ohne Freiheit, dies sind abstrakte und somit unwahre Bestimmungen. Die Freiheit ist wesentlich konkret, auf ewige Weise für sich bestimmt und somit zugleich notwendig. Wenn von Notwendigkeit gesprochen wird, so pflegt man darunter zunächst nur Determination von außen zu verstehen, wie z.B. in der endlichen Mechanik ein Körper sich nur bewegt, wenn er durch einen anderen Körper gestoßen wird, und zwar in der Richtung, welche ihm durch diesen Stoß erteilt wird. Dies ist jedoch eine bloß äußerliche Notwendigkeit, nicht die wahrhaft innere, denn diese ist die Freiheit.« Man sieht erst jetzt, wie irreführend die Bezeichnung »blind« für die Notwendigkeit gewesen ist. Wo der Ausdruck einen wirklichen Sinn hätte, sieht Hegel »eine bloß äußerliche Notwendigkeit«; diese wird jedoch durch ihr Erkanntwerden nicht dem Wesen nach verwandelt, sie bleibt, wie wir gesehen haben, auch wenn - im Arbeitsprozeß - erkannt, weiter »blind«; nur indem sie für die Verwirklichung einer konkreten teleologischen Setzung erkannt und in eine gesetzte verwandelt wird, erfüllt sie ihre Funktion im gegebenen teleologischen Zusammenhang. (Der Wind ist nicht weniger »blind« als sonst, wenn er an einer Windmühle oder an einem Segelboot die gesetzten Bewegungen zu vollbringen hilft.) Das, was Hegel als eigentliche Notwendigkeit in ihrer Identität mit der Freiheit bezeichnet, bleibt aber ein kosmisches Mysterium.
Wenn nun Engels im »Anti-Dühring« auf die berühmte Definition von Hegel zurückgreift, so schiebt er natürlich alle derartigen Konstruktionen, ohne sie einer Widerlegung zu würdigen, mit Recht einfach beiseite. Seine Auffassung ist streng und eindeutig auf die Arbeit orientiert. Er kommentiert Hegels Ausspruch
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folgendermaßen: »Nicht in der geträumten Unabhängigkeit von den Naturgesetzen liegt die Freiheit, sondern in der Erkenntnis dieser Gesetze, und in der damit gegebenen Möglichkeit, sie planmäßig zu bestimmten Zwecken wirken zu lassen. Es gilt dies mit Beziehung sowohl auf die Gesetze der äußern Natur, wie auf diejenigen, welche das körperliche und geistige Dasein des Menschen selbst regeln
Freiheit des Willens heißt daher nichts andres als die Fähigkeit, mit Sachkenntnis entscheiden zu können.« Damit ist die Hegelsche Darstellung tatsächlich »auf die Füße gestellt«; es fragt sich nur, ob dadurch, daß Engels hier doch den Formulierungen Hegels folgt und den allgemeinen, in dieser Allgemeinheit freilich etwas verschwommenen Begriff der Determination durch den präziser scheinenden, philosophiegeschichtlich traditionell gegebenen der Notwendigkeit ersetzt, die ontologische Sachlage wirklich geklärt hat. Wir glauben, daß die traditionelle Gegenüberstellung von Freiheit und Notwendigkeit das hier vorliegende Problem nicht in seiner ganzen Weite umfassen kann. Wenn wir nämlich von dem logizistischen Aufbauschen des Notwendigkeitsbegriffs absehen, der freilich sowohl im Idealismus und in der Theologie wie in der alten materialistischen Opposition gegen beide eine große Rolle gespielt hat, ist kein Grund vorhanden, von den anderen modalen Kategorien ontologisch vollständig abzusehen. Die Arbeit, der sie konstituierende teleologisch gesetzte Prozeß, ist auf die Wirklichkeit gerichtet; Verwirklichung ist nicht nur das reale Ergebnis, das der wirkliche Mensch im Kampf mit der Wirklichkeit selbst in der Arbeit durchsetzt, sondern auch das ontologisch Neue am gesellschaftlichen Sein im Gegensatz zum bloßen Anderswerden der Gegenstände in den Naturprozessen. Der wirkliche Mensch in der Arbeit steht der für diese in Betracht kommenden ganzen Wirklichkeit gegenüber, wobei daran erinnert werden muß, daß wir die Wirklichkeit nie als bloß eine der modalen Kategorien auffassen, sondern als ontologischen Inbegriff ihrer realen Totalität. In diesem Falle ist Notwendigkeit (als »Wenn
dann«-Zusammenhang gefaßt, als jeweils konkrete Gesetzlichkeit) nur eine, freilich höchst wichtige, Komponente des gerade in Betracht kommenden Wirklichkeitskomplexes. Die Wirklichkeit jedoch - hier als Wirklichkeit Jener Materien, Prozesse, Umstände etc. aufgefaßt, die die Arbeit im gegebenen Fall für ihre Zielsetzung benutzen will - ist durch die Notwendigkeit bestimmter Zusammenhänge etc. noch lange nicht vollständig erschöpft.
Man denke dabei bloß an die Möglichkeit. Arbeit setzt voraus, daß der Mensch die Geeignetheit bestimmter Eigenschaften eines Gegenstandes für seine Zielsetzung erkennt. Diese Eigenschaften müssen zwar objektiv vorhanden sein, sie gehören
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zum Sein des betreffenden Gegenstandes, sie sind jedoch zumeist in dessen Natursein latent geblieben, bloße Möglichkeiten. (Wir erinnern daran, daß wir schon früher auf die ontologische Zusammengehörigkeit von Eigenschaft und Möglichkeit hingewiesen haben.) Es ist die objektiv seiende Eigenschaft bestimmter Steine, daß sie, in bestimmter Weise geschliffen, als Messer, als Axt etc. benutzt werden können. Ohne diese seiende Möglichkeit des Naturhaften in Wirklichkeit zu verwandeln, wäre jede Arbeit zur Unfruchtbarkeit verurteilt, unmöglich. Es wird aber hier keine Art von Notwendigkeit erkannt, sondern eine latente Möglichkeit. Keine blinde Notwendigkeit wird hier zur bewußten, sondern eine latente und ohne Arbeitsprozeß ewig latent bleibende Möglichkeit wird durch die Arbeit bewußt in die Sphäre der Wirklichkeit erhoben. Das ist aber nur eine Seite der Möglichkeit im Arbeitsprozeß. Das von jedem, der die Arbeit wirklich versteht, hervorgehobene Moment der Umwandlung des arbeitenden Subjekts ist, ontologisch betrachtet, im wesentlichen ein systematisches Erwekken von Möglichkeiten, die im Menschen bis dahin nur als Möglichkeiten schlummerten. Es gibt wahrscheinlich wenige bei der Arbeit angewandte Bewegungen, Handgriffe etc., die der Mensch vor dem Arbeitsprozeß gekannt oder gar ausgeübt hätte. Sie werden erst durch die Arbeit aus bloßen Möglichkeiten zu Fertigkeiten, die in einer ständigen Entwicklung immer neue Möglichkeiten m Menschen zu Wirklichkeiten heranreifen lassen.
Endlich darf auch die Rolle des Zufalls, sowohl im positiven wie im negativen Sinn, nicht vernachlässigt werden. Die ontologisch bedingte Heterogenität des Naturseins bringt es mit sich, daß jede Aktivität ununterbrochen von Zufällen gekreuzt wird. Soll die teleologische Setzung erfolgreich zur Verwirklichung werden, so muß der Arbeitende auch diese ununterbrochen in Betracht ziehen. Das kann im negativen Sinne geschehen, indem er seine Aufmerksamkeit darauf richtet, die eventuellen Folgen ungünstiger Zufälle auszuschalten, auszugleichen, unschädlich zu machen. Es kann aber auch im positiven Sinne geschehen, wenn zufällige Konstellationen imstande sind, die Ergiebigkeit der Arbeit zu steigern. Selbst auf der weitaus höheren Stufe der wissenschaftlichen Bewältigung der Wirklichkeit sind Fälle bekannt, in denen Zufälle zu wichtigen Entdeckungen geführt haben. Sogar - zufällig - ungünstige Lagen können den Ausgangspunkt hervorragender Leistungen ergeben. Man erlaube hier, dies an einem - scheinbar - sehr entlegenen Beispiel zu illustrieren: Die Wände, auf die die Stanzen genannten Fresken von Raffael gemalt wurden, haben immer wieder Fenster, deren Flächenform, Format etc. für die malerische Komposition höchst ungünstig sind; der Grund ist zufällig, da diese Säle ja früher da waren als das Projekt der Fresken. Raffael hat nun im »Parnaß«, in der »Befreiung Petri« gerade diese zufällige
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Ungunst der Umstände zu höchst originellen und tief überzeugenden, einzigartigen Raumgestaltungen auszunützen vermocht. Es scheint uns selbstverständlich, daß ähnliche Probleme auch bei der einfachen Arbeit, besonders wenn sie sich, wie z.B. die Jagd, das Segeln etc., unter sehr heterogen bestimmten Umständen durchsetzen muß, immer wieder auftaucht. Wir glauben daher, daß die traditionelle Bestimmung von Freiheit als erkannter Notwendigkeit so erfaßt werden sollte: Die freie Bewegung im Stoff - wir sprechen vorläufig nur von der Arbeit - ist nur möglich, wenn die jeweils in Betracht kommende Wirklichkeit in allen ihren modalen Kategorienformen richtig erkannt und richtig in Praxis umgesetzt wird.
Diese Ausdehnung der Engelsschen Bestimmung ist nicht nur im gegebenen Fall unvermeidlich, wenn wir das Phänomen der Arbeit und ihre Beziehungen zu der in ihr sich offenbarenden Freiheit ontologisch angemessen gedanklich erfassen wollen, sie weist zugleich in einem wichtigen Fall auf die Methodologie der vollständigen Überwindung des Hegelschen Idealismus hin. Engels hat die unmittelbar sichtbaren idealistischen Elemente von Hegels Bestimmung kritisch klar erkannt und hat damit diese tatsächlich materialistisch »auf die Füße gestellt«. Die kritische Umkehrung geschah jedoch nur unmittelbar. Daß Hegel infolge seines Systems der Notwendigkeitskategorie eine logizistisch übertriebene Bedeutung zuschrieb, daß er deshalb die besondere, auch kategoriell bevorzugte Eigenart der Wirklichkeit selbst nicht wahrnahm und infolgedessen eine Untersuchung des Verhältnisses der Freiheit zur totalen Modalität der Wirklichkeit zu untersuchen versäumte, ist Engels entgangen. Da aber der einzig sichere Weg von der Dialektik Hegels zur materialistischen darin besteht - was die philosophische Praxis von Marx und auch die von Engels in der Mehrheit der Fälle war -: jede dialektische Verflechtung auf die ihr zugrunde liegenden seienden Tatbestände hin mit unbefangener ontologischer Kritik zu untersuchen, mußte bei einer so wichtigen, so populären und einflußreich gewordenen Stelle die Unzulänglichkeit der bloßen »materialistischen Umstülpung« der Hegelschen Philosophie und des Idealismus überhaupt nachdrücklich aufgezeigt werden.
Von diesem methodologischen Mangel abgesehen hat Engels hier die in der Arbeit als solcher entstehende Art der Freiheit, das, was wir »freie Bewegung im Stoffe« nannten, klar und präzis erkannt. Er sagt darüber: »Freiheit des Willens heißt daher nichts andres als die Fähigkeit, mit Sachkenntnis entscheiden zu können.« Diese Bestimmung schien zur Zeit, als Engels sie niederschrieb, für diese Stufe der Freiheit völlig zureichend zu sein. Die Zeitumstände ihrer Entstehung erklären auch, warum die hier vorhandene Problematik, die Divergenz in der möglichen Höherentwicklung der durch die Arbeit erlangten Einsicht in echte, weltumfas-
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sende Wissenschaft oder bloße technologische Manipulation ihm entgangen ist. Diese Scheidung der Wege ist, wie wir bereits gezeigt haben, in der durch die Arbeit erzielten Erkenntnis der Natur von Anfang an enthalten; es schien jedoch, als ob sie in der Zeit zwischen Renaissance und Aufschwung des wissenschaftlichen Denkens im 19. Jahrhundert ihre Aktualität verloren hätte. Die Doppeltendenz war natürlich an sich immer vorhanden. Bei den geringen allgemeinen Kenntnissen der anfänglichen Menschen über die Gesetzmäßigkeit der Vorgänge in der Natur war es nur allzu verständlich, daß die Intentionen der Naturerkenntnis sich auf die kleine Insel des unmittelbar Erkennbaren konzentriert und beschränkt haben. Auch als die Entwicklung der Arbeit zu den Anfängen der Wissenschaften geführt hat, mußten die weiter ausgreifenden Verallgemeinerungen den damals möglichen - magischen, später religiösen - ontologischen Vorstellungen angepaßt werden. Daraus entstand eine unaufhebbar scheinende Dualität zwischen beschränkter, wenn auch zuweilen konkret hochentwickelter Rationalität in der Arbeit selbst und zwischen Ausbau und Anwendung der Erkenntnisse zu einer Welterkenntnis und Orientierung auf die in der Wirklichkeit selbst auffindbaren Verallgemeinerungen. Es genügt, wenn wir daran denken, wie relativ hochentwickelte mathematische Operationen, relativ genaue astronomische Beobachtungen in den Dienst der Astrologie gestellt wurden. Diese Dualität erlebt ihre entscheidende Krise in der Periode von Kopernikus, Kepler und Galilei. Wir haben bereits erwähnt, daß in dieser Zeit die Theorie der bewußten »wissenschaftlichen« Manipulation der Wissenschaft ihre prinzipielle Beschränkung auf ein praktizistisches Manipulieren der erkannten Tatsachen, Gesetze etc, beim Kardinal Bellarmin auftaucht. Es schien lange - auch noch in der Zeit, als Engels schrieb -, als ob dieser Versuch endgültig zum Scheitern verurteilt worden wäre; das Vordringen der modernen Naturwissenschaft, ihre Verallgemeinerung zu einer wissenschaftlichen Weltanschauung schienen unwiderstehlich zu sein.
Erst am Anfang des 20.Jahrhunderts gewinnt die Gegenbewegung wieder an Einfluß. Es ist sicher kein Zufall, wie wir bereits gezeigt haben, daß der bekannte Positivist Duhem bewußt an die Auffassung Bellarmins angeknüpft und sie als dem wissenschaftlichen Geist entsprechende Einstellung Galilei gegenüber preist. Die volle Entfaltung dieser Tendenzen im Neopositivismus haben wir im ersten Kapitel ausführlich geschildert, so daß wir hier auf Einzelfragen nicht zurückkommen müssen. Vom Standpunkt unseres gegenwärtigen Problems ergibt sich daraus die paradoxe Lage, daß, während auf primitiver Stufe die Unentwickeltheit der Arbeit und des Wissens Hindernis für die echte ontologische Erforschung des Seins war, heute gerade das sich grenzenlos ausbreitende Beherrschen der Natur
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selbsterbaute Schranken vor eine seinsgemäße Verallgemeinerung des Wissens errichtet, daß dieses nicht gegen Phantasmagorien, sondern gegen seine eigene Verengung auf Grundlage der eigenen praktischen Universalität sich wenden muß. Die entscheidenden Motive der hier in neuer Form auftretenden Gegensätzlichkeit zwischen Erkenntnis des Seins und seiner bloßen Manipulation können wir erst später eingehend behandeln. Hier müssen wir uns mit der Feststellung der Tatsache begnügen, daß die Manipulation materiell in der Entwicklung der Produktivkräfte, ideell in den neuen Formen des religiösen Bedürfnisses ihre Wurzeln hat, daß sie sich nicht mehr bloß auf das Ablehnen einer realen Ontologie beschränkt, sondern auch praktisch der rein wissenschaftlichen Entwicklung entgegenwirkt. Der amerikanische Soziologe W. H. Whyte zeigt in seinem Buch »The Organization Man«, daß die neuen Formen der Organisation der wissenschaftlichen Forschung, Planung, die team work etc. ihrem Wesen nach auf Technologie angelegt sind und schon durch diese Formen der selbständigen, wissenschaftlich produktiven Forschung hindernd im Wege stehen. Nur nebenbei erwähnen wir, daß schon in den zwanziger Jahren Sinclair Lewis in seinem Roman »Martin Arrowsmith« diese Gefahr klarsichtig signalisierte. Auf sie mußte hier schon darum hingewiesen werden, weil ihre Aktualität die Engelssche Bestimmung der Freiheit auf dieser Stufe als »die Fähigkeit, mit Sachkenntnis entscheiden zu können« äußerst problematisch macht. Denn der Manipulation in der Erkenntnis - im Gegensatz zu den Magiern etc. - kann Sachkenntnis keineswegs abgesprochen werden. Das Problem konkretisiert sich nunmehr dahin, worauf die Sachkenntnis orientiert ist; dieses Ziel der Intention und nicht die Sachkenntnis allein ist imstande, hier ein reales Kriterium abzugeben, so daß auch hier das Kriterium im Verhältnis zur Wirklichkeit selbst zu suchen ist. Die Orientierung auf eine logizistisch noch so solid begründete unmittelbare Praktizität führt ontologisch in eine Sackgasse.
Wir haben früher bereits darauf hingewiesen, daß die ursprüngliche Struktur der Arbeit wesentlichen Veränderungen unterworfen wird, sobald die teleologische Setzung nicht mehr ausschließlich auf Umwandlung von Naturgegenständen, auf Verwendung von Naturprozessen gerichtet ist, sondern Menschen dazu veranlassen soll, ihrerseits derartige bestimmte Setzungen zu vollziehen. Qualitativ noch entschiedener wird diese Wandlung, wenn die Entwicklung dahin führt, daß für den Menschen seine eigene Verhaltensweise, seine eigene Innerlichkeit zum Gegenstand der teleologischen Setzung werden soll. Das allmähliche, ungleichmäßige und widerspruchsvolle Ins-Leben-Treten solcher teleologischen Setzun-
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gen ist das Ergebnis der gesellschaftlichen Entwicklung. Die neuen Formen können also niemals einfach aus den ursprünglichen, die komplizierten aus den einfachen vermittels einer gedanklichen Ableitung gewonnen werden. Nicht nur ihre jeweilige konkrete Erscheinungsweise ist gesellschaftlich-geschichtlich bedingt, sondern auch ihre allgemeinen Formen, ihr Wesen ist an bestimmte Entwicklungsstufen der gesellschaftlichen Entwicklung gebunden. Bevor wir also nicht ihre Gesetzmäßigkeiten auch nur in den allgemeinsten Zügen kennengelernt haben, was wir beim Problem der Reproduktion im nächsten Kapitel zu skizzieren versuchen werden, kann über ihre Wesensart, über den Zusammenhang und die Gegensätzlichkeit einzelner Stufen untereinander, über die innere Widersprüchlichkeit einzelner Komplexe etc, nichts Konkretes gesagt werden. Ihre eigentliche Behandlung gehört daher ebenfalls in die Ethik. Hier kann bloß - mit den bisher angedeuteten Vorbehalten - der Versuch gemacht werden, aufzuzeigen, daß bei aller Komplikation der Struktur, bei allen qualitativen Gegensätzen im Objekt und darum im Ziel und im Mittel der teleologischen Setzung die entscheidenden Bestimmungen doch aus dem Arbeitsprozeß genetisch entstanden sind, daß dieser - bei aller Betonung der Verschiedenheit, die in Gegensätzlichkeit umschlagen kann - auch in der Freiheitsfrage als Modell für die gesellschaftliche Praxis dienen kann.
Die entscheidenden Verschiedenheiten entstehen dadurch, daß Objekt und Medium der Verwirklichung in den teleologischen Setzungen immer gesellschaftlicher werden. Das bedeutet nicht, wie wir wissen, daß die Naturbasis verlorengehen würde, nur jenes ausschließende Gerichtetsein auf Natur, das die von uns hier unterstellte Arbeit charakterisiert, wird von objektmäßig gemischteren, immer stärker gesellschaftlich werdenden Intentionen abgelöst. Wenn also die Natur in diesen Setzungen auch zum Moment herabsinkt, muß ihr gegenüber doch das in der Arbeit notwendig gewordene Verhalten aufbewahrt bleiben. Dazu tritt jedoch ein zweites Moment. Die gesellschaftlichen Prozesse, Lagen etc. sind zwar letzten Endes von menschlichen Alternativentscheidungen ausgelöst worden, man darf aber nie vergessen, daß diese nur dann sozial relevant werden können, wenn sie Kausalreihen in Gang setzen, die sich, mehr oder weniger unabhängig von den Absichten ihres Gesetztseins, ihren eigenen, ihnen immanenten Gesetzlichkeiten gemäß bewegen. Der in der Gesellschaft praktisch handelnde Mensch steht also hier einer zweiten Natur gegenüber, zu welcher er sich, wenn er sie mit Erfolg meistern will, vorerst unmittelbar ebenso verhalten muß wie zur ersten Natur, d.h., er muß versuchen, den von seinem Bewußtsein unabhängigen Lauf der Dinge in einen gesetzten zu verwandeln, ihm durch Erkenntnis seines Wesens das von ihm Gewollte aufzuprägen. Soviel muß jede
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vernünftige soziale Praxis aus der ursprünglichen Struktur der Arbeit zumindest übernehmen.
Das ist nicht wenig, allerdings auch nicht alles. Denn die Arbeit beruht wesentlich darauf, daß Sein, Bewegung etc, in der Natur sich zu unseren Entscheidungen völlig gleichgültig verhalten; es ist ausschließlich ihre richtige Erkenntnis, die ihr praktisches Beherrschen ermöglicht. Das gesellschaftliche Geschehen hat zwar ebenfalls eine immanente, »naturhafte« Gesetzlichkeit, und in diesem Sinn bewegt es sich ebenso unabhängig von unseren Alternativen wie die Natur selbst. Wenn der Mensch jedoch in diesen Ablauf handelnd eingreift, ist eine Stellungnahme, ein Bejahen oder Verneinen dem Prozeß gegenüber unvermeidlich; ob sich dies bewußt oder unbewußt, mit richtigem oder falschem Bewußtsein vollzieht, ist eine Frage, die hier noch nicht erörtert werden kann; das ist aber für eine derart allgemeine Behandlung, wie sie hier möglich ist, auch nicht ausschlaggebend. Jedenfalls tritt damit ein völlig neues Moment in den Komplex der Praxis ein, das gerade die Wesensart der hier in Erscheinung tretenden Freiheit weitgehend beeinflußt. Wir haben bei der Arbeit hervorgehoben, daß bei ihrer hier unterstellten ersten Gestalt das innere subjektive Verhalten noch so gut wie gar keine Rolle spielt. Jetzt aber wird es - freilich in den verschiedenen Sphären in verschiedener Weise - immer wichtiger. Die Freiheit gründet sich nicht zuletzt auf solche Stellungnahmen zum Gesamtprozeß der Gesellschaft oder wenigstens zu seinen Teilmomenten. Hier entsteht also auf der Grundlage der gesellschaftlich werdenden Arbeit ein neuer Typus der Freiheit, der sich nicht mehr direkt aus der bloßen Arbeit ableiten und nicht mehr allein auf die freie Bewegung im Stoff zurückführen läßt. Nur einige ihrer wesentlichen Bestimmungen bleiben, wie gezeigt, doch erhalten, allerdings in verschiedenen Sphären der Praxis mit verschiedenem Gewicht.
Daß die teleologische Setzung mit der in ihr eingeschlossenen Alternative bei allen Modifikationen, Verfeinerungen, Verinnerlichungen dem Wesen nach in jeder Praxis erhalten bleiben muß, ist eine Selbstverständlichkeit. Auch das sie charakterisierende intime und untrennbare Ineinanderüberspielen von Determiniertheit und Freiheit muß überall bestehenbleiben. Die Proportionen mögen sich noch so sehr, bis ins Qualitative, ändern, die allgemeine Grundstruktur kann sich nicht entscheidend verwandeln. Die vielleicht bedeutendste Veränderung vollzieht sich in der Beziehung von Ziel und Mittel. Wir haben gesehen, daß zwischen diesen schon auf der primitivsten Stufe ein gewisses Verhältnis der potentiellen Widersprüchlichkeit geherrscht hat, das sich freilich erst dann extensiv wie intensiv entfaltet, wenn im Gegenstand der Zielsetzung nicht mehr die Veränderung der Natur, sondern die der Menschen das übergreifende Moment bildet. Natürlich
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bleibt die untrennbare Koexistenz von Determiniertheit durch die gesellschaftliche Wirklichkeit und Freiheit im alternativen Schluß bestehen. Es ist jedoch ein qualitativer Unterschied, ob die Alternative bloß ein rein erkenntnismäßig bestimmbares Richtig oder Unrichtig zum Inhalt hat oder ob die Zielsetzung selbst das Ergebnis von gesellschaftlich-menschlich entstandenen Alternativen ist. Denn es ist klar, daß, nachdem Klassengesellschaften entstanden sind, eine jede Frage verschiedene Lösungsrichtungen hervorruft, je nachdem, von welchem Klassenstandpunkt aus die Antwort auf ein lebendiges Dilemma gesucht wird. Und es ist ebenso selbstverständlich, daß mit dem Immer-stärker-Werden der Gesellschaftlichkeit der Gesellschaft diese Alternativen in den Begründungen der Alternativsetzungen an Breite und an Tiefe ständig zunehmen müssen. Es ist hier noch nicht möglich, diese Veränderungen in der Struktur der Zwecksetzungen konkret zu analysieren. Das bloße Aussprechen, daß hier eine solche Entwicklungsrichtung eintreten mußte, zeigt bereits, daß die Zielsetzung nicht mehr mit den Kriterien der einfachen Arbeit gemessen werden kann, Diese Lage hat aber zur notwendigen Folge, daß die Widersprüche zwischen
Zielsetzung und Mittel der Verwirklichung sich entsprechend, bis zum Umschlagen ins qualitativ Unterscheidende, verschärfen müssen. Natürlich wird auch hier die Frage im Vordergrund stehen, ob die Mittel geeignet sind, das gesetzte Ziel zu verwirklichen. Aber erstens entsteht ein so großer Unterschied in der exakten Entscheidbarkeit dieser Frage, daß er sofort als qualitativer erscheinen muß. Denn beim Setzen von Kausalketten in der einfachen Arbeit handelt es sich um die Erkenntnis von an sich unverändert wirksamen Naturkausalitäten. Die Frage ist bloß, wieweit ihr dauerndes Wesen, ihre naturbedingten Variationen richtig erkannt wurden. Das »Material« der nunmehr zu vollziehenden Kausalsetzungen bei den Mitteln ist jedoch gesellschaftlichen Charakters, nämlich mögliche Alternativentscheidungen von Menschen; darum etwas prinzipiell nicht Homogenes und noch dazu im ununterbrochenen Wandel Befindliches. Das würde freilich einen solchen Grad der Unsicherheit der Kausalsetzung bedeuten, daß man mit Recht von einem qualitativen Unterschied zur ursprünglichen Arbeit selbst sprechen könnte. Ein solcher ist auch vorhanden, obwohl uns aus der Geschichte Entscheidungen bekannt sind, die diese Unsicherheit in der Erkenntnis der Mittel erfolgreich überwunden haben; andererseits sehen wir immer wieder, daß die modernen Versuche, die Unsicherheit mit Manipulationsmethoden zu beherrschen, sich in komplizierteren Fällen als äußerst problematisch erweisen.
Noch wichtiger scheint uns die Frage der möglichen Widersprüchlichkeit zwischen Zielsetzung und Dauerwirkung der Mittel. Hier taucht ein derart bedeutsa-
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mes gesellschaftliches Problem auf, daß es sehr bald eine allgemein philosophische Behandlung erfahren hat und, man könnte sagen, ununterbrochen, auf der Tagesordnung des Denkens geblieben ist. Sowohl die Empiriker der gesellschaftlichen Praxis wie ihre moralistischen Beurteiler sehen sich hier gezwungen, sich immer wieder mit dieser Widersprüchlichkeit auseinanderzusetzen. Ohne hier auf konkrete Einzelfragen eingehen zu können, was ebenfalls nur in der Ethik möglich sein wird, muß nochmals zumindest der theoretische Vorrang der ontologischen Betrachtung der gesellschaftlichen Praxis sowohl dem praktizistischen Empirismus wie dem abstrakten Moralisieren gegenüber hervorgehoben werden. Die Geschichte zeigt nämlich einerseits oft, daß Mittel, die bestimmten Zielsetzungen rational adäquat angemessen schienen, »plötzlich« ein völliges, ein katastrophales Versagen offenbaren, andererseits, daß es unmöglich ist - selbst vom Gesichtspunkt einer wirklichen Ethik - eine rationalisierte Tabelle von erlaubten und unzulässigen Mitteln a priori aufzustellen. Die Widerlegung beider falschen Extreme kann nur von einer Warte aus erfolgen, von wo aus die moralischen, ethischen etc. Beweggründe der Menschen als reale Momente des gesellschaftlichen Seins erscheinen, die stets innerhalb von widerspruchsvollen, aber in ihrer Widersprüchlichkeit einheitlichen sozialen Komplexen mehr oder weniger effektiv wirksam werden, die aber stets reale Bestandteile der gesellschaftlichen Praxis bilden, die infolge einer solchen Beschaffenheit eine entscheidende Rolle darin spielen, ob ein bestimmtes Mittel (eine bestimmte Beeinflussung der Menschen, so oder so ihre Alternativen zu entscheiden) für die Verwirklichung eines Zieles geeignet oder ungeeignet, richtig oder verwerflich ist.
Damit eine solche vorläufige - und in ihrer Vorläufigkeit notwendig sehr abstrakte - Bestimmung nicht zu Mißverständnissen führt, muß noch hinzugefügt werden, was bereits aus unseren bisherigen Ausführungen notwendig folgt: daß die ontologische Realität des ethischen etc. Verhaltens keineswegs so viel besagen will, daß die Anerkennung seiner Realität sein Wesen erschöpfen könnte. Im Gegenteil. Seine gesellschaftliche Realität beruht nicht zuletzt darauf, mit welchen aus der gesellschaftlichen Entwicklung herauswachsenden Werten es real verknüpft ist, wie es mit ihrem Erhaltenbleiben, Perennieren etc. real zusammenhängt. Würde man freilich dieses Moment unzulässig verabsolutieren, so käme man zu einer idealistischen Konzeption des gesellschaftlich-geschichtlichen Prozesses; würde man es einfach negieren, so käme man zu jener Begrifflosigkeit, die in der praktizistischen »Realpolitik«, auch wenn sie sich verbal auf Marx beruft, unvertilgbar enthalten ist. Man muß also, auch in dieser notgedrungen noch sehr abstrakt-allgemeinen Fassung, darauf achten, daß die hier offenkundige, wach-
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sende Bedeutung der subjektiven Entscheidungen in den Alternativen primär eine gesellschaftliche Erscheinung ist. Nicht die Objektivität des Entwicklungsprozesses wird damit subjektivistisch relativiert - das ist nur eine gesellschaftlich bedingte Erscheinungsform seiner Unmittelbarkeit -. sondern der objektive Prozeß selbst stellt infolge seiner Höherentwicklung Aufgaben, die nur durch diese wachsende Bedeutung der subjektiven Entschlüsse in Gang gebracht und in Gang gehalten werden können. Aber alle Wertungen, die in solchen subjektiven Entscheidungen zur Geltung gelangen, sind in der gesellschaftlichen Objektivität der Werte, in ihrer Bedeutung für die objektive Entwicklung des Menschengeschlechts verankert, und sowohl ihre Werthaftigkeit oder Wertwidrigkeit wie die Intensität und Dauer ihrer Wirkung sind letzten Endes Ergebnisse dieses objektiv-gesellschaftlichen Prozesses.
Es ist nicht schwer, wahrzunehmen, wie weit sich die so entstehenden Handlungsstrukturen von denen der einfachen Arbeit entfernen. Trotzdem wird es sich jedem unbefangenen Blick zeigen, daß - ontologisch betrachtet - Keime, freilich nur Keime, dieser Konflikte und Widersprüche bereits im einfachsten Ziel-Mittel-Verhältnis enthalten waren. Daß ihr gesellschaftlich-geschichtliches Aktuellwerden auch qualitativ völlig neue Problemkomplexe ins Leben ruft, kann nur den überraschen, der die Geschichte nicht als ontologische Wirklichkeit des gesellschaftlichen Seins auffaßt und darum entweder die Werte zu »zeitlosen«, rein geistigen Entitäten hypostasiert oder in ihnen bloß subjektive Reflexe auf von der Praxis der Menschen unbeeinflußbare objektive Prozesse erblickt.
Sehr ähnlich ist die Lage bei den Wirkungen, die die Arbeit in ihrem Vollstrecker hervorruft. Auch hier können und müssen die Unterschiede sehr bedeutsam sein; jedoch das Wichtigste am Wesen dieses Prozesses erhält sich inmitten der größten konkreten Veränderungen. Wir meinen natürlich jene Einwirkungen, die die Arbeit am arbeitenden Menschen selbst vollbringt: die Notwendigkeit seiner Herrschaft über sich selbst, seines ständigen Kampfes gegen die eigenen Instinkte, Affekte etc. Wir haben bereits darauf hingewiesen, müssen es aber hier mit besonderem Nachdruck wiederholen, daß der Mensch eben in diesem Kampf, durch diesen Kampf gegen seine eigene naturhaft gegebene Beschaffenheit zum Menschen geworden ist, und seine Höherentwicklung, seine Vervollkommnung kann sich auch weiter nur auf diesem Weg, nur mit diesen Mitteln verwirklichen. Es ist kein Zufall, daß bereits die Sitte bei primitiven Völkern dieses Problem in den Mittelpunkt des angemessenen menschlichen Verhaltens rückt; es ist ebensowenig zufällig, daß jede große Moralphilosophie, von Sokrates, den Stoikern und Epikur angefangen bis zu so verschiedenen Denkern wie Spinoza und Kant, ununterbrochen mit diesem Problem als mit der Zentralfrage des wahrhaft
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menschlichen Verhaltens ringt. In der Arbeit selbst handelte es sich freilich bloß noch um eine Zweckmäßigkeitsfrage: Sie kann nur dann erfolgreich werden, kann nur dann Gebrauchswerte, Nützliches produzieren, wenn im Arbeitsprozeß diese Selbstüberwindung des Subjekts sich permanent vollzieht; das ist auch bei jeder anderen praktischen Zielsetzung der Fall. Das könnte aber noch als bloß formale Gleichartigkeit in der Praxis aufgefaßt werden.
Es handelt sich jedoch, schon in der Arbeit selbst, um weit mehr. Einerlei, wieweit das dem Vollstrecker der Arbeit bewußt ist, produziert er in diesem Prozeß sich selbst als Mitglied der Menschengattung und damit die Menschengattung selbst. Man kann sogar sagen: der kampfvolle Weg der Selbstüberwindung von der naturhaften Instinktdeterminiertheit bis zur bewußten Selbstbeherrschung ist der einzig reale Weg zur wirklichen menschlichen Freiheit. Man mag über die Proportionen der Durchsetzungsmöglichkeit menschlicher Beschlüsse in Natur und Gesellschaft streiten, man mag das Moment der Determiniertheit bei jeder Zielsetzung, bei jeder Entscheidung einer Alternative noch so hoch einschätzen; das Erkämpfen der Herrschaft über sich selbst, über das eigene, ursprünglich bloß organische Wesen ist ganz gewiß ein Akt der Freiheit, ein Fundament der Freiheit für das Leben des Menschen. Hier begegnen sich die Problemkreise von Gattungsmäßigkeit im menschlichen Sein und Freiheit: Die Überwindung der bloß organischen Stummheit der Gattung, ihre Weiterführung in die artikulierte, sich entwickelnde Gattung des sich zum gesellschaftlichen Wesen formenden Menschen ist - ontologisch-genetisch angesehen - derselbe Akt wie der der Entstehung der Freiheit. Die Existenzialisten meinen die Freiheit gedanklich zu retten und zu erhöhen, wenn sie von einer »Geworfenheit« des Menschen in die Freiheit sprechen, davon, daß der Mensch zur Freiheit »verdammt« ist. In der Wirklichkeit ist freilich jede Freiheit, die nicht in der Gesellschaftlichkeit des Menschen wurzelt, die nicht, wenn auch sprunghaft, sich aus ihr herausentwickelt, ein Phantom. Wenn der Mensch sich nicht in der Arbeit, durch die Arbeit zum gesellschaftlichen Gattungswesen geschaffen hätte, wenn die Freiheit nicht die Frucht seiner eigenen Tätigkeit, seiner Selbstüberwindung der eigenen bloß organischen Beschaffenheit wäre, könnte es keine reale Freiheit geben. Daß die in der originären Arbeit errungene Freiheit noch eine primitive, beschränkte sein mußte, ändert nichts an der Tatsache, daß die geistigste und höchste Freiheit mit denselben Methoden erkämpft werden muß wie die in der anfänglichsten Arbeit, daß ihr Ergebnis, wenn auch auf noch so hoher Stufe der Bewußtheit, letzthin denselben Inhalt hat: die Herrschaft des gattungsmäßigen Individuums über seine
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bloß naturhafte, partikulare Einzelheit. In diesem Sinne, glauben wir, kann die Arbeit wirklich als Modell einer jeden Freiheit aufgefaßt werden.
Mit diesen Betrachtungen - und auch schon früher bei Hinweisen auf höhere Erscheinungsformen der menschlichen Praxis - sind wir über die Arbeit in dem von uns unterstellten Sinn hinausgegangen. Wir mußten es tun, denn die Arbeit in diesem Sinn, als bloßer Produzent von Gebrauchswerten, ist zwar der genetische Anfang des Menschwerdens des Menschen, enthält aber in jedem ihrer Momente reale Tendenzen, die notwendig über diesen Anfangszustand weit hinausführen. Obwohl jedoch dieser Anfangszustand der Arbeit eine historische Realität ist, deren Konstituierung und Ausbau unendlich scheinende Zeitstrecken in Anspruch nahm, haben wir doch mit Recht unsere Unterstellung eine Abstraktion genannt, eine vernünftige Abstraktion im Sinne von Marx. Diese bestand darin, daß wir von der notwendig mit entstehenden gesellschaftlichen Umwelt immer wieder in bewußter Weise abgesehen haben, um die Bestimmungen der Arbeit selbst in möglichster Reinheit herausarbeiten zu können. Selbstverständlich war dies nicht möglich, ohne immer wieder die Verwandtschaften und Gegensätze der Arbeit in Beziehung zu höheren gesellschaftlichen Komplexen aufzuzeigen. So scheint uns jetzt, daß wir bei dem Punkt angelangt sind, wo diese Abstraktion endgültig aufgehoben werden kann und muß, wo wir an die Analyse der grundlegenden Dynamik der Gesellschaft, an ihren Reproduktionsprozeß herantreten können, Das wird den Inhalt des nächsten Kapitels bilden.
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Marx: Das Kapital, I., 5. Auflage, Hamburg 1903, S. 9 MEW 23, S.57.
Engels: Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft - Dialektik der Natur (MEGA Sonderausgabe), Moskau-Leningrad 1935, S. 694;
MEW 20, S.445.
Kapital, I., S. 140; MEW 23, S. 193.
N. Hartmann: Teleologisches Denken, Berlin 1951, S. 13.
Kant: Kritik der Urteitskraft, Paragraph 75; KW 8, S. 513 ff.
Engels an Marx, ca. 12. Dez. 1859, und Marx an Engels, 19. Dez. 1860, MEGAIII , 2., S.447 und 533; MEW 29,S. 524 und MEW 30, S.131.
Kritik der Urteilskraft, Paragraph 77; KW 8, S. 522ff.
Aristoteles: Metaphysik, Buch Z, Kapitel 7, Berlin 1960, S.163 f.
Teleologisches Denken, S. 68f.
Hegel: Jenenser Realphilosophie, Leipzig 1932,II., S. 198f.
Handschrift kann auch als »Geburtskategorie« gelesen werden.
Hegel: Logik, III 2.3. C; Werke, V., S. 220; HWA 6, S. 453.
Handschrift enthält hier: »vielfach«.
Gordon Childe: Man Makes Himself, London 1937, S. 105, deutsch: Der Mensch schafft sich selbst, Dresden o.J., S. 97.
J. D. Bernal: Science in History, London I957, S. 84; deutsch: Die Wissenschaft in der Geschichte, Darmstadt 1961, S. 97.
MEGA I, 5, S. 533 f.; MEW 3, S. 5.
A. Gehlen: Der Mensch. Bonn 1950, S. 43 und S.67.
Metaphysik, Buch , Kapitel 12 S. 122f.
Ebd., Buch , Kapitel 8, S, 217f.
Handschrift noch: Apparat.
Marx: Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, Moskau 1939 - 41 (bzw. Berlin 1953), S. 208 MEW 42, S. 222.
Handschrift noch: im voraus.
Kapital, I. 140; MEW 23, S. 192.
MEGA I, 5, S. 533; MEW 3, S. 5.
Ebd., I, I/I, S. 80f.; MEW EB I, S.370
P. Duhem: Essai sur la nature de la thorie physique de Platon Galile, Paris 1908, S. 77f. und
S.128f.
H. Poincar: Wissenschaft und Hypothese, Leipzig 1906, S. 118
Kant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Phil. Bibl., Leipzig 1906, S.51 I; KW 6, S.58.
Kant: Kritik der praktischen Vernunft, Phil. Bibl., Leipzig 1906, S. 24 f.; KW 6, S. 126.
GLW, Bd. 8, 3.Aufl., Neuwied-Berlin 1967, S. 369f.
Hegel: Rechtsphilosophie, 108 und Zusatz; HWA 7, S. 206 f.
Hegel: Enzyklopädie, 472; HWA 10, S.292 f.
Kapital, I S.49f.; MEW 23, S. 98.
Die Bekenntnisse des heiligen Augustin, Buch VII, Kapitel 11-12, München o.J., S. 215f.
Hobbes: Leviathan, Kapitel II, Zürich-Leipzig 1936, S.95.
Spinoza: Ethik, Teil IV, Vorrede, Phil. Bibl., Leipzig o.J., S.174 f.
Vgl. darüber MEGA I, 5 S.386ff.; MEW 3, S.393 ff.
Hegel: Geschichte der Philosophie, II., Ausg. Glockner, XVIII., S. 456f.; HWA 19, S.280f.
Kapital, I, S.70, 77 und 78; MEW 23, S. 120, S. 127 und S.128.
Grundrisse, S.89; MEW 42, S. 105.
Ebd., S. 599; MEW 42, S.607.
Ebd., S.6oo; MEW 42, S.607f.
In der Handschrift steht hier die Fußnote: »Wir erinnern an unsere Ausführungen im Marx-Kapitel
über diese Frage, besonders an Marx Brief an Lassalle usw.«; GLW 13, S. 656.
Pharsalia I, S. 128: Die siegreiche Sache gefiel den Göttern, aber die unterliegende dem Cato.
Dialektik der Natur, S. 696; MEW 20, S. 446.
Ebd.,S. 700; ebd., S. 450.
E. Ch. Welskopf: Probleme der Muße im alten Hellas, Berlin, 1962, S. 47.
Max Weber: Wirtschaft und Gesellschaft, Tübingen 1921, S.c270; Studienausgabe, Köln-Berlin 1964, S. 371.
Enzyklopädie, 147, Zusatz; HWA, 8, S. 290.
Ebd., 35, Zusatz; HWA 8, S. 102f.
Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft, S.118; MEW 20, S. 106.
W. H. Whyte: The Organization Man, Penguin Books, London, S. 190ff..
Handschrift: »tre et nant«.
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