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Thema Geschichtliche Einordnung der GIK und andere Daten ( original )
Letzte Bearbeitung 08/2003
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1. EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS
1.1. Die organisatorischen und theoretischen Wurzeln der GIC
1.2. Die Geschichte der GIC im Spiegel ihrer Publikationstätigkeiten
1.2.1. GIC und die deutsche Rätebewegung nach 1927
1.2.2. Die Bedeutung der GIC
2. BIOGRAPHISCHE DATEN
2.1. JAN APPEL
2.2. HENK CANNE MEIJER
3. ZU DEN TEXTEN
3.1. GRUNDPRINZIPIEN DER KOMMUNISTISCHEN PRODUKTION UND VERTEILUNG
3.2. DIE ZUSAMMENBRUCHSTHEORIE DES KAPITALISMUS
3.3. DIE INTELLIGENZ IM KLASSENKAMPF
3.4. DAS WERDEN EINER NEUEN ARBEITERBEWEGUNG
3.5. GEGENSATZ ZWISCHEN ROSA LUXEMBURG UND LENIN
3.6. ZU DEN TEXTEN INSGESAMT
4. BIBLIOGRAPHIE
4.1. Von der Gruppe verfaßte Schriften
4.2. Zeitschriften
4.3. Veröffentlichungen des Spartacusbundes
4.4. Veröffentlichungen der Gruppe 'Daad en Gedachte'
4.5. Sekundärliteratur

1. EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS

197O kennt die revolutionäre Arbeiterbewegung in der BRD nur "sektiererische Gruppen".
Die Massenorganisationen der "Arbeitnehmer" wehren sich energisch, mit dem Klassenkampf nur im entferntesten in Verbindung gebracht zu werden. SPD und DGB sind über jeden Verdacht, sozialistisch zu sein, erhaben. Die DKP und der Rest der etwa 10 kommunistischen Parteiversuche sind von ihrem "revolutionären" Anspruch her Tiger, von ihrer Verwurzelung im Proletariat her jedoch Papiertiger.
Der Sieg des Faschismus als Massenbewegung über die sozialistische Arbeiterbewegung forderte und zog nach sich die Zeit eines "Neuaufbaus", die auch die Chance der Neuorientierung in sich barg. Dieser historische Tatbestand setzte aufs neue und eindringlichste die Grenze zwischen Dogmatismus und Resignation auf der einen Seite und der kritischen Überprüfung der tradierten Theorie auf der anderen Seite.
Mit der Jugendrevolte kam das Interesse für die Geschichte der Arbeiterbewegung und für sozialistische Theorien. Darin drückt sich einmal der Wunsch aus, in der Geschichte Identifikationsmöglichkeiten zu finden, zum anderen aber auch eine gewisse Bereitschaft, aus der Geschichte zu lernen.
Die DKP, aber auch einige andere der Parteineugründungen wollen dieses Interesse möglichst schnell in ihre Kanäle lenken und disziplinieren. Indem sie in der Geschichte nur das gelten lassen wollen, was "irgendwie relevant" geworden ist, sei es quantitativ als mächtige Organisation (wie die KPD der Weimarer Zeit) oder qualitativ als neue geschichtliche Bedingung (wie die russische Revolution), negieren sie jede Kritik an der Erscheinung und am Ergebnis und damit auch die Reflexion über mögliche Alternativen. So werden die leninistischen Organisationsvorstellungen, geweiht durch die russische Revolution, zu der einzig möglichen, und der revolutionäre Weg scheint "gesetzmäßig" vorgeschrieben als Eroberung des Staates durch die revolutionäre Partei.
Jeder, der dies bezweifelt, offenbart danach nur seinen fehlenden Klassenstandpunkt und wird daher mit Vokabeln der Vergangenheit bedacht (Anarchosyndikalist, Anarchist). Dabei wird aber nicht angegeben, wie das Wunder geschehen soll, daß zwar der historische Bedingungszusammenhang sich ändert, aber die Begriffe und ihre Inhalte konstant bleiben.
In der vorliegenden Publikation sollen die Arbeiten der GIC, einer winzigen Splittergruppe, neu zugänglich gemacht werden, einer Splittergruppe, deren Organisationsgeschichte schon längst abgeschlossen ist, die niemals auch nur im geringsten politisch relevant geworden ist.
Doch sind wir der Ansicht, daß die Lektüre dieser Schriften, die sich um die Alternative zum "Staatssozialismus" Leninscher Art bemühen, ohne in den plumpen Fehler zu verfallen, historisch Bedingtes mora-

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lisch zu verurteilen, nicht nur wegen der Qualität sozialistischer Theorie heute noch mit Recht das Interesse wecken, sondern daß gerade die Kritik an einem "staatlichen Sozialismus" heute das Ziel des Kommunismus wieder klarer werden läßt: nämlich die ausschließliche Verwaltung der Produktion durch die eigentlichen Produzenten, die arbeitende Bevölkerung.

1.1. Die organisatorischen und theoretischen Wurzeln der GIC

Die Geschichte der Gruppe Internationaler Kommunisten begann 1907, als der radikale Flügel der SDAP, deren Sprecher GORTER und PANNEKOEX waren, ein eigenes Blatt herausgab, "De Tribune". Dies führte 1909 zur Abtrennung und zur Gründung einer eigenen Partei, der "Sociaal Democratische Partij".
In keiner der Sozialdemokratischen Parteien Europas ist etwas Ähnliches vor dem ersten Weltkrieg passiert! Z. B. die Linksradikalen um ROSA LUXEMBURG, die in ihrer Grundtendenz mit den Tribunisten übereinstimmten, entschlossen sich zu einem solchen Schritt erst 1919. Die S.D.P. kam über den Status einer kleinen Intellektuellensekte, die bis zum Kriege in Holland nicht mehr als 500 Mitglieder organisieren konnte, nicht hinaus. Für Rosa Luxemburg war dies ein abschreckendes Beispiel.*1_
Ursache der Abtrennung war die Frage nach der Selbsttätigkeit der Massen, damals konkret die Frage nach dem Generalstreik als einem Mittel der direkten revolutionären Massenaktion. PANNEKOEK und GORTER als die Theoretiker dieser Richtung stellten dem Primat der Organisation (Deutsche Sozialdemokratie) das Primat der Aufklärungs- und Bewußtseinsarbeit entgegen. Die Aufgabe der Avantgarde sei die Aufgabe des mithelfenden Lehrers, sie habe aber nicht die Aufgabe, durch ihre Politik und durch ihre Organisation die Aktionen der Massen zu ersetzen.
PANNEKOEI" und GORTER haben in der Auseinandersetzung mit Kautsky*2_


*1_
" R. L. in einem Brief an Roland Holst 1908: «Nichts wäre verhängnisvoller als ein Bruch zwischen den Marxisten. [...] Man kann nicht außerhalb der Organisation bleiben, die Verbindung mit den Massen verlieren! Die schlechteste Arbeiterpartei ist noch besser als keine.» (J. P. NETTL, R. Luxemburg, Köln/Berlin 1967, S. 656)
*2_
ANTON PANNEKOEK (1873—1960) und HEEMAN GORTER (1864-1927). Die Auseinandersetzung mit KARL KAUTSKY führte vor allem ANTON PANNEKOEK in "Die Neue Zeit" und zwar in folgender Reihenfolge: KARL KAUTSKY, "Die Aktion der Massen", D.N.Z. 30. Jg. (1911), Bd. t; ANTON PÄNNEI"OEK, "Massenaktion und Revolution", D. N. Z. 30. Jg. (1912), Bd. 2; K. K., "Die neue Taktik", D.N.Z., 30.Jg. (1912), Bd. 2; A. P., "Kautsky über "Die neue Taktik"", in: Leipziger Volkszeitung, 19. Jg. (1912), Nr. 209-211; A. P., "Marxistische Theorie und revolutionäre Taktik", D.N.Z., 31. Jg. (1912), Bd. 1; K.K., "Der jüngste Radikalismus", D. N. Z., 31. Jg. (1913), Bd. 1. Nach der sehr materialreichen Einleitung von Manfred Bock zu "A. Pannekoek, H. Gorter, ‚Organisation und Taktik der proletarischen Revolution"", Frankfurt o. J. (1969), S. 15.

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und in der Auseinandersetzung mit dem Leninismus*3_ das theoretische Fundament gelegt und die politischen Kategorien entwickelt, die bestimmend für die Arbeit der GIC blieben und in ihren Schriften die klarste und entschiedenste Ausprägung fanden.
Ihre Grundthese läßt sich vereinfacht folgendermaßen zusammenfassen: Das Proletariat in den hochindustrialisierten Ländern hat durch die Schule der kapitalistischen Produktion und durch die tägliche Erfahrung der abstrakten Möglichkeit in der gegebenen konkreten Unmöglichkeit ein Potential an revolutionärer Energie. Aufgabe der Avantgarde ist es, durch Initiierung der revolutionären Massenaktion und durch permanente Aufklärung (über das Mögliche) dieses Potential zu aktivieren. Den Sozialdemokratischen Parteien wurde vorgeworfen, daß sie durch die autoritäre Organisation die Aktivität des Proletariats um der Erhaltung der Organisation willen abwürgten. Den Bolschewiki dagegen wird vorgeworfen, durch die autoritäre Kaderorganisation die schöpferischen Kräfte des Proletariats ersetzen zu wollen.
Durch PANNEKOEK und GORTER waren die holländischen Linkskommunisten eng an die linkskommunistische Bewegung in Deutschland gebunden. PANNEKOEK arbeitete um 1913 in der Bremer Opposition innerhalb der SPD mit und redigierte mit JOHANNES KNIES die bekannte und berüchtigte "Bremer Bürgerzeitung", an der auch KARL RADEK eine Zeitung mitgearbeitet hatte. Pannekoek war daneben mit ROSA LUXEMBURG zusammen Lehrer an der Parteischule der SPD (1906—1908), er arbeitete mit den "Internationalen Kommunisten Deutschlands"*4_ zusammen, GORTER in Berlin mit den Kräften, die später bestimmend für die Gründer "Kommunistischen Arbeiterpartei" wurden.
Nach 1919 traten PANNEKOEK und GORTER ein für das Zusammensehen von Vorhutorganisation (Avantgardeorganisation, die sie in der zu erkennen glaubten) und der revolutionären Massenorganisation, für die sie die Rätebewegung ansahen.
Sie spalteten sich von der SDP ab, die später auf die Linie der 3. Internationalen einschwenkte und sich in KPH umbenannte.


*3_
Vgl. zur Kritik des Leninismus: HERMAN GORTER, "Offener Brief an den Genossen Lenin. Eine Antwort auf Lenins Broschüre: Der Radikalismus, eine Kinderkrankheit des Kommunismus", Berlin o. J. (1921).
*4_
Die Bremer Linke um JOHANNES KNIEF und PAUL FRÖHLICH (Gruppe Arbeiterpolitik) und die Gruppierung um die in Berlin von Julian Borchardt herausgegebenen "Lichtstrahlen" vereinigten sich Ende 1915 zu einer überregionalen Aktionseinheit unter dem Namen "Internationale Sozialisten Deutschlands" (ISD), nachdem sie auf der Zimmerwalder Konferenz eine gemeinsame vom "Spartakus" verschiedene Haltung zu der neu zu gründenden Internationalen eingenommen hatten. Die ISD wollten den Bruch mit der alten Sozialdemokratie und waren für die Gründung einer eigenen Partei. Pannekoek schrieb unter dem Pseudonym Karl Homer sowohl in den "Lichtstrahlen" als auch in der "Arbeiterpolitik". Im November 1918 benannten sich die IKD um.

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1921 begründete GORTER die "Kommunistische Arbeiterpartei der Niederlande" (KAPN), die dich als Schwesterorganisation der KAPD verstand. Als Organ brachten sie in Amsterdam "De Kommunistische Arbeider" heraus. Auch die KAPN blieb eine kleine Splittergruppierung.
Mit der Spaltung der KAPD 1922 kam auch die Spaltung der KAPN. PANNEKOEK enthielt sich hierbei zwar einer direkten Parteinahme, arbeitete aber später mit dem Teil enger zusammen, welcher der "Berliner Richtung" näher stand und aus dem später die GIC hervorging.
GORTER dagegen engagierte sich sehr auf der Seite der "Essener Richtung". In Deutschland wie in Holland basierte die Spaltung eher auf den theoretisch überhöhten Animositäten der Wortführer in der revolutionären Depressionsphase nach dem März 1921 als auf wirklichen Unterschieden in der Theorie und Praxis. Heute kann man sagen, daß sich auf der einen Seite ein mehr pragmatischer Flügel herausgebildet hatte, der z. B. in der Widerstandszeit gegen die deutsche Besatzung zu einem taktischen Bündnis mit der bürgerlichen Resistancebewegung bereit war (Essener Richtung). Auf der anderen Seite bestand ein mehr theoretisierender Flügel, der sich hauptsächlich in der Gruppierung der GIC sammelte (Berliner Richtung). Dieser lehnte z. B. eine Beteiligung am "demokratischen" Widerstand gegen den deutschen Faschismus ab, da der Faschismus eine historisch notwendige Voraussetzung der Weltrevolution sei. Statt Kampf allein gegen die Deutschen forderten sie die Wiederaufnahme des internationalen Klassenkampf es.
Zu einem effektiven Einfluß auf die Arbeiter kamen beide Gruppierungen nicht.
Die Rest-KAPN bestand noch bis 1932 unter der Wortführung von LUTERAAN und FRITS KNIEF weiter. Der ausgeschlossene Teil organisierte sich ab 1926 unter dem Namen "Internationaale Communisten".

1.2. Die Geschichte der GIC im Spiegel ihrer Publikationstätigkeiten

Das Motto der Gruppe, das allen ihren Veröffentlichungen vorstand, war:
«Die kapitalistische Entwicklung führt zu stets heftigeren Krisen, die in einer stets größeren Erwerbslosigkeit und einer immer tiefer gehenden Erschütterung der Wirtschaft zum Ausdruck kommen. Millionen Arbeiter werden dadurch von der Produktion ausgeschaltet und dem Hunger preisgegeben. Zugleich verschärfen sich die Gegensätze der verschiedenen kapitalistischen Länder so, daß die Konkurrenz, zum Wirtschaftskrieg geworden, ausmünden muß in einen neuen Weltkrieg.
Die fortschreitende Verarmung und die wachsende Unsicherheit der bloßen Existenz zwingen die Arbeiterklasse, für die kommunistische Produktionsweise zu kämpfen. Die Gruppen Internationaler Kommunisten fordern die Arbeiter in diesem Kampfe auf, Verwaltung und Leitung von ProduktiQn und Distribution nach allgemein geltenden, gesellschaftlichen Regeln selbst in die Hand zu nehmen, um so die "Association der freien und gleichen Produzenten" zu verwirklichen.

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Die G.I.K. sehen in der Entwicklung des Selbstbewußtseins der Arbeiter den wesentlichen Fortschritt der Arbeiterbewegung. Sie bekämpfen darum die Führerpolitik der, parlamentarischen Parteien und Gewerkschaften und erheben als Kampfeslosung:
ALLE MACHT DEN ARBEITERRATEN! DIE PRODUKTION IN HÄNDEN DER BETRIEBSORGANISATIONEN!»
1926 veröffentlichten die Linkskommunisten in Deutschland Enthüllungen über die Zusammenarbeit der Reichswehr und Sowjetrußlands. Deutsche Firmen stellten auf russischem Gebiet Waffen für die Reichswehr her. In Holland druckte eine Gruppe unter dem Namen "Gruppe Internationale Kommunisten" mit eigenem Kommentar versehen dieses Material nach. Die Broschüre hieß: "Rußland bewaffnet Deutschland". Der Name "Internationale Kommunisten" sollte signalisieren, daß Rußland mehr und mehr aus nationalen Interessen die Weltrevolution verrate. Damit trat diese Gruppe das erste Mal als eigene Vereinigung auf. Mitglieder waren großenteils aus der KAPN als Anhänger der "Berliner Richtung" hinausgedrängt worden. Sie hatten sich bis zu diesem Zeitpunkt nicht organisiert. Diese Schrift war der Beginn einer langjährigen Gruppenarbeit.
HENK CANNE MEIJER beschreibt auf der Vereinigungskonferenz der AAUD und der AAUE in Berlin im Dezember 1931 (siehe weiter unten) Arbeit der Gruppe folgendermaßen: «Die GIC ist nur eine kleine Gruppe, die aber beständig bemüht ist, ihre Erkenntnisse weiterzutragen. Die besonderen Verhältnisse Hollands haben auch besondere Arbeitsmethoden der Gruppe zur Folge. So ist es nicht unsere Absicht, vor allen Dingen die Organisation zu erweitern, sondern wir haben uns die Aufgabe gestellt, die Grundprinzipien des Klassenkampfes und seiner Bedingungen in den breiten Massen zu verankern. Unsere Tätigkeit wirkt sich in einem großen Teil anderer Organisationen aus, und zwar so, daß wir nicht in diesen fraktionell arbeiten, sondern dadurch, daß ihnen unser Pressematerial zur Diskussion übermitteln, was sie auch verwenden. Das kommt am besten darin zum Ausdruck, daß diese Organisationen im Lauf der Zeit an uns herangetreten sind zwecks Auslegung unserer ideologischen Erkenntnisse in ihren organisatorischen Kreisen. Des weiteren haben wir Flugblätter mit den von uns erkannten notwendigen Wegen der Arbeiterklasse, wie Schaffung von Betriebsselbständiges Handeln der Arbeiterklasse usw., entworfen, deren Texte Gruppen der KPH vervielfältigen, mit ihrer Organisation zeichnen und verbreiten, so daß die Partei-Kommunisten für unsere Erkenntnisse Propaganda betreiben.» (Archiv Radebeweging, Mappe 236, 47/48 im IISG, Amsterdam)
Ob das erste öffentliche Auftreten der Gruppe seine Ursache in der Tatsache hatte, daß JAN APPEL (siehe biographischer Abriß unten) zur Gruppe stieß oder ob das Zusammenfallen rein zufällig ist, ist heute zu klären. Tatsache ist, daß der deutsche Rätekommunist Jan Appel zweierlei Hinsicht für die GIC wichtig geworden ist:

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Einmal brachte er aus seiner Gefängniszeit einen Manuskriptenentwurf mit, der bald zum wichtigsten theoretischen Werk der Gruppe werden sollte ("Grundprinzipien der kommunistischen Produktion und Verteilung").
Zum anderen stellte er die persönliche Verbindung her zu den verschiedenen Gruppen der AAU bzw. der AAU(E). Diese hatten sich vor allem in Berlin durch das Versagen der KAP von der Partei gänzlich getrennt, wurden - aber durch ihr eigenes Losgelöstsein von den Betrieben selber zu einer Art Partei, d. h. zu einer Interessenvereinigung für den Rätegedanken.
Höhepunkt und Abschluß der Entwicklung zu einer Partei war der Vereinigungskongreß 1931 in Berlin von AAUD und AAUE (der im folgenden noch zur Sprache kommen wird).
Die Geschichte der GIC ist die Geschichte ihrer Publikationen, d.h. die Geschichte ihrer theoretischen Arbeit. Sie läßt sich in drei Abschnitte einteilen, die sich zeitlich überlappen.
1.. Die Arbeit an den "Grundprinzipien", die 1930 mit der deutschen Erstveröffentlichung abgeschlossen ist.
2. Die theoretische Aufarbeitung der Zusammenbruchs- und Krisentheorien des Kapitalismus (von 1931 bis 1934).
3. Die Auseinandersetzung mit dem Faktum Faschismus und dem russischen Staatskapitalismus, denen als Alternative die "neue Arbeiterbewegung" gegenübergesetzt wird (von 1935 bis 1940).
Zu dieser Zeit bestand auch ein enger Kommunikationszusammenhang mit den verwandten Splitter-Gruppen in Deutschland, Dänemark, Frankreich und Amerika. Die Schriften, Agitationsbroschüren und Publikationsorgane sind in der Bibliographie zusammengestellt (s. S. 215 f).
Über das weitere Schicksal der Gruppe berichtete dem Herausgeber Herr CAJO BRENDEL, Amersfoort, ehemaliges Mitglied der GIC folgendes: Während der deutschen Besatzung arbeitete der größte Teil der GIC mit einem Teil der in der RSAP (s. Anm. 65) organisierten Trotzkisten zusammen. Dies führte zur Gründung des "Spartacusbundes", der auch nach dem Kriege bestehenblieb. Sie verstanden sich im Kriege als die "Dritte Front", die zugleich den deutschen wie den alliierten Kapitalismus angriff. 1942 (kurz vor Vereinigung) wurden sieben Mitglieder der RSAP von der deutschen Besatzungsmacht erschossen, darunter auch HENE SNEEVLIET, der 1920 unter dem Decknamen MARING für die III. Internationale in China tätig war. Die GIC ging im Spartacusbund völlig auf. Doch nach dem Kriege traten einige frühere Mitglieder der GIC aus, darunter HENE CANNE MEIJER und JAN APPEL. Ende 1964 kam es dann zum endgültigen Bruch; alle früheren Mitglieder der GIC und deren neue Gesinnungsgenossen wurden ausgeschlossen. Sie schlossen sich zusammen unter dem Namen und in der Zeitschrift "Daad en Gedachte" (Tat und Gedanke).
Die Broschüren waren als Unterstützung der Betriebsagitation gedacht und sollten die Fragen, die in den Flugblättern und Schulungsdis-

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kussionen angesprochen worden waren, vertiefen. Aus der Themenauswahl läßt sich einigermaßen das Agitationsziel der Gruppe rekonstruieren: gegen den Parteikommunismus und gegen die bürgerliche antifaschistische Einheitsfrontbewegung die Arbeiter dazu zu bringen, sich selbst zu organisieren und den Kampf gegen den Kapitalismus, in welcher Form er auch auftritt, von den Betrieben aus zu führen. Die Perspektive war die Übernahme der Produktion nach kommunistischen Prinzipien durch die revolutionäre Betriebsorganisation, in der sich die größte Zahl aller Arbeiter sammeln würde. Da man sich die Revolution nur als eine kollektive Tat des weitaus größten Teils der Arbeiterschaft vorstellen konnte, verzichtete man auf jede politische Aktivität, die über die Aufklärung hinausging. Aufklärung und Bewußtseinsförderung - soweit kann die Avantgarde sich in den Geschichtsprozeß einschalten... Der Rest ist alleinige Aufgabe des erwachenden Proletariats.

1.2.1. GIC und die deutsche Rätebewegung nach 1927

Die GIC orientierte sich aus zwei Gründen eng am deutschen Rätekomunismus: einmal bestanden seit eh und je enge persönliche Beziehungen zu Deutschland; zum anderen gab es in Holland zu dieser Zeit so etwas wie ein Problem der deutschen "Gastarbeiter". Die holländischen Unternehmer verwendeten zwar die Arbeitskraft der meist qualifizierte Arbeiter, taten aber nichts, um sie in die holländische Gesellschaft integrieren. Unter diesen Gruppen fand die GIC ihre relativ größte Resonanz. Der Verlauf der Vereinigungskonferenz (s. o.) zeigt den engen Diskussionszusammenhang mit dem deutschen Rätekommunismus.
Er beleuchtet den selbstkritischen Reflexionsprozeß innerhalb der Rätekommunisten und den Kommunikationszusammenhang zwischen den einzelnen Gruppierungen.
Es waren Vertreter aus Dresden, Berlin, Frankfurt, Bitterfeld, Pirna, Forst, Leipzig, Halle, Nürnberg, Ruhla, Chemnitz, Hasthau-Oberforhau, Dortmund, Groß-Hamburg, Cuxhaven, Magdeburg, Amsterdam (GIC).
Begrüßungsschreiben kamen von PAUL MATTICK aus Chicago im Namen der Gruppe des IWW; von der Gruppe Spartakus, Paris; den internationalen Kommunisten, Kopenhagen, und den Linken Kommunisten, Budapest.
Die alte trennende Beantwortung der Frage nach der Todeskrise des Kapitalismus verlor dort zum erstenmal ihre zentrale Bedeutung. War 1922 die Spaltung erfolgt, weil ein Teil die Todeskrise für den morgigen Tag erwartete und daher jegliche Arbeit an den Tagesfragen des Proletariats ablehnte (Nichtbeteiligung an den Streiks — Essener Richtung), so hatte der andere Teil angeblich die Notwendigkeit des Tageskampfes überschätzt. Auf der Konferenz einigte man sich auf folgendes: «Der Kapitalismus vergrößert sich ständig, damit aber auch gleichzeitig seine Widersprüche (Krise und Verelendung des Proletariats). Der Kapitalismus wird sich [jedoch] so lange weiterentwickeln, bis sein Widerspruch:

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das Proletariat, sich mit ihm auseinandersetzt und ihn durch die akute Revolution vernichtet.» (Auer..., Berlin, 24. 12. 1931 um 19.00 Uhr, Archiv Radebeweging, Mappe 236, Blatt 6) Mit dieser Formulierung wurde der theoretische Standpunkt der GIC Allgemeingut für die rätekommunistische Bewegung Deutschlands. Hierbei sei wichtig, daß der Faschismus «nicht als besondere Erscheinung gesehen werden kann, sondern als die Herrschaftsform des Monopolkapitalismus in der Krise». Mich. . ~‚ a. a. 0., Bl. 10)
Die Arbeiter hätten in den revolutionären Betriebs-Organisationen noch keine Alternative zu den Parteien und der Staatsgewalt erfahren können. «Wirkliche B. 0. in modernen Industriegebilden waren eigentlich nur die an der Wasserkante und im Ruhrgebiet. Allgemein betrachtet ist auch damals nach der Revolution nur eine geringe Zahl von Proletariern von uns beeinflußt worden. Unsere Ideologien waren keineswegs allgemein verankert. Die Massen der Arbeiter strömten nach dem Abflauen der Revolution wieder in die Gewerkschaften zurück. Und heute, was bedeutet schon die geeinte Unionsbewegung. Die ist eine Winzigkeit gegenüber dem Gesamtproletariat.» (Mich..., a. a. 0., Bl. 17 [2. Tag früh])
Daher war auch der Streit «um die Organisationsform (Spaltung mit den Einheitlern) damals sicherlich verfrüht. Sie haben die weitere Entwicklung nur schädigend beeinflußt.» (Bl. 18)
Folgende Konsequenzen seien daraus zu ziehen: «Die Rätebewegung ist selbständig. Sie erfaßt die Proletarier zunächst wie sie sind mit allen ihren Schwächen und Halbheiten. Die Räte sollen der Ausdrudc des Selbsthandelns der Arbeiter sein. Sie müssen folglich die verschiedenen unter den Arbeitern herrschenden Ansichten widerspiegeln. Trotzdem müssen wir (als Vorhut) in ihnen arbeiten. Nur müssen wir sie auch kritisieren und sogar gegen sie arbeiten, wenn sie die Vorwärtsentwicklung hemmen. Die Lösung unseres Verhältnisses zu den Räten liegt eben in dieser ständigen Mitarbeit und Kritik. Erst mit und in den Kämpfen kann die Steigerung der Bewegung zu revolutionären Zielen erfolgen». (Mich..., Bl. 20) «Der Widerspruch zwischen Vorhut und Massen ist doch aber auch nach unserer heutigen Meinung vom Wesen der Union geblieben.» (Bl. 21)
Am Abend des 3. Tages kommt man auf der oben beschriebenen Basis zur Vereinigung. CANNE MEIJER schließt sich für die GIC vollinhaltlich, doch nicht formal an. Der Name der Vereinigungsorganisation von AAU und AAUE ist:
Kommunistische Arbeiter Union (KAU). Gemeinsamer Verlag wird der Neue Arbeiter Verlag, ehemals Verlag der AAU, der bei der Übernahme folgenden Bestand ausweist: 1 206 Exempl. brosch. "Grundprinzipien der kommunistischen Produktion und Verteilung" (716 geb.), 900 Exempl. "Ausgangspunkte der Kommunistischen Produktion und Verteilung" (eine thesenartige Zusammenfassung, ebenfalls verfaßt von der GIC).
Der Verlag der AAUE bringt in diese Ehe OTTO RÜHLES "Von der bür-

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gerlichen zur proletarischen Revolution", 1500 Exemplare, neben vielen Einzeltiteln sozialistischer Erziehungsliteratur ein.
Am 4. Tag nach den Gruppenberichten gibt man sich eine Satzung, die geprägt ist vom Doppelcharakter der Union: einmal Vorhutorganisation zu sein, zum anderen der Keim für eine Massenorganisation zu werden.
Wir haben den Verlauf dieses Treffens deshalb so ausführlich beschrieben, weil vor dem Hintergrund und innerhalb der Grenzen der deutschen Unionsbewegung die Wirkung der theoretischen Arbeit der GIC beurteilt und gesehen werden muß. Es wurden nicht nur alle wichtigen theoretischen Arbeiten in Deutsch geschrieben und noch zu Beginn der Nazizeit sowohl unter den deutschen Emigranten als auch in Deutschland vertrieben und beeinflußten dadurch stark die Diskussion im deutschen Rätekommunismus, sondern es war auch das Bewußtsein unter der GIC lebendig, daß die holländische Arbeiterbewegung im Negativen wie im Positiven von der Möglichkeit oder Unmöglichkeit der deutschen Arbeiterbewegung abhängig sei. Daß die deutschen Arbeiter nicht als solidarische Klassengenossen, sondern als faschistische Besatzungsmacht über die Grenze kamen, dieses Faktum setzte der Arbeit der GIC ein vorläufiges Ende.

1.2.2. Die Bedeutung der GIC

Die GIC blieb ein Schulungszirkel, der sich auf die Aufklärungs- und Bewußtwerdungsarbeit unter den Arbeitern beschränkte. Ihre theoretischen Arbeiten waren als Diskussionsbeiträge in der Auseinandersetztmg mit anderen linken Gruppen gedacht. Praktische Führung des Proletariats konnte und wollte man nicht leisten. Der schon dogmatisch übertriebene Glaube an die Selbsttätigkeit des Proletariats hinderte die Gruppe an jeder effektiven Aktion. Die GIC blieb ein Freundeskreis zur Erarbeitung der Theorie des Rätekommunismus. Darin liegt ihre heutige Aktualität begrenzt: die hier vorgelegten Schriften sind kritische Materialien zur Geschichte der Arbeiterbewegung, Voraussetzung für eine Anleitung zum Handeln, nicht Anleitung zum Handeln selbst.
Gottfried Mergner

2. BIOGRAPHISCHE DATEN

Die Daten der Gruppe sind zu entnehmen aus der "Einleitung des Herausgebers". Hier werden die Lebensläufe zweier Mitglieder angefügt, die für den Charakter und die Arbeit der Gruppe bestimmend waren.
Wir danken Herrn Professor Dr. SIJES (Amsterdam) für seine Mithilfe bei der Recherchierarbeit und dem Internationaal Instituut voor Sociale Geschiedenis, Amsterdam, für die Beratung bei der Benutzung des Archivs Radebeweging (Canne-Meijer-Nachlaß).

2.1. JAN APPEL

Jan Appel wurde 1890 in Mecklenburg geboren. Volksschulbildung und Schiffsbauerlehre. Er trat 1908 in die SPD ein. 1918 hatte er eine führende Rolle beim Hamburger Rüstungsarbeiterstreik und kam dadurch in engen Kontakt mit den Hamburger Linkskommunisten um WOLFFHEIM und LAUFENBERG. Während der Revolution war er Vorsitzender der revolutionären Obleute in Hamburg, wurde Mitbegründer des Spartakusbundes und Vorkämpfer der AAU. Auf dem Heidelberger Kongreß, auf dem PAUL LEVI seinen Angriff auf die Linksopposition innerhalb der KPD startete (Okt. 1919); solidarisierte er sich mit der ausgeschlossenen Opposition. Beteiligung an den Ruhrkämpfen im März 1920. Auf dem Gründungskongreß der KAP wird er mit FRANZ JUNG zum 2. Kongreß der III. Kommunistischen Internationale delegiert. Abenteuerliche Reise auf einem gekaperten Fischerboot von Hamburg nach Moskau. Er wird von Lenin zwar freundlich aufgenommen, hat aber keinen Erfolg in der Diskussion der KAP-Thesen. Nach seiner Rückkehr wird er Redakteur des Düsseldorfer AAU-Organs "Der Klassenkampf". 1923 wird er wegen des Schiffsraubes verhaftet. 1925 amnestiert, emigriert er Anfang 1926 nach Holland (Amsterdam), wo er als Schiffsbauer Beschäftigung findet. Dort stöflt er auch zur GIC, deren wichtigster Mitarbeiter neben CANNE MEIIER er wird. Die Nazis fordern schon vor dem Einmarsdi von den Holländern seine Auslieferung, der er sich nur durch Untertauchen entziehen kann.
In dieser Zeit hat er noch lose Verbindung mit den Genossen in Holland, durch deren Solidarität er sich während der ganzen Besatzungszeit verborgen halten kann. Er lebt mit seiner holländischen Frau heute in Maastricht.

2.2. HENK CANNE MEIJER

(Prof. Dr. B. A. SIJES verdanke ich die Lebensdaten von Henk Canne Meijer. Dr. SJJES war ein persönlicher Freund von Canne Meijer und seit 1934 Mitglied der GIC.)
«Henk Canne Meijer wurde am 30. Dez. 1890 geboren und starb am 28. Dez. 1962. In diesen 70 Jahren entstand und verging eine organisierte Arbeiterbewegung. Diese organisierte Arbeiterbewegung — die Sozialdemokratie — begann als eine Bewegung, die die Arbeiterklasse revolutioniert hat. Doch aus dieser Bewegung wurde eine der gesellschaftsbewahrenden Kräfte. Aus einer Bewegung, die den Klassenkampf als wesentlichen Faktor für die Zukunft und die Bewußtwerdung der Arbeiterklasse propagierte, wurde sie die Bewegung, die die Harmonie der Klassen als eine Bedingung für den "Wohlfahrtsstaat" ansieht.
Henk Canne Meijer war 27 Jahre alt, als die russische Revolution ausbrach. Er gehörte zu den Millionen, für die diese mächtige gesellschaftliche Umwälzung bestimmend für ihr ganzes Leben werden sollte. Er reihte sich bei denen ein, die die russische Revolution bejubelten. Doch die Kritik an ihr von seiten

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der deutschen linken Kommunisten und VOn ANTON. PANNEKOEK und HERMAN GORTER in Holland um 1919/20 hatte ihre Wirkung auf ihn. Er stieg zu den oppositionellen Kommunisten, die den selbständigen Kampf der Arbeiter mittels der Arbeiterräte propagierten und sich so gegen den Parteikommunismus wandten, dem Kommunismus der Bolschewiki. Sie konnten den Moskauer Direktiven nicht zustimmen, die darauf hinausliefen, sich im Parlamentarismus und in der Gewerkschaftsbewegung wieder zu engagieren — politische Instrumente, die man ja schon in der Sozialdemokratie verwarf. Henk Canne Meijer gehörte zu denen, die im November 1921 "De Kommunistische Arbeider" herausgaben, das Organ der Kommunistische Arbeiders Partij in Holland.
Henk Canne Meijer war bis zu seinem 23. Lebensjahr Metallarbeiter, er war auf seiner Wanderschaft in Deutschland und Italien. Doch sein Wissensdurst und sein soziales Engagement bewogen ihn, nach einem Beruf zu suchen, in dem er mehr Zeit hatte, sich dem Kampf der Arbeiter zu widmen. Er wurde Lehrer, und den Zweck seines Entschlusses hatte er damit völlig erreicht. Er hatte auch großes Interesse für Biologie — das Studium harte er bereits angefangen —‚ doch brach er es entschieden ab: seine Entscheidung war ja bereits gefällt.
Sein Interesse für Biologie und auch für Psychologie hat er jedoch sein ganzes Leben beibehalten, er stellte seine Kenntnisse (die er stets erweiterte) in den Dienst des Kampfes der Arbeiter. Ich denke z. B. an seine noch nicht veröffentlichte Arbeit "Von Arbeitstieren zu freien Menschen", die sehr moderne psychologische Ansichten über unseren "Verstandesapparat" beinhaltet, und an viele weitere noch nicht veröffentlichte Arbeiten, z. B. "Bemerkungen über die Menschen und die Gesellschaft".
Die großen Niederlagen der Arbeiterklasse seit 1921 und die Verwirrung, die damit in die Reihen der revolutionären Arbeiter kam, beeinflußten Henk Canne Meijer. Aus den Überresten seines Archivs ist wenig über seine Tätigkeit in dieser Zeit aufzufinden. Doch er muB zweifellos viel gelesen haben und auch auf vielen Versammlungen gewesen sein. Ungefähr um 1926/27 gibt er mit anderen Manifeste, Flugschriften und abgezogenes Studienmaterial heraus. Die Ankunft von JAN APPEL in Holland inspirierte ihn. Dieser war es, der die theoretische Grundlage für eine ökonomische, politische Lehre aus den Niederlagen der russischen und der deutschen Revolution ausgearbeitet hatte.
Aus dem ursprünglichen Originalmanuskript von JAN APPELS "Grundprinzipien der kommunistischen Produktion und Verteilung" machte Henk Canne Meijer eine Publikation, die polemisierend und abrechnend mit bürgerlichen und "sozialistischen" Theoretikern eine klare Sprache für unbelesene Arbeiter redete. Er ist es auch gewesen, der in den dreißiger Jahren, als die Rätebewegung vollends in der Sackgasse steckte, der Bewegung eine neue Anregung durch seinen Artikel über "Das Werden einer neuen Arbeiterbewegung" gab und damit aufs neue die Diskussion auch in den revolutionären Gruppen außerhalb Hollands in Gang brachte. Heiik Canne Meijer war nicht allein ein Theoretiker, obwohl er — bescheiden und zurückgezogen wie er war — vielleicht diesen Eindruck auf diejenigen machen mußte, die ihn nicht kannten. Wenn er jedoch auf öffentlichen Versammlungen debattieren konnte, nahm er die Gelegenheit wahr. Aber Holland bot nun einmal nicht das politische Klima, wo sich ruhige Wesen zu scharfen, aufsehenerregenden Revolutionären entwickeln konnten. Henk Canne Meijer war ein Promoter; es war ihm nichts zuviel, wenn er jungen Revolutionären im Irrgarten der Theorie und Praxis Wegweiser sein konnte. Er war ein wahrer Lehrer. Doch nicht nur das. Er ergriff auch die Initiative zur Herausgabe von Zeitschriften, Zeitungen und Manifesten. Er war und bleibt die Seele der Gruppe der Internationalen Kommunisten (GIC). Sein Haus war jahrelang das Zentrum für die Versammlungen der GIC, wo auch

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die Artikel für den PIC (Pressedienst der GIC) besprochen wurden. Sein Name wird in der Öffentlichkeit vergessen sein. Er gehörte zu den unerschütterlichen Revolutionären, die in der Stille an dem Weg bauten, etwas anpackten, Menschen formten, die ihre Kenntnisse wieder auf andere übertrugen. So lebt Henk Canne Meijer doch noch bei sehr vielen fort, als ein großer Kämpfer, als ein kenntnisreicher Mann und als ein warmherziger Mensch, der bereits zu seiner Zelt als Kommunist zu leben versuchte. In Anwesenheit seiner Frau und nur sehr weniger Genossen wurde er in Amsterdam begraben.
Gesdir.: 15. 10. 1970 B. A. Sijes

3. ZU DEN TEXTEN

3.1. GRUNDPRINZIPIEN DER KOMMUNISTISCHEN PRODUKTION UND VERTEILUNG

Am 3. Jan. 1947 schrieb CANNE MEIJER an einen unbekannten Genossen in Deutschland:
«Die "Grundprinzipien" ziehen die ökonomisch-politischen Konsequenzen aus dem Entwicklungsgang der selbständigen Kämpfe. Sie zeigen die neuen Rechtsverhältnisse des kommunistischen Wirtschaftslebens und gehören daher zu den wichtigsten Früchten der Massenbewegung nach 1917.» (Archiv Radebeweging im IISG, Amsterdam, Mappe 5, Bl. 15)
CANNE MEIJER legt in diesem Brief Gewicht auf die zeitliche Parallelität des Vereinigungskongresses von AAU und AAUE (s. Einlt. u. Anm. z) mit dem Erscheinen der "Grundprinzipien". Begründet wird das in dem zitierten Brief wie folgt: «Welche ökonomischen Änderungen, welche Änderung in den Rechtsverhältnissen muß die Arbeiterklasse in der Revolution durchführen, damit sie die Macht in den Händen halten kann? Muß der politische Sieg der Arbeiterklasse sich ökonomisch festigen? Was sind die ökonomischen Bedingungen der Aufhebung der Lohnarbeit?... Die "Grundprinzipien" bilden den .ökonomischen Ausdruck von dem, was sich im Laufe der Entwicklung des Kampfes politisch vollzieht. Denn auch jetzt noch, in diesen bedrängten Zeiten der Machtlosigkeit der Arbeiter, wächst der Kommunismus trotz allem. Sicher, wer nur denkt in Parteien, kann in der heutigen Lage nicht viel Lichtpunkte entdecken. Aber wer in Klassen denkt, sieht deutlich, daß die Arbeiterklasse immer mehr einen Weg aufgetrieben wird, sei es gewollt oder nicht, sei es bewußt oder unbewußt, welches ein Wachstum zum Kommunismus in sich schließt.
Fast alle größeren und kleineren Bewegungen der Arbeiter haben jetzt den Charakter selbständiger Bewegungen. Die offizielle Arbeiterbewegung kann und will keine Bewegung, weil diese den kapitalistischen Aufbau schädigt. Wird aber der Kampf in selbständigen Bewegungen mächtiger, so daß die Gewerkschaften und politischen Parteien sie nicht mehr spalten können, dann hat die alte Arbeiterbewegung für das Kapital keinen Nutzen mehr, und dann werden sie wahrscheinlich vom Kapital selbst als überflüssig aufgeräumt. Es kommt dann die Zeit der offenen Kapitaldiktatur ohne ihre demokratische Verschleierung. Die selbständigen Bewegungen haben die Tendenz, daß die Arbeiter selbst alle Funktionen erfüllen müssen, ihren Kampf selbst beherrschen. Zwar zeigten die Bewegungen der Millionenmassen in Frankreich, Amerika, Belgien, Polen, England noch nicht die feste Verbundenheit als Gesamtklasse. Die Verbindung zwischen den Betrieben durch Arbeiterräte war noch weit und weit ungenügend. Es ist aber klar, daß wir in diesen Bewegungen nicht zu tun haben mit etwas Zufälligem, das morgen wieder eine andere Richtung einschlagen kann. In diesem Kampf lernen die Massen,

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daß sie selbst alle Funktionen der Gesamtklasse ausüben müssen, wollen sie nicht zugrundegehen. Daher ist jeder selbständige Kampf ein Stück Kommunismus. So wächst die neue Gesellschaft im Schoße der alten.» (5/14 f)
«...Wir messen die Reifung der Revolution nicht an dem Wachstum irgendeiner Partei, sondern an der selbständigen Machtentfaltung der arbeitenden Bevölkerung. Die Reifung der Revolution kann nur an dem Maß gemessen werden, in welchem die Arbeiter sich in den Kämpfen als Klasse durch ihre Räte zu organisieren wissen. Daher haben wir diese Form des Kampfes zu propagieren und darin praktisch mitzuarbeiten. Natürlich organisieren sich die bewußten Rätekommunisten zur Durchführung dieser Propaganda und zur Untersuchung aller ökonomischen und politischen Fragen. Ob man diese Organisation "Partei" nennen will oder nicht, ist nicht wesentlich. Sicher stellt sie sich als "Partei" in der Gesellschaft, aber sie will keine Macht für sich, sondern nur für die in Arbeiterräten organisierte Klasse.» (5/15)
JAN APPEL hatte den Text der "Grundprinzipien", auf Grund seiner Erfahrungen in der Unionsbewegung 1917—1921, in seiner Gefängniszeit entworfen. CANNE MEIJER hatte ihn nach intensiver Diskussion in der Gruppe ergänzt und redaktionell bearbeitet. Er wurde zuerst 1930 in deutscher Sprache, 1935 in holländischer herausgebracht.
Eine Ausgabe wurde nach den Maiunruhen 1968 in Frankreich hergestellt. In Berlin wurde 1970 eine Ausgabe mit einem Vorwort von PAUL MATrICK verlegt. In Holland gab es 1970 ebenfalls eine Neuauflage. Wir bringen den Text in der Fassung der deutschen Erstausgabe ohne das Kapitel über die Landwirtschaft.

3.2. DIE ZUSAMMENBRUCHSTHEORIE DES KAPITALISMUS

1929 erschien eine Publikation von HENRYK GROSSMANN: "Das Akkumulations- und Zusammenbruchsgesetz des kapitalistischen Systems". Als der Autor 1933 nach Frankreich emigrierte, kam das Buch über die französischen Linkskommunisten neu in die Diskussion und war heftig umstritten.
Die GLC schrieb anläßlich der Diskussion mit PAUL MATTICK, der auf das Buch durch KARL KORSCH stieß, ab 1934 mehrere kritische wie zustimmende Artikel zu dem Buch. Der umfangreichste Artikel zu diesem Thema war "Die Zusammenbruchstheorie des Kapitalismus" in der Nr. 1 der "Rätekorrespondenz", Juni 1934. Nach Angabe von B. SIJEs ist A. PANNEKOEK der Verfasser.
Ziel des Artikels war vor allem, einen Beitrag zur "Todeskrisendiskussion des Kapitalismus" zu liefern, die durch die Argumente von GROSSMANN neue Nahrung fand. Das Buch von GROSSMANN wurde 1967 im Verlag "Neue Kritik", Frankfurt/M., neu verlegt, in der Reihe Archiv sozialistischer Literatur Nr. 8. Wir verweisen dort vor allem auf die kritische Einleitung von WOLF ROSENBAUM.

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3.3. DIE INTELLIGENZ IM KLASSENKAMPF

Der Text erschien ebenfalls in der "Rätekorrespondenz" Nr. 3, Sept. 1934. Die Frage nach der Funktion der Intelligenz scheint uns in dem Artikel etwas verkürzt nur auf die «frei schwebenden Ideologienproduzenten» angewandt.
Wo sind heute z. B. in einem großen Konzern exakt die Grenzen zwischen dem qualifizierten Facharbeiter, dem Ingenieur, dem Diplomingenieur? (5. dazu G. MERGNER, WULF RADTKE, "Kritischer Bericht über die Behandlung der Hochschule durch die verschiedenen sozialistischen Gruppierungen der BRD und Westberlins", Bonn 1970.) Von dieser Verkürzung abgesehen, scheint die Frage gerade in der Absolutheit wie sie gestellt wird, heute, wo die "Studentenrevolte" sich bemüht, Arbeiterbewegung zu werden, hochaktuell.

3.4. DAS WERDEN EINER NEUEN ARBEITERBEWEGUNG

"Rätekorrespondenz" Nr. 8/9, Febr./April/Mai 1935. Dieser Text ist von CANNE MEIJER und faßt die Diskussion in der GIC über die Ergebnisse der Vereinigungskonferenz und der dort angesprochenen Probleme zusammen. Der Aufsatz fand eine weite Verbreitung unter den Linkskommunisten, die sich in dieser Zeit vorbereiten mußten, in den Untergrund zu gehen. Er weist starke Parallelitäten zu den Arbeiten OTTO RÜHLES auf ("Perspektiven einer Revolution in den hochindustriealisierten Ländern", Reinbek 1971), obwohl zu dieser Zeit keine Verbindung zwischen Rühle und der GIC bestand.

3.5. GEGENSATZ ZWISCHEN ROSA LUXEMBURG UND LENIN

Nr. 12 der "Rätekorrespondenz", Sept. 1935. Der Artikel ist eine wichtige Darstellung der Ideengeschichte der kommunistischen Bewegung, der auch heute der etwas dogmatisch geführten Lenin-Diskussion vielfältige Informationen zu liefern vermag. Das Erscheinen der Zeitschrift "Rätekorrespondenz" wurde, wahrscheinlich aus Geldmangel 1938 eingestellt.

3.6. ZU DEN TEXTEN INSGESAMT

Weitgehend wurden die deutschen Texte an den holländischen Texten überprüft und so manche Sprachkorrekturen angebracht, wo der holländische Sprachgebrauch sich allzu sehr auf den deutschen ausgewirkt hat.
Die Zitate wurden, soweit sie von mir aufgefunden werden konnten, überprüft und verbessert. Die bibliographischen Hinweise wurden nach heute zugänglichen Werken direkt in den Text eingearbeitet. Auslassungszeichen in den Zitaten entsprechen Auslassungen des jeweiligen Autors, diejenigen im Text für geringfügige, meist stilistische Kürzungen des Herausgebers.

4. BIBLIOGRAPHIE

4.1. Von der Gruppe verfaßte Schriften

Grundprinzipien kommunistischer Produktion und Verteilung. 1. Veröffentlichung in deutscher Sprache, Berlin 1930
2. Veröffentlichung (holländ. Masch.-Manuskript), 1931
3. erweiterte und überarbeitete Neuausgabe (holländ.), Amsterdam 1935
4. Ausg. (holländ.), 1950
5. Ausg. (holländ.), Amsterdam 1970 (gekürzt)
6. Ausg. (deutsch), Berlin 1970, mit einem Vorwort von PAUL MATTICK, enth. ferner: Die Ausgangspunkte der Grundprinzipien Kommunistischer Produktion und Verteilung, Ergänztmgsheft zu "Grundprinzipien kommunistischer Verteilung", ersch. im Neuen Arbeiterverlag, Berlin 1931
Agitationsbroschüren (alle Amsterdam):
Rußland bewaffnet Deutschland, 1926
Entwiddungslinien in der Landwirtschaft, 1930
Eenheidsbesef en Klassenstrijd (Einheitsbewußtsein und Klassenkampf), 1931
• Werklozenbeweging en Klassenstrijd (Arbeitslosenbewegung und Klassenkampf), 1934
De Bewegingswetten van het Kapitalistische Bedrijfsleben (Die Bewegungsgesetze des kapitalistischen Betriebslebens), 1934
• Stellingen over het Bolsjewisme (Thesen über den Bolschewismus), 1935
De Arbeijders, het Parlement en het Kommunisme (Die Arbeiter, das Parlament und der Kommunismus)
Stellingen omrent Revolutionaire Bedrijfskernen, Partij en Dictatur (Thesen "hinsichtlich der revolutionären Betriebszellen, der Partei und der Diktatur)
Over de Nieuwe Regeling van de Duitsche Arbeideswetgiving (Zur Neuregelung der deutschen Arbeitsverfassung)
Staats-Kapitalisme en Dictatur (Staatskapitalismus und Diktatur)
Bekentenissen aan de lopende Band. Moskou prozessen (Bekenntnisse am laufenden Band. Moskauer Prozesse), 1937
Bloed Honden maken Pogrom (Bluthunde machen Pogrom), 1938
De Zwendel van München (Der Schwindel von München), 1938
De Wereld in Slagorde (Die Welt in Schlachtordnung), 1938
De Tweede Wereld Oorlog? Wanner (Der II. Weltkrieg. Wann?), 1938 Von der GIC herausgegeben:
J. HARPER (Pseudonym von A. PANNEK0EK), Lenin als Philosoph. Kritische Betrachtungen der philosophischen Grundlagen des Leninismus. Amsterdam 1938

4.2. Zeitschriften

P.l.C. (Presdienst Internat. Communisten), 1927—1938. — 1933 vier Nummern in deutscher Sprache im Auftrag der deutschen Unionsbewegung, um nach dem Hitler-Umsturz einen Ersatz für den mit Verbot bedrohten deutschen Pressedienst zu schaffen. Theoretische Differenzen über die Dauer des HitlerRegimes verhinderten eine weitere Kooperation. Rätekorrespondenz, 1934—1938 (theoretisches Diskussionsorgan für die Rätebewegung, Ausg. der GIC) Radencommunisme, hg. von: Proletenstemmen, en Groep van Internationale Communisten, 1938—1940

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Proletenstemmen. Alle Macht am de Arbeiders-Raden (in Zusammenarbeit mit der GIC)

4.3. Veröffentlichungen des Spartacusbundes

De Arbeidersraden (Die Arbeiterräte), von A. PANNEXOEK u. d. Pseudonym P.AARTSZ, 1946
Van slavenmaatschappij tot arbeidersmacht (Von der Sklavengesellschaft zur Arbeitermacht), 1946
Taak en wezen van de nieuwe partij (Aufgabe und Wesen der neuen Partei), 1945
Lessen uit de Parijse Commune (Lehren der Pariser Kommune), 1953
De opstand der Arbeiders in Oost-Duitsland (Der Aufstand der Arbeiter in Ostdeutschland), 1953
De stakers voor het scheidsgerecht van Amsterdam (Die Streikenden vor deni Amsterdamer Schiedsgericht), 1955
Milovan Djilas en de nieuwe klasse (Milovan Djilas und die neue Klasse), 1958, (2)1962 2 Broschüren über den belgischen Streik, Winter 1960/61 Zeitschrift "Spartacus"

4.4. Veröffentlichungen der Gruppe 'Daad en Gedachte'

Was de sociaaldemocratie ooit socialistisch? (War die Sozialdemokratie je sozialistisch?), 1965 Monatszeitschrift "Daad en Gedachte"

4.5. Sekundärliteratur

DR. B. SIJE5, Enkele marxistische opvattingen betreffende de verovering van de politieke macht in de laatste zeventig jaar (Einige marxistische Auffassungen über die Eroberung der politischen Macht in den letzten 70 Jahren). Leiden 1970
CAJO BRENDEL, Pannekoek als sozialistischer Theoretiker (holländ. 1970). Voraussichtl. Herbst 1971 bei EVA
SERGE BRICIANER, Pannekoek et les conseils ouvriers. Paris 1969

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