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Team W. I. Lenin
Thema DIE ERFAHRUNGEN DER PARISER KOMMUNE VOM JAHRE 1871 - 5 kurze Texte ( orginal )
Status 1905 bis 1917
Letzte Bearbeitung 06/2004
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1. DIE PARISER KOMMUNE UND DIE AUFGABEN DER DEMOKRATISCHEN DIKTATUR
2. VORWORT ZUR RUSSISCHEN ÜBERSETZUNG DER BRIEFE VON KARL MARX AN L. KUGELMANN (1907)
3. DIE LEHREN DER KOMMUNE
4. DEM ANDENKEN DER KOMMUNE
5. ÜBER DIE DOPPELHERRSCHAFT

1. DIE PARISER KOMMUNE UND DIE AUFGABEN DER DEMOKRATISCHEN DIKTATUR

Als Artikel erschienen am 17. (4.) Juli 1905*1


War die Kommune eine Diktatur des Proletariats?

Das Vorwort von Engels zur 3. Ausgabe von Marxens ´Bürgerkrieg in Frankreich´ schließt mit den Worten:
"Der deutsche Philister ist neuerdings wieder in heillosen Schrecken geraten bei dem Worte ´Diktatur des Proletariats´. Nun gut, ihr Herren, wollt ihr wissen, wie diese Diktatur aussieht? Seht euch die Pariser Kommune an. Das war die Diktatur des Proletariats."
Aber Diktatur und Diktatur können verschieden sein! War das vielleicht eine wirkliche, reine Diktatur des Proletariats im Sinne der rein sozialdemokratischen Zusammensetzung ihrer Mitglieder und des Charakters ihrer praktischen Aufgaben? Keinesfalls! Das klassenbewußte Proletariat (und auch da kann nur von einem mehr oder weniger klassenbewußten Proletariat gesprochen werden), d. h. die Mitglieder der Internationale waren in der Minderheit. Die Mehrheit der Regierung bestand aus Vertretern der kleinbürgerlichen Demokratie. Einer der neuesten Forscher (Gustav Jaeckh*2 ) sagt das ganz unzweideutig. Das Zentralkomitee der Nationalgarde z. B. hatte 35 Mitglieder, und davon waren ganze zwei Sozialisten (d. h. Mitglieder der Internationale), dafür besaßen sie (Varlin*3 und Avoine*4 ) unter ihren Machtgenossen ein großes Gewicht.
Über dieses Komitee schreibt Lissagaray*5 :
"Wer sind seine Mitglieder? Sind es die Agitatoren? Die Sozialisten? Keineswegs. Kein einziger bekannter Name. Alle Gewählten sind Kleinbürger, Krämer, Angestellte..."
Und doch traten Varlin und Avoine in dieses Komitee ein. Später traten noch Pindy*6 , Ostyn und Jourde*7 ins Komitee ein. Die ´New Yorker Arbeiterzeitung´ (das Organ der Internationale) schrieb in ihrem Artikel vom 18. Juli 1874:
"Die Internationale hat die Kommune nicht gemacht noch war sie mit ihr identisch, wohl aber haben die Mitglieder der Internationale sich das Programm der Kommune angeeignet, um es über sich selbst hinauszutreiben, und sie waren zugleich die eifrigsten, treuesten Verteidiger der Kommune, weil sie deren Bedeutung für die Arbeiterklasse erkannt haben."
Der ´Generalrat´, an dessen Spitze, wie bekannt, Marx stand, hieß die Taktik der Pariser Föderation der Internationale gut. In seinem Manifest wurde gesagt:
"Wo immer und in welcher Gestalt immer und unter welchen Bedingungen immer der Klassenkampf irgendwelchen Bestand erhält, da ist es auch natürlich, daß Mitglieder unserer Assoziation im Vordergrund stehen." ()*8
Aber unsere Vorläufer, die Mitglieder der Internationale, wollten sich durchaus nicht mit der Kommune verschmelzen; sie bewahrten die ganze Zeit ihre besondere, rein proletarische Parteiorganisation.

Jaeckh schreibt:
"Der Föderalrat der Internationale wußte sich schon früher durch Bevollmächtigte bei den Behörden, zuerst beim Zentralkomitee, dann bei der Kommune steten Einfluß auf die Abwicklung wichtiger Fragen zu sichern."
Als ein ausgezeichneter Beweis für die Sonderstellung der damaligen proletarischen Organisation bei gleichzeitiger Beteiligung ihrer Vertreter an der Regierung kann die folgende Einladungskarte gelten:
"Am nächsten Sonnabend, dem 20. Mai, punkt 1 Uhr, wird eine außerordentliche Versammlung des Föderalrates stattfinden, um über die gegenwärtige Situation zu befinden. Die Mitglieder der Kommune, die der Internationale angehören, sind zu dieser Sitzung eingeladen. Sie werden dort über ihre Haltung im Stadthaus Auskunft zu geben haben und die Gründe der Spaltung aufklären müssen, die sich im Schoße der Kommune vollzogen hat. Die Mitglieder der Internationale können gegen Vorweisung ihres Mitgliedsbuches bei der Versammlung zugegen sein."
Und noch ein weiteres interessantes Dokument, der Beschluß der hier angeführten außerordentlichen Versammlung:
"Die internationale Arbeiterassoziation hat in ihrer außerordentlichen Sitzung vom 20. Mai die nachstehende Resolution angenommen:
Nach Anhörung der Erklärung der Bürger der Internationale, die zugleich Mitglieder der Kommune sind, in Anerkennung der vollkommenen Loyalität der Gründe, die ihre Handlungsweise bestimmt haben, ersuchen wir sie, unter steter Wahrung der Interessen der Arbeiter, ihr Möglichstes zu tun, um die in dem Kampfe gegen die Versailler Regierung so nötige Einheit der Kommune aufrechtzuerhalten:
empfehlen wir die Öffentlichkeit der Kommunesitzungen und die Aufhebung des Paragraph 3 der Bekanntmachung, der unvereinbar ist mit dem Rechte des Volkes, die Handlungen der Exekutivbehörde, in diesem Falle des Wohlfahrtsausschusses, zu kontrollieren."
An der Versammlung nahmen sechs Mitglieder der Kommune teil, drei hatten sich entschuldigt. Am 19. März zählte Lissagaray in der Kommune 25 Vertreter der Arbeiterklasse, aber nicht alle gehörten der Internationale an. Die Mehrheit ging auch da mit dem Kleinbürgertum.
Es ist hier nicht der Ort, die Geschichte der Kommune und die Rolle der Mitglieder der Internationale in der Kommune zu erzählen. Wir teilen nur mit, daß im Vollzugsausschuß Donville, in der Finanzkommission Varlin, Jourde und Beslay, in der Militärkommission Donville und Pindy*9 saßen; im Sicherheitsausschuß waren Assy*10 und Chalain, in der Arbeitskommission Malon*11 , Frankel*12 , Theiß*13 , Dupont*14 und Avrial*15 . Am 16. April, bei den Neuwahlen, wurden noch einige Mitglieder der Internationale gewählt (unter ihnen der Schwiegersohn von Marx, Longuet), aber in der Kommune saßen auch erklärte Feinde der Internationale, wie z. B. Vesimier*16 . In der letzten Zeit der Kommune lagen ihre Finanzen in den Händen zweier hochbegabter Mitglieder der Internationale, Varlin und Jourde.
Handel und Arbeit leitete Frankel, Post und Telegraph, Münzamt und direkte Steuern wurden ebenfalls von Sozialisten verwaltet. Die Mehrheit der wichtigeren Ministerien verblieb jedoch, wie Jaeckh bemerkt, in der Hand des Kleinbürgertums.
Also steht außer Zweifel, daß Engels, wenn er die Kommune Diktatur des Proletariats nennt, nur die Teilnahme und dabei ideologisch führende Teilnahme der Vertreter des Proletariats in der revolutionären Regierung von Paris im Auge hatte.
Aber war vielleicht der vollständige sozialistische Umsturz das unmittelbare Ziel der Kommune? Bei uns kann es doch darüber keine Illusionen geben.
Tatsächlich heißt es in der berühmten und zweifellos von Marx geschriebenen ´Adresse des Generalrats der Internationalen Arbeiterassoziation über den Bürgerkrieg in Frankreich´:
"Die Kommune sollte (...) als Hebel dienen, um die ökonomischen Grundlagen umzustürzen, auf denen der Bestand der Klassen und damit Klassenherrschaft ruht. "
Und dann heißt es in demselben Manifest weiter:
"Die Arbeiterklasse verlangte keine Wunder von der Kommune. Sie hat keine fix und fertige Utopie durch Volksbeschluß einzuführen. Sie weiß, daß, um ihre eigene Befreiung und mit ihr jene höhere Lebensform hervorzuarbeiten (...) sie, die Arbeiterklasse, lange Kämpfe, eine ganze Reihe geschichtlicher Prozesse durchzumachen hat, durch welche die Menschen wie die Umstände gänzlich umgewandelt werden. Sie hat keine Ideale zu verwirklichen; sie hat nur die Elemente der neuen Gesellschaft in Freiheit zu setzen, die sich bereits im Schoße der zusammenbrechenden Bourgeoisgesellschaft entwickelt haben." ()*17
Alle Maßnahmen, die gesamte soziale Gesetzgebung der Kommune trugen keinen utopischen, sondern einen praktischen Charakter. Die Kommune verwirklichte das, was wir jetzt das ´Minimalprogramm des Sozialismus´ nennen. Um daran zu erinnern, was die Kommune gerade in dieser Richtung verwirklicht hat, führen wir ein weiteres Zitat aus dem Vorwort von Engels an:
Bekanntlich gelang es der Kommune infolge der von ihr begangenen Fehler und ihrer übergroßen Milde nicht, die Reaktion zu bezwingen. Die Kommunarden gingen zugrunde. Aber haben sie die Sache des Proletariats geschändet, kompromittiert, wie Martynow*19 im Hinblick auf die in der Zukunft mögliche revolutionäre Regierung in Rußland krächzt? Augenscheinlich nicht, denn Marx schrieb über die Kommune:
"Das Paris der Arbeiter mit seiner Kommune wird ewig gefeiert werden als der ruhmvolle Vorbote einer neuen Gesellschaft. Seine Märtyrer sind eingeschreint in dem großen Herzen der Arbeiterklasse. Seine Vertilger hat die Geschichte schon jetzt an jenen Schandpfahl genagelt, von dem sie zu erlösen alle Gebete ihrer Pfaffen ohnmächtig sind."

2. VORWORT ZUR RUSSISCHEN ÜBERSETZUNG DER BRIEFE VON KARL MARX AN L. KUGELMANN (1907)

Die Marxsche Einschätzung der Kommune bildet die Krone der Briefe an Kugelmann. Und diese Einschätzung ist besonders lehrreich, wenn man ihr die Methoden des rechten Flügels der russischen Sozialdemokraten gegenüberstellt. Plechanow, der nach dem Dezember 1905 kleinmütig ausrief: "Man hätte nicht zu den Waffen greifen sollen!", war so bescheiden, sich mit Marx zu vergleichen. Marx habe ja im Jahre 1870 die Revolution ebenfalls gebremst.
Gewiß, Marx hat sie ebenfalls gebremst. Aber man vergegenwärtige sich, was für ein Abgrund sich auftut bei diesem von Plechanow selbst herangezogenen Vergleich zwischen Plechanow und Marx.

Plechanow hatte im November 1905, einen Monat vor dem Höhepunkt der ersten revolutionären Welle in Rußland, weit davon entfernt, das Proletariat entschieden zu warnen, vielmehr direkt von der Notwendigkeit gesprochen, den Gebrauch der Waffen zu erlernen und sich zu bewaffnen. Als aber einen Monat darauf der Kampf ausbrach, beeilte sich Plechanow, ohne die Bedeutung dieses Kampfes, seine Rolle im Gesamtverlauf der Ereignisse, seinen Zusammenhang mit den vorhergehenden Kampfformen auch nur im geringsten zu analysieren, den bußfertigen Intellektuellen zu spielen: "Man hätte nicht zu den Waffen greifen sollen."
Marx hatte im September 1870, ein halbes Jahr vor der Kommmune die französischen Arbeiter direkt gewarnt: Ein Aufstand wäre eine Torheit, sagte er in der bekannten Adresse der Internationale*20 . Er deckte im voraus die nationalistischen Illusionen hinsichtlich der Möglichkeit einer Bewegung im Geiste von 1792 auf. Er verstand es, nicht hinterher, sondern mehrere Monate vorher zu sagen: "Man sollte nicht zu den Waffen greifen."

Und wie verhielt er sich, als dieses nach seiner eigenen Erklärung vom September aussichtslose Unternehmen im März 1871 dennoch Wirklichkeit zu werden begann? Hat es Marx vielleicht (wie Plechanow die Dezemberereignisse) bloß dazu benutzt, um seinen Widersachern, den Proudhonisten und Blanquisten, die die Kommune leiteten, "eins auszuwischen"? Begann er vielleicht wie eine Gouvernante zu nörgeln: Ich habe es ja gesagt, ich habe euch gewarnt, da habt ihr nun eure Romantik, eure revolutionären Phantastereien? Sagte er vielleicht zum Abschied den Kommunarden, wie Plechanow den Dezemberkämpfern, mit der Lehrhaftigkeit eines selbstzufriedenen Philisters: "Man hätte nicht zu den Waffen greifen sollen"?
Nein. Am 12.April 1871 schreibt Marx einen begeisterten Brief an Kugelmann, einen Brief, den wir gern jedem russischen Sozialdemokraten, jedem lesekundigen russischen Arbeiter an die Wand hängen würden.*21
Marx, der im September 1870 den Aufstand eine Torheit genannt hat, bringt im April 1871, da er eine Volksbewegung, eine Massenbewegung sieht, dieser die größte Aufmerksamkeit eines Teilnehmers an gewaltigen Ereignissen entgegen, die in der weltgeschichtlichen revolutionären Bewegung einen Schritt vorwärts bedeuten.
Das ist ein Versuch, sagt er, die bürokratisch-militärische Maschinerie zu zerbrechen und sie nicht einfach aus einer Hand in die andre zu übertragen. Und er singt den von Proudhonisten und Blanquisten geführten "heroischen" Pariser Arbeitern ein wahres Hosianna. "Welche Elastizität", schreibt er, "welche historische Initiative, welche Aufopferungsfähigkeit in diesen Parisern! (S. 88) (...) Die Geschichte hat kein ähnliches Beispiel ähnlicher Größe! "

Marx stellt die historische Initiative der Massen über alles. Oh, wenn doch unsere russischen Sozialdemokraten in bezug auf die Einschätzung der historischen Initiative der russischen Arbeiter und Bauern im Oktober und Dezember 1905 bei Marx lernen wollten! Die Verneigung des größten Denkers, der ein halbes Jahr zuvor den Mißerfolg vorausgesehen hatte, vor der historischen Initiative der Massen – und das leblose, seelenlose, pedantische: "Man hätte nicht zu den Waffen greifen sollen"! Ist das nicht voneinander entfernt wie Himmel und Erde?
Als Teilnehmer des Massenkampfes, den er mit der ihm eigenen Glut und Leidenschaft im Londoner Exil miterlebte, macht sich Marx an die Kritik der unmittelbaren Schritte der "wahnwitzig-kühnen" Pariser "Himmelsstürmer" Oh, wie hätten damals unsere heutigen "real denkenden" Weisen unter den Marxisten, die im Rußland der Jahre 1906 und 1907 die revolutionäre Romantik in Grund und Boden verdammen, Marx ausgelacht! Wie hätten sie den Materialisten, den Ökonomen, den Feind von Utopien verhöhnt, der sich vor einem "Versuch" verneigt, den Himmel zu stürmen! Wieviel Tränen herablassenden Lachens oder Mitleids hätten allerlei Menschen im Futteral*22 vergossen über Rebellionstendenzen, Utopismus usw. usf., über diese Einschätzung einer himmelstürmenden Bewegung!

Marx gab sich nicht der Weisheit neunmalweiser Gründlinge*23 hin, die sich scheuen, die Technik der höchsten Formen des revolutionären Kampfes zu erörtern. Er behandelt gerade die technischen Fragen des Aufstands. Verteidigung oder Angriff? fragt er, als ob es sich um Kampfhandlungen vor London handelte. Und er entscheidet: unbedingt Angriff, "es galt, gleich nach Versailles zu marschieren (...)."
Das wurde geschrieben im April 1871, wenige Wochen vor dem großen Blutmai...
"Es galt, gleich nach Versailles zu marschieren" - für die Aufständischen, die das "törichte" (September 1870) Unternehmen begonnen hatten, den Himmel zu stürmen.
"Man hätte nicht zu den Waffen greifen sollen" im Dezember 1905 um sich mit Gewalt gegen die ersten Anschläge auf die eroberten Freiheiten zu wehren...

Wahrhaftig, Plechanow*24 verglich sich nicht umsonst mit Marx! Marx fährt in seiner technischen Kritik fort: "Zweiter Fehler: Das Zentralkomitee" (man beachte, daß hier die militärische Leitung gemeint ist, es handelt sich um das Zentralkomitee der Nationalgarde) "gab seine Macht zu früh auf..."
Marx verstand es, die Führer vor einem verfrühten Aufstand warnen. Dem himmelstürmenden Proletariat gegenüber aber war er ein praktischer Ratgeber, ein Teilnehmer am Kampf der Massen, die ungeachtet der falschen Theorien und der Fehler Blanquis und Proudhons die ganze Bewegung auf eine höhere Stufe hoben.
"Wie dem auch sei", schreibt er, "diese jetzige Erhebung von Paris - wenn auch unterliegend vor den Wölfen, Schweinen und gemeinen Hunden der alten Gesellschaft - ist die glorreichste Tat unserer Partei seit der Pariser Juniinsurrektion."
Und ohne vor dem Proletariat auch nur einen einzigen Fehler der Kommune zu verheimlichen, widmete Marx dieser glorreichen Tat ein Werk, das bis auf den heutigen Tag die beste Anleitung zum Sturm des "Himmels" - und das fürchterlichste Schreckgespenst für die liberalen und radikalen "Schweine" ist.
Plechanow widmete dem Dezember ein ´Werk´, das fast zum Evangelium der Kadetten geworden ist.

Jaja, Plechanow verglich sich nicht umsonst mit Marx! Kugelmann antwortete Marx offenbar mit irgendwelchen Äußerungen des Zweifels und mit Hinweisen auf die Aussichtslosigkeit der Sache, auf den Realismus im Gegensatz zur Romantik, zumindest verglich er die Kommune, einen Aufstand, mit der friedlichen Pariser Demonstration vom 13.Juni 1849.
Sofort (am 17. April 1871) wird Kugelmann dafür von Marx nachdrücklichst abgekanzelt:
"Die Weltgeschichte", schreibt er, "wäre allerdings sehr bequem zu machen, wenn der Kampf nur unter der Bedingung unfehlbar günstiger Chancen aufgenommen würde."*25

Im September 1870 hatte Marx den Aufstand eine Torheit genannt. Als sich aber die Massen erhoben, will Marx mit ihnen marschieren, mit ihnen zusammen im Kampfe lernen, nicht aber kanzleimäßige Belehrungen verlesen. Er begreift, daß ein Versuch, die Chancen im voraus mit absoluter Präzision zu berechnen, entweder Scharlatanerie oder hoffnungslose Pedanterie wäre. Über alles stellt er die Tatsache, daß die Arbeiterklasse heldenmütig, aufopferungsvoll, initiativ Weltgeschichte macht. Marx betrachtete diese Geschichte vom Standpunkt derer, die sie machen, ohne die Möglichkeit zu haben, die Chancen unfehlbar im voraus zu berechnen, nicht aber vom Standpunkt des spießerhaften Intellektuellen, der da moralisiert: "Es war leicht vorauszusehen (...) Man hätte nicht (…)greifen sollen."

Marx vermochte auch zu erkennen, daß es Augenblicke in der Geschichte gibt, wo ein verzweifelter Kampf der Massen sogar für eine aussichtslose Sache notwendig ist um der weiteren Erziehung dieser Massen und ihrer Vorbereitung zum nächsten Kampf willen. Unseren heutigen Quasi-Marxisten, die so gern Marx zu Unrecht zitieren, nur um von ihm die Einschätzung der Vergangenheit zu entlehnen, nicht aber die Fähigkeit zur Gestaltung der Zukunft, ist eine solche Fragestellung völlig unverständlich, ja sogar im Prinzip fremd. Plechanow hat an diese Fragestellung nicht einmal gedacht, als er sich nach dem Dezember 1905 an die Aufgabe machte, zu "bremsen" ...
Marx wirft jedoch gerade diese Frage auf, ohne im geringsten zu vergessen, daß er selber im September 1870 einen Aufstand als Torheit bezeichnet hatte.
"Die bürgerlichen Kanaillen von Versailles", schreibt er, "stellten die Pariser in die Alternative, den Kampf aufzunehmen oder ohne Kampf zu erliegen. Die Demoralisation der Arbeiterklasse in dem letzteren Fall wäre ein viel größres Unglück gewesen als der Untergang einer beliebigen Anzahl von ´Führern´."

Damit wollen wir unsere kurze Übersicht über die Lehren schließen, die Marx in den Briefen an Kugelmann über eine des Proletariats würdige Politik erteilt.
Die Arbeiterklasse Rußlands hat schon einmal bewiesen und wird noch öfters beweisen, daß sie fähig ist, "den Himmel zu stürmen".

3. DIE LEHREN DER KOMMUNE

zu diesem Text*26
Nach dem Staatsstreich, der den Abschluß der Revolution von 1848 bildet, geriet Frankreich für 18 Jahre unter das Joch des Napoleonschen Regimes. Dieses Regime brachte dem Lande nicht nur wirtschaftlichen Ruin, sondern auch nationale Erniedrigung. Das Proletariat, das sich gegen das alte Regime erhob, übernahm zwei Aufgaben: eine gesamtnationale und eine Klassenaufgabe: Befreiung Frankreichs von der Invasion der Deutschen und sozialistische Befreiung der Arbeiter vom Kapitalismus. Diese Verbindung zweier Aufgaben ist das eigenartigste Merkmal der Kommune.
Die Bourgeoisie bildete damals eine ´Regierung der nationalen Verteidigung´, und das Proletariat sollte unter der Leitung dieser Regierung für die gesamt-nationale Unabhängigkeit kämpfen. In Wirklichkeit aber war es eine Regierung des ´Volksverrats´, die ihre Aufgabe in der Bekämpfung des Pariser Proletariats erblickte. Das Proletariat jedoch, von patriotischen Illusionen geblendet, sah dies nicht. Der patriotische Gedanke stammt noch aus der Zeit der Großen Französischen Revolution des 18. Jahrhunderts; er beherrschte den Geist der Sozialisten der Kommune, und Blanqui z. B., ein unzweifelhafter Revolutionär und feuriger Anhänger des Sozialismus*27 fand für seine Zeitung keinen passenderen Namen als den bürgerlichen Alarmruf: ´Das Vaterland in Gefahr!´

In der Verbindung gegensätzlicher Aufgaben - des Patriotismus und des Sozialismus - lag der verhängnisvolle Fehler der französischen Sozialisten. Bereits im Manifest der Internationale, September 1870, warnte Marx das französische Proletariat vor der Begeisterung für den falschen nationalen Gedanken*28 : Seit der großen Revolution haben sich tiefe Wandlungen vollzogen, die Klassengegensätze haben sich verschärft, und wenn damals der Kampf gegen die Reaktion ganz Europas die Gesamtheit der revolutionären Nation zusammenengeschweißt hat, so darf heute das Proletariat nicht mehr seine Interessen mit den Interessen anderer, ihm feindlicher Klassen verbinden; mag die Bourgeoisie für die nationale Erniedrigung die Verantwortung tragen - Sache des Proletariats ist es, für die sozialistische Befreiung der Arbeit vom Joche der Bourgeoisie zu kämpfen.
Und in der Tat: das wahre Wesen des bürgerlichen ´Patriotismus´ trat gar bald zu Tage. Nach dem Abschluß eines schmachvollen Friedens mit den Preußen ging die Versailler Regierung an ihre unmittelbare Aufgabe heran - und unternahm einen Überfall auf die gefürchtete Bewaffnung des Pariser Proletariats. Die Arbeiter beantworteten ihn mit der Proklamierung der Kommune und mit dem Bürgerkrieg.

Obwohl das sozialistische Proletariat in mehrere Sekten gespalten war, war die Kommune ein glänzendes Beispiel dafür, wie einmütig das Proletariat demokratische Aufgaben zu verwirklichen versteht, die die Bourgeoisie nur zu proklamieren fähig war. Ohne jede komplizierte spezielle Gesetzgebung, ganz einfach, faktisch führte das Proletariat, das die Macht ergriff, die Demokratisierung der Gesellschaftsordnung durch: Jedoch vernichteten zwei Fehler die Früchte des glänzenden Sieges. Das Proletariat blieb auf halbem Wege stehen:
  1. Statt die ´Expropriation der Expropriateure´ in Angriff zu nehmen, gab es sich Träumen hin über die Verwirklichung der höchsten Gerechtigkeit in einem durch eine gesamtnationale Aufgabe geeinigten Lande. Solche Einrichtungen z. B. wie die Bank wurden nicht in Besitz genommen, die proudhonistischen Theorien des ´gerechten Austausches´ usw. herrschten noch unter den Sozialisten.
  2. Der zweite Fehler war der übermäßige Großmut des Proletariats: Es hätte seine Feinde vernichten sollen, stattdessen aber bemühte es sich, sie moralisch zu beeinflussen; es mißachtete die Bedeutung rein militärischer Aktionen im Bürgerkrieg, und anstatt seinen Pariser Sieg durch eine energische Offensive gegen Versailles zu krönen, zögerte es und gab so der Versailler Regierung Zeit, die finsteren Kräfte zu sammeln und zu der blutigen Maiwoche zu rüsten.
Aber bei all ihren Fehlern bietet die Kommune das höchste Beispiel der größten proletarischen Bewegung des 19. Jahrhunderts. Marx schätzte die historische Bedeutung der Kommune sehr hoch ein - Die Epoche, die der russischen Revolution vorausging, die sie vorbereitete, weist einige Ähnlichkeit auf mit der Zeit des Napoleonschen Jochs in Frankreich. Auch in Rußland brachte die absolutistische Clique über das Land die Schrecken des wirtschaftlichen Ruins und der nationalen Erniedrigung. Doch lange Zeit hindurch - solange die Soziale Entwicklung nicht die Voraussetzungen für die Massenbewegung geschaffen hatte - konnte die Revolution nicht ausbrechen, und trotz ihres Heldenmutes zerschellten die isolierten Angriffe gegen die Regierung in der vorrevolutionären Periode an der Gleichgültigkeit der Volksmassen. Nur die Sozialdemokratie hat es verstanden, durch zähe und planmäßige Arbeit die Massen zu den höchsten Kampfformen zu erziehen - zu Massenaktionen und zum bewaffneten Bürgerkrieg.
Sie hat es verstanden,

4. DEM ANDENKEN DER KOMMUNE

zu diesem Text*31
Vierzig Jahre sind seit Proklamierung der Pariser Kommune vergangen. In traditioneller Weise hat das französische Proletariat durch Versammlungen und Demonstrationen das Andenken an die Männer der Revolution des 18. März 1871 geehrt; Ende Mai wird es wieder Kränze zu den Gräbern der erschossenen Kommunarden, der Opfer der grauenvollen ´Maiwoche´, tragen und an ihren Gräbern erneut den Schwur leisten, ohne Ruh und Rast zu kämpfen bis zum vollkommenen Triumph ihrer Ideen, bis zur vollständigen Erfüllung ihres Vermächtnisses.
Wie kommt es, daß das Proletariat, nicht nur das französische, sondern das der ganzen Welt, in den Männern der Pariser Kommune seine Vorläufer ehrt? Und worin besteht das Erbe der Kommune? Es war ein in der Geschichte noch nie dagewesenes Ereignis. Zunächst war diese Bewegung äußerst bunt und unbestimmt. Die von ihren Verbündeten von gestern verlassene und von niemand unterstützte Kommune war unvermeidlich der Niederlage geweiht. Zur siegreichen sozialen Revolution bedarf es mindestens zwei Vorbedingungen:
  1. einer hohen Entwicklungsstufe der Produktivkräfte und
  2. der Reife des Proletariats.
1871 fehlten jedoch diese beiden Vorbedingungen. Was aber der Kommune vor allem fehlte, Im übrigen vermochte die Kommune, trotz der so ungünstigen Umstände, trotz der Kürze ihres Bestehens, einige Maßnahmen zu treffen, die ihren wahren Sinn und ihre Ziele zur Genüge kennzeichnen. Alle diese Maßnahmen zeugten mit genügender Deutlichkeit davon, daß die Kommune eine Lebensgefahr für die alte, auf Knechtung und Ausbeutung beruhende Welt bedeutete. Die bürgerliche Gesellschaft konnte daher nicht ruhig schlafen, solange auf dem Pariser Rathause die rote Fahne des Proletariats wehte. Und als es endlich der organisierten Regierungsmacht gelungen war, die schlecht organisierte Macht der Revolution zu überwältigen, veranstalteten die von den Deutschen geschlagenen und nur gegen ihre besiegten Landsleute tapferen bonapartistischen Generale, diese französischen Rennenkampfs und Möller-Sakomelskis*33 ein Gemetzel, wie es Paris noch nie gesehen hatte. Die Bourgeoisie war zufrieden. "Jetzt ist es mit dem Sozialismus für lange Zeit aus!" erklärte ihr Führer, der blutgierige Zwerg Thiers, nach dem Blutbad, das er mit seinen Generalen dem Pariser Proletariat bereitet hatte. Doch vergebens hatten diese bürgerlichen Raben gekrächzt. Das Andenken an die Kommunekämpfer wird nicht nur von den französischen Arbeitern, sondern auch vom Proletariat der ganzen Welt in Ehren gehalten.

5. ÜBER DIE DOPPELHERRSCHAFT

zu diesem Text*35

Die Grundfrage jeder Revolution ist die Frage der Macht im Staate. Ohne Klärung dieser Frage kann von keiner wie immer gearteten bewußten Teilnahme an der Revolution die Rede sein, von einer Führung derselben ganz zu schweigen.
Die höchst bemerkenswerte Eigenart unserer Revolution besteht darin, daß sie eine Doppelherrschaft geschaffen hat. Über diese Tatsache muß man sich vor allem klarwerden; bevor man sie nicht begriffen hat, kann man nicht vorwärtsschreiten. So muß man z. B. die alten ´Formeln´ des Bolschewismus zu ergänzen und zu korrigieren verstehen, da sie zwar, wie sich gezeigt hat, im allgemeinen richtig waren, ihre konkrete Anwendung sich aber anders gestaltete. An Doppelherrschaft hat früher niemand gedacht und konnte niemand denken.

Worin besteht die Doppelherrschaft? Wie ist diese andere Regierung klassenmäßig zusammengesetzt? Welcherart ist der politische Charakter dieser Regierung? Diesen Umstand läßt man oft außer acht, denkt oft nicht genug über ihn nach, während das gerade der springende Punkt ist. Diese Macht ist eine Macht von demselben Typus, wie es die Pariser Kommune von 1871 war. Die Grundmerkmale dieses Typus sind:
  1. Quelle der Macht ist nicht das vorher vom Parlament beratene und beschlossene Gesetz, sondern die direkte, von unten kommende Initiative der Volksmassen im Lande, die direkte ´Machtergreifung´, um diesen landläufigen Ausdruck zu gebrauchen;
  2. Ersetzung von Polizei und Armee als vom Volke getrennte und dem Volke entgegengestellte Institutionen durch die direkte Bewaffnung des ganzen Volkes; die Staatsordnung wird unter einer solchen Macht von den bewaffneten Arbeitern und Bauern selbst, vom bewaffneten Volke selbst geschützt;
  3. ebenso wird die Beamtenschaft, die Bürokratie, entweder durch die unmittelbare Herrschaft des Volkes selbst ersetzt oder zumindest unter besondere Kontrolle gestellt; die Beamten verwandeln sich in nicht nur wählbare, sondern auch auf die erste Forderung des Volkes hin absetzbare Personen, ihre Rolle wird auf die von einfachen Bevollmächtigten reduziert: Aus einer privilegierten Schicht mit hoher, bourgeoiser Bezahlung ihrer ´Pöstchen´ verwandeln sie sich in Arbeiter einer besonderen ´Waffengattung´, deren Entlohnung nicht höher ist als der übliche Lohn eines guten Arbeiters.
Darin und nur darin besteht das Wesen der Pariser Kommune als eines besonderen Staatstypus. Dieses Wesen haben die Herren Plechanow (die offenen Chauvinisten, die den Marxismus verraten haben), die Kautsky (die ´Zentristen´, d. h. die zwischen Chauvinismus und Marxismus Schwankenden) und überhaupt alle gegenwärtig herrschenden Sozialdemokraten, Sozialrevolutionäre usw. vergessen bzw. entstellt. Ich betone: ´inwieweit´. Denn sie sind erst die Keime einer Staatsmacht. Sowohl durch ein direktes Abkommen mit der bürgerlichen Provisorischen Regierung als auch durch eine Reihe faktischer Zugeständnisse lieferte und liefert diese Macht selber ihre Positionen an die Bourgeoisie aus.

Warum? Daraus sollte schon klar sein, warum auch unsere Genossen viele Fehler begehen, wenn sie ganz ´einfach´ die Frage stellen: soll die Provisorische Regierung sofort gestürzt werden?
Ich antworte
:
  1. sie muß gestürzt werden, denn sie ist eine oligarchische, bürgerliche Regierung und keine Volksregierung; sie kann weder Frieden noch Brot, noch volle Freiheit geben;
  2. sie kann je nicht gestürzt werden, denn sie hält sich durch ein direktes und indirektes, formelles und faktisches Abkommen mit den Sowjets der Arbeiterdeputierten, vor allem aber mit dem wichtigsten, dem Petrograder Sowjet;
  3. sie kann überhaupt nicht auf dem gewöhnlich Wege ´gestürzt´ werden, denn sie basiert auf der ´Unterstützung´ der Bourgeoisie durch die zweite Regierung, durch den Sowjet der Arbeiterdeputierten; diese Regierung aber ist die einzig mögliche revolutionäre Regierung, die unmittelbar das Bewußtsein und den Willen der Mehrheit der Arbeiter und Bauern zum Ausdruck bringt. Einen höheren, besseren Typus der Regierung als die Sowjets der Arbeiter-, Landarbeiter-, Bauern- und Soldatendeputierten hat die Menschheit nicht hervorgebracht und kennen wir bisher nicht.
Um zur Staatsmacht zu werden, müssen die klassenbewußten Arbeiter die Mehrheit für sich gewinnen: Das ist das tatsächliche, klassenmäßige Kräfteverhältnis, das unsere Aufgaben bestimmt.


Anmerkungen
*1
Dieser in Nr. 8 des von LENIN herausgegebenen bolschewistischen Organs ´Proletarij´ vom 17. (4.) Juli 1905 erschienene Artikel wurde ursprünglich LENIN selbst zugeschrieben. Im Anhang der zweiten russischen Ausgabe der Werke Lenins (hier: W. 1. LENIN, Sämtliche Werke - nach der zweiten russischen Ausgabe -‚ Bd. VIII, Wien/Berlin 1931, S. 6o5 - 610) wird jedoch mitgeteilt, daß nach den neuesten Forschungen der Verfasser des Artikels unbekannt sei. Aus dem inzwischen aufgefundenen Manuskript gehe aber hervor, daß LENIN den Schlußteil geschrieben habe, deshalb werde der ganze Artikel unter den ´Dokumenten und Materialien´ veröffentlicht. KLAUS MESCHKAT weist jedoch ganz richtig darauf hin, daß im ´Proletarij´ kaum ein wichtiger Beitrag ohne die Zustimmung LENINS erscheinen konnte, am wenigsten ein Artikel, den er selbst ergänzte. Man darf daher annehmen, daß der ganze Aufsatz den damaligen Auffassungen LENINS entspricht; dies ist um so wahrscheinlicher, als inhaltlich die Losung ´Selbständige Organisation des Proletariats´ aus der drei Monate zurückliegenden Vorlesung über die Kommune (s. vorl. Texte, S. 59) aufgegriffen und expliziert wird. (Vgl. KLAUS MESCHKAT, Die Pariser Kommune von 1871 im Spiegel der sowjetischen Geschichtsschreibung, Berlin 1965, S. 238, Anm 12.)

*2
JAECKH, GUSTAV, Die Internationale, Leipzig 1904. In seiner ´Denkschrift zur siebenjährigen Gründung der Internationalen Arbeiterassoziation´ hatte JAECKH die kleinbürgerliche Majorität der Pariser Kommune und die anfänglichen Sympathien breiter Schichten aus dem Bürgertum beschrieben. Er betont, daß die IAA immer ihre selbständige Haltung gegenüber der Kommune bewahrt habe, obwohl ihre Mitglieder aktiv in den Organen der Kommune mitgearbeitet hätten.

*3
S. Bd. I, Anm. 4.

*4
Das genannte Mitglied des Zentralkomitees hieß ANDRE ALAVOINE.

*5
"Wer waren diese Leute? Die Agitatoren, die Revolutionäre von der Cordenie, die Sozialisten? Keineswegs. Es war kein einziger bekannter Name darunter. Sie alle waren Kleinbürger, Krämer, kleine Beamte, die den verschiedenen politischen Gruppierungen, ja bis dahin größtenteils der Politik selbst fremd gegenüberstanden." (LISSAGARAY, a. a. 0., S. 53 f)

*6
P1NDY, L0UIS (1840—1917), Mitglied der Internationalen Arbeiterassoziation; Mitglied des Zentralkomitees der Nationalgarde, Mitglied der Kommune (für das III. Arrondissement), gehörte zur Minderheit; nach dem Fall der Kommune und nach seiner Flucht in Abwesenheit zum Tode verurteilt.

*7
JOURDE, FRANCOIS (1843—1893), Mitglied des Zentralkomitees der Nationalgarde, Mitglied der Kommune (für das V. Arrondissement), Delegierter der Kommune für Finanzen, nahm zusammen mit der Minderheit Stellung gegen den Wohlfahrtsausschuß; zur Deportation verurteilt, floh 1874 zusammen mit PASCHAL GROUSSET aus Neu-Kaledonien (s. Bd. I, Anm. 8); betätigte sich nach der Amnestie in der französischen Arbeiterpartei (1880-1891).

*8
KARL MARX, Der Bürgerkrieg in Frankreich, s. vorl. Texte, S. 45.

*9
VARLIN, s. Bd. I, Anm. 4; JOURDE, s. Anm. 166; BESLAY, s. Anm. 34; s. Anm. 165.

*10
Assi (Assy), ADOLPHE ALPISONSE (1841—1886), Mitglied der Kommune (für das XI. Arrondissement).

*11
MALON, BENOIT (1841—1893), Mitglied der Internationalen Arbeiterassoziation, 1871 in die französische Nationalversammlung gewählt, legte sein Mandat nieder und wurde in die Kommune gewählt (für das XVIII. Arrondissement), gehörte in der Kommune zur proudhonistischen Minderheit. S. auch Bd. I, Anm. 7.

*12
FRANKEL, LEO, s. Anm. 92.

*13
THEISZ (THEISS), A., Mitglied der Internationalen Arbeiterassoziation und Mitglied der Kommune (für das XVIII. Arrondissement), Leiter des Postwesens der Kommune.

*14
DUPONT, ANTHIME EUGENE (etwa 1831—1881), Mitglied des Generalrats der Internationalen Arbeiterassoziation (1864—1872) und deren korrespondierenden Sekretär für Frankreich und Belgien; wurde am 16. April 1871 bei den Ergänztmgswahlen in die Kommune gewählt (für das XVII. Arrondissement).

*15
AVRIEL (AVRIAL), AUGUSTIN, Mitglied der Pariser Kommune (für das XI. Arrondissement).

*16
VESINIER (VESIMIER), PIERRE (1826—1902), französischer Journalist; Mitglied der Kommune (für das I. Arrondissement), vom Wohlfahrtsausschuß zum Leiter des ´Journal Officiel´ (s. Anm. 9) ernannt (12. Mai). VESINIER war 1868 auf dem Brüsseler Kongreß aus der Internationalen Arbeiterassoziation ausgeschlossen worden; nach seiner Emigration nach England Mitglied des Föderalistischen Weltrats, der gegen Marx und den Generalrat der IAA auftrat.

*17
KARL MARX, Der Bürgerkrieg in Frankreich, s. vorl. Texte, S. 28 f.

*18
FRIEDRICH ENGELS, Einleitung zu ´Der Bürgerkrieg in Frankreich´ von Karl Marx (Ausgabe 1891), s. vorl. Texte, S. 51 f.

*19
MARTYNOW, A. (Pseud. für PIKKER), Ökonomist, aus dem Kreis um ´Rabocee Delo´ (Die Arbeitersache), der Zeitung des Auslandsbundes Russischer Sozialdemokraten. "Das ´Rabocee Delo´ schlug eine grundsätzlich ökonomistische Richtung ein, indem es die Anpassung der Kampfesmittel an den jeweils aktuellen Bewußtseinszustand der Arbeiterschaft postulierte und dem rein ökonomischen, trade-unionististischen Kampf den Vorrang vor dem politischen gab." (HARTMUT MEHRINGER [Hg.]: Leo Trotzki, Schriften zur revolutionären Organisation, Reinbek 1970, S. 255) - Vgl. auch LENINS Auseinandersetzung mit MARTYNOW in: W. 1. Lenin, Zwei Taktiken der Sozialdemokratie in der demokratischen Revolution, Werke, Bd. 9, S. 112 ff.

*20
S. von. Texte, Anhang, S. 140.

*21
"Wenn Du das letzte Kapitel meines ´Achtzehnten Brumaire´ nachsiehst, wirst Du finden, daß ich als nächsten Versuch der französischen Revolution ausspreche, nicht mehr wie bisher die bürokratisch-miitärische Maschinerie aus einer Hand in die andere zu übertragen, sondern sie zu zerbrechen, und dies ist die Vorbereitung jeder wirklichen Volksrevolution auf dem Kontinent. Dies ist auch der Versuch unserer heroischen Pariser Parteigenossen. Welche Elastizität, welche historische Initiative, welche Aufopferungsfähigkeit in diesen Parisern! Nach sechsmonatlicher Aushungerung und Verruinierung durch inneren Verrat noch mehr als durch den auswärtigen Feind, erheben sie sich, unter preußischen Bajonetten, als ob nie ein Krieg zwischen Frankreich und Deutschland existiert habe und der Feind nicht noch vor den Toren von Paris stehe! Die Geschichte hat kein Beispiel ähnlicher Größe! Wenn sie unterliegen, so ist nichts daran schuld als ihre ´Gutmütigkeit´. Es galt gleich nach Versailles zu marschieren, nachdem erst Vinoy, dann der reaktionäre Teil der Pariser Nationalgarde selbst das Feld geräumt hatte. Der richtige Moment wurde versäumt aus Gewissensskrupel. Man wollte den Bürgerkrieg nicht eröffnen, als ob der mischievous avorton Thiers den Bürgerkrieg nicht mit seinem Entwaffnungsversuch von Paris bereits eröffnet gehabt hätte! Zweiter Fehler: Das Zentralkomitee gab seine Macht zu früh auf, um der Kommune Platz zu machen. Wieder aus zu ehrenhafter Skrupulosität! Wie dem auch sei, diese jetzige Erhebung von Paris - wenn auch unterliegend vor den Wölfen, Schweinen und gemeinen Hunden der alten Gesellschaft - ist die glorreichste Tat unserer Partei seit der Juniinsurrektion. Man vergleiche mit diesen Himmelsstürmern von Paris die Himmelssklaven des deutsch-preußischen heiligen römischen Reiches mit seinen posthumen Maskeraden, duftend nach Kaserne, Kirche, Krautjunkertum und vor allem Philistertum." (MARX an L. KUGELMANN, 12. April 1871, MEW 33, S. 205 f)

*22
´Der Mann im Futteral´ ist der Titelheld einer Erzählung von ANTON TSCHECHOW.

*23
´Der neunmalweise Gründling´ ist der Titel eines russischen Märchens.

*24
PLECHANOV, G. V. (1856—1918), einer der Begründer des Marxismus in Rußland; schloß sich 1883 in Genf mit Freunden zur ersten russischen marxistischen Gruppe mit dem Namen ´Befreiung der Arbeit´ (Osvobozdenie truda) zusammen; führender Theoretiker der Menscheviki. Der Ausspruch PLECHANOVS: "Man hätte nicht zu den Waffen greifen sollen", stammt aus dem Jahre 1905 (Dezember). S. G. V. PLECHANOV, Esce o nasem polozenii (Pism´o k tovariscu X.), in: Dnevnik social-demokrata Nr. 4; G. V. Plechanov, Socinenija tom 15, Moskau/Leningrad 1926, S. 12.

*25
"Wie Du kleinbürgerliche Demonstrationen a la 13. Juni 1849 etc. mit dem jetzigen Kampf in Paris vergleichen kannst, ist mir völlig unbegreifbar. Die Weltgeschichte wäre allerdings sehr bequem zu machen, wenn der Kampf nur unter der Bedingung unfehlbar günstiger Chancen aufgenommen würde. Sie wäre andrerseits sehr mystischer Natur, wenn ´Zufälligkeiten´ keine Rolle spielten. Die Zufälligkeiten fallen natürlich selbst in den Gang der allgemeinen Entwicklung und werden durch andre Zufälligkeiten wieder kompensiert. Aber Beschleunigung und Verzögerung sind sehr von solchen ´Zufälligkeiten´ abhängig -‚unter denen auch der ´Zufall´ des Charakters der Leute, die zuerst an der Spitze der Bewegung stehn, figuriert. Der entscheidend ungünstige ´Zufall´ ist diesmal keineswegs in den allgemeinen Bedingungen der französischen Gesellschaft zu suchen, sondern in der Anwesenheit der Preußen in Frankreich und ihrer Stellung dicht vor Paris. Das wußten die Pariser sehr gut. Das wußten aber auch die bürgerlichen Kanaillen von Versailles. Eben darum stellten sie die Pariser in die Alternative, den Kampf aufzunehmen oder ohne Kampf zu erliegen. Die Demoralisation der Arbeiterklasse in dem letzteren Fall wäre ein viel größeres Unglück gewesen als der Untergang einer beliebigen Anzahl von ´Führern´. Der Kampf der Arbeiterklasse mit der Kapitalistenklasse und ihrem Staat ist durch den Pariser Kampf in eine neue Phase getreten; Wie die Sache auch unmittelbar verlaufe, ein neuer Ausgangspunkt von welthistorischer Wichtigkeit ist gewonnen." (MARX an L, KUGELMANN, 17. April 1871, MEW 33, S. 209)

*26
Erschienen in ´Zagranicnaja Gazeta´, Nr. 2, 23. März 1908. Der Artikel ist ein Bericht über eine Rede, die LENIN auf einem am 18. März 1908 in Genf abgehaltenen internationalen Meeting zum Andenken der Revolution von 1848, der Pariser Kommune sowie der 25. Wiederkehr des Todestags von KARL MARX gehalten hat.

*27
S. Anm. 43.

*28
Gemeint ist die ´Zweite Adresse des Generalrats über den Deutsch-Französischen Krieg´, s. vorl. Texte, Anhang, besonders S. 140.

*29
Im Jahre 1905 verlor die russische Regierung die Kontrolle über die revolutionäre Bewegung im Lande. "Diese entbehrte durchaus einer einheitlichen Führung; sie war vielmehr elementarer Ausdruck einer nahezu alle Gruppen der Bevölkerung ergreifenden gerechten Empörung, die Quittung für die Versäumnisse und Verantwortungslosigkeiten von Jahrzehnten. Die Streikbewegung der Arbeiter erreichte ihren Höhepunkt im Oktober, als ein Eisenbahnstreik Wochen hindurch das Verkehrssystem lahmlegte und sich stellenweise zu einem erfolgreichen Generalstreik ausweitete. Nach einigen Vorläufern in der Provinz bildete sich im Oktober auch in Petersburg als Zusammenschluß von Streikkomitees ein ´Rat´ (Sowjet) von Arbeiterdeputierten. Das Beispiel fand in Moskau und anderen Städten Nachahmung, und sehr rasch entwickelten sich die Sowjets aus Organen der ´proletarischen Selbstverwaltung´ zu Zentralen des politischen revolutionären Kampfes. Die Verfolgung gewerkschaftlicher Ziele und die Propaganda des bewaffneten Aufstandes liefen nebeneinander her und gingen ineinander über. Ein ernsthafter Versuch, den revolutionären Kampf als gewaltsame Aktion der Massen zu führen, wurde jedoch nur in Moskau unternommen (8/21. Dezember 1905 bis 20. Dezember 1905/2. Januar 1906); er scheiterte zu einem Zeitpunkt, da der Petersburger Sowjet bereits aufgelöst war und dessen führende Mitglieder - unter anderem der Vizepräsident Trockij - schon hinter Schloß und Riegel saßen, an der Unzulänglichkeit der Organisation und an dem Einsatz der aus Petersburg herbeigeholten Elitetruppen." (GÜNTER STÖKL, Russische Geschichte. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, Stuttgart 1965, S. 596 f)

*30
Das Manifest vom 17./30. Oktober 1905 gewährte den Untertanen des Zaren ohne Unterschied des Standes die Grundrechte freier Bürger: Unverletzbarkeit der Person, Freiheit des Gewissens, der Rede, der Versammlung und der Korporation. Es sagte außerdem im Prinzip das allgemeine Wahlrecht zu und versprach, die Staatsduma mit dem ausschließlichen Recht der Gesetzgebung und mit dem Recht, die Legalität der Verwaltung zu überwachen, auszustatten. (Vgl. STÖKL a.a.O., S. 6oo)

*31
Erschienen in ´Rabocaja Gazeta´, Nr. 4/5, 28. (15.) April 1911.

*32
Vgl. bei MARX die ´ruraux´ (Krautjunker), s. Anm. 39.

*33
RENNEKAMPF, P. K. (1854 - 1919), zaristischer General, 1905 Leiter der Strafexpedition, die die revolutionäre Bewegung in Sibirien niederschlug. - MÖLLER-SAKOMELSKI, A. (geb. 1844), zaristischer General, nahm an der Niederwerfung der polnischen Revolution von 1863 teil, ebenfalls beteiligt an der ´Befriedung´ Sibiriens im Jahre 1905.

*34
Gemeint ist die Amnestie von 188o.

*35
Erschienen in der ´Pravda´, Nr. 28, 9. April 1917.


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