Projekte
|
Team |
Peter Heilbronn |
Thema |
Proletariat - Wat dat?
( original )
Argumente und Kleingedrucktes 1
|
Letzte Bearbeitung |
11/2003, 05/2006 |
Home |
www.mxks.de
|
1. Was ist das Proletariat heute ?
1.1. Zum Begriff 'Proletariat'
1.2. Zu den Missverständnissen
1.2.1. Proletariat im weiteren Sinne
1.2.2. Grenzfälle: Migranten und Manager
1.2.3. Klassenbewusstsein
1.3. Das Revolutionäre Subjekt - Proletariat im engeren Sinne
1.3.1. Objektive Seite und Organisationsfrage
1.3.2. Klasse an und für sich
1. Was ist das Proletariat heute ?
1.1. Zum Begriff 'Proletariat'
'Proletariat' als Marxscher Begriff (siehe 'Manifest der kommunistischen
Partei' oder auch dem 'Das Kapital') versteht sich zuerst als
ökonomische Kategorie. Der besonderen ökonomischen Lage entsprechen
(vermittelt und gebrochen) bestimmte soziale Gegebenheiten. Also kann man
'Proletariat' auch als sozio-ökonomische Kategorie fassen. Diese sozialen Lagen
finden nun ihren Ausdruck in bestimmten Ideologien und politischen
Organisationen. Über diese drei Ebenen kann man den Begriff des Proletariats
näher bestimmen.
Wir beschäftigen uns aber an dieser Stelle
schwerpunktmäßig nur mit der Wesenseite dieses Zusammenhangs und nicht seiner
Erscheinung, also mit
der ökonomischen Basiskategorie 'Klasse'. (Anregungen für weitere und
vertiefende Beschäftigung wird an den jeweiligen Stellen gegeben.)
Dabei bezieht sich das
'Wesentliche' der folgenden Abstraktion auf unser Interesse an einer
grundsätzlichen Veränderung der heutigen Produktionsverhältnisse. Wer ein
anderes Interesse hat, kommt selbstverständlich zu einem anderen
Proletariatsbegriff bzw. zu einer Ablehnung des Begriffes als solchem. Denn im
Proletariat steckt sofort die Klasse und damit der Klassenwiderspruch.
Ebenso sind die Gewichtungen von objektiv und subjektiv polemisch überspitzt
und werden auch auf Grund der Kürze nicht weiter vermittelt (dazu ist
immer gut Lukács oder Volosinov zu lesen).
| [Abgrenzung] |
Betrachten wir die drei Ebenen der Bestimmung des Proletariats:
- Die Basis bildet die ökonomische, objektive Differenzierung als Grundlage
aller anderen Unterscheidungen - die Wesensseite bezüglich des
Kapitalverhältnisses.
(Hier bestehen die zwei Hauptklassen: Kapitalisten und Proletariat. Siehe auch
'Manifest der Kommunistischen Partei'.)
Das vorherrschende Produktionsverhältnis heute ist das Kapital. Das größte
Gewicht des Bruttoinlandsproduktes weltweit wird unter kapitalistischen
Bedingungen erzeugt (oder ist davon existenziell abhängig). So sind die
Hauptklassen der Betrachtung auch die Hauptklassen bzgl. des
Kapitalverhältnisses und nicht z.B. Kleinbürger, Bauern oder Sklavenarbeiter.
Dergleichen gilt für ideologische Klassenauflösungen wie 'neue Mitte',
'Bürgergesellschaft', 'Volksgemeinschaft' oder die sogenannte
'Zivilgesellschaft'.
- Die soziologisch-ökonomische Differenzierung in Schichten und
Zwischenklassen ist das historisch-konkrete (objektiven wie subjektiven)
Erscheinungsbild der Teilung der Arbeit.
Sie ist eine Konkretisierung
(sie ist bestimmungsreicher) der ersten Ebene. Die Hauptklassen selbst werden
differenziert nach ökonomischen und sozialen Besonderheiten. Weitergehend
erscheinen so neue Schichten und Übergänge wie z.B. das Kleinbürgertum.
Wir haben so etwa Großbürger, Kleinkrämer, Mittelständler, Beamte, technische
oder wissenschaftliche Intelligenz, Industrieproletariat, proletarisierte
Intelligenz, prekär Arbeitende, ...
- Die Oberfläche bilden die Bewusstseinslagen der Schichten und Milieus als
der Erscheinungsebene der ideologischen und mentalen Seite. (Sozialdemokraten,
Linke, Linksliberale, Freiwirtschaftler,...)
Wenn diese Bewusstseinslagen wirkmächtig werden sollen, werden entsprechende
Organisationen gegründet. Auf der organisatorischen Seite bildet sich die Sphäre
des Politischen.
(Parteien, Gewerkschaften, Bürgerinitiativen,...)
{
Oberfläche meint nicht oberflächlich, sondern die konkreteste Gestalt unseres
Betrachtungsgegenstandes bezüglich unserer wesentlichen Abstraktion.
(d.V.)}
Vorrangig wenden wir uns dem 1. Punkt zu.
| [3 Ebenen] |
Die beiden letzteren Punkte hängen dabei vermittelt an der ökonomischen Basis
jedes einzelnen Menschen. So will sich eine Ideologie z.B. auch geleistet
und vor sich selbst gerechtfertigt werden. (An dieser Stelle wird die
dialektische Vermittlung der Ebenen nicht dargestellt.
Hier wäre der Zusammenhang des Ökonomischen mit dem Politischen bzw.
Psychischen zu untersuchen, in seinen Wechselwirkungen,...)
{
Das ist bis heute
von der Wissenschaft bis auf Ansätze Engels/Volosinov/Lukács/Kritische
Psychologie/Wilhelm Reich/Fenichel nicht geleistet. Es wäre nötig, dies über
eine materialistische Psychologie zu tun, die keine Mechanik darstellt.
(d.V.)}
(An dieser Stelle wird nur z.B. auf 'Das Kapital' verwiesen, in welchem man eine
detaiierte Beschreibung der Zusammenhänge zwischen Kapital und Arbeit findet.)
Der (ökonomische und objektive) Kern des Begriffes besteht darin, dass ein
Proletarier der
doppelt freie
Lohnarbeiter ist.
Er ist also:
-
frei von Produktionsmitteln, das unterscheidet ihn z.B. vom Bauern,
Kapitalisten, Handwerker und Kleinbürger.
- Er ist frei zum Verkauf seiner Arbeitskraft als Ware, was ihn von
Leibeigenen, Sklaven oder auch Mitgliedern von Gentil- oder Urgesellschaften,
die es ja auch heute noch gibt, unterscheidet.
Das Wesentliche ist also die Freiheit und
mithin Notwendigkeit seine
Arbeitskraft verkaufen zu müssen an den Besitzer von Produktionsmitteln,
z.B.
Kapitalist oder Grossbauer. Man kann den Proletarier auch als 'Lohnabhängigen'
bezeichnen, was unserer heutig verwendeten Sprache sehr nahe kommt.
(Hier müsste die Dialektik von Freiheit und Notwendigkeit entwickelt werden.)
{
'Objektiv' meint in diesem Zusammenhang außerhalb und unabhängig von unserer
Vorstellung. Dass wir uns zwar vorstellen mögen als Kunde König zu sein. Aber
wie wir es uns auch ausmalen und uns belügen mögen, wir ändern damit unsere
Lohnabhängigkeit und unser Bankkonto - als Ausdruck unseres Anteils am
gesellschaftlichen Reichtum - in keiner Weise.
(d.V.)}
Diese Charakteristik bringt darauf fußende Unterscheidungen von Klassen mit
sich:
- der bestimmte Anteil der Klasse am gesellschaftlichen Reichtum und Art
seiner Erlangung
Für den Proletarier heißt das, er bekommt den kleinst möglichen Anteil, der
genügt zum
Erhalt seiner Ware - der Arbeitskraft auf
durchschnittlichem Niveau. Dieser Anteil steht in keiner Relation mehr zu dem
vom Proletarier
geschaffenen Reichtum. In Mitteleuropa arbeitet der Proletarier wohl 2h des
Arbeitstages für sich (notwendige Arbeit). D. h., er erzeugt in
dieser Zeit Produkte,
die in ihrem Preis seinem Lohn entsprechen. Die restlichen 6..9h
(Mehrarbeit) arbeitet er für das
Kapital, vertreten durch seinen direkten menschlichen Besitzer. Die unbezahlten
Überstunden, Maschinenreinigung etc. zählen ebenso dazu.
- die Stellung der Klasse bei Leitung und Planung in der Produktion und
Gesellschaft
Von Leitung und Planung in der Produktion, bis auf ein absolutes Mindestmaß
bei seiner eigenen Verwendung (Co-Management), ist der Proletarier
ausgeschlossen. Von Leitung und Planung bezüglich der gesamten
Gesellschaft (Nationalstaat) ist er vollständig isoliert durch die bürgerliche,
repräsentative Demokratie.
- Stellung zu den Produktionsmitteln (PM)
Im Produktionsprozess sind die PM das Eigentum des Arbeiters, da er ja der
direkte Produzent ist. Er eignet sich den Stoff ständig in der Produktion an,
transformiert ihn, und wird juristisch ständig enteignet und ist enteignet:
- Weil seine Arbeitskraft nicht mehr ihm gehört sondern dem Käufer
dieser - dem Kapitalisten.
- Weil das Produkt, was er schafft, nicht ihm dem Erzeuger gehört. Sondern
es gehört dem, dem die PM gehören.
Dies also sind die entscheidenden Bestimmungen eines Proletariers. Wer
behauptet, es gibt kein Proletariat mehr, sollte sich fragen, wer unter dem
Stichwort 'Arbeitsplatz' zum Kostenfaktor degradiert wird.
Umgekehrt, wächst das Proletariat global gesehen. Nur die Betrachtung
international, entsprechend der globalen Verteilung der Produktion, ist der
geeignete Maßstab.
{
Im übrigen - Äquivalententausch - geht hier alles mit rechten Dingen zu und im
Schnitt erhält der
Arbeiter,
was ihm zusteht. Er bekommt das bezahlt, was er verkauft, nämlich seine
Arbeitskraft.
Was der Konsument seiner Haut, in der Regel der Kapitalist, damit anfängt, dass
hat den Arbeiter nicht zu interessieren. Der Lohn als Geldform seiner Ware
Arbeitskraft
soll reichen, ihn auf dem durchschnittlichen Niveau zu erhalten und das tut er.
(d.V.)}
1.2. Zu den Missverständnissen
Im Folgenden geht es um die Bestimmung des Proletariats im weiteren Sinne. Das
Proletariat im engeren Sinne als Industrieproletariat, hierin geschieden von
z.B. den
Zirkulationsarbeitern (Verkäufer) oder den Staatsarbeitern (Beamte), wird erst
im nächsten Abschnitt bestimmt. Das Wesentliche des Proletariats im weiteren
Sinne ist seine Abgrenzung gegenüber dem Bürgertum/Kapitalisten, aber auch dem
selbstständigen Bauern u.s.w.
Diese Abgrenzung liegt darin, dass der
Proletarier keine Produktionsmittel besitzt, aber andererseits seine
Arbeitskraft verkaufen kann und muss.
1.2.1. Proletariat im weiteren Sinne
[Arbeitslose]
Auch Arbeitslose sind lohnabhängig, also Proletarier. Sie bilden sich, weil
es Kapital gibt, sind dessen NOTWENDIGE Folge. Sie bilden die sogenannte
'industrielle Reservearmee'. Dass sie nicht von einem einzelnen Kapitalisten
bezahlt werden, sondern über den Staat von allen Kapitalisten, tut nichts
zur Sache. Das Kapital zahlt ihren Lohn, ohne sie direkt auszubeuten und
dieser Lohn heißt 'Sozialhilfe'. Das 'Arbeitslosengeld' ist ja strenggenommen
von ihnen selbst eingezahltes Versicherungsgeld, welches "widerrechtlich" vom
Staat eingenommen und ausgegeben wird, also der direkten Kontrolle der
Arbeiter entzogen ist.
{
Das Wesentliche des Kapitalverhältnisses ist, dass im Grunde die Arbeiter
alles "zahlen" mit Verausgabung ihrer Arbeitskraft und ihrer Lebenszeit
im Produktionsprozess. Jedes Produkt inklusive der Maschinen und Rohstoffe sind
'tote Arbeit', sind vergangene Arbeitszeit. Alles Kapital also auch heutiges
Geld sind somit im Wesentlichen vergangene Arbeitszeit. (Siehe 'Das Kapital'
Bd.I)
(d.V.)}
[Lohnabhängig-Abhängige]
Alle die vom Lohn abhängig sind, der von ihnen sozial Zugeordneten erarbeitet
wird, z.B. als
Familienangehörige, sind mithin offensichtlich lohnabhängig. Dass sie den
Anteil gesellschaftlichen Reichtums nicht über den Verkauf ihrer, sondern
fremder Arbeitskraft (z.B. klassisch die des Mannes) und in Geldform als
Lohnanteil erhalten, spielt keine Rolle. Sie sind Proletariat, also auch die
Proletarierkinder. Sie gehören zwar nicht zum produktiven Proletariat, nicht
z.B. zum industriellen Proletariat, aber eben allgemein zum Proletariat.
[Andere Schichten]
Technische Intelligenz (Ingenieure), wissenschaftliche Intelligenz (Professoren,
Doktoren, wiss. Mitarbeiter) und andere lohnabhängige sind Proletariat.
Das hier mehr mit dem Kopf als der Hand gearbeitet wird, ist bzgl. des
Proletariats kein qualitativer Unterschied. Lohnabhängig bleiben diese, auch
wenn das Niveau ein anderes ist und ebenso der Arbeitsgegenstand als bzgl. des
Industrieproletariats.
Andererseits: Hat aber der Ingenieur ein eigenes Büro und "beschäftigt"
"Mitarbeiter", agiert also als Kapitalist auf eigene Rechnung, so steht er
auf der anderen Seite der Front, er ist Ausbeuter. Man sieht also eindeutig,
es kommt auf die ökonomische Bestimmung an und nicht auf die
Berufsbezeichnung.
[Selbständige]
So sie mittelbar lohnabhängig sind, so genannte Scheinselbständige, sind sie
Proletariat. Arbeiten sie auf eigene Rechnung, ohne jemand anders auszubeuten,
dann sind sie Kleinbürger - Übergangsschicht. Haben sie jemand auszubeuten, so
sind sie kleiner Meister bis hin zum Kapitalisten und damit kein Proletariat.
Es ist klar, dass nicht nur die eigene, sondern auch die Beziehung zu
anderen Menschen im Produktionsprozess z.B. "Mitarbeiter" mit bestimmt, welcher
Klasse oder Schicht man angehört.
1.2.2. Grenzfälle: Migranten und Manager
{
Philosophisch gesehen existieren die Dinge und darum die sie beschreiben
den Begriffe nur durch ihre Grenze (siehe z.B. Hegel 'Wissenschaft der Logik'
Bd.I). Das Problem hierhei ist, dass wir in der Wirklichkeit fließende Grenzen
haben, da unsere Abstraktion, die wir treffen, eine bestimmte Idealisierung ist.
(d.V.)}
Wie bei den Selbständigen gesehen, kann sich Lohnabhängigkeit und der Besitz
von Produktionsmitteln überschneiden. Arbeiter erhalten Gewinnbeteiligungen
oder besitzen selbst Aktien, müssen aber trotz dessen lohnarbeiten. Müssten sie
dies nicht mehr, wären sie keine Arbeiter mehr.
An dieser Stelle wird unsere
grundsätzliche und relativ einfache Unterscheidung formal und nicht mehr
eindeutig. Sie muss erweitert werden durch die Betrachtung der realen
und konkreten Bewegung der Klassen und Schichten. Die Praxis entscheidet
hier, wohin jemand gehört.
Grenzfälle sind aber deshalb kein großes Problem, weil diese Randschichten in
der Wirklichkeit wenig Gewicht haben. Es kann historisch Zeiten geben, z.B.
Weimarer Republik, wo dies anders ist. Aber das sind selbst relativ kurze,
wenn auch teils entscheidende Zeiten.
| [Grenzfälle haben wenig Gewicht] |
Im Zweifelfalle fällt die Entscheidung
praktisch im politischen Tagesgeschäft und Handgemenge. Wen unterstützen
die Selbständigen zu diesem Zeitpunkt der Geschichte? Wie verhalten sie sich
z.B. bei der Beteiligung an Demonstration oder anderen Protestformen. Das ist
das entscheidende Kriterium.
| [Historisch konkrete Situation.] |
[Nichtstaatsbürger, Migranten, etc.]
Diese Mitglieder der Gesellschaft in einem Nationalstaat hat zumeist besonders
schwierige Existenzbediungungen. Sie werden in ihrer Bewegungsfreiheit
eingeschränkt (Residenzpflicht) und haben teils gar keine Möglichkeit offiziell
Lohnarbeiter zu werden (Arbeitsverbot).
Gemäß dem weiteren Sinne unserer Bestimmung sind sie als Nichtbesitzer von
Produktionsmitteln Teil des Proletariats. Wie Arbeitslose erhalten sie
notwendiger Weise ihren Lohn vom Staat, wenn auch unter noch entwürdigerenden
Bedingungen als die offiziellen Arbeitslosen (Ghettoisierung und
teils Lebensmittelgutscheine).
Das andere Ende der Skale betrifft die höheren Angestellten bis zu ihren
exponiertesten Vertretern den Managern.
[Manager]
Formal gesehen würden die Manager, da sie offziell keine Produktionsmittel
besitzen und Lohn/Gehalt erhalten, zum Proletariat gehören. Aber es gibt
wichtige Unterschiede.
-
Das Führungspersonal organisiert die Leitung und Planung
der Produktion. Von dieser ist das Proletariat als Klasse
ausgeschlossen.
-
Sein Lohn, bzw. Gehalt, hat eine andere Qualität (bezogen auf den
Gewinn und Anteilsscheine am Unternehmen) und Quantität (Höhe) als der
anderer Lohnabhängigen.
-
Dies ist letztlich auch die Ursache für ihr spezifisches Verhalten,
die Mentalität usw. (Man lese mal ein Managermagazin.) Sehen die
Arbeiter sich gegenseitig als Konkurrenten, so sehen die Manager das
Proletariat als Humankapital, als fleichschliche Zugabe zu den Maschinen
in der Produktion. Ein Verbrauchsstoff unter vielen und ein Kostenfaktor unter
vielen. Da lässt sich schwer ein proletarisches Klassenbewusstsein entwickeln.
Außerdem ist aus der Geschichte hinreichend bekannt, wie sich das
Leitungspersonal praktisch verhält, wenn es mal um die Wurst geht. Die Manager
agieren immer im Sinne des Kapitals, welches sie organisieren. Sie sind quasi
dessen Bewusstsein. Auch werden sie in der Regel nicht wirklich arbeitslos.
{
Dieser Punkt muss noch einmal besser ausgearbeitet werden.
(d.V.)}
[Lumpenproletariat]
Dieser Begriff ist in seinem Gebrauch deshalb schwierig, weil er einen starken
moralischen Beigeschmack besitzt. Lumpenproletariat ist ökonomisch die Menge der
Verarmten und Hungernden. In das Lumpenproletariat sanken Angehörige aller
Klassen hinab. Zu Zeiten der Weimarer Republik waren das z.B. auch große Teile
des Kleinbürgertums, Facharbeiter, Handwerker und Handwerksmeister, sowie
verarmter Adel.
Das Lumpenproletariat ist ökonomisch Teil des Proletariats, sein ärmster Teil.
Aber da es aus Angehörigen aller Klassen besteht, hat es keine zusammenhängende
Struktur oder auch Organisation wie z.B. Gewerkschaft oder Parteien.
Politisch gesehen ist das Lumpenproletariat also extrem ausdifferenziert.
{
Auch dieser Punkt muss noch einmal besser ausgearbeitet werden.
(d.V.)}
1.2.3. Klassenbewusstsein
In Folge noch kurz zu diesem Komplex.
Ein Proletarier hat NICHT notwendig ein Bewusstsein von seiner eigenen
sozio-ökonomischen Lage. Er bekommt nicht automatisch ein Klassenbewusstsein,
wenn es ihm dreckiger geht.
Dann wäre nämlich der Zusammenhang von ökonomischer
und psycho-sozialer Lage unmittelbar und mechanisch und nicht vermittelt und
gebrochen.
Wir könnten letztlich am
Geldbeutel das Bewusstsein ablesen: Je weniger Geld desto mehr
klassenbewusst. Dies kann man nur in der Tendenz und unter Berücksichtigung
vieler Faktoren u.a. der historischen Lage und dem industriellen Krisenzyklus
und nationaler bis individueller Besonderheiten.
Hätte der Proletarier ein Bewusstsein der Allgemeinheit und
Widersprüchlichkeit seiner Lage, wäre er klassenbewusst. Er würde sich als
gleicher Teil der Arbeiterklasse sehen mit den Gemeinsamkeiten und gemeinsamen
Zielen, die ihn mit jedem Arbeiter auf diesem Planeten verbinden.
| [Arbeiter sein heißt nicht sofort klassenbewusst sein] |
Die Menschen haben aber heute
im Allgemeinen ein Bewußtsein von ihrer sozio-ökonomischen Lage in der
vorherrschenden, also der BÜRGERLICHEN Form. Sie sehen sich in ihrer Einzelheit
und Getrenntheit als bürgerliches privates Individuum mit ihren persönlichen
Problemen und Nöten der eigenen Familie. So sind sie auf sich und die
Unmittelbarkeit ihrer Existenz beschränkt - borniert.
(Zu diesem Thema kann man gut mit dem Fetischbegriff, Verdinglichung und dem
realen Schein von
Marx arbeiten z.B. im 'Kapital', oder auch bei Lukács in 'Geschichte und
Klassenbewußtsein'.)
| [Bürgerliche Seite des Arbeiters] |
1. Die Form ihrer Gedanken ist bürgerlich. Das betrifft z.B. ihre Einschätzung
nach Lohnhöhe, Besitz, akademischem Grad,...
Der Kern dieses Denkens bis in die sprachliche Form ("mein Schätzchen") ist
das PRIVATE EIGENTUM. Aus diesem entspringt die bestimmte Form der
Individuation, das Bewußtsein der Einzelheit und Abgetrenntheit.
Also:
2. Ihr Selbstbewusstsein ist bürgerlicher Natur, als vor dem Gesetz gleicher
Staatsbürger, der rechtstreu ist, dessen Eigentum geschützt werden muss,...
Selbstbestätigung finden sie in ihrer Arbeit, die gerecht entlohnt werden
sollte,.. und der ganze andere Quark.
Die Herrschaftsform der parlamentarischen Demokratie ist wie jeder andere Staat
eine Klassenherrschaft mit der Moral, Ethik und Bewusstseinsbildung verknüpft,
welche ihm zugehörig ist. Letztendlich ist auch sie auf die Gewalt gegen die
"eigenen" Bürger angewiesen, welches man unschwer an jeder Stelle der Geschichte
und des Alltags erkennen kann. (Hier stellt sich die Frage nach der politischen
Macht und der Form der Gesellschaft nach dem Kapitalismus.)
3. Solange es erreichbar scheint und sei es auch nur für die Kinder gilt das
Prinzip Hoffnung. Die Hoffnung sich ein bürgerliches Leben leisten zu
können, also im Rahmen Haus, Familie, Auto, Urlaub. Dies haben zu können
bestimmt das Interesse des Arbeiters in den Industrienationen als
bürgerliche Interessen. Er hat kein Interesse an Revolution, sondern
Partizipation!
Es kann gar nicht anders sein. Unsere Proletarier müssen bürgerlich denken und
sich für Bürger halten und "gerechten Lohn" fordern und "bekommen".
Das sie keine Bürger sondern nur Staatsbürger sind, also Arbeitsinsassen eines
beliebigen Nationalstaates darf ihnen niemals zu Bewusstsein kommen. (Der
Proletarier hat kein Vaterland.)
{
Hier wäre noch auf den Unterschied zwischen Bürger und Staatsbürger einzugehen,
welches eine nicht ganz einfache und auf die Geschichte bezogene Sache ist.
(d.V.)}
Sonst wäre
der soziale Frieden sofort im Eimer. Sie müssen die bürgerliche Ideologie als
ihre eigene selbst in ihren Kindern reproduzieren. Ihr Ziel ist der feste
Arbeitsplatz und nicht die Weltrevolution.
Die Ökonomie bestimmt also offensichtlich das Innerste der Gedanken. Oder
auch anders: das Sein bestimmt das Bewußtsein.
1.3. Das Revolutionäre Subjekt - Proletariat im engeren Sinne
1.3.1. Objektive Seite und Organisationsfrage
Was einer von sich denkt, muss mit dem, was er objektiv ist, nichts zu tun
haben. Wie wir gesehen haben, ist, dass ich ein Proletarier bin oder nicht, eine
OBJEKTIVE weil "rein" ökonomische Tatsache. Ob es für mich eine SUBJEKTIVE
Tatsache wird, also ich diese Wahrheit über mich erkenne, ist eine andere
Geschichte. An dieser Stelle wird wieder die objektiv allgemeine Seite betont.
| [Objektive Bestimmung] |
Auch diese Bestimmung, also das Proletariat als revolutionäres Subjekt, ist eine
OBJEKTIVE, die im Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit, gesellschaftlicher
Produktion und privater Aneignung schon gegeben ist! Das hat gar nichts mit
Gutmenschentum, Utopie oder Schwärmerei zu tun. Wenn man sich mit den
gesellschaftlichen Gesetzmäßigkeiten des Kapitalismus beschäftigt hat, wie
sie z.B. im 'Das Kapital' dargelegt sind, dann ist der
Schlußfolgerungsspielraum bezüglich des Kommunismus stark begrenzt.
| [Revolutionäres Subjekt] |
Die Grunderkenntnis ist, dass die Einzigen, welche die gesellschaftliche
Produktion in
eine kommunistische führen können, die sind, die die Produktion machen.
Der Kommunismus zeichnet sich durch das Aufheben der Trennung der Produzenten
von den Produktionsmitteln aus. Also geht es darum, dass sich die
Produzenten
der PM bemächtigen und diese Produzenten sind halt das Proletariat. Wer denn
sonst?
Keine andere Klasse oder Schicht kann die globale Reproduktion führen, außer
denen, welche das eh schon tun. Sie besitzen das direkte, praktische
Produktions- und Organisationswissen des Produktionsprozesses selbst. Was
fehlt ist die direkte Verfügung über die Leitung und Planung der
Produktion. Dies beinhaltet übrigens schon die Verteilung der Produkte,
wie man sich klar machen sollte. (Siehe Einleitung in die 'Grundrisse'.)
So gesehen ist der Kern des Proletariats oder das Proletariat
im engeren Sinne gerade bezogen auf den Übergang
das Industrieproletariat. Denn das Wichtige sind die Kernindustrien in denen die
Masse des Bruttoinlandproduktes erzeugt wird und damit die diese betreibenden
Lohnarbeiter. Wenn wir sie nicht auf unserer Seite haben, wird es wohl ziemlich
schwierig die Produktion zu übernehmen und zu betreiben.
| [Proletariat im engeren Sinne] |
Die Bestimmung des Proletariats im weiteren Sinne bezieht sich also auf das
Bestimmen des Umfanges der Klasse. Die Bestimmung des Proletariats im engeren
Sinne bezieht sich hingegen auf gewisse Minimalbedingungen einer den
Kapitalismus aufhebenden Revolution.
Es ist also nicht gesagt, dass nur das Industrieproletariat Proletariat ist.
Ebensowenig geht es andererseits ohne diesen bestimmten Teil der Klasse.
| [Abgrenzung der Begriffe] |
(Wer hingegen den Arbeitern die Fähigkeit abspricht, diese globale Leitung
und Planung zu machen, meint grob gesagt: sie sind zu dumm dazu. Das wäre
dann eine Frage nach dem Menschenbild des Betreffenden und nicht der
Realität. Dazu kann man gut Ute Osterkamp lesen.)
Also es ist entgegengesetzt, als gemeinhin dargestellt. Es ist nicht die Frage,
DASS das Proletariat das revolutionäre Subjekt ist, sondern WANN es das
praktisch wird. Es
kann dies aber nur praktisch und erfolgreich werden, wenn es dies zumindest
zu einem gewissen Grade theoretisch geworden ist, also Klassenbewusstsein
entwickelt hat. Die Gesetzmäßigkeiten im Kapitalismus beherrbergen nicht
viel andere Möglichkeiten seiner Überwindung.
Philosophisch und vom Sollen her ist also das Proletariat das revolutionäre
Subjekt und ist dies auch
nicht. Dieser Widerspruch wird erst durch die Bewegung, die kommunistische
Bewegung,
praktisch gelöst werden müssen oder der Widerspruch bleibt bestehen.
(Siehe hierzu Lukács 'Methodisches zur Organisationsfrage', 'Manifest
der kommunistischen Partei'.)
| [Organisationsfrage] |
1.3.2. Klasse an und für sich
Jetzt wird es etwas philosophischer und abstrakter. Wir haben gelern zwischen
den verschiedenen Ebenen der Begriffsbestimmung des Proletariats zu
unterscheiden.
- Der Proletarier ist ökonomisch wesentlich als Proletarier
bestimmt. Er verhält sich ökonomisch als Proletarier, weil
er im engernen Sinne lohnarbeiten geht.
- Aber politisch verhält er sich nicht als Proletarier, sondern
wie ein Bürger, er ist nicht klassenbewusst und verhält
sich auch nicht so.
An diesen Widerspruch schließt sich die berühmte Bestimmung von Klassen
an und für sich hinein. (Sie
bezieht sich auf Begrifflichkeiten der Dialektik.) An sich ist der Arbeiter
Proletariat, dass ist er ja wesentlich ökonomisch. Damit er aber politisch
wirklich Proletariat ist, muss er sich
auch politisch wirklich, in seinem Wirken, als Proletarier verhalten.
Dies heißt nichts anderes, als dass er sich als Teil seiner Klasse
verhalten muss. Wenn ein Großteil des Proletariats sich somit klassenbewusst
verhalten würde, dann wird sich in jedem einzelnen Kopf die Klasse als Klasse
bewusst. Philosophisch sagt man dazu, dass die Klasse dann eine Klasse für sich
selbst ist.
Das geht dann damit einher, was wir über Klassenbewusstsein gesagt haben. Die
Arbeiter als bewusster Teil ihrer eigenen Klasse ergreifen für sich Partei, d.
h., sie schaffen sich eine Partei, die ihre Interessen als Klasse vertritt.
(siehe 'Manifest der kommunistischen Partei', Dazu wird es einen eigenen Text
geben müssen)
{
Philosophisch gesehen haben wir den treibenden Widerspruch zwischen dem Sollen
und dem Sein.
(d.V.)}
Man sieht, dass unsere Art der Fassung des Begriffs 'Proletariat' über Klassen,
Klassenwiderspruch, Organisationsfrage und letztendlich zur Stellung der Frage
nach der ökonomischen und damit politischen Macht führt - der Revolution.
Deshalb fällt diese
Fassung des Begriffes auch außerhalb des bürgerlichen Verständnisses und
Toleranz.
| [Konsequenz des Begriffs] |
Klar, es gibt noch ganz andere Lösungen dieses Widerspruches, welche aber wie
z.B. die globale Menschheitsvernichtung, nicht so behaglich sind, wie
Kommunismus.
Alle anderen, welche das revolutionäre Subjekt jenseits in irgendwelchen
Nischen, den
3.Welt-Länder oder Intellektuellen sehen, sind utopisch, weil sie sich von
der kapitalistischen Realität im Denken gelöst haben. Auch lehnen die
meisten den Gedanken eines vorbestimmten revolutionären Subjektes ab, weil sie
gar keine
Gesetzmäßigkeiten in der Gesellschaft anerkennen können.
Das ist dann aber
so erfolgreich, wie den Zwang zur Lohnarbeit abzuerkennen mit den Worten,
dass jeder doch etwas anderes machen könnte. Sie ziehen sich auf die
abstrakte Ebene zurück, ohne die konkreten gesellschaftlichen Bedingungen zu
sehen, denen sie als Intellektueller genauso ausgeliefert sind, wie alle.
(Philosphisch gesehen geht das meistens mit dem Rückgang zu Kantianischen
Positionen wie z.B. bei der späten Frankfurter Schule einher.)
Ein Teil dieser Leute hat die zum Teil berechtigte 'Angst vor
dem Proletariat' als losgelassenem Pöbel, Mob oder Masse. Viele dieser haben
hierzulande Angst vor einem neuen Faschismus oder Stalinismus,
den sie mit jeder Form von Massenbewegung verbinden, die nicht von oben oder
intellektuellen Führern kontrolliert wird. Das sollte in unserem
Hinterkopf sein, aber nicht weiter stören.
| [Andere Antworten] |
Nochmal gedreht, WENN das Proletariat nicht zu diesem bestimmten praktischen
Bewusstsein kommt, DANN wird es keine Revolution in unserem Sinne geben.
Unsere Arbeit wird sich also hauptsächlich außer unserer eigenen
Wissenaneignung in der Vermittlungstätigkeit befinden. Da stehen wir noch
nicht einmal am Anfang. Dieses Bewusstsein zu haben, also diese
Schlußfolgerung aus der Kenntnis der Gesetzmäßigkeiten im Kapitalismus,
macht meiner Meinung nach den Klassenstandpunkt aus.
Leider ist es so, wenn das Proletariat keine Revolution macht, sitzen wir alle
weiter im Dreck, bis dies passieren wird oder sich eine Nischengelegenheit für
den Einzelnen bietet. Das ist die traurige Wahrheit. Alle oder keiner. Ob man
die Proletarier schätzt oder nicht, was man von ihnen halten mag, wenn die
(Anwesende inbegriffen) nicht aufstehen, ist es Essig mit der "schönen neuen
Welt".
{
Zur Revolution selbst und dem, was dann passieren muss, wird noch ein eigener
Betrag erscheinen.
(d.V.)}
^
top
last update : Thu Jun 01 15:12:40 CEST 2006 Peter Heilbronn
automatically created by Linux/X86; vendor=Apache Software Foundation; version=1; http://xml.apache.org/xalan-j
published by AG@MXKS