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Team | Truth Value |
Thema | Wissenschaftlicher Streit um die MODIFIZIERTEN DURCHSETZUNGSFORMEN DES WERTGESETZES AUF DEM WELTMARKT ( original ) |
Status | Zeitraum 1970 - 1985 |
Letzte Bearbeitung | 02/2005 |
Home | www.mxks.de |
1.1. Marx/Engels zur Modifikation des Wertgesetzes auf dem Weltmarkt2. Weltwährungskrise drängt nach 1965 Intelektuelle des Otto-Suhr-Instituts zum Schwerpunkt WELTMARKT
1.2. Doppelte Bestimmung von gesellschaftlich notwendiger Arbeitszeit
2.1. ´Weltmarkt und Weltwährungskrise´ - Broschüre der Bremer Gruppe Arbeiterpolitik Nobember 19713. Die Positionierung der Akademie der Wissenschaften der DDR zur Modifikation des Wertgesetzes auf dem Weltmarkt (bis 1984)
2.2. ´Der Weltmarkt und die Weltwährungskrise´ - Einleitungstext der Prokla 1 (10/1971)
2.3. ´Weltmarkt und Reproduktion des Kapitals´ - Wolfgang Schoeller (EVA 1976)
1. Zur Problemstellung der Modifikation des Wertgesetzes auf dem Weltmarkt
1.1. Marx/Engels zur Modifikation des Wertgesetzes auf dem Weltmarkt
| [vorausschickend: über Produktivität Intensivität der gesellschaftlichen Arbeit] |
"In jedem Lande gilt eine gewisse mittlere Intensität der Arbeit, unter welcher die Arbeit bei Produktion einer Ware mehr als die gesellschaftlich notwendige Zeit verbraucht und daher nicht als Arbeit von normaler Qualität zählt. Nur ein über den nationalen Rahmen sich erhebender Intensitätsgrad ändert in einem gegebenen Lande das Maß des Werts durch die bloße Dauer der Arbeitszeit.
Anders auf dem Weltmarkt, dessen integrierende Teile die einzelnen Länder sind. Die mittlere Intensität der Arbeit wechselt von Land zu Land, sie ist hier größer, dort kleiner. Diese nationalen Durchschnitte bilden also eine Stufenleiter, deren Maßeinheit die Durchschnittseinheit der universellen Arbeit ist. Verglichen mit der weniger intensiven, produziert also die intensivere Arbeit in gleicher Zeit mehr Wert, der sich in mehr Geld ausdrückt." (Marx MEW 23, S. 584 f) | [über Intensivität der Arbeit und Wertbildung im nationalen Rahmen im Unterschied zur Stufenleiter universeller Arbeit auf dem Weltmarkt als Resultat ungleichmässiger kapitalistischer Entwicklung] |
Die Ungleichmäßigkeit und Ungleichzeitigkeit in der Entwicklung der nationalen Kapitale produziert
"Noch mehr aber wird das Wertgesetz in seiner internationalen Anwendung dadurch modifiziert, daß auf dem Weltmarkt die produktivere nationale Arbeit ebenfalls als intensivere zählt, sooft die produktivere Nation nicht durch die Konkurrenz gezwungen wird, den Verkaufspreis ihrer Ware auf ihren Wert zu senken."
(Marx MEW 23, S. 584)
| [über Produktivität der Arbeit und Wertbildung im nationalen Rahmen im Unterschied zum Weltmarkt] |
1.2. Doppelte Bestimmung von gesellschaftlich notwendiger Arbeitszeit
Um den Wert der Weltmarktwaren bestimmen zu können, gilt es, sich rückzuverwissern, wie denn der Wert der Waren seiner Ausdehnung nach überhaupt gesellschaftlich bestimmt ist, denn nicht erst heute besteht hier größte Konfusion. Hierzu ist das vorliegende Unterkapitel der nachfolgend behandelten Broschüre zum Weltmarkt original entnommen. Es dokumentiert das damalige grundlegende Verständnis der gesellschaftlichen Bestimmungen des Doppelcharakters der Ware - der Kategorie Wert in ihrer dialektischen Einheit mit der Kategorie Gebrauchswert - am Otto-Suhr-Institut Berlin - ein Verständnis, von dem die dort entsprungenden modernen Monetaristen um Michael Heinrich heute Lichtjahre entfernt sind. Gerade das hier betonte überhistorische Gesetz laufender proportionaler Verteilung der gesellschaftlichen Gesamtarbeitszeit auf alle Produktionszweige ist ihnen ein Gräuel. Gegen die Überwindung der "unsichtbaren Hand des Marktes" durch planvolle gesellschaftliche Übernahme dieser Aufgabe durch die assozierten Produzenten laufen alle professoralen fundamentalen Wert´Kritiker´ Sturm. Was auch sein Gutes hat, da die Restlinke so überhaupt mit der grundlegenden ökonomischen Problemstellung in Berührung kommt, die keine relevante gesellschaftliche Kraft sich als Losung bis heute je zu eigen gemacht hat. | [den Konfusionen über die Wertbestimmungen entgegentreten] |
In der warenproduzierenden Gesellschaft (Bestimmungsmomente: Privatproduktion, Arbeitsteilung und Austausch) nimmt die gesellschaftliche Arbeit die Form des Wertes an. In der Wertform der Produkte spiegeln sich wenn auch sachlich verhüllt gesellschaftliche Beziehungen von Privatproduzenten wider. Der Wert, dessen Substanz die gesellschaftliche Arbeit ist, findet in der Arbeitszeit das Maß seiner Größe.
Da aber diese Arbeit unmittelbar als Privatarbeit geleistet wird, ihr gesellschaftlicher Charakter sich also erst post festum im Austausch zeigen kann, müssen die privat verausgabten Arbeitsquanta eine gesellschaftliche Bestimmung finden; diese ist eine doppelte:
| [Doppelte Bestimmung von gesellschaftlich notwendiger Arbeitszeit ist Ausdruck doppelter Funktion des Wertgesetzes: 1. Funktion spezifische Durchschnittsbildung der Produktivkaft bezüglich der Herstellung einzelner Warensorte - 2. Funktion laufende Reduktion der von einer Produktionssphäre absorbierten gesellschaftlichen Arbeitszeit auf die entsprechenden gesellschaftlichen Bedürfnisse] |
Diese Interpretation des Wertgesetzes auf der Basis der doppelten Bestimmung von gesellschaftlich notwendiger Arbeitszeit wird nicht von allen Marxisten geteilt. So leiten beispielsweise Ernest Mandel und Paul M. Sweezy die Basis des Wertes einseitig nur von der technisch bestimmten gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit ab. (in: Ernest Mandel, Marxistische Wirtschaftstheorie, Frankfurt/M., 1968, passim, Paul M. Sweezy, Theorie der kapitalistischen Entwicklung, Köln 1959, passim)
Diese einseitige und verkürzte Ableitung des Wertes, die den Gebrauchswert in seiner Bedeutung für die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit vernachlässigt, wird auch aus folgender Kritik Engels an Rodbertus deutlich: | [Kritik, damals nicht nur an Mandel und Sweezy, (sondern heute an Modern Monetarists wie Heinrich et tutti und vor allem in deren Ausblendung der Gebrauchswertmassen für die Setzung des Marktwerts)] |
{Mit diesen doppelten Bestimmungen der Kategorie gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit sowie der vorab Bestimmung des Doppelcharakters von Produktivität und Intensität der (gesellschaftlichen) Arbeit haben wir den gesellschaftlichen Boden substanziell gefasst, der uns ein Verständnis dessen erlaubt, was uns als Bewegungen der Warenpreise des Weltmarkts erscheint. Das Kategoriengerüst des Weltmarkts hierauf aufbauend zu erarbeiten, ist zwischen 1969 und 1976 zu einem Arbeitsschwerpunkt am Otto-Suhr-Institut Berlin geworden(d.V.)}
2. Weltwährungskrise drängt nach 1965 Intelektuelle des Otto-Suhr-Instituts zum Schwerpunkt WELTMARKT
{Dieser wunderbar knapp formulierte Text ist übrigens als html-Datei hier auf www.mxks.de abgelegt und wird nach und nach u. a. von Auszügen der weiteren hier behandelten Texte ergänzt (siehe unter ´Aktuell´ bzw. ´Bibliothek´)(d.V.)}
2.1. ´Weltmarkt und Weltwährungskrise´ - Broschüre der Bremer Gruppe Arbeiterpolitik Nobember 1971
Roter Faden der Argumentationslinie der Broschüre:
| [Der Weltmarkt als Bewegungsform der Gesetzmässigkeiten und Widersprüche kapitalistischer Produktionsweise] |
Grundlage der Konkurrenzstellung der nationalen Gesamtkapitale auf dem Weltmarkt ist die ungleichmässige Entwicklung zwischen Unternehmen, Branchen und Regionen innerhalb einer Nation
| [Der Weltmarkt als Integration der UNGLEICHMÄSSIG ENTWICKELTEN nationalen Gesamtkapitale] |
| [MATERIELLE Faktoren ungleichmässiger Entwicklung nationaler Kapitale] |
"Zusammenfassend läßt sich sagen, daß es eine immanente Gesetzmäßigkeit der kapitalistischen Produktionsweise ist, einerseits die ungleichmäßige Entwicklung permanent zu produzieren, weil sich die genannten materiellen Faktoren, die die ungleichmäßige Entwicklung hervorrufen, stets auch neu reproduzieren, andererseits dieser Tendenz zur Ungleichmäßigkeit durch die Konkurrenz der Kapitale und den Prozeß zur allgemeinen Profitrate permanent entgegenzuwirken. Die Ungleichmäßigkeit und die Tendenz dieser entgegenzuwirken, lassen sich somit als Strukturmomente der kapitalistischen Produktionsweise ableiten."
| [materielle Faktoren erzeugen Profitratenhierarchie nationaler Kapitale samt Gegentendenzen des Profitratenausgleichs] |
| [Ungleichmäßige Entwicklung zwischen den nationalen Kapitalen - vor allem durch nationale Hemmungen der Gegentendenzen] |
In folgenden 3 Abschnitt soll die Bedeutung der im vorangegangenen Teil entwickelten Kategorie der ungleichmäßigen Entwicklung für die Durchsetzung des Wertgesetzes auf dem Weltmarkt dargestellt werden.
| [Ungleichmäßige Entwicklung und die Durchsetzung des Wertgesetzes auf dem Weltmarkt] |
Durchsetzung des Wertgesetzes im nationalen Rahmen in den Formen
| [Wertgesetz im nationalen Rahmen] |
Wurde in Punkt 1.2. vorgezogen und bezieht sich auf die polare Doppelbestimmung des Werts der Waren
| [Doppelte Bestimmung von gesellschaftlich notwendiger Arbeitszeit] |
Auf der Grundlage der in doppelter Weise abgeleiteten Kategorie "gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit" kann jetzt eine Interpretation von Marktwert und Marktpreis vorgenommen werden. Im 10. Kapitel des 3. Bandes des Kapital leitet Marx die Kategorie Marktwert in ihrer doppelten Bestimmung ab:
Ist bis jetzt die Bewegung der Marktwerte geklärt, bleibt noch das Schwanken der Marktpreise um die Marktwerte darzustellen: | [Marktwert und Marktpreis] |
Wir haben gesehen, daß das Wertgesetz gesellschaftliche Beziehungen zwischen Privatproduzenten ausdrückt, wobei hier "gesellschaftlich" doppelt bestimmt war:
| [Wertgesetz auf dem Weltmarkt] |
Im Verlaufe der Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise hat sich im nationalen Rahmen
"In jedem Lande gilt eine gewisse mittlere Intensität der Arbeit, unter welcher die Arbeit bei Produktion einer Ware mehr als die gesellschaftlich notwendige Zeit verbraucht und daher nicht als Arbeit von normaler Qualität zählt. Nur ein über den nationalen Rahmen sich erhebender Intensitätsgrad ändert in einem gegebenen Lande das Maß des Werts durch die bloße Dauer der Arbeitszeit.
Die Ungleichmäßigkeit und Ungleichzeitigkeit in der Entwicklung der nationalen Kapitale produziert nicht nur eine Stufenleiter nationaler Intensitäten der Arbeit, sondern auch eine Abfolge von nationalen Produktivitätsgraden:
Anders auf dem Weltmarkt, dessen integrierende Teile die einzelnen Länder sind. Die mittlere Intensität der Arbeit wechselt von Land zu Land, sie ist hier größer, dort kleiner. Diese nationalen Durchschnitte bilden also eine Stufenleiter, deren Maßeinheit die Durchschnittseinheit der universellen Arbeit ist. Verglichen mit der weniger intensiven, produziert also die intensivere Arbeit in gleicher Zeit mehr Wert, der sich in mehr Geld ausdrückt." (Marx)
"Noch mehr aber wird das Wertgesetz in seiner internationalen Anwendung dadurch modifiziert, daß auf dem Weltmarkt die produktivere nationale Arbeit ebenfalls als intensivere zählt, sooft die produktivere Nation nicht durch die Konkurrenz gezwungen wird, den Verkaufspreis ihrer Ware auf ihren Wert zu senken."
(Marx)
| [Modifikation des Wertgesetzes auf dem Weltmarkt - mittlere Intensität der Arbeit als die nationalen Durchschnitte bilden eine Stufenleiter, deren Maßeinheit die Durchschnittseinheit der universellen Arbeit ist] |
Hier schliesst sich die Kritik am DDR-Ökonom Kohlmey an, hinter dessen Ableitung der Kategorie "internationaler Marktwert" sich die richtige Vermutung verbirgt, dass die Durchschnittseinheit der universellen Arbeit nicht in der Weise abstrakt gefaßt werden kann, daß jede nationale Arbeit auf dem Weltmarkt entsprechend der Stufenleiter der nationalen Arbeitsintensitäten und deren Durchschnitt gewichtet wird.
| [Kritik an Positionierung eines internationalen Marktwerts - diese verkennt Bedeutung der Wechselkurse und der internationalen Geldwertänderungen für die Modifikation des Wertgesetzes auf dem Weltmarkt] |
Der Regel nach: Die Nation des Vorsprungs an Produktivität und Intensität der Arbeit erzielt Exportüberschüsse, die Nachzügler müssen Defizite in ihrer Handelsbilanz hinnehmen hätten
| [ Stufenleiter der universellen Arbeit produziert mittels der Wechselkurse und der internationalen Geldwertänderungen Abfolge von Wertgrössen nationaler Arbeit - die Modifikation des Wertgesetzes auf dem Weltmarkt] |
{Mit der Ableitung des Kategoriengerüstes ´Weltmarkt´ bis zur Modifikation des Wertgesetzes auf dem Weltmarkt beenden wir die Auflistung. Die Teile zu Geld, Weltgeld, Zahlungsbilanz, Wechselkurs, Devisenmarkt, Dollarkrise, Interventionsinstrumente, sowie der historische Teil über die ungleichmäßige Entwicklung zwischen den USA, Westeuropa und Japan bis in die 60er Jahre ist wegen ihrer SYSTEMATIK empfehlenswert (siehe www.mxks.de unter Texte/Bibliothek)(d.V.)}
2.2. ´Der Weltmarkt und die Weltwährungskrise´ - Einleitungstext der Prokla 1 (10/1971)
ORIGINAL:
"Nachbemerkung
Im vorliegenden Aufsatz wurde versucht, anhand der jüngsten Weltwährungskrise die Durchsetzung des Wertgesetzes auf dem Weltmarkt zu diskutieren. In diesem Beitrag wurde nicht der Anspruch erhoben, alle Aspekte der Modifikation des Wertgesetzes auf dem Weltmarkt zu entwickeln. Offen geblieben sind insbesondere folgende Fragen:
Bei der Bremer Gruppe Arbeiterpolitik wird im Oktober/November eine von Busch/Schöller/Seelow verfaßte Broschüre Weltmarkt und Weltwährungskrise erscheinen, in der die im vorliegenden Artikel behandelte Problematik breiter, weil an Schulungszwecken orientiert, dargestellt wird." | [Der erste kollektive Durchgang ermöglichte mit dem Resultat erst das Aufwerfen weiterer Fragestellungen] |
2.3. ´Weltmarkt und Reproduktion des Kapitals´ - Wolfgang Schoeller (EVA 1976)
"Die beiden ersten Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg sind gekennzeichnet durch ein rasches wirtschaftliches Wachstum insbesondere in Westeuropa durch anwachsende Kapital- und Warenströme, die sich vorwiegend auf die Industrienationen selbst konzentrierten, sowie durch das Entstehen eines hohen Grades der Weltmarktverflechtung auf der Grundlage einer Internationalisierung des produktiven Kapitals (vermittelt über die Direktinvestitionen). Jene Entwicklung schlug sich u. a. in einer relativen ökonomischen Verselbständigung der Industriestaaten gegenüber den Ländern der Dritten Welt nieder, deren Anteil am Welthandel in jenen Jahrzehnten stark zurückgegangen ist und die nur marginal an der Entwicklung der Produktivkräfte und der wirtschaftlichen Prosperität in den Industrienationen teilnehmen konnten. Seit Mitte der 60er Jahre können wir jedoch feststellen, daß sich in kapitalistischen Industriestaaten die Akkumulation verlangsamt, Stagnationstendenzen und Rezessionen sichtbar werden, und zyklische Krisen deutlich hervortreten. Angesichts dieser Phänomene, die auf eine allgemeine tiefergehende Überakkumulation des Kapitals hindeuten, scheint uns nicht allein die Annahme plausibel zu sein, daß jener Trend beschleunigter Akkumulation im Bereich der kapitalistischen Industrienationen nicht unbesehen auf die nächsten Jahre zu verlängern ist. Vielmehr muß gefragt werden, ob die langandauernden hohen Zuwachsraten bei der Akkumulation des Kapitals in den USA, Westeuropa und in Japan sowie die zahlreichen Formen internationaler Kooperation (OECD, IWF, GATT etc.) nicht selbst Ausdruck und charakteristisches Merkmal einer bestimmten Phase der Entwicklung des Kapitals nach dem Zweiten Weltkrieg sind, die mit den sich abzeichnenden Stagnationstendenzen von einem gegenläufigen Prozeß abgelöst wird, der durch das Hervortreten anderer Momente bestimmt ist."
| [Die dynamische Akkumulationsphase des Kapitals zwischen 1945 bis 1965 als Entwicklung des Weltmarkts und der Übergang in die Stagnation] |
"Sofern die in den letzten Jahren verstärkt hervortretenden Phänomene krisenhafter ökonomischer Entwicklung in den Industrienationen bereits Ausdruck einer solchen Wende in der Kapitalreproduktion der wichtigsten Industrienationen sind, kann unseres Erachtens auch angenommen werden, daß der jahrzehntelange Trend zur Konzentration der Kapital- und Warenströme auf Westeuropa, die USA und Japan sich nicht ungebrochen fortsetzen wird und daß darüber hinaus auch die Dritte Welt möglicherweise für anlagesuchende und brachliegende Kapitale der Industrienationen zunehmend an Bedeutung gewinnen könnte. Die Analyse der Möglichkeiten, Formen und Bedingungen der Kapitalakkumulation in den ökonomisch unterentwickelten Ländern ist demzufolge auch von Bedeutung für die Einschätzung des Kapitals in den Industrienationen, für die Tendenzen der Internationalisierung der Produktion und die internationale Verlagerung bestimmter Industriezweige. D. h. eine eventuell mögliche anhaltende industrielle Entwicklung in der Dritten Welt dürfte wiederum Konsequenzen der sozioökonomischen Entwicklung in den Industrienationen selbst nach sich ziehen.
Bei den zahlreichen Versuchen, einige der angesprochenen Entwicklungstendenzen im kapitalistischen Weltmarkt zu analysieren und deren inneren theoretischen Zusammenhang herzustellen, haben sich mittlerweile z. T. kontroverse methodische und theoretische Differenzen herausgebildet."
| [Hypothese über die Tendenzen der Internationalisierung der Produktion als Verlagerung der Industrie auch in Entwicklungsländer] |
"In diesen kontroversen Positionen drücken sich nicht allein die Schwierigkeiten aus, die Wertbewegungen zu analysieren, die sich hinter der Preisbewegung der Weltmarktwaren verbergen, sondern auch die realen Phänomene auf der Grundlage der internationalen Anwendung des Wertgesetzes zu interpretieren, die auf der Grundlage des bislang ungekannten Ausmaßes der Weltmarktverflechtung auf der Basis der Internationalisierung des produktiven Kapitals entstanden sind."
| [Methodische und theoretische Differenzen in den Theorien des Weltmarkts gründen in unterschiedlichen Auffassungen der konkreten Durchsetzungformen des Wertgesetzes auf dem Weltmarkt] |
"So kann im Rahmen dieser Diskussionen der theoretische Ansatz des sogenannten Werttransfers als vorherrschend angesehen werden; dieser Ansatz besteht in seinem Kern darin, das Verhältnis zwischen den Nationen mit unterschiedlich entwickelten Produktivkräften sowie der Industrienationen insgesamt gegenüber den Ländern der Dritten Welt über einen »Werttransfer« in der Form eines ungleichen Tausches zu bestimmen. Die Theoretiker, die sich diesem Ansatz zuordnen lassen, sind bei Vernachlässigung zahlreicher Differenzen im Detail der Auffassung, daß sich bereits im Prozeß der Preisbildung der Weltmarktwaren ein ständiger Werttransfer von den weniger produktiven zu den produktivsten nationalen Kapitalen vollzieht. Dies sei so wird unterstellt auch die primäre Ursache für den begrenzten Akkumulationsprozeß des Kapitals in der Dritten Welt und deren ökonomischer Unterentwicklung; vermittels jenes »Werttransfers« trage somit die Dritte Welt zur Kapitalakkumulation in den Industrienationen bei, bzw. werde die Entwicklung in den Industrienationen gleichsam durch die Unterentwicklung auf der anderen Seite bezahlt, die zudem als ein bleibendes Strukturmoment des kapitalistischen Weltmarkts angesehen wird, die innerhalb dieses Rahmens nicht aufgehoben werden könne die sich allenfalls auf höherer technologischer Stufenleiter reproduziere."
| [Häufigste Position; ´Werttransfer´ in die Nationen höherer Produktivität] |
"Neben diesem Ansatz, die ökonomischen Beziehungen zwischen Nationen und Ländern unterschiedlich entwickelter Produktivkraft der Arbeit als ein Ausbeutungsverhältnis zu bestimmen, das über den ungleichen Tausch von Werten im Prozeß der Preisbildung auf dem Weltmarkt vermittelt ist, lassen sich weitere theoretische Versuche zur Analyse der Weltmarktbewegung des Kapitals anführen, die in der Wert- und Preisbildung der Weltmarktwaren eine »Modifikation des Wertgesetzes« sehen. Im Mittelpunkt dieses Ansatzes steht die Frage, wie sich im Rahmen des Weltmarktzusammenhangs die gesellschaftlich notwendige Arbeit und damit die Wertgröße der Waren bestimmen lasse; da auf dem Weltmarkt eine Stufenleiter von Produktivität und Intensität der nationalen Arbeit besteht, ergibt sich daraus die Schwierigkeit, die jeweils in einer Weltmarktbranche geltende gesellschaftlich notwendige Arbeit anzugeben, bzw. die Vermittlungsschritte zwischen der national verausgabten Arbeit und dem Marktwert in der betreffenden Weltmarktbranche zu benennen. Im Unterschied zum Ansatz des »Werttransfers« in der Form eines ungleichen Tausches wird in den Beiträgen, die von einer modifizierten Wirkungsweise des Wertgesetzes auf dem Weltmarkt ausgehen, das ökonomische Verhältnis zwischen unterschiedlich entwickelten Ländern nicht als eine Beziehung des ungleichen Tausches gesehen; vielmehr verlieren so wird angenommen die weniger produktiven Nationen Teile ihrer geleisteten Arbeitszeit für den Wertbildungsprozeß, da analog dem nationalen Marktwert auch international all die Arbeitszeit für die Wertbildung verlorengeht, die über das gesellschaftliche Bedürfnis hinaus verausgabt worden ist. Entsprechend der international bestimmten gesellschaftlich notwendigen Arbeit, die den internationalen Marktwert bilde, gehe somit die zu unterschiedlichen (technischen) Durchschnittsbedingungen verausgabte nationale Arbeitszeit in die internationale Wertbildung ein. Der Kern der verschiedenen theoretischen Positionen bei der Analyse des internationalen Zusammenhangs, wie er seit dem Zweiten Weltkrieg durch die Internationalisierung des produktiven Kapitals hergestellt worden ist, muß unseres Erachtens auf unterschiedliche und z. T. auch fehlerhafte Vorstellungen über den Wertbildungsprozeß selbst sowie dessen Vermittlung über die Kapitalreproduktion im Rahmen jenes internationalen Zusammenhangs zurückgeführt werden."
| [Weitere Position: ´Modifikation des Wertgesetzes auf dem Weltmarkt´ in der Preisbildung der Weltmarktwaren] |
"In Teil 1 dieser Arbeit werden wir uns deshalb eingehend mit der Frage der international vermittelten kapitalistischen Wertbildung auseinandersetzen, um den begrifflichen Rahmen zu entwickeln, innerhalb dessen unserer Ansicht nach der Prozeß der Weltmarktverflechtung auf der Grundlage der Internationalisierung des produktiven Kapitals analysiert werden kann der in zunehmendem Ausmaß auch die ökonomisch unterentwickelten Länder einschließt. Bei dieser begrifflichen Interpretation der internationalen Anwendung des Wertgesetzes werden wir zeigen, daß der ungleiche Tausch im nationalen Rahmen wie auch zwischen ökonomisch unterschiedlich entwickelten Nationen auf eine Übergangsphase ausnehmend hoher Produktivkraft der Arbeit zurückgeführt werden kann, die jedoch durch die Konkurrenz der Kapitale tendenziell abgebaut wird; der ungleiche Tausch ist somit als ein durch die Produktivkraftentwicklung bedingtes abgeleitetes Phänomen anzusehen. Die Analyse der kapitalistischen Wertbildung und Akkumulation muß folglich die Bedingungen der Produktivkraftentwicklung selbst und damit der Wertbildung pro geleisteter Arbeitszeit zum Gegenstand haben. Die Beurteilung der Frage, welche Wertbewegung sich in den Weltmarktpreisen ausdrückt, erfordert es, die Bestimmung des kapitalistischen Wertbildungsprozesses der Weltmarktwaren selbst zu klären. Die oben von uns angesprochenen Theorien gehen hierbei weitgehend unreflektiert bereits von der internationalen Wertbildung aus- Gerade darin liegt unseres Erachtens einer der hauptsächlichen Gründe der theoretischen und methodischen Differenzen bei der Analyse der Weltmarktbewegung des Kapitals. Wir werden deshalb in Teil 1 dieser Arbeit die Grundlage der Wertbildung der Weltmarktwaren durch den nationalen Rahmen oder durch den internationalen Zusammenhang als alternative theoretische Möglichkeiten herausarbeiten."
| [Teil 1: Grundlage der Wertbildung der Weltmarktwaren durch den nationalen Rahmen oder durch den internationalen Zusammenhang?] |
"In Teil 2 dieser Arbeit werden wir versuchen, diese alternative theoretisch denkbare Basis der Wertbildung durch den nationalen oder durch den internationalen Rahmen empirisch zu diskutieren. Wir werden zeigen, daß nicht allein theoretisch, sondern auch empirisch eine sich bereits international vollziehende Wertbildung kaum begründbar ist und daß stattdessen nach wie vor der nationale Rahmen als Grundlage der kapitalistischen Wertbildung der Weltmarktwaren angesehen werden muß obwohl die Internationalisierung der Produktion ein bislang unerreichtes Ausmaß angenommen hat."
| [Empirische Diskussion der alternativen theoretisch denkbaren Basis der Wertbildung durch den nationalen oder durch den internationalen Rahmen] |
"Die Bestimmung dieses Verhältnisses zwischen Wertbildung, Kapitalreproduktion und Weltmarktzusammenhang erlaubt es uns sodann, in Teil 3 dieser Arbeit neuere Tendenzen in der Weltarbeitsteilung sowie allgemein Auswirkungen des Weltmarkts auf die nationale Kapitalreproduktion und auf die Bedingungen der kapitalistischen Wertbildung zu beziehen. Wir werden in diesem Teil zu begründen haben, daß von den nationalen Distributionsverhältnissen auszugehen ist, in denen sich die Kapitalreproduktion vollzieht, um die Phänomene der Internationalisierung der Produktion aus dem inneren theoretischen Zusammenhang der Akkumulation erklären zu können. Die Annahme einer bereits international sich vollziehenden Wertbildung verwirkt unseres Erachtens diese Möglichkeit der Analyse.
Dieser Prozeß der Internationalisierung der Produktion unter zunehmender Einbeziehung der Entwicklungsländer sowie die möglicherweise wachsende Bedeutung dieser Regionen für anlagesuchendes Kapital der Industrienationen wirft die Frage nach den Bedingungen der Produktivkraftentwicklung und der kapitalistischen Wertbildung in den heute unterentwickelten Ländern auf. Wir werden deshalb in Teil 4 dieser Arbeit die Problematik diskutieren, aufgrund welcher Momente die Kapitalakkumulation in den ökonomisch unterentwickelten Ländern relativ blockiert zu sein scheint bzw. weshalb die Industrienationen sich gegenüber diesen Regionen immer noch in einer der »Übergangsphase« ausnehmend hoher Produktivkraft der Arbeit vergleichbaren Position befinden und die Entwicklungsländer bislang kaum in der Lage waren, durch die Entfaltung der eigenen Produktivkräfte jene »Übergangsphase« der Industrienationen abzubauen (womit zugleich auch das Phänomen des ungleichen Tausches beseitigt würde). Angesichts des Material- und Diskussionsstandes auf diesem Gebiet werden wir nur den Aspekt verfolgen, welche Auswirkungen die Reproduktionszusammenhänge dieser Regionen auf die kapitalistische Wertbildung haben und welche Kritik an weitverbreiteten theoretischen Positionen zur ökonomischen Unterentwicklung angebracht werden muß. Insgesamt vertreten wir in diesem Teil 4 die Auffassung, daß die ökonomische Unterentwicklung als Ausdruck einer bestimmten historischen Phase der kapitalistischen Entwicklung anzusehen ist und daß kaum zu begründen ist, weshalb auf Dauer die »Entwicklung« die »Unterentwicklung« bedingen soll." | [Neuere Tendenzen in der Weltarbeitsteilung sowie allgemein Auswirkungen des Weltmarkts auf die nationale Kapitalreproduktion und auf die Bedingungen der kapitalistischen Wertbildung] |
ORIGINAL Busch/Schöller/Seelow 1971:
Der DDR-Ökonom G. Kohlmey, der wichtige Beiträge zur Diskussion über die Modifikation des Wertgesetzes auf dem Weltmarkt geleistet hat, interpretiert die in Kap 1. zitierten zwei Passagen zur Intensität und Produktivität der Arbeit wie folgt:
"Die internationale Wertgröße bildet sich nicht auf der Basis des massenhaften vorherrschenden Intensitätsgrades, sondern auf der Basis des gewogenen Durchschnitts aller in Frage kommenden nationalen Intensitätsgrade. Das ist die erste Modifikation im Wirken des Wertgesetzes auf dem internationalen Markt."
(Gunther Kohlmey, Karl Marx Theorie von den internationalen Werten, in: Probleme der Politischen Ökonomie, Band 5, S. 44)
Analog zu seiner Interpretation der Stufenleiter der nationalen Intensität der Arbeit interpretiert Kohlmey obige Passage in Kap. 1. zur Produktivität der Arbeit folgendermaßen:
"Während die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit innerhalb der Staatsgrenzen von den massenhaften, gewöhnlichen Produktivitätsbedingungen bestimmt wird, gehen in den Bildungsprozeß der internationalen Marktwertgröße alle am internationalen Handel in der betreffenden Ware beteiligten nationalen Produktivitätsstufen ein, die internationale Wertgröße ist dann der gewogene Durchschnitt. Das ist die zweite Modifikation des Wertgesetzes auf den internationalen Märkten."
(Kohlmey, S. ebda)
Entsprechend seinen beiden Interpretationen fasst Kohlmey die Herausbildung der internationalen Marktwertgröße als gewogenes arithmetisches Mittel aller dem Weltmarkt zugeführten Warenmassen.
| [Positionierung 1969: Herausbildung der internationalen Marktwertgröße als gewogenes arithmetisches Mittel aller dem Weltmarkt zugeführten Warenmassen] |
1984 wird die Dissertation des Kohlmey Schülers Hans-Peter Krüger: ´Werte und Weltmarkt - Zur Bildung und Realisierung internationaler Werte´ im Akademie-Verlag Berlin veröffentlicht. Sowohl das Vorwort von Kohlmey als Krügers Arbeit sind trotz einiger Schleimspuren lesenswert wegen der systematischen ausführlichen Marxexegese. Krüger kritisiert das Bemühen aus dem Jahr 1976 von W. Schoeller, die "Grundlage der Wertbildung der Weltmarktwaren durch den nationalen Rahmen oder durch den internationalen Zusammenhang als alternative theoretische Möglichkeiten heraus(zu)arbeiten" (s. vorstehende Auszüge aus Schoellers Einleitung seines Buchs ´Weltmarkt und Reproduktion des Kapitals´ in Punkt 2.3.) Zugleich soll damit die ebenfalls in obiger Einleitung erwähnte Kritik von Schoeller an obiger Position von Kohlmey von 1969, dass die Wertbildung der Weltmarktwaren im internationalen Rahmen bestimmt wird, getroffen werden.
Wir finden Krügers Argumentationslinie in ihrer Allgemeinheit schlecht abstrakt und keineswegs überzeugend. ORIGINAL H.-P. Krüger 1984: "Schließlich zu Schoellers Ansicht, daß man je nach dem eingenommenen Standpunkt entweder Umverteilung konstatieren könne (sofern man die nationale Wertbildung als Basis des internationalen Austausches ansehe) oder mit derselben Berechtigung diese verneinen könne (sofern man die internationale Wertbildung als den Austausch regulierend betrachte). Wir halten sie für doppelt falsch.
| [1984: Kritik an Position der nationalen Wertbildung als Basis des internationalen Austausches] |
4. Über den Dimiurgen des Weltmarkt - Stepfan Krüger in Prokla 59 ´Weltmarktango´(6/1985)
"Die Existenz einer Periode langfristig beschleunigter Kapitalakkumulation unterstellt in der Realität einen entwickelten internationalen Konjunktur- und Akkumulationszusammenhang zwischen mehreren, auf dem kapitalistischen Weltmarkt zusammenstoßenden entwickelten Nationalkapitalen. Historisch wie begrifflich ist die Existenz des gesellschaftlichen Gesamtkapitals als Nationalkapital mit kennzeichnenden Durchschnittsverhältnissen seiner Produktions- und Verwertungsbedingungen (allgemeine Rate des Mehrwerts, durchschnittliche Wertzusammensetzung des Kapitals, durchschnittliche Umschlagsbedingungen etc) Grundlage und Voraussetzung der Weltmarktbeziehungen des Kapitals; letztere werden mit der Etablierung des Regimes der großen Industrie auf eine qualitativ neue Stufe gehoben und als Resultat der kapitalistischen Akkumulation systematisch reproduziert."
| [entwickelte nationale Gesamtkapitale als Bedingung des kapitalistischen Weltmarkts] |
"Auf den Weltmärkten bildet sich eine Stufenleiter zwischen den verschiedenen Nationalkapitalen heraus, die auf die Rangfolge der resp. Nationalarbeiten, differenziert nach Qualität, Intensität und Produktivität derselben, kurz: auf den jeweiligen Entwicklungsgrad der kapitalistischen Produktionsweise im betreffenden Land gegründet ist. In dieser Rangfolge der verschiedenen und unterschiedlich entwickelten Nationalkapitale ist es jeweils die am höchsten entwickelte Nation, die eine Sonderstellung einnimmt: die entwickeltste kapitalistische Nation, deren gesamtwirtschaftliche Durchschnittscharakteristika ihrer gesellschaftlichen Gesamtarbeit sie an die Spitze der universellen Arbeit setzen und deren ökonomische Überlegenheit gegenüber den anderen kapitalistischen Konkurrenten quantitativ anhand ihrer Suprematie in den Welthandelsanteilen und den internationalen Kreditverhältnissen zum Ausdruck kommt, prägt das internationale ökonomische Geschehen und übergreift die einzelnen Reproduktions- und Akkumulationsprozesse der anderen kapitalistischen Nationen. Es findet hier ein Umschlag von Resultaten in Voraussetzungen statt: die Unterschiede im Entwicklungsgrad der verschiedenen nationalen Gesamtarbeiten, die sich als Resultate des unterschiedlichen Entwicklungsgrads der kapitalistischen Produktionsweise in den einzelnen Ländern ergeben und in der internationalen Stufenleiter der Nationalkapitale auf dem Weltmarkt erscheinen, werden in Gestalt des jeweils entwickeltsten und daher auf dem Weltmarkt dominierenden Nationalkapitals zur Voraussetzung für die nationalen Akkumulationsprozesse des Kapitals."
| [auf dem Weltmarkt Bildung einer Stufenleiter der universellen Arbeit zwischen den verschiedenen Nationalkapitalen und der Sonderrolle des am Weitesten entwickelten nationalen Gesamtkapitals für die Akkumulation aller nationalen Gesamtkapitale] |
"Die entwickeltste kapitalistische Nation ist nicht nur der Hegemon des internationalen Geschehens in ökonomischer und weiter politischer etc. Hinsicht, sondern wie Marx dies treffend ausgedrückt hat der Demiurg des bürgerlichen Kosmos. (MEW 7, S. 440) schlechthin: Dieser Demiurg konstituiert den internationalen ökonomischen Zusammenhang als Weltmarktzyklus und in der Abfolge dieser Weltmarktzyklen die langfristigen Entwicklungstendenzen der nationalen kapitalistischen Akkumulationsprozesse.
Die Demiurgenrolle einer kapitalistischen Nation für die kapitalistische Weltwirtschaft ist qualitativ
und quantitativ in der Dominanz dieser Nation im Welthandel manifest wird. | [entwickeltste kapitalistische Nation prägt als Demiurg dem Weltmarkt ihren eigenen nationalen industriellen Krisenzyklus auf] |
"Über die in den jeweiligen nationalen Konjunkturzyklen spielenden Ausgleichungsprozesse, die sich resultathaft in der Herausbildung jeweiliger nationaler Durchschnittsprofitraten für die Gesamtkapitale der Metropolen zusammenfassen, bilden sich in längerfristiger Perspektive die Entwicklungstendenzen der Kapitalakkumulation heraus: die Gesetze des internationalen Handels und weiter der internationalen Kapitalbewegung, die dem Ausgleich nationaler Zahlungsbilanzen unterliegen, bringen in längerfristigerer Entwicklungsperspektive, d.h. in der Abfolge mehrerer Konjunkturzyklen zugleich Angleichungstendenzen in den usprünglich verschiedenen nationalen Entwicklungsgraden der kapitalistischen Produktion und Akkumulation zustande, welche die internationale Stufenleiter der entwickelten Nationalkapitale gewissermaßen neu definieren und langfristig die ehemalige Monopolposition des Demiurgen untergraben. Diese internationalen Angleichungstendenzen, die zu einer allmählichen Verminderung der Unterschiede im Niveau der nationalen Durchschnittsprofitraten führen Anhebung des Niveaus der Profitraten in den entwickelteren Nationen bzw. Verminderung der Progression ihres Falls, Beschleunigung der Tendenz zum Sinken der ehemals höheren nationalen Profitraten in den unterdurchschnittlich entwickelten kapitalistischen Nationen sind das Resultat der durch den Weltmarktzyklus modifizierten nationalen Konjunktur und insofern von den im nationalen Rahmen in und durch die zyklische Bewegung herausgesetzten Ausgleichungsprozessen der bestimmenden ökonomischen Variablen der kapitalistischen Reproduktionsprozesse zu unterscheiden."
| [langfristige Angleichungstendenzen untergraben die Hegemoniestellung des jeweiligen Demiurgen des Weltmarkts] |
"Diese durch nationale Ausgleichungsprozesse in mehreren aufeinander folgenden Zyklen durchgesetzten internationalen Angleichungen zwischen den verschiedenen kapitalistischen Metropolen markieren zugleich die Zusammenfassung der allgemeinen widersprüchlichen Bewegungsgesetze der Kapitalakkumulation auf dem Weltmarkt: langfristig wird die ursprünglich Stabilität gewährleistende Dominanz des Weltmarktdemiurgen unterhöhlt. Mit dem Verlust seiner führenden Position in den Welthandelsbeziehungen durch aufholende kapitalistische Konkurrenznationen entfällt auch sukzessive die realwirtschaftlich-reproduktive Basis seiner dominanten Stellung in den internationalen Finanz- und Kreditbeziehungen. Die Diskrepanz zwischen der reproduktiven Kapitalakkumulation und der international geprägten institutionell festgeschriebenen Akkumulation von Geldkapital erhält hierdurch neue Ausprägungen."
{Hieran schliesst St. Krüger den historischen Auf- und Abstieg Englands in der Rolle des Weltmarktdemiurgen und seine Verdrängung durch die USA und deren ökonomischen Abstieg seit den 1960 Jahren (eine Entwicklung, die sich seit 1990 im Konfrontationskurs politisch-militärischen Abenteurertum zwischen EUROland und den USA zuspitzt - eine Entwicklung, die nach der Vorstellung des bürgerlichern Ideologen von der illusionären ´Friedfertigkeit´ des Imperialismus und sozialer Stabilität im Innern in einer linear berechenbaren Ablösung der Demiurgenrolle der USA durch China bestehen würde.)(d.V.)} | [Zugleich wird hiermit die durch den Demiurg gewährleistete Stabilität des Weltmarkts unterhöhlt] |
5. ´Über die Kläglichkeit der Weltmarkttheorien´ - Elmar Altvater in Prokla 59 (6/1985)
"Das Sein bestimmt das Bewußtsein? Sehr wohl, führt man sich den Zustand der Theorien über den Weltmarkt in dessen tiefster Krise nach 1945 vor Augen. Die Ansätze, die die 60er und 70er Jahre beherrschten, also die Dependenztheorie, die Dissoziationstheorie oder die Lehre von der modifizierten Wirkungsweise des Wertgesetzes auf dem Weltmarkt haben sich allesamt vor der Macht der Krisenereignisse zurückgezogen und das Feld wieder den Außenhandelstheoretikern, den Währungsexperten oder Interdependenzanalytikern überlassen, die aber auch nicht so recht wissen, wie theoretisch mit den Phänomenen umzugehen sei, die so gar nicht ins Bild der »reinen« Theorie passen, schlimmer noch: eigentlich gar nicht sein dürften:
| [Rückblick auf ein Theorie-Trümmerfeld: die Untersuchung der Totalität des Weltmarktprozesses weicht der Analyse von Einzelphänomenen] |
"Worum geht es in dieser Einmischung? Um eine Kritik an Buschs Kritik, nicht um den kritisierten Wallerstein zu retten denn tatsächlich ist der Weltsystemansatz, wie er von Wallerstein entwickelt und von vielen anderen ziemlich gedankenlos übernommen worden ist, bei näherer Betrachtung platt wie die Erdscheibe vor der kopernikanischen Wende , sondern um den Maßstab zu hinterfragen, an dem Busch meint, den Kritisierten messen zu können. Dieser Maßstab hat einen Namen, nämlich »Modifikation des Wertgesetzes auf dem Weltmarkt« und (daraus abgeleitet) »Schutzmechanismus der Wechselkursbewegung«. In einer Vielzahl von Aufsätzen hat Klaus Busch wenn ich es richtig sehe seit 1971 diese beiden Namen gepflegt, als ob sie im Cotta patentiert wären. Aber jeder Fischhändler weiß, daß selbst ein gut gesalzenes Faß Heringe nach einiger Zeit einen haut goüt entwickelt, auch wenn es gut gelagert wird. Und so ist es auch mit dem Modifikationsansatz. Grünspan hat er angesetzt und schön anzusehen ist er auch nicht mehr.
"
| [Problem der Aussagekraft dürrster Abstraktionen: hier die Modifikation des Wertgesetzes auf dem Weltmarkt] |
"Indem von Klaus Busch vorgelegten Artikel wird das Theorem der Modifikation des Wertgesetzes zwar behandelt wie das Gespenst im Schrank, d.h. es wird an keiner Stelle vorgestellt, und ist doch immerwährend präsent. Nun soll dies kein Vorwurf sein, hat er doch, wie seine Eigenzitate im vorliegenden Text zeigen, diese Idee mehrfach ausgeführt, so daß auch Wallerstein sie hätte zur Kenntnis nehmen können, wie Busch an ihm kritisiert: »Er (nämlich Wallerstein) negiert dabei die spezifischen Momente der modifierten Wirkungsweise des Wertgesetzes auf dem Weltmarkt ...« (Busch 1974, 46 ff.)«. Um diesem Vorwurf die Stichhaltigkeit von vornherein zu entziehen, sei aus der Arbeit von 1974 zitiert:
Der Weltmarkt, so Busch, setzt sich »aus der Summe verschiedener, national voneinander abgegrenzter Zirkulationssphären zusammen. Während die Kapitale im nationalen Rahmen direkt, ohne staatliche Schranken miteinander konkurrieren, ist der internationale Konkurrenzkampf des Kapitals prinzipiell über nationale Schranken vermittelt, die sich im einfachsten Falle .. als Grenzpfähle der verschiedenen nationalen Zirkulationssphären, als Wechselkurse nämlich darstellen .. Welche Verlaufsform auch immer diese Währungsmechanismen annehmen mögen, sie führen in der Tendenz zu folgendem Ergebnis: Die Waren der höher entwickelten Nation erhalten über die Aufwertung der Währung ihres Landes oder die imponierte Inflation einen höheren internationalen Preisausdruck, während sich umgekehrt die Waren der weniger entwickelten Nation nach der Abwertung oder Deflation in niedrigeren internationalen Preisen darstellen« (Busch 1974, S. 38 f).
"
| [impliziter Ansatz der Kritik Buschs an Wallerstein Systemansatz: Modifikation des Wertgesetzes auf dem Weltmarkt] |
"Tatsächlich, diese Basisidee strahlt wie Formaldehyd auch noch zehn Jahre später. Point dacces ist, im übrigen wie bei Wallerstein auch, das Verhältnis von nationalem Staat und internationalem Kapital. Ein richtig festgestellter Widerspruch wird freilich von Busch sogleich überhöht: 1974 schreibt er, daß die Kapitale im nationalen Rahmen ohne staatliche Schranken miteinander konkurrieren würden, während international die nationale Schranke der staatlichen Intervention wirke. 1985, im hier abgedruckten Aufsatz, lautet die These:
Nach innen setzt sich innerhalb der Nationalstaaten die Logik der kapitalistischen Produktionsweise durch, »nach außen aber (bleiben) die vorkapitalistischen Strukturen, dh. (Unterstreichung E.A.) die Möglichkeit direkter staatlicher Intervention in die Ökonomie, beibehalten...« Sicherlich, im Begriff des Nationalstaats ist schon benannt, daß es sich um einen National- und nicht um einen Internationalstaat handelt. Aber wieso sich in dem Funktionsbündel des Nationalstaats, das sich auf internationale Absicherung nach außen, bezieht, vorkapitalistische Strukturen erhalten sollen, während im Funktionsbündel des Nationalstaats nach innen gerade auf der Grundlage der systemspezifischen Trennung von Ökonomie und Politik die auf die Produktionsweise funktional bezogenen Interventionen stichhaltig sind, das bleibt so lange uneinsichtig, wie nicht staatstheoretisch dieser Funktions-/Dysfunktionsunterschied (bezogen immer auf die kapitalistische Produktionsweise) einigermaßen klar herausgearbeitet worden ist. Nicht zufällig existiert keine ernstzunehmende staatstheoretische Analyse, die diese Scheidung stützen würde, noch nicht einmal, wenn man ihr beschränkte historische Gültigkeit für die Übergangsphase vom Feudalismus zum Kapitalismus bescheinigen würde."
| [Problemstellung: Verhältnis nationaler Staat und internationales Kapital im historischen Wandel] |
"Editorial
Die Mehrheit der ehemaligen Redaktionskonferenz der Zeitschrift SOZIALISTISCHE POLITIK und einige weitere Genossen legen hiermit die erste Nummer einer neuen Zeitschrift vor: PROBLEME DES KLASSENKAMPFES - Zeitschrift für politische Ökonomie und sozialistische Politik. Die Herausgabe der neuen Zeitschrift wurde notwendig, nachdem vier Mitglieder der Redaktionskonferenz der SOZIALISTISCHEN POLITIK, die Herstellung und Vertrieb besorgten, hinter dem Rücken der übrigen Mitglieder eine GmbH (Verlag und Vertrieb Sozialistische Politik) gegründet und damit die ihnen übertragene faktische Verfügungsgewalt in ein bürgerliches Eigentumsrecht umgewandelt hatten. Zugleich verweigerten sie den übrigen Mitgliedern der Redaktionskonferenz die weitere Mitarbeit an der inhaltlichen und politischen Gestaltung der Zeitschrift, es sei denn, diese hätten die vollzogene Besitzergreifung anerkannt. Die neuen Eigentümer bemäntelten die Usurpation mit der von ihnen niemals zuvor erhobenen Forderung nach einer bewußt und planmäßig vollzogenen Instrumentalisierung im Vorfeld der kommunistischen Partei, sprich: SEW/DKP. Nachdem die Klage der Mehrheit der Redaktionskonferenz gegen die Usurpation vor einem bürgerlichen Gericht abgelehnt worden war, stand der Instrumentalisierung der SOZIALISTISCHEN POLITIK nichts mehr im Wege, was sich seit Erscheinen der Nr. 11 an der Mehrzahl der Beiträge deutlich ablesen läßt. (Im übrigen finden sich dort nur vertuschende Andeutungen zu den Konflikten innerhalb der Redaktionskonferenz.) Es ist nicht unsere Absicht, den PROBLEMEN DES KLASSENKAMPFES einen weitgespannten theoretischen Programmentwurf vorauszuschicken, der notwendig aus Allgemeinheiten und abstrakten Postulaten bestehen würde. Die theoretische und politische Linie wird sich vielmehr in den in der Zeitschrift vorzulegenden Analysen im einzelnen, d. h. am Gegenstand darstellen und konkretisieren müssen. Im folgenden soll jedoch kurz einiges zu unserer Selbsteinschätzung sowie unseren nächsten Zielen gesagt werden. (Im übrigen lassen auch die von verschiedenen Mitgliedern der Redaktionskonferenz in der SOZIALISTISCHEN POLITIK Nr 1 - 10. in den ersten Sonderheften von PROBLEME DES KLASSENKAMPFES und anderswo veröffentlichten Arbeiten Schwerpunkte der theoretischen Arbeit und bestimmte politische Auffassungen erkennen.) Wir alle sind in unserer theoretischen Arbeit und politischen Entwicklung in der einen oder anderen Form von der Revolte der Intelligenz bestimmt worden. Diese Revolte resultierte einerseits aus der Abwehr der von der Bildungskatastrophe diktierten Versuche des Staatsapparates, Schul- und Hochschulausbildung entsprechend den Bedürfnissen der Kapitalverwertung neu zu organisieren. Andererseits war sie Resultat des vor allem im Verlauf des Vietnamkrieges offenkundig werdenden Zerfalls der herrschenden bürgerlichen einschließlich der sozialdemokratischen Ideologie, die der Studentenbewegung weder eine gesellschaftliche Zukunft noch eine politische Zielsetzung aufzuweisen vermochten. Erst durch einen mühsamen Prozeß des Lernens aus den G r e n z e n ihrer Revolte gelangte die Studentenbewegung zur Erkenntnis ihres r e l a t i v e n Stellenwerts als einer Bewegung im Überbau, begann sie ihre eigenen ideologischen Prämissen von der Emanzipation des Menschen und der Unterdrückung seiner wahren Bedürfnisse, von der Intelligenz als revolutionärem Subjekt und dergleichen mehr infrage zu stellen. Diese bornierten Auffassungen konnten als utopisch und idealistisch erkannt und die Emanzipation der Arbeiterklasse von den Fesseln der Lohnarbeit zum Zentrum der theoretischen und praktischen Anstrengungen gemacht werden. Die damit einsetzende Erarbeitung des wissenschaftlichen Sozialismus war und ist allerdings geprägt von der objektiven Situation der studentischen Intelligenz, ihrer relativ privilegierten Herkunft, der vorübergehenden Freistellung vom Zwang zum Verkauf ihres Arbeitsvermögens und ihrer gesellschaftlichen Isolierung. So stellt sich für uns hier die Frage, ob nicht die ursprüngliche Beschränktheit auch und gerade im Mantel der neuen Einsichten weiterlebt. Denn e i n e r s e i t s wird die Tradition der Arbeiterbewegung vielfach in bloß ideologischer Nachahmung durchlaufen, die Geschichte der Arbeiterbewegung und der antiimperialistischen Bewegungen muß nun die Kostüme zur Selbstdarstellung von Intellektuellengruppen liefern. Die abstrakte Übernahme von Prinzipien aus der Geschichte der Arbeiterbewegung führt zur Konstruktion dogmatisierter Lehrgebäude, die viel zur illusionären Selbstüberschätzung von Intellektuellengruppen, wenig oder nichts zur Analyse der konkreten gesellschaftlichen Verhältnisse und zur Ausbildung einer revolutionären Taktik hier und jetzt beizutragen vermögen. Aktuelle Probleme werden in zumeist unbegriffenen termini und Problemstellungen der Vergangenheit doktrinär gewendet. Ausdruck dieser hilflos-doktrinären Orientierung auf die Vergangenheit sind einige der jüngsten Organisationsbemühungen; dort, wo sie in Parteigründungen umschlagen, wo die Intellektuellen sich selbst zur Avantgardepartei des Proletariats und ´proletarischen Kadern ernennen, erleichtern sie nur den Durchbruch bürgerlicher Eliteideologien und verhindern, daß die Intelligenz ihre eigentlichen politischen und wissenschaftlichen Aufgaben im Interesse der Arbeiterklasse erkennen und ernstnehmen kann. A n d e r e r s e i t s besteht in der Aneignung der Grundlage des wissenschaftlichen Sozialismus, der Kritik der politischen Ökonomie, trotz gegenteiliger Beteuerungen ganz offensichtlich die Gefahr, den Unterschied zwischen der marxschen Analyse der Anatomie der bürgerlichen Gesellschaft und der Analyse und Beurteilung zeitgeschichtlicher Prozesse einfach zu ignorieren. Anders lassen sich mißratene Versuche nicht Interpretieren, die zur gegenwärtigen Politik und Entwicklung von Organisationen, die mit einer langjährigen spezifischen Organisations- und Ideologiegeschichte, belastet sind (wie z. B. die DKP), lediglich unter Zuhilfenahme einiger allgemeiner Aussagen aus dem marxschen Kapital und aus seinen politischen Schriften Stellung zu beziehen versuchen. Sofern solche Versuche nicht bloß der scheinbaren Begründung voluntarischer politischer Stellungnahmen dienstbar gemacht wurden, drücken sich in ihnen die Schwierigkeiten der (in dieser Hinsicht unausgebildeten) Intelligenz aus, Geschichte und Aktualität der Klassenkämpfe zum Gegenstand materialistischer Analyse zu machen. Wir halten die Auseinandersetzung vieler westdeutscher Intellektueller mit Theorie, Geschichte und Praxis des Marxismus sowie auch ihre Versuche zur organisierten Unterstützung des Kampfes der Arbeiterklasse für einen notwendigen und bedeutenden Fortschritt wenn dies in bewußter Reflexion auf ihre objektive Stellung geschieht und wenn die Aneignung des Marxismus dem von Marx selbst gesetzten Anspruch genügen will, mittels der Erarbeitung des wissenschaftlichen Sozialismus Analyse und Kritik der bestehenden Gesellschaftsform und der ihr entsprechenden Bewußtseinsform voranzutreiben. Die Erarbeitung des Marxismus kann für Intellektuelle nicht einfach in einem Bekenntnis zum Standpunkt des Proletariats oder einer Aktivität im Proletariat bestehen. Sie muß sich vielmehr in erster Linie auf dem Gebiet der intellektuellen Tätigkeit selbst bewähren. Ohne den gewaltigen Überbau der verschiedenen Wissenschaften könnte die kapitalistische Klassengesellschaft nicht existieren; und ohne die theoretische Durchdringung der Bewußtseinsformen kann die Basis gar nicht in ihrem Klassencharakter begriffen werden. Erst auf der Grundlage einer solchen marxistischen Kritik läßt sich der heutige Kapitalismus wissenschaftlich analysieren, läßt sich eine Taktik des Klassenkampfes begründen. Vor allem an der Bewältigung dieser Aufgabe wird sich erweisen, ob sich Intellektuelle in ihrer eigenen Arbeit auf den Standpunkt der Arbeiterklasse gestellt haben. Wir sehen eine Hauptaufgabe der PROBLEME DES KLASSENKAMPFES darin, an einer so verstandenen Erarbeitung des Marxismus mitzuwirken. Wir sind der Ansicht, daß die Erarbeitung des wissenschaftlichen Sozialismus und damit auch die Aussagen über die realen Klassenkämpfe sowie die entsprechenden taktischen Schlußfolgerungen in den meisten Zirkeln durch einen verengten Erfahrungsbereich und ein apologetisches, dogmatisiertes Vorverständnls hinter die Entfaltung der Klassenkämpfe zurückfallen. Marxismus in dieser Form entwickelt sich nicht zur Waffe im Befreiungskampf der Arbeiterklasse. sondern verknöchert zu einer spezifischen Ausprägung bürgerlicher Form der Theorie unter isolierten Intellektuellen. Wir sehen grundsätzlich die Notwendigkeit der organisierten Zusammenarbeit von Arbeitern und Intellektuellen, ohne e i n e der existierenden unentfalteten Formen der Zusammenarbeit zur einzig korrekten zu erklären. In der Redaktion werden in dieser Frage unterschiedliche Positionen vertreten. (In Bezug auf die Konzeption der Zeitschrift wird die Vorläufigkeit von Aufgabenstellung und Organisationsstruktur der Zeitschrift selbst vor dem Hintergrund sich verschärfender Klassenkämpfe mitreflektiert.) Wir wenden uns damit gegen die oft praktizierte Ansicht, die Intelligenz könne sich durch individuelle oder kollektive Proklamation zu einem proletarischen Standpunkt bekennen. Anstatt die fehlende organisatorische Verbindung zur Klassenkampfbewegung selbstmitleidig zu beklagen oder uns zu hausgemachten proletarischen Standpunkten zu bekennen, sind wir der naheliegendsten Aufgabe marxistischer Intelligenz verpflichtet: der wissenschaftlichen Analyse und Kritik der bürgerlichen Gesellschaft. Mit den geplanten Arbeiten zu aktuellen Entwicklungstendenzen des Kapitalismus, zur Theorie und Praxis des Revisionismus und Reformismus (insbesondere zur Theorie des staatsmonopolistischen Kapitalismus und zur Rolle der Gewerkschaften) sowie zu Problemen der Klassenanalyse verfolgen wir die Absicht, Elemente einer Taktik des revolutionären Kampfes für die Gegenwart zu gewinnen In diesem Zusammenhang, aufgrund unserer kritischen Distanz zu den etablierten kommunistischen Parteien und aufgrund unseres Bemühens, den Revisionismusvorwurf entweder zu belegen oder zu destruieren, stellt sich weiter die Aufgabe, die Entwicklung der sozialistischen Länder ebenso wie die Geschichte und gegenwärtige Verfassung der kommunistischen Parteien einer präzisen Analyse zu unterziehen. Die Arbeiten in dieser Zeitschrift sollen die Diskussion zwischen denjenigen sozialistisch oder kommunistisch orientierten Gruppen oder Individuen eröffnen und weitertreiben, die die eilige Flucht in doktrinäre Formeln oder in reformistische Alltagspraxis vermeiden wollen. Westberlin, 1. 10. 71 Elmar Altvater, Gerhard Armanski, Bernhard Blanke, Helga Faßbinder, Dietrich Haensch, Hans-Dieter Heilmann, Eckard Hildebrandt, Jürgen Hoffmann, Ulrich Huttenlocher, Wolfgang Müller, Christel Neusüß, W. Petrowsky, Susanne Piening. Bernd Rabehl, Martin Reimann, Lothar Riehn, Holger Rohrbach, Willi Semmler, Rudi Schmidt, Wolfgang Schöl1er, Dieter Schütte, Volker Volkholz, Karlheinz Maldaner." | [Die (lesenswerte) Klassenposition der Intellektuellen der Prokla laut Editorial im Jahre 1971 - als Lehrbeispiel der Geschichte über die schwankenden Elemente der Zwischenschichten - als typisch kleinbürgerlich geführter akademisch-marxistischer Konkurrenzkampf um die Lufthoheit im linksbürgerlichen Blätterwald] |