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Team Seminar-AG - KB (Nord)
Thema Sowjetunion 1921 - 1939 - von Lenin zu Stalin - Teil V: Die Zeit der Großen Säuberungen und der Apparat des Terrors ( Original )
Status 1989 - Materialsammlung
Letzte Bearbeitung 09/2004
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V.E. Die Zeit der Großen Säuberungen und der Apparat des Terrors
54. Die Partei nach der ´Revolution von oben´ und die großen Säuberungen
1. Vorübergehende Entspannung
2. Die Ermordung Kirows
3. 1935/36: Die Verfassungsdebatte
4. Die Säuberungen - ´Moskauer Prozesse´
5. Verlauf und Ausmaß der Säuberungen
55. Dokument 38: Stalin: Über den Entwurf der Verfassung der UdSSR - Bericht Auß. 8. Sowjetkon. UdSSR, 25.11.1936
II. Die Veränderungen im Leben der Sowjetunion in der Periode von 1924 bis 1936
III. Die grundlegenden Besonderheiten des Verfassungsentwurfs
56. Dokument 39: Die Verfassung von UdSSR von 1936
I. Kapitel - Die gesellschaftliche Ordnung
X. Kapitel - Die Grundrechte und Grundpflichten der Staatsbürger
XI. Kapitel - Das Wahlsystem
57. Dokument 40: Stalin: Über die Mängel der Parteiarbeit und die Maßnahmen zur Liquidierung der trotzkistischen und sonstigen Doppelzüngler
1. Politische Sorglosigkeit - Auszug aus dem Referat Plenum ZK KPSU 3.3.1937
2. Unsere Aufgaben - Auszug aus dem Schlußwort Plenum ZK KPSU 5.3.1937
58. Die drei großen Prozesse - ab August 1936 - Anfang 1937 - ab März 1938
1. Das ´Vereinigte trotzkistisch-sinowjewistische Zentrum´
2. Das ´Parallelzentrum´
3. Der ´Block der Rechten und Trotzkisten´
59. Dokument 41: Hermann Weber: Die kommunistischen Opfer der Stalinschen Säuberungen in der Sowjetunion 1936 - 1938
60. Die Entwicklung des Repressionsapparates in der UdSSR
1. 1917 - 1923: Von der Tscheka zur OGPU
2. Exkurs: 1917 - 1930: Vom revolutionären Strafrecht zur repressiven Justiz
3. 1928: Der ´Schachty-Prozeß´ - Beginn der ´Schädlingskampagne´
4. Die OGPU stärkt ihre gesellschaftliche Stellung
5. 1929 - 1933: Die OGPU während der Zwangskollektivierung
6. Das System der Zwangsarbeit
7. Ab 1933: Von der OGPU zum NKWD - der zentrale Sicherheitsapparat entsteht
8. Die OGPU und Parteisäuberung: Repression zur Lösung politischer Auseinandersetzung in der Partei
9. Ab 1935: Nach dem Mord an Kirow: Der Terror kündigt sich an
61. Dokument 42: ´Konterrevolutionäre Verbrechen´: Artikel 58 Strafgesetzbuch
62. Dokument 43: Peter W. Schulze: Die Zwangsarbeit und ihre ökonomische Relevanz

V.E. Die Zeit der Großen Säuberungen und der Apparat des Terrors

Innerhalb der Gesellschaft verschärften sich alte Widersprüche Neue Widersprüche traten hinzu In diesen Polarisierungen bildeten sich die Grundzüge der stalinistischen Ideologie heraus.

Diese behandelte die Widersprüche Wenn objektive Begründungen angeführt wurden, lagen deren Ursachen aber außerhalb der sowjetischen Gesellschaft. Der grundlegende Gedanke der stalinistischen Ideologie war Die neue Verfassung der UdSSR - verabschiedet im Dezember 1936 mit Beginn der "Großen Säuberungen" und des Massenterrors - spiegelte das imaginäre Bild, das sich die Herrschenden von der Realität entworfen hatten. Die Phase der "Großen Säuberungen" und der drei großen Moskauer Schauprozesse gegen die früheren opposotionellen Revolutionäre scheinen uns ein Ausdruck des Bestrebens der führenden Parteigruppe um Stalin gewesen zu sein, diesen konstatierten harmonischen Charakter der errichteten neuen Gesellschaft ein für allemal von zufälligen und subjektiven Widerständen zu befreien. Der folgende Text wurde von ak. erarbeitet.
Der Abschnitt "Die Säuberungen - Moskauer Prozesse" wurde von bj. überarbeitet und ergänzt.

54. Die Partei nach der ´Revolution von oben´ und die großen Säuberungen

Die "Revolution von oben" durch veränderte das Land ab 1929 grundlegend. Opponierende Kräfte werden gelten als offene oder stillschweigende Kritiker des forcierten Industrialisierungstempos.
Symptomatisch für die Einschüchterung dieser Kräfte ist die Schachty-Affäre 1928:
Beim Versuch, die Planvorgaben zu erfüllen, Rjutin und die mit ihm Verbündeten werden auf der Plenarsitzung des ZK im Oktober 1932 aus der Partei ausgeschlossen:
" ... als Entartete, die Feinde des Kommunismus und des Sowjetregimes geworden sind, als Verräter der Partei und der Arbeiterklasse, die unter der Flagge eines unechten Marxismus-Leninismus versucht haben, eine bürgerlich-kulakische Organisation für die Wiederherstellung des Kapitalismus und besonders des Kulakentums in der UdSSR zu schaffen." ()*2

1. Vorübergehende Entspannung

sind auch innerhalb des Politbüros Anlässe für Kritik. Die wirtschaftliche Krise 1933 verstärkt die Position der Kritiker. Auf dem 17. Parteitag 1934 setzt sich in einer Debatte über die Ziele des 2. Fünfjahresplans die Linie des Ordshonikidses durch, der gegen Molotow als dem Parteigänger Stalins für reduzierte Zielsetzungen eintritt.*4 Im Zusammenhang mit dieser Debatte gibt der folgende Brief des Parteisekretärs Rumyantsew aus dem Verwaltungsbezirk Smolensk einen Einblick in die willkürlichen und brutalen Ausschreitungen.
Darin ermahnt er Partei- und Komsomolorgane,
"die ungesunden und schändlichen Symptome einer Anzahl von Organisationen zu beseitigen: massive Verletzungen der revolutionären Legalität, administrative Ausschreitungen gegenüber Bauern und Kolchosmitgliedern, Lohnbetrug gegenüber Arbeitern, Unterschlagung und Veruntreuung im kooperativen Handelsnetz und was am bedeutendsten ist, die gleich gültige Haltung vieler Parteiorganisationen gegenüber diesen Ordnungswidrigkeiten und Verbrechen."
Der Brief stellt fest, daß die "Fälle, wo Veruntreuung und Unterschlagung von Kommunisten und Komsomolzen begangen wurden, nicht selten sind"*5 .

Die Auseinandersetzungen um den weiteren politischen und ökonomischen Kurs haben ihre materielle Begründung in der unterschiedlichen Wahrnehmung der Ursachen der Krise 1933,
"Ich lege meine Verantwortung für die Planungsabteilung nieder; ich halte das festgesetzte Ziel von 40 Mill. Tonnen für rein willkürlich. Mehr als ein Drittel des Erdöls müßte aus noch gar nicht ausgebeuteten Gebieten kommen, was bedeutet, die Haut eines Bären aufzuteilen, bevor er gefangen ist und sogar bevor man weiß, wo er ist. Darüber hinaus müßten aus den derzeit drei Crakking-Werke zum Ende des Jahrfünfts 120 werden. Das trotz des brenzligen Mangels an Metall und der Tatsache, daß diese hochkomplexe Technik des Cracking von uns noch gar nicht beherrscht ..." ()*6
So der Brief eines Experten aus der Erdölproduktion mit durchaus typischen Kritikpunkten.

Die Strömung um Ordshonikidse und Kirow ist anscheinend realistisch genug, einen Teil dieser Schwierigkeiten Sie zielt darauf ab, die Bedingungen zu verändern, unter denen Loyalität gegenüber den Direktiven der Führung überhaupt möglich ist.

2. Die Ermordung Kirows

Am 1. Dezember 1934 wird der erste Sekretär des Leningrader Gebietskomitees S. Kirow ermordet.

Im Frühjahr 1935 startet die erste Terrorwelle, die sich vor allem gegen die Industrieleitungen richtet, aber auch Kader der Wirtschaftsverwaltung und Spezialisten erfaßt. Um diese Kader einzuschüchtern oder einfach durch loyalere Personen zu ersetzen, bedient sich die Propaganda der Unzufriedenheitder Arbeiter, die dem Druck ausgesetzt sind, den Leitungen und Spezialisten zwecks Planerfüllung auf sie ausüben.

Einen Einblick in die Säuberungshysterie gibt ein Protokoll der Parteiorganisation des Instituts für Marxismus-Leninismus in Smolensk am 9.7.1935. Im Protokoll heißt es:
"Es gibt Gerüchte (bemerkt der Gen. Davqdow), daß die soziale Zusammensetzung unseres Institutes nicht besonders günstig ist. Z.B.: es gibt Gerüchte, wonach Strogonow kulakischer Abstammung ist, daß der Vater von Smirnow ... ein Händler in Moskau war. ... Genossin Abetsunus hat eine sehr undurchsichtige Vergangenheit. Sie sagt, daß sie die Tochter eines Arbeiters sei, daß ihr Vater mit Schmuckstücken handelt. Das Parteikomitee hätte allen diesen Gerüchten nachgehen sollen, aber bis jetzt hat das Parteikomitee nichts getan; im Gegenteil, es gibt ein Gefühl der Selbstzufriedenheit."
Die Schlußresolution der Sitzung fordert:
"... jedes Parteimitglied soll alle Informationen aufnehmen, um fremde und feindliche Elemente, egal wie sie arbeiten ... zu entlaiven und hinauszusäubern." ()*8

3. 1935/36: Die Verfassungsdebatte

Die Verfassung feiert wird garantiert "in Übereinstimmung mit den Interessen der Werktätigen und zum Zwecke der Festigung des sozialistischen Systems" (s. Dokumententeil). Warum diese Bestimmungen zur Demokratisierung die administrativ durchgesetzte führende Rolle der Partei nicht in Frage stellen können, erklärt Stalin in seiner Rede zum 8. Sowjetkongreß im November 1936 entlang der Frage, warum es keine Partei außerhalb der herrschenden gibt, folgendermaßen:
"In der Sowjetunion gibt es schon keine Klassen mehr wie Kapitalisten, Gutsbesitzer, Kulaken usw. In der Sowjetunion gibt es nur zwei Klassen, die Arbeiter und Bauern, deren Interessen ... miteinander harmonieren. Folglich gibt es in der Sowjetunion ... Boden nur für eine Partei, die Kommunistische Partei, ... die kühn und bis zum letzten die Interessen der Arbeiter und Bauern verteidigt. Und daß sie die Interessen dieser Klassen nicht schlecht verteidigt; daran kann wohl kaum ein Zweifel bestehen." (s. Dokumentation der Rede Stalins vorliegende html-datei Kapitel 55. Dokument 38)
Die mit dem Abebben der Säuberungen und der Verfassungsdiskussion Ende 1935 einhergehenden Hoffnungen auf ruhigere Zeiten erweisen sich bald als Trugschluß. Am 29.7.1936 zirkuliert ein Brief des ZK an alle Parteikomitees mit dem Titel: "Über die terroristische Aktivität des konterrevolutionären Blocks der Trotzkisten, Sinowjewisten" mit folgender Passage:
"Nur die Abwesenheit bolschewistischer Wachsamkeit kann die Tatsache erklären, daß einige der verhafteten Teilnehmer an terroristischen Gruppen in einer Anzahl von Parteiorganisationen die Überprüfung der Parteibücher (Anfang 1936) überstanden haben und in den Reihen der Partei blieben. Da nun bewiesen ist, daß die trotzkistisch-sinowjewistischen Monster im Kampf gegen den Sowjetstaat die allerabscheulichsten und feindseligsten Feinde der Werktätigen unseres Landes - die Spione, Provokateure, Diversanten, Weißgardisten, Kulaken etc. - einschließen, da nun alle Grenzen zwischen diesen Elementen auf der einen Seite und den Trotzkisten und Sinowjewisten auf der anderen Seite, weggeräumt sind, sollten alle Parteiorganisationen, alle Parteimitglieder verstehen, daß kommunistische Wachsamkeit in jedem Bereich und in jeder Situation nötig ist. Die unbedingte Qualität eines Bolschewisten in den gegenwärtigen Bedingungen sollte die Fähigkeit sein, einen Parteifeind, wie gut er sich auch zu maskieren versteht, zu entlatven." ()*13
Die folgenden Protokollausschnitte aus der Sitzung des Koselsker Regionalparteikomitees (Verwaltungsbezirk Smolensk), wo der oben genannte Brief besprochen wird, zeichnen die Denunziationen nach, die Entlarvungsriten: Ein weiterer Sprecher:
"In unserem Rayon gibt es viele Leute, die aus vielen anderen Rayons kommen. Sie kommen her, weil unsere bolschewistische Wachsamkeit nicht auf ausreichend hohem Niveau ist. Die Aufgabe unserer Organisation ist es, in jeder Weise bolschewistische Wachsamkeit zu entwickeln und zu steigern, entschlossen und kühn Leute zu entlarven, die in der Vergangenheit etwas mit dem Trotzkismus zu tun hatten. Es ist nicht wichtig, ob diese Verbindung direkt oder indirekt war. Da gibt es Natochin ... Er sagt selbst, er sei im Besitz der Plattform der Trotzkisten."
Dann spricht Kutasow:
"Ich liebe das Zentalkomitee, ich liebe den Genossen Stalin, aber ich denke, daß das Zentralkomitee und der Genosse Stalin bis jetzt eine versöhnlerische Haltung gegenüber der trotzkistisch-sinowjewistischen Gruppen eingenommen haben. Es ist jetzt notwendig, sie - die Trotzkisten und Sinowjewisten - gänzlich zu erledigen.... Wir sollten ihnen kein Pardon geben."
Nach den obligaten Verdächtigungen gegenüber verschiedenen Personen wendet sich der folgende Redner, der 2. Sekretär des Regionalkomitees, seinem Vorredner Kutasow mit den Worten zu:
"Kutasowss Rede muß als politisch nicht loyal und sogar schädlich betrachtet werden. Kutasows Vorwurf, das Zentralkomitee und der Genosse Stalin seien versöhnlerisch, ist unrichtig ..."
Kutasow übt sofort Selbstkritik:
"Meine Stellungnahme war unrichtig und schädlich. Ich erteile mir selbst einen Verweis."
Zum Schluß erklärt der 1. Sekretär, Demenok:
"Der Brief des Zentralkomitees gibt uns wieder Freude an den Höhen unseres Daseins dank der Wachsamkeit und des Scharfsinns des Genossen Stalin. ... die Möglichkeit unheilvoller Konsequenzen ist abgewendet. Das Leben ist besser geworden, Genossen, das Leben ist glücklicher geworden. Diese richtigen Worte des Genossen Stalin, des Führers der Partei, passen völlig zu unserem Rayon. Wir wissen um viele Unzulänglichkeiten in unserer Arbeit. Gleichzeitig werden wir entschlossen und gründlich einen Kampf um ihre Beseitigung führen. ... Wir werden die letzten trotzkistisch-sinowjewistischen konterrevolutionären Überbleibsel entschlossen entlarven und vorwärts zu neuen Siegen schreiten, wir werden die werktätigen Massen des Rayon zu einem besseren ...‚ reicheren und kultivierten Leben führen. Lang lebe unser geliebter Führer, der Genosse Stalin." ()*14

4. Die Säuberungen - ´Moskauer Prozesse´

Am 19.8.1936, auf dem Höhepunkt der Verfassungsdiskussion, beginnt der (erste) große öffentliche Prozeß gegen Sinowjew, Kamenew und 14 andere. Die vom Generalstaatsanwalt konstruierte politische Zusammensetzung der Anklagebank verschmilzt die sich in den 20er Jahren bekämpfenden Strömungen zu einer einheitlichen Oppositionsgruppe. Im Verlaufe des viertägigen Prozesses werden auch noch die Namen Am Ende des Prozesses, bei dem keinerlei konkrete Beweise für die zur Last gelegten Anschuldigungen vorgelegt werden, bezichtigen sich alle Angeklagten der Schuld und Sinowjew erklärt:
"Mein mangelhafter Bolschewismus verwandelte sich in Antibolschewismus, und über den Trotzkismus gelangte ich zum Faschismus, Trotzkismus ist eine Abart des Faschismus, und Sinowjewismus ist eine Abart des Trotzkismus ..." ()*16
Gerade die Kombination der Geständnisse der Angeklagten schafft im Lande eine Stimmung, welche die Anschuldigungen zwar für überzogen hält, aber im Verhalten der Oppositionellen begründet sieht. Am 22. August werden alle Angeklagten für schuldig befunden und hingerichtet. Leo Sedow, der Sohn Trotzkis kommt in seiner Untersuchung "Über den Moskauer Prozeß 1936" zu dem Schluß, daß
"Die Akten der Angeklagten tragen jede eine Nummer. (Diese Nummern wurden bei den Zitaten aus den Aussagen in Klammern angegeben). ... Auf 19 Personen fallen 38 Nummern. Auf wen beziehen sich die übrigen achtzehn? ... Es erscheint uns sehr wahrscheinlich, daß diese ‚fehlenden‘ Angeklagten zu denen gehören, die Stalin nicht zu brechen vermochte und darum wahrscheinlich ohne Verfahren erschossen hat." ()*19
Der zweite Schauprozeß wird vorbreitet.
Am 29.11. 1936 ordnet der Generalstaatsanwalt Wyshinsky an,
"daß innerhalb eines Monats alle kriminellen Fälle von größerer Brandstiftung, Unfällen, und Produktion minderwertiger Güter überprüft und untersucht werden sollen, damit die ihnen zugrunde liegenden konterrevolutionären und Sabotagezusammenhänge darin aufgedeckt und die Schuldigen zu schweren Strafen verurteilt ... werden können." ()*21
Die Anklage gegen Pjatakow und weitere 16 ehemalige Trotzkisten, die aber alle schon abgeschworen hatten, und wieder Funktionsträger im Staat geworden sind, Hier verbinden sich alte Elemente der Schädlingskampagne und des Schachty-Prozesses von 1929 (Präsentation von Schuldigen für die Mißstände in den Betrieben) mit der Weiterentwicklung der im ersten Prozeß angewendeten Verknüpfung "Trotzkismus ist eine Abart des Faschismus".

Am 23. Januar 1937 beginnt der Prozeß. Darauf Radek:
"Ja, wenn sie die Tatsache außer acht lassen, daß Sie von dem Programm und von Trotzkis Anweisungen lediglich durch mich Kenntnis erlangt haben, dann wirft das natürlich ein zweifelhaftes Licht auf das, was ich gesagt habe." ()*23
Am 30. Januar 1937 werden bis auf 4 Angeklagte, die Lagerhaft erhalten und dort später umkommen, alle anderen 12 zum Tode verurteilt. Am selben Tag versammeln sich über 200.000 Menschen auf dem Roten Platz in Moskau und fordern die sofortige Vollstreckung der Todesurteile. *24 Auf der Plenarsitzung Februar-März 1937 setzt die Stalin-Gruppe durch, daß Bucharin und Rykow aus der Partei ausgeschlossen und verhaftet werden. Beide werden auf der Sitzung festgenommen.
Auf dieser Plenarsitzung hält Stalin Stalin fordert in seiner Rede vom März 1937 die Parteimitglieder auf, Bereits am 17.4. 1937 sieht sich die PRAWDA gezwungen, die losgelassenen Geister wieder einzufangen: Im Juni 1937 schwappt die Verhaftungs- und Liquidierungswelle auch in die militärischen Apparate. In den Jahren 1937/38 soll - so S. T. Serdjuk in seiner Rede vor dem 22. Parteikongreß (nach einem Bericht der PRAWDA vom 31. 10. 1961) - NKWD-Chef Jeschow an Stalin 383 Listen gesandt haben mit Persönlichkeiten, die so bedeutend seien, daß sie seiner Zustimmung zur Hinrichtung bedürfen. Die Listen seien so vorgelegt worden:
"Genosse Stalin.
Ich lege Ihnen zu Genehmigung vier Listen von Leuten vor, die zum Prozeß vor das Militärkollegium gestellt werden sollen.
Liste 1: (allgemein)
Liste 2: (frühere Angehörige der Roten Armee)
Liste 3: (früheres Personal des NKWD)
Liste 4: (Ehefrauen von Feinden des Volkes)
Ich erbitte Genehmigung, alle im ersten Grad verurteilen zu lassen.
Jeschow."
()*28
Verurteilung im "ersten Grad" bedeutet Tod durch Erschießen.

Den Höhepunkt stellt nach über einjähriger Vorbereitung der im März 1938 beginnende dritte große Prozeß gegen den "Block der Rechten und Trotzkisten" dar. 18 der 21 Angeklagten werden zum Tode verurteilt und erschossen. (Zu den Prozessen siehe Dokumentation)

Anfang 1938 ist das Land paralysiert. Alexander Weissberg-Cybulski - österreichischer Kommunist, der 1931 in die Sowjetunion geht und als Chemiker dort arbeitet, dann 1937 verhaftet wird und 1939 an die deutschen Faschisten ausgeliefert werden soll - macht in seinem autobiographischen Bericht über seine Haftzeit beim NKWD den Versuch einer Übersicht. Aufgrund seiner Kenntnisse kommt er zum Schluß, daß folgende Gruppen der Bevölkerung außerhalb der Partei vernichtet werden sollten:
"Alle früheren Menschewiki, Sozialrevolutionäre, Anarchisten, Bundisten und andere Anhänger der vorrevolutionären linken Parteien.
Die Leute, die das Ausland kennen und die Vorkriegszeit, die Verwandte und Freunde im Ausland haben und mit ihnen korrespondieren.
Die heimgekehrten Emigranten und Leute, die irgendwann einmal ins Ausland kommandiert waren.
Die ausländischen Kommunisten.
Die Angehörigen des militärischen Geheimdienstes im Ausland und die Auslandsagenten der GPU.
Die Angehörigen der nationalen Minderheiten.
Die religiösen Sekten.
Alle irgendwann aus der Partei Ausgeschlossenen.
Alle Leute, denen die Sowjetmacht irgendwann unrecht getan hat.
Die Familienangehörigen bedeutender Oppositioneller."
()*29
Das Januar-Plenum des Zentralkommitees 1938 läutet einen Rückzug ein. Ab Sommer 1938 läßt der Massenterror nach. Die Partei scheint frei von Schuld, da auch sie Opfer zu bringen hatte, und Stalin ist weiterhin der unumstrittene Führer.

5. Verlauf und Ausmaß der Säuberungen

Langsam tritt eine Beruhigung ein. Der gewaltige Kahlschlag hat eine fast vollständige Kaderrotation zur Folge: Kaganowitsch zieht auf dem 18. Parteitag 1939 folgendes Fazit der Säuberungen in der ihm unterstellten Schwerindustrie:
"Zwischen 1936 und 1939 wurde das leitende Personal der Schwerindustrie völlig erneuert und neue Männer wurden auf den Platz der damaligen Saboteure ernannt. Tausende von neuen Männern wurden auf leitende Posten nominiert. ... Übrigens haben wir Kader, die jede Aufgabe erfüllen, die der Genosse Stalin ihnen zuweist." ()*34
Die Säuberungen Sie machen den Weg frei für eine Kadergeneration mit neuem Habitus, deren Bindungen nichts mehr zu tun haben An die Stelle dieser Bindungen und an die Stelle organisatorischer Zusammenhänge in der Bevölkerung (Gewerkschaften, Vereine, das Parteileben etc.) Angesichts der Vollmachten der Sicherheitsorgane, Die führende Parteigruppe bestimmt um so mehr autokratisch die Politik und die Parteigremien treten immer seltener zusammen: (Hier ist allerdings zu berücksichtigen, daß durch den faschistischen Überfall 1941 und den gesamten Zweiten Weltkrieg mit seinen Nachkriegsfolgen auch das Parteileben extrem durcheinander gerät.)

Auch die soziale Zusammensetzung der Partei verändert sich grundlegend.
Der 18. Parteitag 1939 veröffentlicht keine Zahlen darüber, doch zeigen Zahlen über die soziale Zusammensetzung in den Parteien zweier Republiken einen Anteil der Intelligenz und Büroarbeiter von 42,8 und 44,5%. 1929 betrug sie 1‚7%.*35 Andere Schätzungen nennen ähnliche Zahlen.
Tabelle: Soziale Zusammensetzung der Partei durch Neuzugänge: (in %)*36
Funktion 1929 11/36 - 3/39
Arbeiter 81,2 41
Bauern 17,2 15,2
Intelligenz, Funktionäre, Angestellte 1,7 43,8
In einem Aufsatz zur Verfassung 1935 zitiert der Historiker Mitin Stalin zur Frage des Staates:
"Wir sind für das Absterben des Staates. Wir sind gleichzeitig für die Verstärkung der Diktatur des Proletariats, die die stärkste und mächtigste Staatsgewalt ist, die je bestanden hat. Höchste Entwicklung der Staatsmacht zur Vorbereitung der Bedingungen für das Absterben der Staatsmacht - so lautet die marxistische Formel. Ist das ‚widerspruchsvoll‘? Jawohl, es ist ‚widerspruchsvoll‘. Dieser Widerspruch ist aber im Leben begründet und spiegelt die Marxsche Dialektik."
Mitin grenzt diese Postulate scharf ab von den schädlichen Thesen,
Im Juni 1989, Sk. und bj.


Anmerkungen:
*1
L Schapiro, S. 415

*2
Robert Conquest, Am Anfang starb Genosse Kirow, Düsseldorf 1979. S. 49

*3
C. Bettelheim, Les luttes de classes, 111,2, S. 116 ff

*4
L. Schapiro, a.a.O., S. 420; C. Bettelheim, a.a.O., S. 120ff

*5
Merle Fainsod, Smolensk under Stalin‘s rule, London 1958, S. 56

*6
zit.n.: C. Bettelheim, a.a.O., Teil 1, S. 273

*7
M. Fainsod, a.a.0., S. 223, 224

*8
ebenda

*9
C. Bettelheim, a.a.O., Teil 2, S. 133

*10
L Schapiro, a.a.O., S. 426

*11
H. Altrichter (Hrsg.), Die Sowjetunion, Band 1, München 1986, S. 260

*12
C. Bettelheim, a.a.O., Teil 2, S. 135

*13
M. Fainsod, a.a.O., S. 233

*14
ebd. S. 235, 236

*15
Texte zur Stalinfrage, S. 53, Reents-Verlag 1979 nach: Theo Pirker, Die Moskauer Schauprozesse 1936 - 38, dtv München 1963

*16
R. Conquest, S. 146, nach Protokoll des Gerichtsverfahrens gegen das trotzkistisch-sinowjewistische Zentrum, engl. Ausgabe 1936, Deutsche Auszüge, Theo Pirker, dtv München 1963

*17
R. Conquest, a.a.0., S. 210

*18
ebenda, S 127 ff.

*19
Lee Sedow, Rotbuch über den Moskauer Prozeß 1936, S. 44, 45, Reprint bei ISP-Verlag 1988

*20
R. Conquest, S. 126, nach Alexander Orlov, The Secret History of Stalin‘s Crime, London 1954
*21
ebenda, S. 205

*22
ebenda, S. 188

*23
ebenda, S. 135, nach Th. Pirker

*24
ebenda, S. 225, nach Prawda v. 31.1.1937

*25
ebenda, S. 241

*26
ebenda, S. 242

*27
ebenda, S. 444

*28
ebenda, S. 315

*29
Alexander Weissberg-Cybulski, Hexensabbat, S. 348, Verlag d. Frankfurter Hefte, 1951

*30
L. Shapiro, a.a.O., S. 456

*31
R. Conquest, a.a.0, S. 54

*32
C. Bettelheim, a.a.O., Teil 2, S. 149

*33
ebenda

*34
ebenda, S. 150

*35
L Shapiro, a.a.O., S. 463

*36
C. Bettelheim, a.a.Q., Teil 2, S. 202

*37
M. Mitin, Der proletarische Staat und die Änderungen in der Verfassung der UdSSR, in: Unter dem Banner des Marxismus, IX. Jahrgang, Heft 1, 1935, S. 12


55. Dokument 38: Stalin: Über den Entwurf der Verfassung der UdSSR - Bericht Auß. 8. Sowjetkon. UdSSR, 25.11.1936

[Bericht auf dem Außerordentlichen 8. Sowjetkongreß der UdSSR, am 25.11.1936; aus: Fragen des Leninismus, Moskau 1947, S. 614 - 634]

(gekürzt)

II. Die Veränderungen im Leben der Sowjetunion in der Periode von 1924 bis 1936

Welches sind die Veränderungen im Leben der Sowjetunion, die in der Periode von 1924 bis 1936 erfolgt sind und die die Verfassungskommission in ihrem Verfassungsentwurf zum Ausdruck zu bringen hatte?
Worin besteht das Wesen dieser Veränderungen?

Was gab es bei uns im Jahre 1924?
Das war die erste Periode der NÖP, als die Sowjetmacht eine gewisse Belebung des Kapitalismus zuließ, wobei sie die Entwicklung des Sozialismus in jeder Weise förderte, als sie es sich zum Ziel setzte, im Verlauf des Wettkampfes der beiden Wirtschaftssysteme, des kapitalistischen und des sozialistischen, dem sozialistischen System das Übergewicht über das kapitalistische zu sichern. Die Aufgabe bestand darin, im Verlaufe dieses Wettkampfes die Positionen des Sozialismus zu stärken, die Liquidierung der kapitalistischen Elemente herbeizuführen und den Sieg des sozialistischen Systems als des grundlegenden Systems der Volkswirtschaft zu vollenden.

Unsere Industrie bot damals ein nicht gerade beneidenswertes Bild, besonders die Schwerindustrie. Zwar wurde sie allmählich wiederhergestellt, doch hatte sie ihre Produktion noch lange nicht auf das Vorkriegsniveau gebracht. Sie hatte eine alte, rückständige und dürftige Technik als Basis. Allerdings entwickelte sie sich in der Richtung zum Sozialismus. Der Anteil des sozialistischen Sektors an unserer Industrie betrug damals ungefähr 80 Prozent. Aber der Sektor des Kapitalismus umfaßte immerhin nicht weniger als 20 Prozent der Industrie.

Unsere Landwirtschaft bot ein noch weniger erfreuliches Bild. Allerdings war die Klasse der Gutsbesitzer bereits liquidiert, dafür aber stellte die Klasse der landwirtschaftlichen Kapitalisten, die Klasse der Kulaken, einen noch ziemlich bedeutenden Faktor dar. Im ganzen genommen erinnerte die Landwirtschaft damals an einen unermeßlichen Ozean kleiner bäuerlicher Einzelwirtschaften mit einer rückständigen mittelalterlichen Technik. In diesem Ozean gab es als einzelne Punkte und Inselchen Kollektiv- und Sowjetwirtschaften, die eigentlich noch keine einigermaßen ernste Bedeutung für unsere Volkswirtschaft hatten. Die Kollektiv- und Sowjetwirtschaften waren schwach, der Kulak aber war noch bei Kräften. Wir sprachen damals nicht von der Liquidierung des Kulakentums, sondern von seiner Einschränkung.

Dasselbe ist von dem Warenumsatz im Lande zu sagen. Der sozialistische Sektor im Warenumsatz machte an die 50 - 60 Prozent aus, nicht mehr, während das ganze übrige Feld von Kaufleuten, Spekulanten und sonstigen Privathändlern beherrscht wurde.
Das war das Bild unserer Ökonomik im Jahre 1924.

Was gibt es bei uns jetzt, im Jahre 1936?
Hatten wir damals die erste Periode der NÖP, den Beginn der NÖP, die Periode einer gewissen Belebung des Kapitalismus, so haben wir jetzt die letzte Periode der NÖP, das Ende der NÖP, die Periode der restlosen Liquidierung des Kapitalismus in allen Sphären der Volkswirtschaft.

Nehmen wir als erstes allein die Tatsache, daß unsere Industrie in dieser Periode zu einer gigantischen Kraft herangewachsen ist. Jetzt kann sie nicht mehr als schwach und technisch schlecht ausgerüstet gelten. Im Gegenteil, sie beruht jetzt auf einer neuen, reichen und modernen Technik mit einer stark entwickelten Schwerindustrie und einem noch entwickelteren Maschinenbau. Das Allerwichtigste jedoch ist, daß der Kapitalismus aus der Sphäre unserer Industrie gänzlich vertrieben und die sozialistische Prodtuktionsweise jetzt in unserer Industrie das unumschränkt herrschende System ist. Man kann die Tatsache nicht als Kleinigkeit betrachten, daß unsere heutige sozialistische Industrie hinsichtlich des Produktionsumfangs die Industrie der Vorkriegszeit um mehr als das Siebenfache übertrifft.

An Stelle des Ozeans kleiner bäuerlicher Einzelwirtschaften mit ihrer schwachen Technik und der Machtstellung des Kulaken haben wir jetzt in der Landwirtschaft eine maschinelle, technisch modern ausgerüstete Produktion der größten landwirtschaftlichen Betriebe der Welt, das allumfassende System der Kollektiv- und Sowjetwirtschaften. Es ist allbekannt, daß das Kulakentum in der Landwirtschaft liquidiert ist, während der Sektor der kleinen bäuerlichen Einzelwirtschaften mit seiner rückständigen mittelalterlichen Technik jetzt einen unbedeutenden Platz einnimmt, wobei sein Anteil an der Landwirtschaft hinsichtlich des Umfangs der Anbauflächen nicht mehr als 2 bis 3 Prozent ausmacht. Man kann nicht umhin, die Tatsache zu erwähnen, daß den Kollektivwirtschaften jetzt 316.000 Traktoren mit einer Leistungsfähigkeit von 5.700.000 Pferdestärken zur Verfügung stehen und daß sie zusammen mit den Sowjetwirtschaften über mehr als 400.000 Traktoren mit einer Leistungsfähigkeit von 7.580.000 Pferdestärken verfügen.

Was den Warenumsatz im Lande betrifft, so sind die Kaufleute und Spekulanten von diesem Gebiete gänzlich vertrieben. Der gesamte Warenumsatz ist jetzt in der Hand des Staates, der Genossenschaften und der Kollektivwirtschaften zusammengefaßt. Ein neuer Handel entstand und entfaltete sich, der Sowjethandel, der Handel ohne Spekulanten, der Handel ohne Kapitalisten.

Somit ist jetzt der volle Sieg des sozialistischen Systems in allen Sphären der Volkswirtschaft zur Tatsache geworden.
Was aber bedeutet das?
Das bedeutet, daß die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen aufgehoben, beseitigt, das sozialistische Eigentum an den Produktionsmitteln und -instrumenten sich aber als unerschütterliche Grundlage unserer Sowjetgesellschaft durchgesetzt hat.
(Anhaltender Beifall.)

Im Gefolge aller dieser Veränderungen in der Volkswirtschaft der Sowjetunion haben wir jetzt eine neue, eine sozialistische Ökonomik, die keine Krisen und keine Arbeitslosigkeit kennt, die kein Elend und keinen Ruin kennt und die den Staatsbürgern alle Möglichkeiten für ein wohlhabendes und kulturelles Leben gewährt.
Das sind im wesentlichen die Veränderungen, die in unserer Ökonomik in der Periode von 1924 bis 1936 vor sich gegangen sind.

Entsprechend diesen Veränderungen in der Ökonomik der Sowjetunion hat sich auch die Klassenstruktur unserer Gesellschaft verändert.
Die Klasse der Gutsbesitzer war bekanntlich schon mit der siegreichen Beendigung des Bürgerkrieges liquidiert worden. Was die anderen Ausbeuterklassen betrifft, so haben sie das Schicksal der Klasse der Gutsbesitzer geteilt. Verschwunden ist die Kapitalistenklasse in der Industrie. Verschwunden ist die Kulakenklasse in der Landwirtschaft. Verschwunden sind die Händler und Spekulanten auf dem Gebiete des Warenumsatzes. Alle Ausbeuterklassen sind somit liquidiert.

Geblieben ist die Arbeiterklasse.
Geblieben ist die Klasse der Bauern.
Geblieben ist die Intelligenz.
Es wäre aber verfehlt zu glauben, daß diese sozialen Gruppen während dieser Zeit keine Veränderungen durchgemacht hätten, daß sie dieselben geblieben seien, die sie, sagen wir, in der Periode des Kapitalismus waren.

Nehmen wir z. B. die Arbeiterklasse der Sowjetunion. Man nennt sie oft aus alter Gewohnheit Proletariat. Aber was ist das Proletariat? Das Proletariat ist eine Klasse, die der Produktionsmittel und -instrumente beraubt ist bei einem Wirtschaftssystem, in dem die Produktionsmittel und -instrumente den Kapitalisten gehören und die Kapitalistenklasse das Proletariat ausbeutet. Das Proletariat ist eine Klasse, die von den Kapitalisten ausgebeutet wird. Bei uns aber ist die Kapitalistenklasse bekanntlich schon liquidiert, die Produktionsmittel und -instrumente sind den Kapitalisten weggenommen und dem Staat übergeben worden, dessen führende Kraft die Arbeiterklasse ist. Also gibt es keine Kapitalistenklasse mehr, von der die Arbeiterklasse ausgebeutet werden könnte. Also ist unsere Arbeiterklasse der Produktionsmittel und -instrumente nicht nur nicht beraubt, sondern im Gegenteil, sie besitzt sie gemeinsam mit dem ganzen Volke. Da sie sie aber besitzt und die Kapitalistenklasse liquidiert ist, so ist jede Möglichkeit ausgeschlossen, die Arbeiterklasse auszubeuten. Kann man danach unsere Arbeiterklasse Proletariat nennen? Es ist klar, daß man es nicht kann. Marx hat gesagt: um sich zu befreien, muß das Proletariat die Klasse der Kapitalisten zerschmettern, den Kapitalisten die Produktionsmittel und -instrumente wegnehmen und jene Produktionsverhältnisse abschaffen, die das Proletariat erzeugen. Kann man sagen, daß die Arbeiterklasse der Sowjetunion diese Bedingungen ihrer Befreiung schon verwirklicht hat? Das kann man und muß man unbedingt sagen. Was bedeutet das aber? Das bedeutet, daß das Proletariat der Sowjetunion zu einer völlig neuen Klasse, zu der Arbeiterklasse der Sowjetunion geworden ist, die das kapitalistische Wirtschaftssystem abgeschafft, das sozialistische Eigentum an den Produktionsmitteln und -instrumenten verankert hat und die Sowjetgesellschaft auf den Weg zum Kommunismus leitet.
Wie ihr seht, ist die Arbeiterklasse der Sowjetunion eine völlig neue, von Ausbeutung befreite Arbeiterklasse, derengleichen die Geschichte der Menschheit noch niemals gekannt hat.

Gehen wir zur Frage der Bauernschaft über. Gewöhnlich sagt man, daß die Bauernschaft eine Klasse von Kleinproduzenten ist, deren Angehörige atomisiert, über das ganze Land verstreut sind, sich einzeln in ihren Kleinwirtschaften mit deren rückständiger Technik abrackern, Sklaven des Privateigentums sind und von Gutsbesitzern, Kulaken, Händlern, Spekulanten, Wucherern u. dgl. ungestraft ausgebeutet werden. Und in der Tat, die Bauernschaft in den kapitalistischen Ländern ist, wenn man ihre Hauptmasse ins Auge faßt, gerade eine solche Klasse. Kann man sagen, daß unsere heutige Bauernschaft, die Sowjetbauernschaft, in ihrer Masse einer solchen Bauernschaft gleicht? Nein, das kann man nicht sagen. Eine solche Bauernschaft gibt es bei uns nicht mehr. Unsere Sowjetbauernschaft ist eine völlig neue Bauernschaft. Bei uns gibt es keine Gutsbesitzer und Kulaken, keine Händler und Wucherer mehr, die die Bauern ausbeuten könnten. Also ist unsere Bauernschaft eine von Ausbeutung befreite Bauernschaft. Weiter ist unsere Sowjetbauernschaft in ihrer erdrückenden Mehrheit eine Kollektivbauernschaft, d. h. sie gründet ihr Schaffen und ihr Vermögen nicht auf Einzelarbeit und aüf eine rückständige Technik, sondern auf kollektive Arbeit und auf eine moderne Technik. Schließlich liegt der Wirtschaft unserer Bauernschaft nicht das Privateigentum zugrunde, sondern das kollektive Eigentum, das sich auf der Basis der kollektiven Arbeit entwickelt hat.
Wie ihr seht, ist die Sowjetbauernschaft eine völlig neue Bauernschaft, derengleichen die Geschichte der Menschheit noch niemals gekannt hat.

Gehen wir schließlich zur Frage der Intelligenz über, zur Frage der Ingenieure und Techniker, der Mitarbeiter an der Kulturfront, der Angestellten überhaupt usw. Die Intelligenz hat in der vergangenen Periode ebenfalls große Veränderungen durchgemacht. Das ist schon nicht mehr jene alte, verknöcherte Intelligenz, die sich über die Klassen zu stellen suchte, tatsächlich aber in ihrer Masse den Gutsbesitzern und Kapitalisten diente. Unsere Sowjetintelligenz ist eine völlig neue Intelligenz, die mit allen Fasern mit der Arbeiterklasse und der Bauernschaft verbunden ist. Verändert hat sich erstens die Zusammensetzung der Intelligenz. Die Intellektuellen adliger und bürgerlicher Herkunft machen einen kleinen Prozentsatz unserer Sowjetintelligenz aus. 80 bis 90 Prozent der Sowjetintelligenz entstammen der Arbeiterklasse, der Bauernschaft und den anderen Schichten der Werktätigen. Geändert hat sich schließlich auch der Charakter der Tätigkeit der Intelligenz. Früher mußte sie den reichen Klassen dienen, denn sie hatte keinen anderen Ausweg. Jetzt muß sie dem Volke dienen, denn es gibt keine Ausbeuterklassen mehr. Und gerade deshalb ist sie jetzt gleichberechtigtes Mitglied der Sowjetgesellschaft, wo sie gemeinsam mit den Arbeitern und Bauern, an demselben Strange ziehend, die neue, die klassenlose, sozialistische Gesellschaft aufbaut.
Wie ihr seht, ist das eine völlig neue, eine werktätige Intelligenz, derengleichen ihr in keinem Lande der Welt findet.

Das sind die Veränderungen, die in der verflossenen Zeit in der Klassenstruktur der Sowjetgesellschaft vor sich gegangen sind.
Wovon zeugen diese Veränderungen?

Sie zeugen erstens davon, daß die Grenzlinien zwischen der Arbeiterklasse und der Bauernschaft, ebenso wie diejenigen zwischen diesen Klassen und der Intelligenz sich verwischen, daß die alte Klassenabgeschlossenheit verschwindet. Das bedeutet, daß der Abstand zwischen diesen sozialen Gruppen sich immer mehr verringert.

Sie zeugen zweitens davon, daß die ökonomischen Gegensätze zwischen diesen sozialen Gruppen dahinschwinden, sich verwischen.

Sie zeugen schließlich davon, daß auch die politischen Gegensätze zwischen ihnen dahinschwinden und sich verwischen.

So steht es mit den Veränderungen in der Klassenstruktur der Sowjetunion.

III. Die grundlegenden Besonderheiten des Verfassungsentwurfs

Welche Widerspiegelung haben alle diese Veränderungen im Leben der Sowjetunion in dem Entwurf der neuen Verfassung gefunden?
Mit anderen Worten: welches sind die grundlegenden Besonderheiten des Verfassungsentwurfs, der dem gegenwärtigen Kongreß zur Prüfung vorgelegt wurde?

Die Verfassungskommission war beauftragt, Abänderungen am Verfassungstext vom Jahre 1924 vorzunehmen. Als Ergebnis der Arbeit der Verfassungskommission entstand der neue Verfassungstext, der Entwurf der neuen Verfassung der UdSSR. Bei der Ausarbeitung des Entwurfs der neuen Verfassung ging die Verfassungskommission davon aus, daß die Verfassung nicht mit einem Programm verwechselt werden darf. Das bedeutet, daß zwischen einem Programm und einer Verfassung ein wesentlicher Unterschied besteht. Während ein Programm von dem spricht, was noch nicht da ist und erst in der Zukunft erzielt und errungen werden soll, muß eine Verfassung im Gegenteil von dem sprechen, was bereits da ist, was jetzt, gegenwärtig, bereits erzielt und errungen ist. Ein Programm betrifft hauptsächlich das Künftige, eine Verfassung das Gegenwärtige.

Zwei Beispiele zur Illustration.
Unsere Sowjetgesellschaft hat erreicht, daß sie den Sozialismus im wesentlichen schon verwirklicht, die sozialistische Gesellschaftsordnung errichtet, d. h. daß sie das verwirklicht hat, was bei den Marxisten sonst die erste oder untere Phase des Kommunismus genannt wird. Also ist bei uns die erste Phase des Kommunismus, der Sozialismus, im wesentlichen bereits verwirklicht. (Anhaltender Beifall.) Das Grundprinzip dieser Phase des Kommunismus ist bekanntlich die Formel: "Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seiner Leistung". Muß unsere Verfassung diese Tatsache, die Tatsache der Erringung des Sozialismus, zum Ausdruck bringen? Muß sie auf dieser Errungenschaft basieren? Unbedingt muß sie das. Sie muß das, weil der Sozialismus für die Sowjetunion das ist, was bereits erreicht und errungen ist.

Aber die Sowjetgesellschaft hat noch nicht die Verwirklichung der höheren Phase des Kommunismus erreicht, in der das herrschende Prinzip die Formel sein wird: "Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen", obgleich sie es sich zum Ziele setzt, in der Zukunft die höhere Phase des Kommunismus zu verwirklichen. Kann unsere Verfassung auf der höheren Phase des Kommunismus basieren, die es noch nicht gibt und die erst errungen werden muß? Nein, das kann sie nicht, denn die höhere Phase des Kommunismus ist für die Sowjetunion das, was noch nicht verwirklicht ist und was in der Zukunft verwirklicht werden soll. Sie kann das nicht, wenn sie sich nicht in ein Programm oder in eine Deklaration über künftige Errungenschaften verwandeln will.

Das ist der Rahmen unserer Verfassung im gegebenen historischen Augenblick.

Somit stellt der Entwurf der neuen Verfassung das Fazit des zurückgelegten Weges dar, das Fazit bereits erzielter Errungenschaften. Er ist also die Registrierung und gesetzgeberische Verankerung dessen, was bereits in der Praxis erreicht und errungen ist.
(Stürmischer Beifall.)

Darin besteht die erste Besonderheit des Entwurfs der neuen Verfassung der UdSSR.

Weiter. Die Verfassungen bürgerlicher Länder gehen gewöhnlich von der Überzeugung aus, daß die kapitalistische Gesellschaftsordnung unerschütterlich sei. Die Hauptgrundlage dieser Verfassungen bilden die Prinzipien des Kapitalismus, seine Grundpfeiler: das Privateigentum an Grund und Boden, Waldungen, Fabriken und Werken und anderen Produktionsmitteln und -instrumenten; die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen und das Bestehen von Ausbeutern und Ausgebeuteten; Unsicherheit der Existenz der werktätigen Mehrheit auf dem einen Pol der Gesellschaft und Verschwendung der nichtwerktätigen, aber in ihrer Existenz gesicherten Minderheit auf dem andern Pol usw. usf. Sie stützen sich auf diese und ähnliche Grundpfeiler des Kapitalismus. Sie widerspiegeln sie, verankern sie auf gesetzgeberischem Wege.

Zum Unterschied von ihnen geht der Entwurf der neuen Verfassung der UdSSR von der Tatsache aus, daß die kapitalistische Gesellschaftsordnung beseitigt ist, von der Tatsache, daß die sozialistische Gesellschaftsordnung in der Sowjetunion gesiegt hat. Die Hauptgrundlage des Entwurfs der neuen Verfassung der UdSSR bilden die Prinzipien des Sozialismus, seine bereits errungenen und verwirklichten Grundpfeiler: das sozialistische Eigentum an Grund und Boden, Waldungen, Fabriken und Werken und anderen Produktionsmitteln und -instrumenten; die Aufhebung der Ausbeutung und der Ausbeuterklassen; die Beseitigung des Elends der Mehrheit und der Verschwendung der Minderheit; die Beseitigung der Arbeitslosigkeit; die Arbeit als Obliegenheit und Ehrenpflicht jedes arbeitsfähigen Staatsbürgers nach der Formel: "Wer nicht arbeitet, der soll auch nicht essen". Das Recht auf Arbeit. d.h. das Recht jedes Staatsbürgers auf garantierte Beschäftigung; das Recht auf Erholung; das Recht auf Bildung usw. usf. Der Entwurf der neuen Verfassung stützt sich auf diese und ähnliche Grundpfeiler des Sozialismus. Er widerspiegelt sie, er verankert sie auf gesetzgeberischern Wege.

Das ist die zweite Besonderheit des Entwurfs der neuen Verfassung.

Weiter. Die bürgerlichen Verfassungen gehen stillschweigend von der Voraussetzung aus, daß die Gesellschaft aus antagonistischen Klassen besteht, aus Klassen, die Reichtümer besitzen, und Klassen, die keine besitzen; daß, welche Partei auch an die Macht kommen möge, die staatliche Führung der Gesellschaft (die Diktatur) sich in den Händen der Bourgeoisie befinden müsse, daß die Verfassung dazu notwendig sei, die gesellschaftlichen Zustände zu verankern, die den besitzenden Klassen genehm und vorteilhaft sind.

Zum Unterschied von den bürgerlichen Verfassungen geht der Entwurf der neuen Verfassung der UdSSR davon aus, daß es in ihr (Wort unleserlich 2004mxks) keine antagonistischen Klassen mehr gibt; daß die Gesellschaft aus zwei befreundeten Klassen, aus Arbeitern und Bauern, besteht, daß eben diese werktätigen Klassen an der Macht stehen, daß die staatliche Führung der Gesellschaft (die Diktatur) der Arbeiterklasse als der fortgeschrittensten Klasse der Gesellschaft zukommt, daß die Verfassung dazu notwendig ist, die gesellschaftlichen Zustände zu verankern, die den Werktätigen genehm und vorteilhaft sind.

Was die Freiheit verschiedener politischer Parteien anbetrifft, so vertreten wir hier einigermaßen andere Ansichten. Die Partei ist ein Teil der Klasse, ihr fortgeschrittenster Teil. Mehrere Parteien und folglich auch eine Freiheit der Parteien kann es nur in einer Gesellschaft geben, wo es antagonistiche Klassen gibt, deren Interessen einander feindlich und unversöhnlich sind, wo es, sagen wir, Kapitalisten und Arbeiter, Gutsbesitzer und Bauern, Kulaken und Dorfarmut usw. gibt. In der Sowjetunion gibt es aber schon keine Klassen mehr wie Kapitalisten, Gutsbesitzer, Kulaken usw. In der Sowjetunion gibt es nur zwei Klassen, die Arbeiter und die Bauern, deren Interessen einander nicht nur nicht feindlich gegenüberstehen, sondern im Gegenteil miteinander harmonieren. Folglich gibt es in der Sowjetunion keinen Boden für die Existenz mehrerer Parteien und somit auch keinen Boden für die Freiheit dieser Parteien, in der Sowjetunion gibt es Boden nur für eine Partei, die Kommunistische Partei, in der Sowjetunion kann es nur eine Partei geben, die Partei der Kommunisten, die kühn und bis zum letzten die Interessen der Arbeiter und Bauern verteidigt. Und daß sie die Interessen dieser Klassen nicht schlecht verteidigt, daran kann wohl kaum ein Zweifel bestehen.
(Stürmischer Beifall.)

Man spricht von Demokratie. Was aber ist Demokratie? Die Demokratie in den kapitalistischen Ländern, wo es antagonistische Klassen gibt, ist in letzter Instanz eine Demokratie für die Starken, eine Demokratie für die besitzende Minderheit. Die Demokratie in der Sowjetunion ist im Gegenteil eine Demokratie für die Werktätigen, d. h. eine Demokratie für alle.

Daraus folgt aber, daß die Grundlagen des Demokratismus nicht durch den Entwurf der neuen Verfassung der UdSSR verletzt werden, sondern durch die bürgerlichen Verfassungen. Deshalb glaube ich, daß die Verfassung der UdSSR die einzige bis zum letzten demokratische Verfassung der Welt ist.
So liegen die Dinge mit der bürgerlichen Kritik am Entwurf der neuen Verfassung der UdSSR.

56. Dokument 39: Die Verfassung von UdSSR von 1936

[aus: H.Altrichter (Hg.: Die Sowjetunion. Von der Oktoberrevolution bis zu Stalins Tod. Bd. 1. Partei und Staat, München 1986, S. 266 - 268 und 286 - 291]

I. Kapitel - Die gesellschaftliche Ordnung

  1. Artikel
    Die Union der Sozialistischen Sowjet-Republiken ist ein sozialistischer Staat der Arbeiter und Bauern.
  2. Artikel
    Die politische Grundlage der UdSSR bilden die Sowjets (Räte) der Abgeordneten der Werktätigen, erwachsen und erstarkt im Ergebnis des Sturzes der Macht der Gutsherren und der Kapitalisten und der Eroberung der Diktatur des Proletariats.
  3. Artikel
    Alle Macht in der UdSSR gehört den Werktätigen in Stadt und Land in Gestalt der Sowjets der Abgeordneten der Werktätigen.
  4. Artikel
    Die ökonomische Grundlage der UdSSR bilden das sozialistische Wirtschaftssystem und das sozialistische Eigentum an den Produktionswerkzeugcn und -mitteln, gefestigt im Ergebnis der Beseitigung des kapitalistischen Wirtschaftssystems, der Aufhebung des Privateigentums an den Produktionsinstrumenten und -mitteln und der Abschaffung der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen.
  5. Artikel
    Das sozialistische Eigentum in der UdSSR hat entweder die Form von Staatseigentum (Gemeingut des Volkes) oder die Form von genossenschaftlich-kollektivwirtschaftlichem Eigentum (Eigentum einzelner Kollektivwirtschaften, Eigentum genossenschaftlicher Vereinigungen).
  6. Artikel
    Der Boden, seine Schätze, die Gewässer, die Wälder, die Werke, die Fabriken, die Gruben, die Bergwerke, das Eisenbahn-, Wasser- und Luftverkehrswesen, die Banken, die Nachrichtenmittel, die vom Staat organisierten landwirtschaftlichen Großbetriebe (Sowjetwirtschaften, Maschinen- und Traktorenstationen u. dgl.) sowie die Kommunalbetriebe und der Grundbestand an Wohnhäusern in den Städten und Industrieorten sind Staatseigentum, das heißt Gemeingut des Volkes.
  7. Artikel
    Die gesellschaftlichen Betriebe in den Kollektivwirtschaften und die genossenschaftlichen Organisationen mit ihrem lebenden und toten Inventar, die von den Kollektivwirtschaften und den genosscnschaftlichen Organisationen erzeugte Produktion wie auch ihre öffentlichen Bauten bilden das gesellschaftliche, sozialistische Eigentum der Kollektivwirtschaften und der genossenschaftlichen Organisationen.
    Jeder Kollektivbauernhof hat außer dem Grundeinkommen aus der gesellschaftlichen, kollektiven Wirtschaft in persönlicher Nutzung ein kleineres Stück Hofland und als persönliches Eigentum eine Nebenwirtschaft auf dem Hofland, ein Wohnhaus, Nutzvieh, Geflügel und landwirtschaftliches Kleininventar - gemäß dem Statut des landwirtschaftlichen Artels.
  8. Artikel
    Der Boden, den die Kollektivwirtschaften innehaben, wird ihnen zu unentgeltlicher und unbefristeter Nutzung, das heißt für ewig, urkundlich zuerkannt.
  9. Artikel
    Neben dem sozialistischen Wirtschaftssystem, das die in der UdSSR herrschende Wirtschaftsform darstellt, ist die auf persönlicher Arbeit beruhende und eine Ausbeutung fremder Arbeit ausschließende kleine Privatwirtschaft von Einzelbauern und Gewerbetreibenden gesetzlich zugelassen.
  10. Artikel
    Das persönliche Eigentumsrecht der Staatsbürger an ihren Arbeitseinkünften und Ersparnissen, am Wohnhaus und an der häuslichen Nebenwirtschaft, an den Hauswirtschafts- und Haushaltungsgegenständen, an den Gegenständen des persönlichen Bedarfs und Komforts, ebenso wie das Erbrecht an dem persönlichen Eigentum der Staatsbürger werden durch das Gesetz geschützt.
  11. Artikel
    Das Wirtschaftsleben der UdSSR wird durch den staatlichen Volkswirtschaftsplan im Interesse der Mehrung des gesllschaftlichen Reichtums, der unentwegten Hebung des materiellen und kulturellen Niveaus der Werktätigen, der Festigung der Unabhängigkeit der UdSSR und der Stärkung ihrer Wehrfähigkeit bestimmt und gelenkt.
  12. Artikel
    Die Arbeit ist in der UdSSR Pflicht und Ehrensache jedes arbeitsfähigen Staatsbürgers nach dem Grundsatz: "Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen."
    In der UdSSR wird der Grundsatz des Sozialismus verwirklicht: "Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seiner Leistung."

X. Kapitel - Die Grundrechte und Grundpflichten der Staatsbürger

XI. Kapitel - Das Wahlsystem


57. Dokument 40: Stalin: Über die Mängel der Parteiarbeit und die Maßnahmen zur Liquidierung der trotzkistischen und sonstigen Doppelzüngler

[Referat und Schlußwort auf dem Plenum des ZK der KPdSU (B), 3. und 5. März 1937; aus: Ders.: Werke, Bd. 14, Dortmund 1976, S. 118 - 160]

Genossen! - Auszug aus dem REFERAT Plenum ZK KPSU 3.3.1937

Aus den auf dem Plenum erstatteten Berichten und aus den Diskussionsreden ist ersichtlich, daß wir es hier mit folgenden drei grundlegenden Tatsachen zu tun haben. Das sind die drei unbestreitbaren Tatsachen, die sich zwangsläufig aus den Berichten und den Diskussionsreden ergeben.

1. Politische Sorglosigkeit - Auszug aus dem Referat Plenum ZK KPSU 3.3.1937

Woraus ist zu erklären, daß sich unsere führenden Genossen, die reiche Erfahrungen im Kampf gegen parteifeindliche und sowjetfeindliche Strömungen jeder Art besitzen, im gegebenen Fall so naiv und blind gezeigt haben, daß sie das wahre Gesicht der Volksfeinde nicht zu erkennen, die Wölfe im Schafspelz nicht herauszufinden, ihnen die Maske nicht herunterzureißen vermochten?

Kann man behaupten, daß die Schädlings-, Diversions- und Spionagetätigkeit von Agenten ausländischer Staaten auf dem Territorium der UdSSR für uns etwas Unerwartetes sein kann, etwas, was noch nie dagewesen ist? Nein, das kann man nicht behaupten. Davon zeugen die Schädlingsakte, die während der letzten zehn Jahre, angefangen mit der Schachty-Periode, in den verschiedenen Zweigen der Volkswirtschaft verübt wurden und die in offiziellen Dokumenten festgehalten sind.

Kann man behaupten, daß es in der letzten Zeit bei uns keinerlei Warnsignale und mahnende Hinweise auf die Schädlings-, Spionage- oder Terrortätigkeit der trotzkistisch-sinowjewistischen Agenten des Faschismus gegeben habe? Nein, das kann man nicht behaupten. Solche Signale gab es, und Bolschewiki haben nicht das Recht, sie unbeachtet zu lassen.

Der ruchlose Mord an Genossen Kirow war die erste ernste Warnung, die davon zeugte, daß die Feinde des Volkes Doppelzünglerei betreiben und sich bei ihrem doppelzünglerischen Treiben als Bolschewiki, als Parteimitglieder maskieren werden, um sich Vertrauen zu erschleichen und sich den Zutritt zu unseren Organisationen zu erschließen.

Der Prozeß gegen das "Leningrader Zentrum", ebenso wie der "Sinowjew-Kamenew"-Prozeß, bekräftigte erneut die Lehren, die sich aus dem ruchlosen Mord an Genossen Kirow ergaben.

Der Prozeß gegen den "sinowjewistisch-trotzkistischen Block" hat die Lehren aus den vorhergegangenen Prozessen erweitert und augenfällig gezeigt, daß die Sinowjewleute und Trotzkisten alle feindlichen bürgerlichen Elemente um sich scharen, daß sie sich in eine terroristische Spionage- und Diversionsagentur der deutschen Geheimpolizei verwandelt haben, daß Doppelzünglerei und Maskierung das einzige Mittel der Sinowjewleute und Trotzkisten sind, um in unsere Organisationen einzudringen, daß Wachsamkeit und politischer Scharf blick das sicherste Mittel sind, um ein solches Eindringen zu verhüten und die sinowjewistisch-trotzkistische Bande zu liquidieren.

Das Zentralkomitee der KPdSU(B) hat in seinem Rundschreiben vom 18. Januar 1935 anläßlich des ruchlosen Mordes an Genossen Kirow die Parteiorganisationen energisch vor politischer Vertrauensseligkeit und spießerhafter Maulafferei gewarnt. In dem Rundschreiben heißt es:
"Es gilt, mit der opportunistischen Vertrauensseligkeit Schluß zu machen, die von der falschen Annahme ausgeht, als ob der Feind in dem Maße, wie unsere Kräfte wachsen, immer zahmer und harmloser werde. Eine solche Annahme ist grundfalsch. Das ist eine Nachwirkung der rechten Abweichung, deren Vertreter aller Welt weiszumachen suchten, daß die Feinde allmählich in den Sozialismus hineinkriechen, daß sie zu guter Letzt richtige Sozialisten werden würden. Es ist nicht Sache der Bolschewiki, auf ihren Lorbeeren auszuruhen und Maulaffen feilzuhalten. Nicht Vertrauensseligkeit brauchen wir, sondern Wachsamkeit, wirkliche bolschewistische revolutionäre Wachsamkeit. Man muß dessen eingedenk sein, daß die Feinde, je hoffnungsloser ihre Lage sein wird, um so eher zu dem ‚äußersten Mittel‘ greifen werden, als dem einzigen Mittel der im Kampfe gegen die Sowjetmacht zum Untergang Verurteilten. Man muß dessen eingedenk und wachsam sein."
In seinem Rundschreiben vom 29. Juli 1936 anläßlich der Spionage- und Terrortätigkeit des trotzkistisch-sinowjewistischen Blocks rief das Zentralkomitee der KPdSU(B) die Parteiorganisationen erneut auf, höchste Wachsamkeit an den Tag zu legen und zu lernen, die Feinde des Volkes zu erkennen, mögen sie auch noch so gut maskiert sein. In dem Rundschreiben heißt es:
"Jetzt, da bewiesen ist, daß die trotzkistisch-sinowjewistischen Scheusale im Kampf gegen die Sowjetmacht alle die wütendsten und erbittertsten Feinde der Werktätigen unseres Landes um sich scharen, Spione, Provokateure, Diversanten, Weißgardisten, Kulaken usw., da sich jede Grenze zwischen diesen Elementen einerseits und den Trotzkisten und Sinowjewleuten anderseits verwischt hat - müssen alle unsere Parteiorganisationen, alle Parteimitglieder begreifen, daß von Kommunisten an einem jeden Abschnitt und in jeder Situation Wachsamkeit gefordert wird. Unabdingbare Eigenschaft jedes Bolschewiks unter den gegenwärtigen Verhältnissen muß die Fähigkeit sein, den Feind der Partei zu erkennen, mag er auch noch so gut maskiert sein."
Im Prozeß von 1936 haben Kamenew und Sinowjew, wenn Sie sich erinnern, entschieden geleugnet, irgendeine politische Plattform zu besitzen. Sie hatten durchaus die Möglichkeit, in der Gerichtsverhandlung ihre politische Plattform zu entwickeln. Sie taten dies jedoch nicht, sondern erklärten, sie hätten keinerlei politische Plattform. Es kann kein Zweifel bestehen, daß beide logen, als sie leugneten, eine politische Plattform zu haben. Heute sehen sogar Blinde, daß sie eine eigene politische Plattform hatten. Warum aber leugneten sie, irgendeine politische Plattform zu haben? Weil sie sich fürchteten, ihr wahres politisches Gesicht zu zeigen, weil sie sich fürchteten, mit ihrer wirklichen Plattform, der Plattform der Restauration des Kapitalismus in der UdSSR, hervorzutreten; denn sie hatten Angst, daß eine solche Plattform in der Arbeiterklasse Abscheu hervorrufen würde.

In dem Prozeß von 1937 schlugen Pjatakow, Radek und Sokolnikow einen anderen Weg ein. Sie leugneten nicht, daß die Trotzkisten und Sinowjewleute eine politische Plattform besitzen. Sie gaben zu, daß sie eine bestimmte politische Plattform besitzen, gaben das zu und entwickelten sie in ihren Aussagen. Aber sie entwickelten sie nicht, um die Arbeiterklasse, um das Volk zur Unterstützung der trotzkistischen Plattform aufzurufen, sondern um sie als volksfeindliche und antiproletarische Plattform zu verdammen und zu brandmarken. Restauration des Kapitalismus, Liquidierung der Kollektiv- und Sowjetwirtschaften, Wiederaufrichtung des Systems der Ausbeutung, Bündnis mit den faschistischen Kräften Deutschlands und Japans zur beschleunigten Entfesselung eines Krieges gegen die Sowjetunion, Kampf für den Krieg und gegen die Politik des Friedens, territoriale Zerstückelung der Sowjetunion unter Auslieferung der Ukraine an die Deutschen und des fernöstlichen Küstengebiets an die Japaner, Vorbereitung der militärischen Niederlage der Sowjetunion im Falle eines Überfalls feindlicher Staaten und, als Mittel zur Erreichung dieser Ziele, Schädlingsarbeit, Diversionsakte, individueller Terror gegen die Führer der Sowjetmacht, Spionage zugunsten der japanisch-deutschen faschistischen Kräfte - das ist die von Pjatakow, Radek und Sokolnikow entwickelte politische Plattform des heutigen Trotzkismus. Es versteht sich, daß die Trotzkisten eine solche Plattform vor dem Volk, vor der Arbeiterklasse verbergen mußten. Und sie verbargen sie nicht nur vor der Arbeiterklasse, sondern auch vor den trotzkistischen Anhängern, ja nicht nur vor den trotzkistischen Anhängern, sondern sogar vor der führenden trotzkistischen Spitze, die aus einem kleinen Häuflein von Leuten, aus 30 - 40 Menschen bestand. Als Radek und Pjatakow von Trotzki die Erlaubnis zur Einberufung einer kleinen Konferenz von 30 - 40 Trotzkisten forderten, um sie über den Charakter dieser Plattform zu informieren, verbot ihnen Trotzki das und sagte, es sei unzweckmäßig, selbst vor einem kleinen Häuflein Trotzkisten über den wirklichen Charakter der Plattform zu sprechen, da eine solche "Operation" eine Spaltung hervorrufen könne.

"Politiker", die ihre Anschauungen, ihre Plattform nicht nur vor der Arbeiterklasse, sondern auch vor den trotzkistischen Anhängern, und nicht nur vor den trotzkistischen Anhängern, sondern auch vor der führenden Spitze der Trotzkisten verbergen - das ist die Physiognomie des gegenwärtigen Trotzkismus.

Daraus aber folgt, daß der gegenwärtige Trotzkismus schon nicht mehr als politische Strömung in der Arbeiterklasse bezeichnet werden kann.
Der gegenwärtige Trotzkismus ist keine politische Strömung in der Arbeiterklasse, sondern eine prinzipien- und ideenlose Bande von Schädlingen, Diversanten, Kundschaftern, Spionen, Mördern, eine Bande geschworener Feinde der Arbeiterklasse, die im Solde der Spionageorgane ausländischer Staaten. arbeiten.
Das ist das unbestreitbare Ergebnis der Evolution des Trotzkismus in den letzten 7 - 8 Jahren.
Das ist der Unterschied zwischen dem Trotzkismus der Vergangenheit und dem Trotzkismus der Gegenwart.
Der Fehler unserer Parteigenossen besteht darin, daß sie diesen einschneidenden Unterschied zwischen dem Trotzkismus der Vergangenheit und dem Trotzkismus der Gegenwart nicht bemerkt haben. Sie haben nicht bemerkt, daß die Trotzkisten längst aufgehört haben, für eine Idee einzutreten, daß die Trotzkisten sich längst in Wegelagerer verwandelt haben, die zu jeder Abscheulichkeit, zu jeder Niedertracht fähig sind, bis zur Spionage und bis zum direkten Verrat an der eigenen Heimat, nur um den Sowjetstaat und die Sowjetmacht zu schädigen. Sie haben das nicht bemerkt und haben es deshalb auch nicht vermocht, sich rechtzeitig umzustellen, um den Kampf gegen die Trotzkisten auf neue Art entschlossener zu führen.
Deshalb waren die Niederträchtigkeiten der Trotzkisten während der letzten Jahre für manche unserer Parteigenossen eine völlige Überraschung.

Weiter. Schließlich haben unsere Parteigenossen nicht bemerkt, daß zwischen den heutigen Schädlingen und Diversanten, unter denen die trotzkistischen Agenten des Faschismus eine ziemlich aktive Rolle spielen, einerseits und den Schädlingen und Diversanten aus der Schachty-Periode anderseits ein wesentlicher Unterschied besteht.

2. Unsere Aufgaben - Auszug aus dem Schlußwort Plenum ZK KPSU 5.3.1937

Wie sind diese Mängel unserer Arbeit zu beseitigen? Was muß dazu getan werden?
Es ist notwendig, folgende Maßnahmen durchzuführen:
  1. Es ist vor allem notwendig, die Aufmerksamkeit unserer Parteigenossen, die in den "laufenden Fragen" des einen oder anderen Ressorts versinken, auf die großen politischen Fragen internationalen und inneren Charakters zu lenken.
  2. Es ist notwendig, die politische Arbeit unserer Partei auf die gebührende Höhe zu bringen, wobei die Aufgabe der politischen Schulung und der bolschewistischen Stählung der Partei-, Sowjet- und Wirtschaftskader in den Mittelpunkt zu stellen ist.
  3. Es ist notwendig, unseren Parteigenossen klarzumachen, daß die wirtschaftlichen Erfolge, deren Bedeutung unbestreitbar sehr groß ist und die wir auch weiterhin, tagaus, tagein, jahraus, jahrein erzielen müssen, dennoch nicht das ganze Wesen unseres sozialistischen Aufbaus erschöpfen.
    Es muß klargelegt werden, daß die Schattenseiten der wirtschaftlichen Erfolge, die sich in Selbstzufriedenheit, Sorglosigkeit und Abstumpfung des politischen Instinkts äußern, nur dann beseitigt werden können, wenn sich die wirtschaftlichen Erfolge mit Erfolgen des Parteiaufbaus und mit einer voll entfalteten politischen Arbeit unserer Partei paaren.
    Es muß klargelegt werden, daß die wirtschaftlichen Erfolge selbst, ihre Dauerhaftigkeit und Beständigkeit, voll und ganz von den Erfolgen der organisatorischen und der politischen Arbeit der Partei abhängen, daß ohne diese Voraussetzung sich erweisen kann, daß die wirtschaftlichen Erfolge auf Sand gebaut sind.
  4. Es ist notwendig, immer daran zu denken und nie zu vergessen, daß die kapitalistische Umkreisung die grundlegende Tatsache ist, durch die die internationale Lage der Sowjetunion bestimmt wird.
    Man muß immer daran denken und darf nie vergessen, daß es, solange es eine kapitalistische Umkreisung gibt, auch Schädlinge, Diversanten, Spione, Terroristen geben wird, die von den Spionageorganen ausländischer Staaten ins Hinterland der Sowjetunion geschickt werden; man muß daran denken und den Kampf gegen jene Genossen führen, die die Bedeutung der Tatsache der kapitalistischen Umkreisung unterschätzen, die die Kraft und Bedeutung des Schädlingswesens unterschätzen.
    Unseren Parteigenossen muß klargemacht werden, daß keinerlei wirtschaftliche Erfolge, wie groß sie auch sein mögen, die Tatsache der kapitalistischen Umkreisung und die sich aus dieser Tatsache ergebenden Folgen aus der Welt zu schaffen vermögen.
    Es müssen Maßnahmen getroffen werden, die notwendig sind, um unseren Genossen, den Bolschewiki in der Partei und den parteilosen Bolschewiki, die Möglichkeit zu geben, sich mit den Zwecken und Aufgaben, mit der Praxis und Technik der Schädlings-, Diversions- und Spionagetätigkeit der ausländischen Spionageorgane bekannt zu machen.
  5. Es ist notwendig, unseren Parteigenossen klarzumachen, daß die Trotzkisten, die aktive Elemente der Diversions-, Schädlings- und Spionagetätigkeit ausländischer Spionageorgane bilden, schon längst aufgehört haben, eine politische Strömung in der Arbeiterklasse zu sein, daß sie schon längst aufgehört haben, irgendeiner Idee zu dienen, die mit den Interessen der Arbeiterklasse vereinbar ist, daß sie sich in eine prinzipien- und ideenlose Bande von Schädlingen, Diversanten, Spionen und Mördern verwandelt haben, die im Solde ausländischer Spionageorgane arbeiten.
    Es muß klargelegt werden, daß im Kampf gegen den gegenwärtigen Trotzkismus jetzt nicht die alten Methoden, nicht die Methoden der Diskussion, sondern neue Methoden, die Methoden der Ausrottung und der Zerschmetterung nötig sind.
  6. Es ist notwendig, unseren Parteigenossen den Unterschied zwischen den heutigen Schädlingen und den Schädlingen der Schachty-Periode klarzumachen, ihnen klarzumachen, daß, während die Schädlinge der Schachty-Periode unsere Leute auf dem Gebiet der Technik betrogen, indem sie ihre technische Rückständigkeit ausnutzten, die heutigen Schädlinge, die das Parteimitgliedsbuch besitzen, unsere Leute durch Mißbrauch des politischen Vertrauens, das man ihnen als Parteimitgliedern erweist, betrügen, indem sie die politische Sorglosigkeit unserer Leute ausnutzen.
    Es ist notwendig, die alte Losung, Meisterung der Technik, die der Schachty-Periode entspricht, durch eine neue Losung zu ergänzen, durch die Losung: politische Erziehung der Kader, Meisterung des Bolschewismus und Liquidierung unserer politischen Vertrauensseligkeit, eine Losung, die voll und ganz der Periode entspricht, in der wir gegenwärtig leben.
  7. Es ist notwendig, die faule Theorie zu zerschlagen und beiseite zu werfen, daß der Klassenkampf bei uns mit jedem Schritt unseres Vormarsches mehr und mehr erlöschen müsse, daß der Klassenfeind in dem Maße, wie wir Erfolge erzielen, immer zahmer werde.
    Das ist nicht nur eine faule Theorie, sondern auch eine gefährliche Theorie, denn sie schläfert unsere Leute ein, lockt sie in die Falle, während sie dem Klassenfeind die Möglichkeit gibt, für den Kampf gegen die Sowjetmacht Kräfte zu sammeln.
    Im Gegenteil, je weiter wir vorwärtsschreiten, je mehr Erfolge wir erzielen werden, um so größer wird die Wut der Überreste der zerschlagenen Ausbeuterklassen werden, um so eher werden sie zu schärferen Kampfformen übergehen, um so mehr Niederträchtigkeiten werden sie gegen den Sowjetstaat begehen, um so mehr werden sie zu den verzweifeltsten Kampfmitteln greifen, als den letzten Mitteln zum Untergang Verurteilter.
    Man muß im Auge behalten, daß die Reste der zerschlagenen Klassen in der UdSSR nicht allein dastehen. Sie genießen die direkte Unterstützung unserer Feinde jenseits der Grenzen der UdSSR. Es wäre ein Irrtum anzunehmen, daß die Sphäre des Klassenkampfes sich auf das Gebiet der UdSSR beschränke. Spielt sich der Klassenkampf mit einem Ende innerhalb der UdSSR ab, so reicht das andere Ende in das Gebiet der uns umgebenden bürgerlichen Staaten. Das kann den Resten der zerschlagenen Klassen nicht unbekannt sein. Und eben weil sie es wissen, werden sie auch künftighin ihre verzweifelten Vorstöße fortsetzen.
    Das lehrt uns die Geschichte. Das lehrt uns der Leninismus.
    Man muß das alles im Auge haben und auf der Hut sein.
  8. Es ist notwendig, eine andere faule Theorie zu zerschlagen und beiseite zu werfen, die besagt, daß derjenige kein Schädling sein könne, der nicht immer schädigt und der wenigstens manchmal Erfolge in seiner Arbeit aufzuweisen hat.
    Diese seltsame Theorie verrät die Naivität ihrer Urheber. Kein einziger Schädling wird fortwährend schädigen, wenn er nicht in kürzester Frist entlarvt werden will. Im Gegenteil, ein richtiger Schädling muß von Zeit zu Zeit Erfolge in seiner Arbeit aufweisen, denn das ist das einzige Mittel, seine Existenz als Schädling zu behaupten, sich Vertrauen zu erschleichen und seine Schädlingsarbeit fortzusetzen. Ich glaube, diese Frage ist klar und bedarf keiner weiteren Erläuterungen.
  9. Es ist notwendig, eine dritte faule Theorie zu zerschlagen und beiseite zu werfen, die besagt, daß die systematische Erfüllung der Wirtschaftspläne die Schädlingsarbeit und die Folgen der Schädlingsarbeit aufhebe.
    Eine solche Theorie kann nur das eine Ziel verfolgen: die Eigenliebe unserer Funktionäre, die nur ihr Ressort im Auge haben, zu kitzeln, sie zu beruhigen und ihren Kampf gegen das Schädlingswesen abzuschwächen.
    Was bedeutet "systematische Erfüllung unserer Wirtschaftspläne" ?
    • Erstens: Es ist erwiesen, daß alle unsere Wirtschaftspläne zu niedrig angesetzt sind, denn sie lassen die gewaltigen Reserven und Möglichkeiten unberücksichtigt, die im Schoße unserer Volkswirtschaft schlummern.
    • Zweitens bedeutet die summarische Erfüllung der Wirtschaftspläne der einzelnen Volkskommissariate im ganzen noch nicht, daß in einigen sehr wichtigen Zweigen die Pläne ebenfalls erfüllt werden. Im Gegenteil, die Tatsachen besagen, daß eine ganze Reihe von Volkskommissariaten, die die Jahreswirtschaftspläne erfüllt und sogar übererfüllt haben, die Pläne in einigen sehr wichtigen Zweigen der Volkswirtschaft ständig nicht erfüllen.
    • Drittens kann kein Zweifel darüber bestehen, daß es mit der Erfüllung der Wirtschaftspläne, wenn die Schädlinge nicht entlarvt und davongejagt worden wären, weit schlechter stehen würde, woran die kurzsichtigen Urheber dieser Theorie denken sollten.
    • Viertens entfalten die Schädlinge ihre Schädlingsarbeit in vollem Umfang gewöhnlich nicht in Friedenszeiten, sondern in einer Periode unmittelbar vor dem Kriege oder während des Krieges selbst. Angenommen, wir würden uns von der faulen Theorie von der "systematischen Erfüllung der Wirtschaftspläne" einlullen lassen und die Schädlinge nicht anrühren. Haben die Urheber dieser faulen Theorie eine Vorstellung davon, welch kolossalen Schaden die Schädlinge unserem Staate im Falle eines Krieges zufügen würden, wenn wir sie im Schoße unserer Volkswirtschaft unter den Fittichen der faulen Theorie von der "systematischen Erfüllung der Wirtschaftspläne" beließen?
    Ist es nicht klar, daß die Theorie von der "systematischen Erfüllung der Wirtschaftspläne" eine Theorie ist, die nur den Schädlingen von Nutzen sein kann?
  10. ---
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  12. Schließlich ist es notwendig, noch eine faule Theorie zu zerschlagen und beiseite zu werfen, die besagt, daß wir Bolschewiki einem Häuf1ein von Schädlingen gar keine Beachtung zu schenken brauchten, da wir Bolschewiki viele, die Schädlinge aber wenige sind, da wir Bolschewiki von Dutzenden Millionen Menschen unterstützt werden, die trotzkistischcn Schädlinge aber nur von einzelnen und Dutzenden.
    Das ist falsch, Genossen. Diese mehr als seltsame Theorie wurde ersonnen, um einige unserer führenden Genossen zu trösten, die wegen ihres Unvermögens, gegen das Schädlingswesen zu kämpfen, in ihrer Arbeit Fiasko erlitten haben, und um ihre Wachsamkeit einzuschläfern, sie ruhig schlafen zu lassen.
    Daß die trotzkistischen Schädlinge von einzelnen, die Bolschewiki aber von Dutzenden Millionen Menschen unterstützt werden, ist natürlich wahr. Aber daraus folgt keineswegs, daß die Schädlinge unserer Sache nicht ernstesten Schaden zufügen können. Um Unheil zu stiften und Schaden anzurichten, dazu bedarf es keineswegs einer großen Zahl von Menschen. Um ein Dnjepr-Kraftwerk zu erbauen, muß man Zehntausende Arbeiter einsetzen. Um es aber in die Luft zu sprengen, dazu sind vielleicht ein paar Dutzend Menschen nötig, nicht mehr. Um eine Schlacht im Kriege zu gewinnen, dazu bedarf es vielleicht einiger Armeekorps von Rotarmisten. Um jedoch diesen Sieg an der Front zunichte zu machen, dazu genügen ein paar Spione irgendwo im Stab einer Armee oder sogar einer Division, die den Operationsplan entwenden und ihn dem Feind ausliefern. Um eine große Eisenbahnbrücke zu bauen, dazu sind Tausende Menschen erforderlich. Um sie aber in die Luft zu sprengen, dazu genügen ein paar Menschen. Solcher Beispiele könnte man Dutzende und Hunderte anführen.
    Folglich darf man sich nicht damit trösten, daß wir viele, sie, die trotzkistischen Schädlinge, dagegen wenige sind.
    Man muß erreichen, daß es überhaupt keine trotzkistischen Schädlinge in unseren Reihen gibt.
So verhält es sich mit der Frage, wie die Mängel unserer Arbeit zu liquidieren sind, die in allen unseren Organisationen zu verzeichnen sind, sowohl in den Wirtschafts- und Sowjetorganisationen als auch in den Verwaltungs- und Parteiorganisationen.

Das sind die Maßnahmen, die notwendig sind, um diese Mängel zu liquidieren.

Was speziell die Parteiorganisationen und die Mängel in ihrer Arbeit anbetrifft, so wird in dem Ihnen zur Entscheidung vorgelegten Resolutionsentwurf ausführlich genug über die Maßnahmen zur Liquidierung dieser Mängel gesprochen. Ich glaube daher, daß keine Notwendigkeit besteht, hier auf diese Seite der Sache ausführlich einzugehen.

Ich möchte nur einige Worte über die Frage der politischen Schulung und Weiterbildung unserer Parteikader sagen.
Ich glaube, wenn wir es verstünden und fertigbrächten, unsere Parteikader von unten bis oben ideologisch so zu schulen und politisch so zu stählen, daß sie sich in der inneren und der internationalen Situation ohne Schwierigkeit zurechtzufinden vermögen, wenn wir es verstünden, sie zu völlig reifen Leninisten, Marxisten zu machen, die fähig sind, die Fragen der Leitung des Landes ohne ernste Fehler zu entscheiden, dann hätten wir damit neun Zehntel aller unserer Aufgaben gelöst.

Wie steht es um die führenden Kader unserer Partei?

In unserer Partei gibt es, wenn man ihre führenden Schichten im Auge hat, etwa 3.000 - 4.000 höhere Funktionäre. Das ist, ich möchte sagen, die Generalität unserer Partei.
Dann kommen 30.000 - 40.000 mittlere Funktionäre. Das ist das Offizierskorps unserer Partei.
Dann kommen etwa 100.000 - 150.000 untere Parteifunktionäre. Das ist sozusagen das Unteroffizierskorps unserer Partei.

Das ideologische Niveau dieser führenden Kader zu heben und sie politisch weiter zu stählen, diesen Kadern frische Kräfte zuzuführen, die darauf warten, aufrücken zu können und auf diese Weise den Bestand an führenden Kadern zu erweitern - das ist die Aufgabe.

Was ist dazu erforderlich?
Vor allem muß unsern Parteifunktionären, angefangen von den Zellensekretären bis zu den Sekretären der Gebiets- und Republik-Parteiorganisationen, empfohlen werden, sich im Laufe einer bestimmten Zeit je zwei Genossen, je zwei Parteifunktionäre, auszuwählen, die fähig sind, tatsächlich ihre Stellvertreter zu sein. Man mag sagen: Wo soll man sie hernehmen, zwei Stellvertreter für jeden, wir haben solche Leute nicht, haben keine entsprechenden Funktionäre. Das stimmt nicht, Genossen. Fähige Menschen, begabte Menschen gibt es bei uns Zehntausende. Man muß sie nur kennen und rechtzeitig aufrücken lassen, damit sie nicht zu lange an einem Fleck bleiben und zu faulen anfangen. Suchet, so werdet ihr finden.

Nun aber die Frage: Wie ist die Aufgabe der Zerschmetterung und Vernichtung der japanisch-deutschen Agenten des Trotzkismus praktisch zu verwirklichen? Bedeutet das, daß es nicht nur die wirklichen Trotzkisten zu schlagen und zu vernichten gilt, sondern auch diejenigen, die irgendeinmal nach der Seite des Trotzkismus hin schwankten, später aber, schon vor langer Zeit, sich vom Trotzkismus abgewandt haben, nicht nur diejenigen, die wirklich trotzkistische Schädlingsagenten sind, sondern auch diejenigen, die irgendeinmal in die Lage kamen, durch eine Straße zu gehen, durch die irgendeinmal dieser oder jener Trotzkist gegangen ist? Jedenfalls sind solche Stimmen hier auf dem Plenum laut geworden. Kann man eine solche Auslegung der Resolution für richtig halten? Nein, man kann sie nicht für richtig halten. In dieser Frage ist, wie auch in allen anderen Fragen, ein individuelles, differenziertes Herangehen an die Menschen erforderlich. Man darf nicht alle über einen Kamm scheren. So ein summarisches Verfahren kann der Sache des Kampfes gegen die wirklichen trotzkistischen Schädlinge und Spione nur schaden.

Unter unseren verantwortlichen Genossen gibt es eine gewisse Anzahl ehemaliger Trotzkisten, die sich schon längst vom Trotzkismus abgewandt haben und den Kampf gegen den Trotzkismus nicht schlechter, ja besser führen als manche unserer verehrten Genossen, die nie in die Lage gekommen sind, nach der Seite des Trotzkismus hin zu schwanken. Es wäre töricht, solche Genossen jetzt in Verruf zu bringen.

Unter unseren Genossen gibt es auch solche, die ideologisch stets gegen den Trotzkismus eingestellt waren, aber trotzdem persönliche Verbindungen mit einzelnen Trotzkisten unterhielten, die sie unverzüglich abbrachen, sobald ihnen die wahre Physiognomie des Trotzkismus klargeworden war. Es ist natürlich nicht gut, daß sie ihre persönlichen freundschaftlichen Verbindungen mit einzelnen Trotzkisten nicht sofort, sondern mit Verspätung abbrachen. Es wäre aber töricht, solche Genossen mit den Trotzkisten auf die gleiche Stufe zu stellen.

Was bedeutet es, die Mitarbeiter richtig auszuwählen und auf den richtigen Arbeitsplatz zu stellen?
Das bedeutet, die Mitarbeiter erstens nach politischen Gesichtspunkten auszuwählen, das heißt nach dem Gesichtspunkt, ob sie politisches Vertrauen verdienen, und zweitens nach fachlichen Gesichtspunkten, das heißt nach dem Gesichtspunkt, ob sie für eine bestimmte konkrete Arbeit geeignet sind.

Das bedeutet, daß die fachliche Methode der Auswahl nicht zu einer praktizistischen Methode werden darf, bei der man sich für die fachliche Eignung der Mitarbeiter interessiert, ohne sich für ihre politische Physiognomie zu interessieren.

Das bedeutet, daß die politische Methode der Auswahl nicht zur einzigen und ausschließlichen Methode werden darf, bei der man sich für die politische Physiognomie der Mitarbeiter interessiert, ohne sich für ihre fachliche Eignung zu interessieren.

Kann man sagen, daß dieser bolschewistische Grundsatz von unseren Parteigenossen befolgt wird? Leider kann man das nicht sagen. Hier auf dem Plenum wurde bereits darüber gesprochen. Aber es wurde nicht alles gesagt. Es handelt sich darum, daß dieser bewährte Grundsatz in unserer Praxis auf Schritt und Tritt, und zwar aufs gröbste verletzt wird. Meistens erfolgt die Auswahl der Mitarbeiter nicht nach objektiven Gesichtspunkten, sondern nach zufälligen, subjektiven, spießerhaft-kleinbürgerlichen Gesichtspunkten. Meistens sucht man sich sogenannte Bekannte, Freunde, Landsleute, persönlich ergebene Leute, Meister in der Lobpreisung ihrer Vorgesetzten aus - ohne Rücksicht auf ihre politische und fachliche Eignung.

Es ist klar, daß auf diese Weise statt einer führenden Gruppe verantwortlicher Funktionäre eine Sippschaft einander nahestehender Leute, eine Innung herauskommt, deren Mitglieder darauf bedacht sind, in Frieden zu leben, einander nicht weh zu tun, nicht aus der Schule zu plaudern, einander zu lobpreisen und der Zentrale von Zeit zu Zeit völlig nichtssagende und Übelkeit erregende Berichte über Erfolge einzusenden.
Es ist nicht schwer, zu begreifen, daß es bei einer solchen Sippenwirtschaft weder für Kritik an den Mängeln der Arbeit noch für Selbstkritik der Leiter der Arbeit Platz geben kann.
Es ist klar, daß eine solche Sippenwirtschaft einen günstigen Boden abgibt für die Züchtung von Speichelleckern, von Leuten, die jeglichen Gefühls eigener Würde bar sind und deshalb mit dem Bolschewismus nichts gemein haben.

Manche Genossen meinen, die Kontrolle der Funktionäre könne nur von oben erfolgen, wenn die Führer die von ihnen Geführten aufgrund der Ergebnisse ihrer Arbeit überprüfen. Das ist falsch. Kontrolle von oben ist natürlich nötig als eine der wirksamen Maßnahmen zur Überprüfung der Menschen und zur Überprüfung der Durchführung der Aufträge. Aber mit der Kontrolle von oben ist bei weitem nicht die ganze Kontrolle erschöpft. Es gibt noch eine andere Art der Kontrolle, die Kontrolle von unten, wenn die Massen, wenn die Geführten die Führer überprüfen, ihre Fehler aufdecken und ihnen die Wege zu ihrer Behebung zeigen. Eine solche Kontrolle ist eins der wirksamsten Mittel zur Überprüfung der Menschen.

Die Parteimassen überprüfen die führenden Funktionäre in Aktivtagungen, in Konferenzen, auf Parteitagen durch Entgegennahme ihrer Rechenschaftsberichte, durch Kritik an den Mängeln, schließlich durch Wahl beziehungsweise Nichtwahl dieser oder jener führenden Genossen in die leitenden Organe. Strikte Durchführung des demokratischen Zentralismus in der Partei, wie dies vom Statut unserer Partei gefordert wird, unbedingte Wählbarkeit der Parteiorgane, das Recht, Kandidaten aufzustellen und abzulehnen, geheime Wahl, Freiheit der Kritik und Selbstkritik - alle diese und ähnliche Maßnahmen müssen unter anderem auch deshalb durchgeführt werden, um die Überprüfung und Kontrolle der Führer der Partei durch die Parteimassen zu erleichtern.

Die parteilosen Massen überprüfen die führenden Wirtschafts-, Gewerkschafts- und übrigen Funktionäre in Aktivversammlungen der Parteilosen, in Massenberatungen jeder Art, wo sie die Rechenschaftsberichte der führenden Funktionäre entgegennehmen, Mängel kritisieren und Wege zu ihrer Behebung aufzeigen.

Schließlich überprüft das Volk die Führer des Landes bei den Wahlen zu den Machtorganen der Sowjetunion durch die allgemeine, gleiche, direkte und geheime Abstimmung.

Die Aufgabe besteht darin, die Kontrolle von oben mit der Kontrolle von unten zu vereinigen.

58. Die drei großen Prozesse - ab August 1936 - Anfang 1937 - ab März 1938

[aus: RGW-Kommission des KB/Hamburg (Hg.): Texte zur Stalinfrage, Hamburg 1979, S. 51 - 58]

1. Das ´Vereinigte trotzkistisch-sinowjewistische Zentrum´

Am 19. August 1936 begann ein Prozeß gegen sechzehn Angeklagte;
die Anklageschrift umfaßte folgende Vorwürfe:
"
  1. daß in der Periode 1932 - 1936 in Moskau ein vereinigtes trotzkistisch-sinowjewistisches Zentrum organisiert wurde, das sich die Verübung einer Reihe von Terrorakten gegen die Führer der KPdSU (B) und der Sowjetregierung zur Aufgabe machte, um die Macht an sich zu reißen;
  2. daß diesem vereinigten trotzkistisch-sinowjewistischen Zentrum aus der Zahl der in der vorliegenden Strafsache als Angeklagte zur Verantwortung Gezogenen angehört haben: von den Sinowjewleuten G.J. Sinowjew, L.S. Kamenew, G.J. Jewdokimow, I.P. Bakajew und von den Trotzkisten T.N. Smirnow, W.A. Ter-Waganjan und S.W. Mratschkowski;
  3. daß das vereinigte trotzkistisch-sinowjewistische Zentrum in dieser Zeit eine Reihe von terrroristischen Gruppen organisiert und eine Reihe praktischer Maßnahmen zur Ermordung der Genossen Stalin, Woroschilow, Shdanow, Kaganowitsch, Kirow, Kosior, Ordshonikidse und Postyschew vorbereitet hat;
  4. daß von einer dieser terroristischen Gruppen, die auf direkte Weisungen Sinowjews und L. Trotzkis so wie des vereinigten trotzkistisch-sinowjewistischen Zentrums und unter der unmittelbaren Leitung des Angeklagten Bakajew gehandelt haben, am 1. Dezember 1934 der niederträchtige Mord an dem Genossen S.M. Kirow verübt wurde.
"
()*58.10


Neben den unter 2. Aufgeführten waren in diesem Prozeß angeklagt:
J.A. Dreitzer, V.P. Olberg, Fritz David (I.I. Krugljanski), E.S. Golzman, R.W. Pikel, I.I. Reingold, K.B. German-Jurin, M.I. Lourie und N.L. Lourie.

Dem Antrag des Staatsanwalts der UdSSR, A.J. Wyschinski, folgend, werden alle Angeklagten nach viertägiger Verhandlung zum Tode verurteilt. Die "tollwütigen Kettenhunde des Kapitalismus" und "geschworenen Feinde der Sowjetunion" werden unmittelbar nach der Urteilsverkündung hingerichtet.

Zur Verdeutlichung der Problematik und der Dimension dieses, wie auch der folgenden Prozesse muß auf jeweils einige der Angeklagten näher eingegangen werden.

G.J. Sinowjew war Mitglied der Sozialdemokratischen Partei seit 1899, Mitglied des Zentralkomitees von 1907 - 1929, nach der Revolution Vorsitzender des Petrograder Stadtsowjets. 1919 - 1926 Vorsitzender der Kommunistischen Internationale; zwischen 1927 und 1934 insgesamt dreimal aus der Partei ausgeschlossen wegen Linksabweichung bzw. Zusammenarbeit mit der trotzkistischen Opposition.

L.B. Kamenew, Mitglied seit 1901, 1917 Mitglied des ZK, 1919 - 1925 Mitglied des Politbüros, 1918 - 1926 Vorsitzender des Moskauer Stadtsowjets, 1926 - 1927 Volkskommissar für Innen- und Außenhandel; 1927 und 1932 aus der Partei ausgeschlossen.

Auch Jewdokimow, Smirnow, Bakajew, Ter-Waganjan und Mratschkowski waren Parteimitglieder seit Beginn des Jahrhunderts und hatten nach der Revolution in der Partei und in der Roten Armee verantwortliche Posten eingenommen.

Alle Angeklagten, mit zeitweiliger Ausnahme von Smirnow, hatten im Prozeß die gegen sie erhobenen Beschuldigungen "bestätigt" und die geplanten Verbrechen "zugegeben". Dagegen waren im Verlauf des fünftägigen Prozesses von der Anklage so gut wie keine konkreten und nachprüfbaren Beweise für die Schuld der Angeklagten vorgelegt worden.*58.11

In seiner Schlußrede sagte Ankläger Wyschinski:
"Diese tollen Hunde des Kapitalismus wollten unser Land zerstückeln und ihm die allerbesten Gebiete entreißen. Sie töteten einen unserer beliebtesten Revolutionsmänner, diesen bewundernswerten und wunderbaren Menschen, dessen Lächeln immer so strahlend und froh war, wie unser neues Leben strahlend und froh ist. Sie töteten unseren Kirow, sie fügten uns selbst eine Wunde nahe an unserem Herzen zu ... Der Feind ist verschlagen, ein verschlagener Feind darf nicht geschont werden ... Unser ganzes Volk bebt vor Empörung, und namens der Staatsanwaltschaft vereine ich meine zornige und empörte Stimme mit den Donnerstimmen von Millionen ... Ich fordere, daß man die tollwütigen Hunde erschießt, jeden von ihnen!" ()*58.12
In ihren Schlußworten bezichtigten sich die Angeklagten noch einmal selbst ihrer Schuld:
Kamenew sagte:
"Wir sitzen hier Seite an Seite mit den Agenten ausländischer Geheimpolizeiabteilungen. Wir kämpften mit dem gleichen Rüstzeug, unsere Waffen verbanden sich miteinander, bevor sich hier auf der Anklagebank unsere Schicksale miteinander verbanden. Wir haben dem Faschismus gedient, wir haben die Konterrevolution gegen den Sozialismus organisiert."
Sinowjew ergänzte:
"Ich trage gleich Trotzki die Schuld an der Organisation des trotzkistisch-sinowjewistischen Blocks, der sich das Ziel setzte, Stalin, Woroschilow und andere Führer zu ermorden ... Ich bekenne mich schuldig, der Hauptorganisator der Ermordung Kirows gewesen zu sein.
Meine Abtrünnigkeit vom Bolschewismus verwandelte sich in Antibolschewismus und durch den Trotzkismus langte ich beim Faschismus an."
()*58.13
In allen Schlußworten der Angeklagten wie auch in der abschließenden Rede Wyschinskis wurde Trotzki als das eigentliche Oberhaupt der Verschwörung, als direkter Organisator und Leiter von "konterrevolutionären, terroristischen, faschistischen" Aktionen gegen die UdSSR und die Führer der KPdSU (B) dargestellt.

2. Das ´Parallelzentrum´

Ein zweiter großer Prozeß fand Anfang 1937 statt.
Angeklagt waren:
J.L. Pjatakow, K.B. Radek, G.J. Sokolnikow, L.P. Serebrjakow,
N. I. Muralow, J.A. Liwschitz, WN. Drobnis, M.S. Boguslawski, I.A. Knjasew,
S.A. Rataitschak, B.O. Norkin, A.A. Schestow, M.S. Stroilow, J.D. Turok,
I.J. Hrasche, G.J. Puschin und V.W. Arnold;

Die Anklage ging davon aus,
"
  1. daß auf Weisung L.D. Trotzkis im Jahre 1933 ein Parallelzentrum organisiert wurde, bestehend aus den in der vorliegenden Strafsache Angeklagten Pjatakow, Radek, Sokolnikaw und Serebrjakow, dessen Aufgabe die Leitung der verbrecherischen sowjetfeindlichen Spionage-, Diversions- und Terrortätigkeit war, die abzielte auf Untergrabung der militärischen Macht der UdSSR, Beschleunigung eines Kriegsüberfalls auf die UdSSR, Hilfeleistung an fremdländische Aggressoren bei der Besitzergreifung von Territorien und Zerstückelung der UdSSR, Sturz der Sowjetmacht und Wiederherstellung des Kapitalismus und der Macht der Bourgeoisie in der Sowjetunion;
  2. daß im Auftrag desselben L.D. Trotzki dieses Zentrum durch die Angeklagten Sokolnikow und Radek in Beziehungen zu Vertretern gewisser auswärtiger Staaten trat zwecks Organisation des gemeinsamen Kampfes gegen die Sowjetunion, wobei das trotzkistische Zentrum sich verpflichtete, im Falle seines Machtantritts diesen Staaten eine ganze Reihe politischer und wirtschaftlicher Vergünstigungen und Gebietsabtretungen zu gewähren;
  3. daß gleichzeitig dieses Zentrum durch seine Mitglieder und andere Teilnehmer der verbrecherischen trotzkistischen Organisation systematisch Spionage zugunsten dieser Staaten betrieb, indem es den Spionagediensten fremder Staaten geheime Informationen von größter staatlicher Bedeutung auslieferte;
  4. daß zum Zwecke der Untergrabung der wirtschaftlichen Macht und Wehrfähgikeit der UdSSR von diesem Zentrum in einigen Betrieben und im Eisenbahnwesen eine Reihe von Schädlings- und Diversionsakten organisiert und verübt wurden, die Opfer an Menschenleben und Vernichtung wertvollen Staatsgutes zur Folge hatten;
  5. daß dieses Zentrum eine Reihe von terroristischen Akten gegen die Führer der Kommunistischen Partei der Sowjetunion und der Sowjetregierung vorbereitete, wobei Versuche unternommen wurden, diese Akte auszuführen.
"
()*58.14
Gemeint waren mit dieser Anklage In ihrem Schlußwort vor der Urteilsverkündung "bekannten" sich insbesondere Pjatakow und Radek noch einmal aller ihnen vorgeworfenen Verbrechen "schuldig", Von den 17 Angeklagten wurden 13 zum Tod durch Erschießen verurteilt und hingerichtet; Sokolnikow, Radek, Arnold und Stroilow erhielten Gefängnisstrafen zwischen 8 und 10 Jahren. Sokolnikow starb in der Haft; über das Schicksal Radeks ist nichts bekannt, er gilt seit 1939 als "verschwunden".

J.L. Pjatakow war Parteimitglied seit 1910; nach der Oktoberrevolution Stellvertretender Vorsitzender des GOS-Plans (oberste staatliche PIanungsbehörde) und des Allrussischen Volkswirtschaftsrates; später u.a. Vorsitzender der Staatsbank und Stellvertretender Volkskommissar für die Schwerindustrie. 1927 und 1936 aus der Partei ausgeschlossen.

Radek war seit 1903 in Polen und Deutschland als Agitator tätig und arbeitete 1918 an der Organisierung der KPD mit; seit 1920 nahm er leitende Funktionen in der Komintern ein; 1927 und 1936 aus der Partei ausgeschlossen.

Sokolnikow, seit 1905 in der Partei, war 1917 u.a. Redaktionsmitglied der Prawda; nach der Revolution Volkskommissar für Finanzen, Stellvertretender Vorsitzender des GOS-Plans und Stellvertretender Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten.

3. Der ´Block der Rechten und Trotzkisten´


Am 2. März 1938 begann ein dritter Prozeß gegen 21 Angeklagte:
N.I. Bucharin, A.I. Rykow, G.G. Jagoda, N.N. Krestinski, Ch.G. Rakowski,
A.P. Rosengolz, W.I. Iwanow, M.A. Tschernow, G.F. Grinko, I.A. Selenski,
S.A. Bessonow, A. Ikramow, F. Chodshajew, W.F. Scharangowitsch,
Pl. Subarew, P.P. Bulanow, L.G. Lewin, D.D. Pletnjow, I.N. Kasakow,
W.A. Maximow-Dikokski und P.P. Krjutschkow.

Die Anklagepunkte umfaßten:
"
  1. In den Jahren 1932 - 1933 wurde im Auftrage der Spionagedienste der UdSSR feindlichen Staaten von den in der vorliegenden Strafsache Angeklagten eine Verschwörergruppe unter dem Namen ‚Block der Rechten und Trotzkisten‘ gebildet, die sich zum Ziele setzte, Spionage zugunsten auswärtiger Staaten, Schädlingstätigkeit, Diversionen, Terrorakte, Untergrabung der Wehrkraft der UdSSR, Provozierung eines militärischen Überfalls dieser Staaten auf die UdSSR, Niederlage der UdSSR, Zerstückelung der UdSSR und Lostrennung der Ukraine, Bjelorußlands, der Mittelasiatischen Republiken, Georgiens, Armeniens, Aserbaidschans und des Fernöstlichen Küstengebiets (Primorje) zugunsten der erwähnten auswärtigen Staaten, endlich Sturz der in der UdSSR bestehenden sozialistischen Gesellschafts- und Staatsordnung und Wiederherstellung des Kapitalismus und der Macht der Bourgeoisie in der UdSSR.
  2. Der ‚Block der Rechten und Trotzkisten‘ ist mit einigen auswärtigen Staaten in Verbindung getreten, um von ihnen bewaffnete Hilfe zur Verwirklichung seiner verbrecherischen Absichten zu erhalten.
  3. Der ‚Block der Rechten und Trotzkisten‘ hat systematisch zugunsten dieser Staaten Spionage getrieben, indem er den ausländischen Spionagediensten wichtigste staatliche Geheiminformationen lieferte.
  4. Der ‚Block der Rechten und Trotzkisten‘ hat in verschiedenen Zweigen des sozialistischen Aufbaus (Industrie, Landwirtschaft, Eisenbahnverkehr, Finanzen, Kommunalwirtschaft usw.) systematisch Schädlings- und Diversionsakte durchgeführt.
  5. Der ‚Block der Rechten und Trotzkisten‘ hat eine Reihe terroristischer Akte gegen die Führer der KPdSU (B) und der Sowjetunion organisiert und Terrorakte gegen S. M. Kirow, W R. Menshinski, W. W Kuibyschew, A.M. Gorki durchgeführt.
Sämtliche Angeklagten sind überführt (...) und haben sich in vollem Umfange der gegen sie erhobenen Anklagen für schuldig bekannt."
()*58.17
In seiner Anklagerede führte Staatsanwalt Wyschinski unter anderem aus:
"Er (Bucharin - d. Verf.) hält es aber nicht aus und beendet sein wissenschaftlich-fiebertolles Gestammel mit dem Geständnis: ‚Wir haben uns alle in erbitterte Konterrevolutionäre, in Verräter an der sozialistischen Heimat verwandelt, wir haben uns in Spione, Terroristen, Restauratoren des Kapitalismus verwandelt, wir gingen auf Verrat, Verbrechen, Landesverrat aus ... Wir verwandelten uns in einen Aufstandstrupp, organisierten terroristische Gruppen, befaßten uns mit Schädlingsarbeit, wollten die .. Sowjetmacht des Proletariats stürzen.
Bucharin hätte dem hinzufügen sollen: ‚Wir haben uns in eine Polizeiabteilung des japanisch-deutschen Spionagedienstes verwandelt, wir haben uns in schamlose Verschacherer unserer Heimat verwandelt.‘
Der Block - das ist eine Agentur der ausländischen Spionagedienste."
()*58.18
In seinem Schlußwort wiederholte Bucharin sein Geständnis bezüglich Gleichzeitig wies er aber auf viele Widersprüche in der Anklage hin und wies eine Reihe von Anklagepunkten zurück, so die Behauptung, der "Block" sei im Auftrage des faschistischen Spionagedienstes organisiert worden.*58.19

18 der 21 Angeklagten wurden am 13. März zum Tode verurteilt, Pletnow zu 25 Jahren, Rakowski und Bessonow zu je 15 Jahren Gefängnis.

In seinem Geständnis machte Krestinski u.a. die Angabe, Bucharin hatte zusammen mit Lenin in Wien und Moskau die Prawda herausgegeben; seit 1918 war er Mitglied des Zentralkomitees, von 1924 - 1928 Mitglied des Politbüros; 1926 - 1929 außerdem Vorsitzender der Komintern; 1929 wurde er wegen Rechtsabweichung aus der Partei ausgeschlossen, aber wieder aufgenommen.

Rykow war Mitglied des Politbüros von 1924 - 1929, in der gleichen Zeit Vorsitzender des Rates der Volkskommissare und Vorsitzender des Obersten Volkswirtschaftsrates.1930 wegen Rechtsabweichung aus der Partei ausgeschlossen, aber im selben Jahr wieder aufgenommen, war er 1930 - 1936 Volkskommissar für das Post- und Fernmeldewesen. 1937 wurde er erneut ausgeschlossen.

Jagoda war seit 1924 Stellvertretender Vorsitzender der Tscheka ("Sonderkommission" - Geheimpolizei im Innenministerium), seit 1934 Volkskommissar für Inneres und hatte in dieser Eigenschaft noch die ersten Moskauer Prozesse von 1936 durchgeführt; nach seiner Absetzung war er 1937 Volkskommissar für das Post- und Fernmeldewesen; 1938 wurde er selbst des Mordes an Kirow angeklagt, für den 1936 bereits Kamenew und Sinowjew verurteilt worden waren.

Krestinski, Parteimitglied seit 1903, war nach der Oktoberrevolution Sekretär des ZK der Russischen Kommunistischen Partei, Botschafter der UdSSR in Berlin und Stellvertretender Volkskommissar für Äußeres. 1937 wurde er aus der Partei ausgeschlossen;

Rakowski hatte nach der Oktoberrevolution verschiedene hohe Funktionen in der Partei und im Staatsapparat; 1927 aus der Partei ausgeschlossen, 1935 wieder aufgenommen. Nach seiner Verurteilung 1938 starb er 1941 im Gefängnis.


Anmerkungen(aus Gründen eindeutiger Zuweisung innerhalb dieses html-files ist die Originalfussnotennumerierung indiziert durch die Kapitelnummer (hier 58.)):
*58.10
Th. Pirker (Hrsg.), Die Moskauer Schauprozesse 1936 - 1938. München 1963.

*58.11
I. Deutscher. Trotzki III - Der verstoßene Prophet. Stuttgart. Berlin, Köln, Mainz 1972. S. 314 f.

*58.12
ebd., S. 314.

*58.13
alle Zit. nach Deutscher, a.a.O., S. 313 1.

*58.14
Pirker, a.a.0., S. 155 1.

*58.15
Medwedew, a.a.O., S. 183

*58.16
Pirker,a.a.O., S. 176 - 191

*58.17
a.a.O.,S. 207 f.

*58.18
a.a.O., S. 214 f.

*58.19
a.a.O., S. 226 - 241


59. Dokument 41: Hermann Weber: Die kommunistischen Opfer der Stalinschen Säuberungen in der Sowjetunion 1936 - 1938

[aus: Ders.: "Weiße Flecken in der Geschichte". Die KPD-Opfer der Stalinschen Säuberungen und ihre Rehabilitierung, Frankfurt/Main 1989, S. 11 - 16]


1. Kapitel

Die Säuberungen

Die Stalinschen Säuberungen in der Sowjetunion

Die Ermordung deutscher Kommunisten im sowjetischen Exil ist nur in Zusammenhang mit den Stalinschen "Säuberungen" zu verstehen. Diese haben in der UdSSR zwischen 1936 und 1938 unzählige Opfer unter den sowjetischen Kommunisten gefordert, aber sie haben auch ausländische Kommunisten schwer getroffen. Die Säuberungen sind in der kritischen Literatur vielfach dargestellt worden. Seit den Rehabilitierungen werden sie nun zunehmend auch von der sowjetischen Geschichtsschreibung thematisiert.*59.1 Dabei stellte sich heraus, daß in den Stalinschen Säuberungen nicht nur über eine Million sowjetische Kommunisten ermordet wurden, sondern darüber hinaus breite Schichten der Bevölkerung. Jetzt haben die sowjetischen Historiker den Massenmord in Kuropaty (Belorußland) aufgedeckt, dem mindestens 100.000 Menschen zum Opfer fielen, die meist ohne Gerichtsverfahren umgebracht wurden. Heute beschreiben sowjetische Zeugen die unsäglichen Methoden:
"Die Exekutionen erfolgten ebenfalls gruppenweise, jedoch nicht mit Genickschüssen. Die Opfer wurden in einer Front vor der Grube aufgestellt, jeder bekam einen Pfropfen in den Mund, der mit einem Lappen zugebunden wurde. Dann wurde aus dem Gewehr auf den Kopf der Person ‚an der Flanke‘ so geschossen, daß die Kugel zwei Menschen zugleich durchbohrte - - - Sie sparten Patronen."
Die meisten der Ermordeten waren einfache Leute, sie wurden offenbar "liquidiert", um das vorgegebene "Soll" an "Volksfeinden" zu "erfüllen". Von dieser ungeheuerlichen Seite der Säuberungen und dem dafür verantwortlichen Stalinismus distanziert sich jetzt ein sowjetischer Autor mit der Forderung:
"Jeder anständige Mensch sollte den Stalinismus, diese widerwärtige, verlogene, bestialische und volksfeindliche Erscheinung bekämpfen." ()*59.2
Die Zahl der im "Gulag" Inhaftierten jener Zeit wird auf über 10 Millionen geschätzt; da es Sippenhaft gab, waren auch die Familienangehörigen der Verhafteten von Repressalien betroffen. Die Säuberungen von 1936 bis 1938 (denen 1949 und nochmals 1952/53 Säuberungen folgten, die nach Stalins Tod im März 1953 schließlich abgebrochen wurden) verursachten einen Aderlaß der sowjetischen Kommunistischen Partei und darüber hinaus - was hier thematisiert werden soll - ausländischer Kommunisten.

Von den in Revolution und Bürgerkrieg führenden sowjetischen Kommunisten wurden die bekanntesten in der Säuberung 1936 bis 1938 verhaftet und ermordet. In drei großen, spektakulären "Schauprozessen" wurden über 50 maßgebliche Führer des Sowjetkommunismus vor Gericht gestellt: im August 1936 Sinowjew, der erste Vorsitzende der Komintern, Kamenew, der Stellvertreter Lenins als Regierungschef und weitere 14 Parteifunktionäre. Im Januar 1937 folgte der zweite Schauprozeß gegen ehemalige Politbüro- und ZK-Mitglieder wie Jun Pjatakow, Karl Radek (der lange Zeit die deutschen Kommunisten anleitete) und L. Serebrjakow sowie weitere führende Kommunisten. Schließlich standen im März 1938 21 Angeklagte vor Gericht, darunter der Parteitheoretiker und Nachfolger Sinowjews als Komintern-Vorsitzender Nikolai Bucharin (von Lenin einst "Liebling der Partei" genannt), Christian Rakowski, Führer der ukrainischen Sowjetrepublik, G. G. Jagoda, bis 1936 Leiter der Geheimpolizei und N. N. Krestinski, der einzige, der sich zunächst weigerte, ein Geständnis abzulegen.
Für die Beschuldigungen wurden in den Schauprozessen keinerlei Beweise erbracht, zur Verurteilung genügten allein die absurden Geständnisse der Angeklagten. Ausgerechnet die Führer der Revolution von 1917, die die Sowjetunion begründeten, "gestanden" nun, sie wollten den Sowjetstaat abschaffen, den Kapitalismus restaurieren.
Daß diese Geständnisse mit Folter und psychischem Terror erpreßt wurden, ist durch offizielle Rehabilitierungen der Verurteilten 1988 offengelegt. Inzwischen kritisiert die sowjetische Geschichtsschreibung sowohl körperliche als auch seelische Foltern, betont aber zugleich:
"Allerdings gab es auch Angeklagte, die der menschlichen Natur trotzten und durch nichts in die Knie zu zwingen waren. Laut Gerichtsakten wurden zum Prozeß Pjatakow-Radek 36 Fälle bearbeitet, von denen jedoch nur 19 verhandelt wurden. Ob wir die Namen der Unerschütterlichen je erfahren?" ()*59.3
Die Parteiführer, die erschossen wurden, mußten zuvor in den Tribunalen erniedrigende Beschimpfungen über sich ergehen lassen. Und zwar vom Hauptankläger Wyschinski. Dieser hatte bezeichnenderweise 1917 noch die Menschewiki unterstützt und damals sogar einen Haftbefehl gegen Lenin unterschrieben. Wyschinski 1936: "Ich fordere, daß diese tollgewordenen Hunde allesamt erschossen werden."

Neben den Schauprozessen fanden zahlreiche Prozesse unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt, so gegen Tuchatschewski und die Armeeführung im Juni 1937 und gegen die Altbolschewiki Jenukidse, Karachen u. a. im Dezember 1937. Ebenso gab es ungezählte Prozesse gegen regionale und lokale Parteichefs, aber auch Mitglieder in der Provinz. Noch größer war die Zahl der Parteiführer, die stillschweigend erschossen wurden, weil sie sich geweigert hatten, Geständnisse abzulegen. Die Folgen der Stalinschen Säuberungen von 1936 bis 1938 waren verheerend. Da eine Million Mitglieder der KPdSU verhaftet wurden und fast alle ums Leben kamen - wie der Sowjethistoriker Medwedjew berichtet - ist die Säuberung zur größten Kommunistenverfolgung aller Zeiten geworden. Vor allem aber vernichtete Stalins Geheimpolizei die alte Garde des Bolschewismus, das gesamte Führungskorps aus der Revolutionszeit.

Zu Lenins Lebzeiten waren neben ihm folgende KP-Führer Mitglied des Politbüros: Swerdlow, er starb 1919; Bucharin, Kamenew, Krestinski, Rykow, Sinowjew und Serebrjakow, alle wurden in Schauprozessen verurteilt; Preobraschenski, ihn liquidierte das NKWD stillschweigend als "Volksfeind"; Tomski beging Selbstmord, und Trotzki wurde ermordet. Der einzige, der überlebte, war Stalin.

Dem Zentralkomitee gehörten in der für das Bestehen der Sowjetmacht entscheidenden Periode zwischen 1919 und 1921 insgesamt 25 Personen an. Davon starben vier vor den Säuberungen: Lenin, Dzierzynski, Artem und Stutschkz. Zwei verloren allen Einfluß: Muranow und Stassowa. Allein zehn wurden in Schauprozessen verurteilt und hingerichtet: Sinowjew, Kamenew, Jewdokimow, I. N. Smirnow, Radek, Serebrjakow, Bucharin, Rykow, Rakowski und Krestinski. Vier wurden ohne öffentlichen Prozeß als "Volksfeinde" erschossen: Beloborodow, Preobraschenski, Rudsutak und Smilga. Tomski verübte Selbstmord, Trotzki wurde ermordet. Damit überlebten außer Stalin nur Andrejew und Kalinin die Säuberungen unbeschadet.

Von den 32 Mitgliedern des Politbüros zwischen 1919 und 1938 fielen nicht weniger als 17 der Säuberung zum Opfer. Die Schreckensbilanz ergibt weiter 40 Mitglieder des Zentralkomitees der KPdSU wurden liquidiert, 18 frühere Volkskommissare (d. h. Regierungsmitglieder), 16 Botschafter und Gesandte, fast sämtliche Vorsitzende der einzelnen Republiken wurden erschossen oder kamen in der Verbannung in Sibirien um. Auch in der sowjetischen Armee wütete die Säuberung. Ihr fielen beinahe alle 80 Mitglieder des 1934 geschaffenen Obersten Kriegsrates und vermutlich 40.000 höhere Offiziere zum Opfer. Allein aus dem höheren Offizierskorps verschwanden: drei von fünf Marschällen (Tuchatschewski, Blücher, Jegorow), sowie 13 von 15 Armeekommandeuren. Sämtliche Befehlshaber der Marine wurden erschossen. Die Folgen dieser Dezimierung der Armeeführung 1937/38 bekam die Sowjetunion beim Überfall durch Hitler-Deutschland zu verspüren.

Doch selbst diejenigen Kommunisten, die Stalin zur Macht gebracht und immer treu zu ihm gestanden hatten, gerieten in die Mühlen der Säuberungen. Chruschtschow gab 1956 bekannt, daß von den Mitgliedern des ZK, das der XVII. Parteitag der KPdSU 1934 wählte, 70 Prozent "verhaftet und liquidiert wurden" und auch von den fast 2.000 Delegierten 1.108 Personen, also über die Hälfte, "unter der Beschuldigung gegenrevolutionärer Verbrechen verhaftet" wurden.

Terror und Gewalt nahmen 1938 unvorstellbare Formen an. Niemand, bis in die höchsten Spitzen des Staates und der Partei hinein, war davor sicher, Opfer Stalins, Jeschows und des NKWD zu werden. Der Kommunistenführer Barmine, zuletzt sowjetischer Gesandter in Athen, äußerte sich unmißverständlich:
"Es war nicht die Liquidierung einer Verschwörung, es war nicht der Versuch feindlicher Parteien, es war nicht die Unterdrückung einer Opposition. Es war die systematische Vernichtung all jener, die mit ihrem klaren Verständnis der sozialistischen Sache gedient hatten und sich der kaltblütigen Verwandlung ihres Staates in einen totalitären Sklavenstaat widersetzten. Es war eine Gegenrevolution." ()*59.4
Im März 1939 trat der XVIII. Parteitag der KPdSU zusammen, und Stalin verkündete nach der Säuberung, daß der "Sozialismus" nun endgültig aufgebaut sei. Die KPdSU zählte noch 1.600.000 Mitglieder, 300.000 weniger als vor der Säuberung (Mitglieder und Kandidaten zusammen gingen von 2,8 Millionen auf 2,47 Millionen zurück).*59.5 Nur etwa 20.000 Veteranen aus der Zeit vor 1918 waren 1939 übriggeblieben. Da die Partei 1918 immerhin 270.000 Mitglieder gezählt und es sich dabei meist um junge Menschen gehandelt hatte, muß der größte Teil der Altkommunisten bei den Stalinschen Säuberungen ausgeschlossen oder ermordet worden sein. 130.000 Mitglieder der Partei waren 1939 seit dem Jahre 1920 in der KP. Damals aber zählte die Kommunistische Partei 730.000 Mitglieder. Auch der Großteil dieser 600.000 Kommunisten ist wohl Stalin zum Opfer gefallen.*59.6 Innerhalb von 15 Jahren, zwischen 1923 und 1938, wurden nicht weniger als 2,5 Millionen Mitglieder aus der KPdSU ausgeschlossen.

Die Säuberung stellte den folgenschwersten Einschnitt in der Sowjetgeschichte dar. Sie zog einen Schlußstrich unter die gesellschaftliche Entwicklung, die seit den zwanziger Jahren zur Herrschaft der Apparate, der hauptamtlichen Bürokratie unter Stalin geführt hatte. Nun wurden alle die Kräfte beseitigt, die durch ihre Verbundenheit mit der revolutionären Tradition der neuen Herrschaft gefährlich werden konnten.

Zugleich bildete die Säuberung den Ausgangspunkt zu einem neuen System. Schließlich steigerte sich die absolute Macht Stalins zu einer despotischen Willkürherrschaft, die erst nach seinem Tod 1953 und mit den ersten Schritten der Entstalinisierung unter Chruschtschow ab 1956 endete.


Anmerkungen (aus Gründen eindeutiger Zuweisung innerhalb dieses html-files ist die Originalfussnotennumerierung indiziert durch die Kapitelnummer (hier 59.)):
*59.1
Vgl. u. a. Roy Medwedew, Die Wahrheit ist unsere Stärke. Geschichte und Folgen des Stalinismus. Frankfurt 1973.
- Hermann Weber, Stalinismus. Zum Problem der Gewalt in der Stalin Ära, in R. Crusius und M. Wilke (Hrsg.), Der X. Parteitag und seine Folgen. Frankfurt 1977
- Robert Conquest, Am Anfang starb Genosse Kirow, Düsseldorf 1970.
- Jod Carmichael, Säuberungen, Berlin (West) 1972.
- Boris Lewytzkyi, Vom roten Terror zur sozialistischen Gesetzlichkeit, München 1961.
- Zum Sinowjew-Prozeß vgl. Leo Sedow, Rotbuch über den Moskauer Prozeß 1936. Trotzkis Sohn klagt an. 4. Aufl. ISP-Verlag, Frankfurt 1988.'

*59.2
2 „Moskau News, Nr. II, November 1988, S. 18.

*59.3
J. Ambsrzumov, Die Opfer der Moskauer Schauprozesse sind rehabilitiert. in: Moskau News, Nr.8, August 1988, S. 10.

*59.4
A. Barmine, Einer der entkam. Wien o. J. (1947). S. 453.

*59.5
Die Kommunistische Partei der Sovjetunion (KPdSU). Berlin(Ost) 1958, S. 90.

*59.6
Vgl. Wolfgang Leonhard, Schein und Wirklichkeit in der Sowjetunion, Berlin (West) 1952, S. 65 f. - Vgl. auch Roy Medwedew, Wo blieb die erste Million verbluteter Kommunisten? ..Arcbipel Gulag II. in: Rudi Dutschke/Manfred Wilke (Hrsg.). Die Sovjetunion, Solschenizyn und die westliche Linke. Reinbek b. Hamburg, 1975, S. 226 ff.

*59.7
-


60. Die Entwicklung des Repressionsapparates in der UdSSR

1. 1917 - 1923: Von der Tscheka zur OGPU

Am 20. Dezember 1917 bildete der Rat der Volkskommissare die "Allrussische Außerordentliche Kommission" (Tscheka). Zu ihrer wesentlichen Aufgabe gehörte
"die Verfolgung und Bestrafung aller Akte der Konterrevolution und Sabotage in ganz Rußland ungeachtet ihrer Ursachen." ()*60.2
"Glaubt nicht, daß es mir um formales revolutionäres Recht zu tun ist. Wir brauchen jetzt keine Justiz. Was wir brauchen ist Kampf bis aufs Messer. Ich beantrage, ich fordere die Schaffung des revolutionären Schwertes, das alle Konterrevolutionäre vernichten soll. Wir müssen handeln, nicht morgen, sondern heute - sofort." ()*60.3
Als die deutschen Truppen am 23. Februar 1918 ihre militärische Offensive begannen, erließ der Rat der Volkskommissare ein Manifest, daß
"Agenten der Spekulanten, Schieber, konterrevolutionäre Agitatoren und deutsche Spione umgehend zu erschießen seien." ()*60.4
Dieses Frühjahr 1918 drohte des Ende der noch jungen Sowjetmacht einzuläuten: M. Latsis, einer der Stellvertreter Dsershinskis, schrieb dazu später:
"Das Leben hatte es notwendig gemacht, sich durch revolutionäre Mittel das Recht zur unverzüglichen Hinrichtung anzueignen. Genosse Dsershinski hatte einen von dem Erlaß nicht vorgesehenen Schritt unternommen, den niemand autorisiert hatte. (Lenin) erkannte, daß Genosse Dsershinski recht hatte. Man kann sich nicht gegen das Leben stellen. Auf diese Weise legalisierte das Leben selbst das Recht der Tscheka zu unverzüglichen Hinrichtungen." ()*60.5
Der Sowjet des Ersten Stadtbezirks von Petrograd verabschiedete eine Resolution, in der es u.a. hieß:
"Die Versammlung begrüßt die Tatsache, daß Massenterror gegen die Weißgardisten und die höheren Bourgeois-Klassen angewandt wird..." ()*60.7
Am 5.9. 1918 beschloß der Rat der Volkskommissare den Erlaß "Über den Roten Terror", der die Tscheka ermächtigte, Eine Instruktion vom 17. September 1918 ermächtigte die Tscheka
"ohne Überstellung an die Revolutionären Tribunale zu verurteilen und hinzurichten." ()*60.8
Es häufte sich die Kritik gegenüber den Massenerschießungen und Übergriffen (einschließlich Folterungen) der Tscheka, selbst durch alte, kampferprobte Revolutionäre wie L. Krassin (Volkskommissar für Außenhandel). In einem Brief vom 23. September 1918 schrieb er:
"Nach der Ermordung Uritzkijs und dem Attentat auf Lenin machten wir eine Zeit eines sogenannten ‚Terrors‘ durch, eine der ekelhaftesten Manifestationen der Neo-Bolschewiken. Ungefähr sechs- bis siebenhundert Personen wurden in Moskau und Petrograd erschossen, nachdem neun Zehntel von ihnen aufs Geradewohl verhaftet worden waren, oder auf den Verdacht hin, Rechts-Sozialrevolutionäre zu sein. In der Provinz erfolgten daraufhin eine Reihe von empörenden Zwischenfällen, wie Verhaftungen und Massenhinrichtungen." ()*60.9
Lenin sah sich veranlaßt zu diesen Kritiken Stellung zu nehmen.
"Wenn ich die Taten der Tscheka betrachte und gleichzeitig die abfällige Kritik darüber höre, muß ich sagen, das ist alles müßiges Geschwätz der Kleinbürger. ... Es ist sehr gut möglich, daß unerwünschte Elemente in die Tscheka gekommen sind. Wir werden sie durch Selbstkritik wieder vertreiben." ()*60.10
Lenin:
"Martow, Wolski und Co. wähnen sich ‚über‘ den beiden kämpfenden Parteien zu stehen, wähnen, eine ‚dritte‘ Partei bilden zu können. ... Das ist ihre Sache. Unsere Sache aber ist es, daran zu denken, daß es in der Praxis unvermeidlich ist, daß solche Leute heute zu Denikin hin, morgen zu den Bolschewiki schwanken. Und heute muß die Arbeit des heutigen Tages gemacht werden. Unsere Sache ist es, die Fragen offen zu stellen: Was ist besser? Hunderte von Verrätern unter den Kadetten, Parteilosen, Menschewiki, Sozialrevolutionären, die (der eine mit der Waffe in der Hand, der andere auf dem Wege der Verschwörung oder durch Agitation gegen die Mobilmachung, wie die menschewistischen Drucker oder Eisenbahner usw.) gegen die Sowjetmacht, das heißt für Denikin, aufzutreten, einzufangen und ins Gefängnis zu stecken, manchmal sogar zu erschießen? Oder es dahin kommen zulassen, daß es Koltschak und Denikin gestattet wird, Zehntausende von Arbeitern und Bauern zu erschlagen, zu erschießen, zu Tode zu prügeln? Die Wahl ist nicht schwer.
So und nur so ist die Frage gestellt."
()*60.11
Eine Truppe der aufrechtesten Revolutionäre mit politisch hohem Bewußtsein scheint die Tscheka nicht gewesen zu sein, denn 1921 stellte Latsis fest, daß die Tscheka Anziehungspunkt für
"Schwindler und verbrecherisches Gesindel geworden ist, das sich des Titels ‚Beauftragter der Tscheka‘ bedient, um zu erpressen und sich die Taschen zu füllen." ()*60.14
Nach Beendigung des Bürgerkrieges und mit dem Eintreten in die Phase des Wiederaufbaus und der NEP "drängte die Führung der Tscheka darauf, daß die Gefängnisse und Lager geleert wurden". In einer Verordnung vom 8. Januar 1921 wird zugegeben:
"Die Gefängnisse sind überfüllt, aber nicht etwa mit Bürgerlichen, sondern zumeist mit Arbeitern und Bauern (die bei Diebstahl oder Schwarzhandel erwischt worden waren). Diese Erbschaft (des Bürgerkriegs) muß liquidiert werden..." ()*60.16
Notwendig sei vielmehr,
"neue Methoden zu suchen, mit deren Hilfe wir, ohne Massenhausdurchsuchungen durchzuführen und Terror anzuwenden, eine ständige Beobachtung aufrechterhalten und die Wurzel der Verschwörungen und feindseligen Pläne unserer Widersacher zerschneiden können." ()*60.17
Der Tscheka wurden die Befugnisse eingeschränkt. Der 9. Sowjetkongreß verabschiedete eine Entschließung, die zur Reorganisierung der Tscheka führte. Gleichzeitig erhielt die GPU aber die Vollmacht,
"hinsichtlich von Personen, die am Ort der Tat ergriffen werden, .. Verhaftungen, Durchsuchungen und Beschlagnahmungen ... ohne besondere Verfügung und ohne besonderen Befehl (vorzunehmen), mit nachfolgender Bestätigung seitens des Vorsitzenden der Staatlichen Politischen Verwaltung..." ()*60.19
Die OGPU war in den zwanziger Jahren zwar präsent, bis zum Übergang zur forcierten Industrialisierung ab 1929/30 dominierte sie das gesellschaftliche Leben aber noch nicht.

2. Exkurs: 1917 - 1930: Vom revolutionären Strafrecht zur repressiven Justiz

Darunter: Der Ausbau der OGPU verlief parallel mit einem Wandel in der Rechtspolitik und der Strafvollzugspolitik, Als wichtigste Maßnahnen galten: In einem Bericht zu diesem Kongreß heißt es:
"Die Notwendigkeit, solche Haftanstalten wie Besserungsarbeitshäuser und Isolatoren durch andere Besserungsarbeitseinrichtungen (Fabrik- und Werks-, bzw. landwirtschaftliche Kolonien) zu ersetzen mit Rücksicht auf die Hauptmasse ... der Verurteilten aus dem werktätigen Milieu. (Für Klassenfeinde, Berufsverbrecher und Wiederholungstäter, aber auch für die Werktätigen, die besonders gefährliche Verbrechen verübt haben, schlug der Kongreß Konzentrationslager und Isolatoren vor)." ()*27
Eine drastische Abwendung von der Zielsetzung der Strafgesetzgebung unmittelbar nach der Revolution stellten

3. 1928: Der ´Schachty-Prozeß´ - Beginn der ´Schädlingskampagne´

Dabei wuchs der Einfluß der OGPU, zumal die Verschärfungen des Strafrechtes und des Strafvollzuges begannen Wirkung zu zeigen.

Der Oberste Gerichtshof der UdSSR legte am 2. Januar 1928 eine verbindliche Auslegung jenes Artikels 58 fest, wonach es sich um konterrevolutionäre Delikte handelt,
"wenn die Person, die sie, auch ohne unmittelbar ein konterrevolutionäres Ziel damit zu verfolgen, beging, wissentlich die Möglichkeit eines Eintretens eines solchen Ziels nicht ausschloß oder den gesellschaftlich gefährlichen Charakter der Folgen dieser Taten hätte voraussehen müssen." ()*60.29
Das April-Plenum der Partei beschloß eine Reform der Wirtschaftsleitung und die Entscheidungen im wirtschaftlichen Bereich unter die Kontrolle der Partei zu nehmen. Am 18. Mai begann der "Schachty-Prozeß". Das Jahr 1929 wurde beherrscht durch eine angespannte wirtschaftliche und soziale Lage im Land. Im November 1929 wurde eine Änderung im Strafgesetzbuch vorgenommen:

4. Die OGPU stärkt ihre gesellschaftliche Stellung

Das Gesetz vom "Verbot des Arbeitsplatzwechsels, die Inpflichtnahme jedes Arbeiters für den reibungslosen Ablauf der Produktion" steigerte die Repression.

Von A. J. Wyschinski, dem späteren Oberstem Staatsanwalt wurde die aktive "Pflichterfüllung", nicht eben nur ein nicht-gesellschaftsschädigendes Verhalten, als Normzweck des Strafrechts gesehen.
"Das sowjetische Strafrecht... erhebt die Forderung nach bestimmten Verhalten, nach einer bestimmten Einstellung zu den Pflichten der Sowjetbürger, indem es die Erfüllung dieser Pflichten unter Strafandrohung für verbindlich erklärt." ()*60.33
Die OGPU begann nun auch direkt in die Produktion und Wirtschaftsplanung einzugreifen.
"Zunächst überwachten sie das Personal und sammelten Daten und Charakteristiken der Beschäftigten. Sie hatten Mitspracherecht bei Einstellungen oder Beförderungen. Daneben befaßten sie sich mit der Absicherung des Betriebs und sorgten für Einhaltung der Geheimhaltungsvorschriften. Schließlich beobachteten sie die Produktionsabläufe und gingen allen Unregelmäßigkeiten nach." ()*60.34
Die OGPU erreichte trotz anfänglicher Widerstände eine Stellung in Partei und Gesellschaft, die Ordshonikidse, Volkskommissar für Schwerindustrie, auf dem 16. Parteitag 1930 so umriß:
"Es ist unnötig zu wiederholen, welche gewaltige Rolle die GPU bei der Aufdeckung des Schädlingswesens gespielt hat. ... Die Mitarbeiter der GPU haben all das Gesindel mit einem unwahrscheinlichen Mut aufgestöbert, und das war damals nicht so einfach. Heute sind wir das gewöhnt und wissen, daß es viele solcher Schädlinge gibt und daß es nicht besonders schwierig ist, sie zu entlarven. Aber damals hat eine große Zahl unserer Mitarbeiter nicht daran geglaubt, sie waren der Ansicht, daß die GPU übertreibt, und es kostete große Mühe, sie zu überzeugen, daß es Schädlingswesen wirklich gibt." ()*60.35

5. 1929 - 1933: Die OGPU während der Zwangskollektivierung

Mit Beginn der Zwangskollektivierung zur Jahreswende 1929/30‚ deren Durchführung nun auch offiziell von Kräften der OGPU übernommen wurde, schossen die Zahlen der Haft- und Arbeitslagerinsassen in die Höhe. Das Vorgehen der OGPU gegenüber den Bauern nahm Formen an, die das ZK und den Rat der Volkskommissare im Mai 1933 zu einer scharfen Verurteilung veranlaßten:
"Es erstaunt nicht, daß bei einer derart zügellosen Verhaftungspraxis die Organe, die verhaften dürfen, darunter auch die Organe der OGPU und besonders die Miliz, das Gefühl für den Maßstab verlieren und häufig Verhaftungen ohne jeglichen Grund vornehmen, indem sie nach der Regel vorgehen, erst verhaften, dann untersuchen." ()*60.37
Begleitend zur Kollektivierung wurde am 7.8.1932 als "konterrevolutionärer Straftatbestand" eingestuft,"mit Haft bis zu 10 Jahren oder Erschießung" bedroht. Die Täter wurden als Volksfeinde eingestuft und fielen damit in den Zuständigkeitsbereich der OGPU, deren Macht ständig zunahm.

Am 27.12.1932 beschloß der Rat der Volkskommissare die Einführung des Melde- und Paßzwangs für alle Sowjetbürger ab 16 Jahren.

6. Das System der Zwangsarbeit

Zwischen 1927 und 1928 saßen in den Lagern und Gefängnissen des Volkskommissariats des Innern ca. 200.000 Häftlinge, in denen der OGPU ca. 30.000. sowie der Mangel an Pionierkräften, die bereit waren, sich in die unwirtlichen Regionen Sibiriens und anderer Regionen am Polarkreis zu begeben, veranlaßte die Regierung dazu, die Häftlinge heranzuziehen. Die OGPU unterhielt bis 1930 eine begrenzte Zahl an Konzentrationslagern, in denen bis 1928 die Häftlinge nicht zur Produktionsarbeit herangezogen wurden. Aber auch aus den nicht der OGPU unterstellten Lagern sind schlimme Verhältnisse bekannt: Die OGPU erhielt nicht nur dadurch ökonomisches Gewicht, daß sie die Wirtschaftspläne kontrollierte und die Verfolgung von "Schädlingen" betrieb, sondern auch dadurch, daß sie eigene Projekte betrieb. Andererseits war der Machtzuwachs der OGPU, der sich u.a. im Aufbau des Lagersystems manifestierte, Baustein einer repressiven Politik der Gruppe um Stalin, die das Mittel der Verhaftung und Verschleppung zur Lösung sozialer und politischer Konflikte machte. Stalin erläuterte diese Sichtweise:
"Wir überzeugten uns davon, welchen Fehler wir begangen hatten, als wir Milde walten ließen. Wir lernten aus der Erfahrung, daß wir mit diesen Feinden nur dann fertig werden können, wenn man ihnen gegenüber eine Politik der schonungslosen Unterdrückung verfolgt." ()*60.45

7. Ab 1933: Von der OGPU zum NKWD - der zentrale Sicherheitsapparat entsteht

Ende 1933 wurden die Machtbefugnisse der OGPU formell wieder eingeschränkt. Das NKWD wurde in Hauptverwaltungen untergliedert. Darunter: Politisch aber nahm der Einfluß der OGPU zu, da ihre führenden Kader im Parteiapparat in die Führungsgremien einrückten.

8. Die OGPU und Parteisäuberung: Repression zur Lösung politischer Auseinandersetzung in der Partei

Ein Korrespondent der Zeitung Sozialistitscheski Vestnik schrieb 1931:
"Die, die lange aus Rußland weg sind und die Tscheka der alten Zeit kennen, die handwerkelte, können sich die heutige rationalisierte und raffinierte Arbeit der GPU nicht vorstellen." (Hervorhebung im Original, Anm. d. Verf.)*60.49
Die OGPU war zu Beginn der dreißiger Jahre ein Instrument zur Durchsetzung der politischen Vorstellungen der Gruppe um Stalin geworden. Sie ergänzte und unterstützte den Parteiapparat bei der Unterdrückung von "Abweichlern". Dazu gehörte neben dem polizeilichen Eingreifen auch die Parteisäuberung. Die Parteisäuberung von 1933 soll dies zeigen. Nach Verkündung der Säuberung wurde am 29. April 1933 eine zentrale Säuberungskommission gebildet, die diese leitete. Ihr gehörte N. Jeshow an. Zu den eben auch schon früher üblichen Kategorien, nahm die Säuberungskommission nun u.a. folgende hinzu: Die Ergebnisse der Parteisäuberung als auch die Tatsache, daß alle nennenswerten Parteioppositionellen geschlagen waren, sowie der Eindruck sich einstellender Erfolge der forcierten Industrialisierung als auch der Gesundung der Landwirtschaft machten den 17. Parteitag 1934 zu einem großen Erfolg für die Gruppe um Stalin. In seiner Geheimrede 1956 auf dem 20. Parteitag nannte Chruschtschow eine offizielle Statistik:
"Es wurde festgestellt, daß von den auf dem 17. Parteitag gewählten 139 Mitgliedern und Kandidaten des Zentralkomitees der Partei 98 Personen, das sind 70%, in den Jahren 1937/1938 verhaftet und liquidiert wurden. ... Das gleiche Schicksal ereilte die Mehrzahl der Delegierten des 17. Parteitages. Von den 1966 stimmberechtigten oder beratenden Delegierten wurden 1.108 Personen unter der Beschuldigung gegenrevolutionärer Verbrechen verhaftet." ()*60.60
Stalin hat selbst auf dem 17. Parteitag 1934 keinen Zweifel daran gelassen, daß weitere Auseinandersetzungen in der Partei bevorstünden. In seinem Rechenschaftsbericht sagte er zum Punkt "Fragen der ideologisch-politischen Leitung", daß - obwohl "die Feinde der Partei, die Opportunisten aller Schattierungen, die nationalen Abweichler aller Art geschlagen" seien, "ein Boden für solche Stimmungen zweifellos" im Lande bestehe.
"Kein Wunder, daß nicht selten von außen ungesunde Stimmungen in die Partei eindringen, weil bei uns immer noch gewisse Zwischenschichten der Bevölkerung sowohl in der Stadt als auch im Dorfe vorhanden sind, die einen Nährboden für solche Stimmungen bilden."
Und an die Adresse all derer gerichtet, die den Kampf als endgültig gewonnen betrachteten, mahnte Stalin:
"... Es kann keinen Zweifel darüber bestehen, daß dieser Wirrwarr in den Köpfen ... den be kannten Ansichten der rechten Abweichler wie ein Ei dem andern gleichen, denen zufolge das Alte von selbst in das Neue hineinwachsen müsse und wir eines schönen Tages, ohne es zu merken, in der sozialistischen Gesellschaft anlangen würden." ()*60.61
Der 17. Parteitag war lediglich ein Parteitag des Waffenstillstands.

9. Ab 1935: Nach dem Mord an Kirow: Der Terror kündigt sich an

Dieser Waffenstillstand währte nicht lange. Auf dem 17. Parteitag wurde die Bildung einer "Sonderabteilung" des Zentralkomitees bestätigt, das von Poskrebyshew geleitet wurde. Nach einigen Monaten der Ruhe wurde am 1. Dezember 1934 S. Kirow erschossen. Noch am selben Abend unterzeichnete der Sekretär des Zentralen Exekutivkomitees der UdSSR auf Vorschlag Stalins und ohne Zustimmung des Politbüros (die wurde erst zwei Tage später eingeholt) eine Verordnung, die als Grundlage für die weiteren Repressionsmaßnahmen dienen sollte: Weitere personelle Veränderungen führten zu einer weiteren Machtverschiebung zugunsten der Stalin-Gruppe. Drastische Verschärfungen in der Rechtsprechung wurden vorgenommen. Auf Protest stieß in Westeuropa das Bekanntwerden des Erlasses vom 7. April 1935. Nachdem die "Gesellschaft der alten Bolschewiken" und die "Gesellschaft früherer politischer Häftlinge" Unterschriften für eine Petition an das Politbüro gesammelt hatten, in der sich gegen die Todesstrafe für Mitglieder der Opposition ausgesprochen wurde, verbot am 25. Mai 1935 ein Erlaß des ZK beide Gesellschaften wegen "spalterischer Tätigkeit".*60.71

Diese Kombination schuf die Voraussetzungen für die große Schauprozeßreihe von 1936 bis 1938 und den Massenterror.


Juni 1989, Bj./Hamburg



Quellen und Anmerkungen (aus Gründen eindeutiger Zuweisung innerhalb dieses html-files ist die Originalfussnotennumerierung indiziert durch die Kapitelnummer (hier 60.)):
*60.1
dtv-dokumente: Die Sowjetunion Bd.l S. 99

*60.2
ebenda, S. 101

*60.3
David Shub: Lenin, Eine Biographie, hier Umes Verlag Wiesbaden 1957, S. 336

*60.4
ebenda, S. 357

*60.5
Am Anfang starb Genosse Kirow, R. Oonquest, Droste Verlag Düsseldorf, 1971, S. 648

*60.6
ebenda

*60.7
D.Shub, S.376

*60.8
R. Conquest, S. 647

*60.9
D. Shub, S. 377

*60.10
D. Shub, S. 378, beruft sich auf: Wochenblatt der Tscheka, Moskau 1918, Nov-Dez.

*60.11
LAW III, S. 284

*60.12
D.Shub S. 377

*60.13
Die Wahrheit ist unsere Stärke, R. Medwedew, S. Fischer Verlag, 1971, S. 431

*60.14
ebenda

*60.15
ebenda

*60.16
ebenda S.432

*60.17
Boris Lewytzkij, Vom Roten Terror zur sozialistischen Gesetzlichkeit, Nymphenburger Verlagsanstalt, 1961, S. 43

*60.18
Lenin, Werke Bd. 33, S. 159ff.

*60.19
dtv-dokumente, Bd.l, S. 120

*60.20
ebenda, S. 121

*60.21
ebenda, S. 118

*60.22
Hans-Henning Schröder, Industrialisierung und Parteibürokratie in der Sowjetunion (1928 - 1934), Berlin 1988, 0. Harrassowitz Verlag Wiesbaden, S. 187

*60.23
Boris Lewytzkij, S. 53, siehe auch „Texte zur Stalinfrage“, J. Reents-Verlag, 1979 S. 80

*60.24
H.H. Schröder, S. 188

*60.25
ebenda, S. 199

*60.26
ebenda, S. 201

*60.27
ebenda, S. 203, beruft sich dabei auf „Esegodnik sovetsgo stroitel‘stva i prava“ S. 431

*60.28
dtv-dokumente, Bd. 1, S. 215

*60.29
R. Conquest, S. 378, beruft sich auf: „Vierzig Jahre Sowjetrecht“, Leningrad 1957, S. 486

*60.30
H.H. Schröder, S. 35, siehe Anmerkung 120 (T. 1897, S. 2)

*60.31
L Shaplro: Die Geschichte der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, S. Fischer Verlag 1961, S. 417

*60.32
H.H. Schröder, S. 207

*60.33
Brink, Kritische Justiz 4/79, S. 344

*60.34
H.H. Schröder, S. 192

*60.35
ebenda, S. 191

*60.36
ebenda, S. 214, 215; als auch Heller/Nekrich, Geschichte der Sowjetunion Bd. 1, S. 229, nach M. Fainsod: „Comment I‘URSS et gouverne“ S. 215

*60.37
H.H. Schröder, S. 190

*60.38
R. Conquest, S. 41

*60.39
ebenda S. 41, bezieht sich auf W. Churchills Memoiren

*60.40
ebenda, S. 41

*60.41
taz, 6.2.1989, nach einem Artikel, den R. Medwedjew in der Wochenzeitschrift „Argumentl 1 Fakti“ veröffentiicht hat.

*60.42
H.H. Schröder, S.

*60.43
A. Solschenizyn, Der Archipel Guiag, Folgeband, Scherz Verlag, S. 57 - 63

*60.44
So auch bei Jewgenia Ginsburg: Marschroute eines Lebens, Verlag Piper 1986. J. Ginsburg war Mitglied der KPdSU, 1937 wurde sie des „Terrorismus“ beschuldigt und vor ein Militärgericht gestellt. Nach 18 Jahren Gefängnis und Lager wurde sie 1955 rehabilitiert.

*60.45
Stalin, Werke Bd. 13, S. 97

*60.46
H.H. Schröder, S. 197ff.

*60.47
ebenda, S. 326

*60.48
ebenda, S. 194

*60.49
ebenda, S. 195

*60.50
R.V. Daniels, Das Gewissen der Revolution, Kiepenheuer und Witsch, 1962, S. 435, R. Conquest, S. 46, H.H. Schröder, S. 320ff.

*60.51
H.H. Schröder, S. 321

*60.52
R. Conquest, S. 47ff

*60.53
Daniels, S. 436

*60.54
Conquest, S.47

*60.55
H.H. Schröder, S. 322

*60.56
Conquest, S. 50 ff

*60.57
vgl. auch Victor k Kravchenko, ich wählte die Freiheit, S. 177 ff. In seinen Erinnerungen schildert Kravchenko den denunziatorischen Charakter der Prateisäuberung 1933.

*60.58
H.H. Schröder, S. 322.

*60.59
ebenda; R. Medwedjew schreibt dazu in der „Moscow News“ vom 1.1. 1989 (zitiert nach H.Weber:,,Weiße Flecken“ in der Geschichte, isp-pocket 41 S. 169),,Die erste Welle der Massenrepressionen rollte bereits 1927/28 nach dem Sieg Staiins über die vereinigte linke Opposition. Ihr fielen damals Zehntausende Trotzkisten und Sonowjew-Anhänger, die in entfernte Landesregionen verbannt, in politische Zuchthäuser gesteckt und vom Arbeitsplatz vertrieben wurden, zum Opfer.“ Belegt hat er diese Angaben aber nicht. Selbst wenn die Angaben, die Schröder aus offiziellen Quellen zitiert, zu niedrig angesetzt sind, bleibt der Widerspruch zwischen den Zahlen sehr kraß.

*60.60
Chrustschows „Geheimrede“, hier zitiert aus Daniels, S. 453

*60.61
Stalin: Fragen des Leninismus, Ausgabe 1947, S. 564

*60.62
Conquest, S. 58

*60.63
R Medwedjew, S. 183

*60.64
ebenda

*60.65
Conquest, S. 78 ff.

*60.66
ebenda

*60.67
ebenda, S. 110 ff

*60.68
ebenda

*60.69
ebenda

*60.70
ebenda, S. 111

*60.71
ebenda, S. 112


61. Dokument 42: ´Konterrevolutionäre Verbrechen´: Artikel 58 Strafgesetzbuch

[Strafgesetzbuch der RSFSR vom 22.11.1926 (in der am 1.1.1952 gültigen Fassung); nach: H.Altrichter (Hg.): Die Sowjetunion. Von der Oktoberrevolution bis zu Stalins Tod. Bd. 1. Partei und Staat, München 1986, S. 215 - 220]
ANMERKUNG 1: Als besonders schutzwürdiges Staatsgeheimnis gelten Nachrichten, die in einem besonderen vom Rat der Volkskommissare der UdSSR im Einvernehmen mit den Räten der Volkskommissare der Unionsrepubliken bestätigten und zur allgemeinen Kenntnis gebrachten Verzeichnis aufgeführt sind. [6. Juni 1927 (SZ SSSR Nr. 49, Art. 330)]

ANMEKKUNG 2: Soweit die Spionage von einer der in Art. l93,l dieses Gesetzbuchs bezeichneten Personen begangen wird, verbleibt es bei der Bestimmung des Art. 193,24 desselben Gesetzbuchs. [9. Januar 1928 (SZ SSSR Nr. 12, Art. 108)]

62. Dokument 43: Peter W. Schulze: Die Zwangsarbeit und ihre ökonomische Relevanz

[aus: Ders.: Herrschaft und Klassen in der Sowjetgesellschaft. Die historischen Bedingungen des Stalinismus, Frankfurt/New York 1977, S. 201 - 205]

Die Maßnahmen zur Intensivierung der Arbeitskraft, Akkordarbeit, Stoßarbeit, freiwillige Aufbauschichten, Rationalisierung der Arbeitsorganisation, die alle letztlich im System der materiellen Anreize gebündelt sind, werden zunehmend von offenen staatlichen Zwangsmaßnahmen abgelöst, bzw. begleitet. Die Erhöhung der Arbeitsproduktivität durch die Verlängerung des Arbeitstages wird Ziel der Kampagne zur Senkung der Arbeitskosten. Die repressiven Maßnahmen sollen die Disziplin der Arbeiter wieder herstellen, der Fluktuation Einhalt gebieten und die Gleichgültigkeit gegen Arbeit und Arbeitsprodukt materiell und physisch sanktionieren. Eine Ausweitung des Systems der materiellen Anreize war ökonomisch nicht mehr vertretbar, da 1938 der Lohnfonds bereits um 3, 5 Mrd. Rubel überzogen war; d. h. es wurden mehr Arbeiter als geplant in der Produktion beschäftigt und höhere Löhne als im Plan vorgesehen (bei nur geringen Wachstumsraten der industriellen Produktion und beim Rückgang der Produktivität gegenüber dem zweiten FJP) gezahlt. Eine Ausweitung des materiellen Anreizsystems durch mehr Prämien und höhere Löhne hätte keinen stimulierenden Effekt auf die Arbeitsproduktivität gehabt, weil die Investitionen innerhalb des Konsumgüterbereiches im Hinblick auf die internationale Lage zugunsten der Abteilung 1 reduziert wurden und so den Löhnen keine Gebrauchsgüter entgegenstanden, die ein materielles Interesse der Arbeiter an "Mehrarbeit" hätten wecken können.

In diesem skizzierten Zusammenhang wollen wir auf ein Phänomen aufmerksam machen, das bei der Betrachtung der Säuberungen oft übersehen oder nur als singuläre Erscheinung (S. Swianiewicz 1965), ohne jeden Zusammenhang zu den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Prozessen betrachtet wird: die Zwangsarbeit. Die ersten systematischen Versuche, die Arbeit von Strafgefangenen wirtschaftlich aus zubeuten, gehen auf die Anfangsperiode des ersten FJP zurück. 1928 wurde ein Gesetz mit der Verabschiedung des ersten FJP beschlossen, daß die systematische wirtschaftliche Anwendung von Strafgefangenenarbeit vorsah. Trotz Arbeitskräftemangel fand das Gesetz bis 1930/31 wenig Beachtung, wie I. S. Gudkov kritisiert (Sovietskaye Yustisia Nr. 34, 20. 12. 1931).

Die Diskussion tritt um 1930/31 in ein neues Stadium. Im Aufbauprogramm wird besonders die Entwicklung von Industriezentren in klimatisch und verkehrstechnisch ungünstigen Bereichen östlich des Urals (Ural-Kuznetsk-Becken), in weiter nach Osten verschobenen Forstgebieten und in der extraktiven Industrie akzentuiert. Dort ist der Arbeitskräftemangel besonders gravierend. Arbeiter sind nur schwer zu bewegen, exploratorische Funktionen in diesen Gebieten, trotz Gewährung erheblich höherer materieller Anreize, zu übernehmen. Es werden zwar systematisch Migrationsbewegungen initiiert, aber die Fluktuation der Arbeitskräfte, ihre Rückwanderung, ist immens. 1931 berichtet die Zeitung Wirtschaftsleben, daß der Plan für die Migration nicht erfüllt sei und daß außerdem 50 % der in diesen Gebieten tätigen Arbeiter rückgewandert seien. Es stellte sich nicht nur die Aufgabe, verkehrsmäßig (Straßen, Kanal, Eisenbahnbau) diese Gebiete zu erschließen. Mit dem stetig steigenden Bedarf an Rohstoffen für die eigene Produktion und für den Export (Bergbauprodukte und Holz) - von dem die Importe hochwertiger kapitalistischer Technologien abhingen - wurde das Problem eine konstante Arbeitsbevölkerung in den neuen Industriegebieten, in den extraktiven Industrien und im Kommunikationswesen zu schaffen, dringlich und bestimmend für den weiteren Industrialisierungsprozeß.

Ab Mitte der 30er Jahre wird dieses Problem noch um den Aspekt der internationalen Lage, d. h. des aufziehenden europäischen Krieges, verschärft. Für die UdSSR stellt sich die Aufgabe, eine jenseits des Ural liegende Verteidigungsindustrie aufzubauen.

Am 20. 12. 1931 berichtet I.S. Gudkov über die Vorteile der Ausbeutung von Strafgefangenenarbeit und weist ihnen einen wichtigen Platz in der industriellen und landwirtschaftlichen Aufbaustrategie zu. Er bemängelt, daß bislang nicht die notwendige Aufmerksamkeit der Frage der völligen und totalen Ausnutzung von Zwangsarbeit gewidmet wurde und teilt ihr eine entscheidende Funktion gerade beim Aufbau der industriellen Anlagen im Ural zu. Der Mangel an Arbeitskräften habe, so sagt er, die Anwendung solcher Arbeit praktisch unabdingbar für den weiteren industriellen Fortschritt in diesen Gebieten gemacht. Die wirtschaftliche Nutzung von Strafgefangenenarbeit in sogenannten Strafkolonien geht auch aus einer Verlautbarung des sowjetischen Strafarbeitsgesetzes hervor, in dem es heißt, daß die Strafgefangenen-Kolonien, in einen geschlossenen Typus umgewandelt werden, um den effizienten Gebrauch der Arbeit sicherzustellen*62.75 .
" Alle anderen Strafgefangenen, die nicht in dieser Arbeit involviert sind, sollen in offene Kolonien gebracht werden, wo sie Massenarbeit verrichten können, d. h. landwirtschaftliche Arbeit, Irrigationsarbeiten, Bergbau und Kommunikationgarbeit, Wegebau etc."
Die systematische wirtschaftliche Ausbeutung war bereits in einem Dekret des Rates der Volkskommissare vom 25. 2. 1930 enthalten, in dem den Institutionen, die Zwangsarbeiter beschäftigen, ein spezifischer ökonomischer Status zugesprochen wurde.
Zwangsarbeit wurde wirtschaftlich während der ganzen Periode des ausgehenden ersten und während des zweiten FJP angewendet. Internationale Einwände und Proteste, besonders in den USA, führten teilweise zu einer Verschlechterung der internationalen Beziehungen der UdSSR zu diesen Ländern und erschwerten die Außenhandelskontakte der UdSSR erheblich. Sie mündeten sogar in Vermutungen einer Wirtschaftsblockade 1930/31 von Seiten der USA gegen die UdSSR ein und zögerten, neben wirtschaftlichen Gründen (die Begleichung von zaristischen Kriegsschulden), die Aufnahme diplomatischer Beziehungen hinaus. Diese Proteste waren mehr politische Manöver der interessierten Kreise kapitalistischer Fraktionen, die an einer Intensivierung des Handels mit der UdSSR keinen Gewinn und daher kein Interesse hatten. Sie konnten sich den Luxus einer Konfrontationspolitik in der Weltwirtschaftskrise leisten. Zudem war das Ausmaß der Zwangsarbeit, gemessen am gesellschaftlichen Gesamtarbeitskörper, relativ gering. Zweifelsohne hatte diese aber wirtschaftliche Vorteile und unterstützte Industrialisierungsvorhaben an klimatisch und kulturell benachteiligten Standorten. Solange aber forcierte Aufbauprogramme nicht erforderlich waren, genügten hohe Löhne als Mittel zur Verteilung der Arbeitskräfte.

Schenkt man den Statistiken von Wiles und Avtorkhanow Glauben, die Swianiewicz benutzt*62.76 , so hat bis 1936 die Zwangsarbeit quantitativ keine übermäßige Rolle gespielt.
Tabelle: Anzahl der Gefangenen in der UdSSR 1927 - 1941
Jahr Wiles Avtorkhanow
1927 - 140.000
1928 30.000 -
1930 550.000 - 730.000 1,5 Millionen
1931 2 Millionen -
1932 - 2,5 Millionen
1936 - 6,5 Millionen
1937 (Jan) 2 Millionen -
1937 (Dez) 3 Millionen -
1938 - 11 Millionen
1939 8 Millionen 11 Millionen
1940 6,5 Millionen 11 Millionen
1941 9 Millionen 13,5 Millionen
Die Situation ändert sich schlagartig Ende 1937. Ab 1938 tritt die verschärfte Arbeitsgesetzgebung gegen die Arbeiterklasse in Kraft ünd die Repression gegen die ehemaligen Oppositionellen wird abgelöst von offenen Repressionsmaßnahmen gegen das Proletariat. Schwarz deutet diese Tendenz dahingehend, daß die Arbeiter an die Produktionsmittel gebunden werden sollten. Die drakonischen Repressalien in den Betrieben nehmen zu. Lohnkürzungen, Entlassungen, Entzug der Sozialversicherungen, Wegnahme der Wohnungen (bei der desolaten Wohnungssituation in der UdSSR wohl mit die furchtbarste Bestrafung) sind abgestufte Maßnahmen, die zur Herausschleuderung von Millionenmassen von Arbeitern aus dem normalen Produktionsprozeß führen und sie in Zwangsarbeiter verwandeln.



Dodge schätzt die Zahl der Zwangsarbeiter in den 40er Jahren auf ca. 15 Millionen. Erst gegen Ende der 1940er Jahre reduziert sich ihre Zahl, da ihre Bedeutung für die Rekonstruktion der Wirtschaft weniger wichtig wird.
Vordergründig lassen sich diese Entwicklungen durchaus mit den aufgeheischten Zwängen der internationalen Lage, mit der Kriegsgefahr und den Kriegsvorbereitungen erklären, die Verlagerungen von Produktionsstätten, Verbesserungen des Infrastrukturnetzes und die Sicherstellung der Rohstoffversorgung erforderlich machten.
Doch selbst diese an der Apologie orientierte Antwort hat Schwierigkeiten, in diesen Maßnahmen einen sozialistischen Kern zu entdecken. Es sei denn, daß die Konstruktion akzeptiert wird, daß bürgerliche Bedrohungen die Aufrechterhaltung sozialistischer Verkehrsformen und sozialistischer Gesellschaftsinhalte negieren. Die altbekannte Regel von den zielgeheiligten Mitteln steht dieser Erklärung nahe.

Wir meinen, daß die Hinweise auf den Krieg als Beschönigungsgrund (schon an sich affirmativ), bewußt von der sozio-ökonomischen Situation der UdSSR am Ausgang der 30er Jahre ablenken wollen, deren Krisencharakter zwar durch externe Faktoren verschärft wurde, aber nicht ausschließlich auf sie zurückgeführt werden kann. Die Ursachen für die Entwicklung liegen eben nur zum Teil in der konjunkturellen Entwicklung der Konstellationen im internationalen System. Sie können weder für die politische Struktur noch für die Lage der Klassen in der UdSSR direkt und allein verantwortlich gemacht werden.

Die Institution der Zwangsarbeit und die Unterdrückungsmaßnahmen gegen die Arbeiterklasse können auch nicht mehr mit dem Aspekt der sozialpädagogischen Diktatur, der Schaffung industrieller Mentalität wie noch zu Anfang der FJP-Periode erklärt und bemäntelt wurden. Sie waren Produkt einer auf dem Rücken der Arbeiterklasse ausgetragenen Politik, in der das unmittelbare Existenzinteresse und die Bedürfnisse des Proletariats den Interessen der neuen Klassenherrschaft untergeordnet wurden. Nicht die Arbeiter bestimmten die Produktion, sondern sie wurden den fremd bestimmten Produktionszielen subsumiert.

Die gesellschaftlichen Kosten der innerbürokratischen Herrschaftsauseinandersetzung, die den Produktionsverlauf störten und die nach einem trial-and-error-Konzept verfahrende Planung vollends dysfunktional machte, wurden erneut, wie zu Beginn der Planungsperiode, auf das Proletariat abgewälzt. Die Zwangsarbeit ordnete sich dem wirtschaftlichen Ziel der Verringerung der Produktionskosten unter, d. h. der schonungslosen Ausbeutung der Arbeitskraft bei gleichbleibendem Lohnvolumen, bzw. bei noch unzureichenderer Gewährleistung der physischen Reproduktion in den Arbeitslagern. Die Expropriation des Proletariats fand ihren reinen Ausdruck in der Zwangsarbeit.


Quellen und Anmerkungen (aus Gründen eindeutiger Zuweisung innerhalb dieses html-files ist die Originalfussnotennumerierung indiziert durch die Kapitelnummer (hier 62.)):
*62.75
E. Shirvindt/B. Utevskyin: Sowjetische Strafarbeit, Moskau 1931. 90 abgedruckt in Auszügen in: SDF 861.5048/65.

*62.76
76 Swianiewicz (1965, 33, 37); bereits am 17.8.1931 macht die Deutsche Botschaft in. Moskau, Dirksen, darauf aufmerksam, daß sich die 0. G. P. U. (Geheimpolizei) nicht nur als bewaffneter Arm betätigt, sondern sich allmählich zu einem “Staat im Staate“ auswachse, Sie habe vornehmlich die Kontrolle über Wirtschaftsbereiche, in denen Strafgefangene beschäftigt werden. Ihr leitendes technisches und administratives Personal rekrutiere sie aus verhafteten Oppositionellen (Auswärtiges Amt, Selected and German Foreign Office Records, Geheimakten IV RU. PC 2/RU Dt. 5200 - K 171002 - K 171007).


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