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Sowjetunion 1921 - 1939 - von Lenin zu Stalin - Teil II: Phase der Neuen Ökonomischen Politik (NEP) 1921 - 1927 - Bündnis mit den Bauern - Wirtschaftliche Konsolidierung (mit dem politisch-ökonomischen Schwerpunkt des Klassenkampfes)
( Original )
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Status |
1989 - Materialsammlung |
Letzte Bearbeitung |
08/2004 |
Home |
www.mxks.de
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17. Neue Ökonomische Politik - Bündnis mit den Bauern - Wirtschaftliche Konsolidierung - Ausschaltung der politischen Opposition
18. Dokument 11: Helga Schuler-Jung: Die Einführung der NEP (1921)
1. Rückzug in Etappen
2. Auswirkungen der NEP auf die Entwicklung der Landwirtschaft
3. Auswirkungen der NEP für die Industrie
4. Die Herbstkrise des Jahres 1923
5. Die Stellung der Arbeiter unter der NEP
19. Lenins Konzeption der NEP
20. Dokument 12 - 14: Lenin: Über das Genossenschaftswesen - Wie wir die Arbeiter- und Bauerninspektion reorganisieren sollen - Lieber weniger, aber besser
23. Die Entwicklung der NEP bis 1927 ´Scherenkrise´ und Debatte um die Sozialistische Wertschöpfung
24. Dokument 15: Heiko Haumann: Krisen der Neuen Okonomischen Politik 1923 - 1928
25. Dokument 16: Edward Hallen Carr: Die Anfänge der Wirtschaftsplanung
26. Dokument 17: Maurice Dobb: Die Diskussion in den zwanziger Jahren über den Aufbau des Sozialismus
27. Dokument 18: Alexander Erlich über Bucharin: ´Bauern: Bereichert euch, akkumuliert, entwickelt eure Wirtschaft!´
17. Neue Ökonomische Politik - Bündnis mit den Bauern - Wirtschaftliche Konsolidierung - Ausschaltung der politischen Opposition
Wirtschaftspolitisch läßt sich die sowjetische Entwicklung zwischen 1921 und
1929 grob in zwei Perioden unterteilen:
-
die Periode der Neuen Ökonomischen Politik von 1921 bis 1927;
-
ab Anfang 1928 die Phase des Übergangs zur Kollektivierung der
Landwirtschaft.
Diese gesamte Zeit war begleitet von erheblichen parteiinternen
Auseinandersetzungen
- über die Leitziele der Wirtschaftspolitik
- und um die Bewahrung der Räte- und Parteidemokratie.
Diese Diskussionen nahmen den Charakter unversöhnlicher Fraktionskämpfe an
-
und wurden von der siegreichen Stalingruppe letztlich mit administrativen
Mitteln
- gegenüber der Vereinigten Opposition (1926 - Trotzki/Sinowjew/Kamenjew)
- und der Bucharingruppe gelöst.
Im Mittelpunkt der wirtschaftlichen Schwierigkeiten stand die Notwendigkeit, in
der Sowjetunion die Wirtschaft nach Krieg und Bürgerkrieg unter Bedingungen
absoluten Elends wieder aufzubauen.
- Die internationale Isolierung warf zudem die Frage auf, welche Zweige der
Inlandswirtschaft Beiträge zur stofflichen und finanziellen Akkumulation leisten
konnten.
- Angesichts der zerrütteten Industrie mußte zwangsläufig die weitgehend
private Landwirtschaft diese Leistung erbringen.
- Bis 1926 brachte der Staat bei den Bauern hunderte Millionen Rubel auf, die
direkt oder indirekt der verstaatlichten Industrie zugeleitet wurden.
Die freie Warenwirtschaft führte in den Dörfern zu Differenzierungsprozessen
zwischen den bäuerlichen Schichten, deren Bedeutung unterschiedlich gewertet
wurde;
-
während die Vereinigte Opposition frühzeitig vor einer
"Kulaken-Gefahr" warnte,
- bestritt die Bucharingruppe deren Existenz.
Weiteres Feld der Auseinandersetzung war das Tempo der Entwicklung, die für die
jeweiligen Wirtschaftszweige eingeschlagen werden sollte.
-
Die Vereinigte Opposition wollte zur Befriedigung der Bedürfnisse nach
Produktionsmitteln und Konsumgütern insbesondere der Bauern vorrangig die
industrielle Entwicklung über das geplante Maß hinaus beschleunigen.
- Ein nachträgliches Urteil über die Wirklichkeitsnähe dieses Konzepts läßt
sich schwer fällen;
- zutreffend war die Analyse der vom "Warenhunger" ausgehenden
Gefahren für den landwirtschaftlichen und städtischen Warenaustausch.
- Die unbefriedigte Nachfrage nach Industriewaren senkte bei den Bauern den
Anreiz zur landwirtschaftlichen Mehrproduktion erheblich.
Dieser Faktor und weitere politisch-organisatorische Fehler bei der
Getreidebeschaffung führten 1927/28 eine wirtschaftliche Krise und ab Mitte 1928
auch eine politische Krise herbei.
-
1928 war ein Jahr des Schwankens in der Landwirtschaftspolitik, gekennzeichnet
von Grabenkämpfen zwischen der Stalin- und Bucharin-Gruppe um den richtigen
Kurs.
- Die Stalingruppe scheute sich nicht, in überzogener Weise
wirtschaftspolitische Maßnahmen gegen die Bauern zu ergreifen, wegen deren
Propagierung die Führer der Vereinigten Opposition 1927 aus der Partei
ausgeschlossen worden waren.
- Zur Jahreswende 1928/29 hatte die Stalingruppe sich mit ihrer Orientierung
auf die Kollektivierung der Landwirtschaft innerhalb der Partei klar
durchgesetzt.
- Die Umsetzung dieses Konzepts führte auf dem Land zu heftigen
paramilitärischen Kämpfen.
Die Bedeutung der Behandlung dieser Periode sowjetischer Politik liegt (im Jahre
1989)in zwei Punkten.
-
Lenins Konzeption der Neuen Ökonomischen Politik und ihre Weiterführung durch
Bucharin dient der gegenwärtigen sowjetischen Führung als Beleg für die
bedeutende historische Traditionslinie, in der sich die Politik der Öffnung zu
mehr Markt befinde.
-
Zweitens hat die sowjetische Landwirtschaft bis heute mit den Folgen der
Zwangskollektivierung zu kämpfen, was innerhalb der KPdSU heute der Strömung
Auftrieb verleiht, die eine weitgehende Reprivatisierung der
landwirtschaftlichen Produktion anstrebt.
Juni 1989 to
18. Dokument 11: Helga Schuler-Jung: Die Einführung der NEP (1921)
[aus: Dies.: Ökonomie und Politik in Sowjetrußland 1920 - 1924, Marburg 1978, S.
32 - 53]
1. Die Einführung der NEP
1. Rückzug in Etappen
Die wirtschaftspolitischen Maßnahmen, die auf dem X. Kongreß der KPR(B)
eingeleitet und im Laufe des Jahres 1921 weiter ausgebaut wurden, hatten
unmittelbar zum Ziel, das Bündnis zwischen Bauernschaft und Proletariat
wiederherzustellen, dessen faktischer Zusammenbruch den Bestand der Sowjetunion
gefährdete.
-
"Wir wissen, daß nur eine Verständigung mit der Bauernschaft die
sozialistische Revolution in Rußland retten kann, solange die Revolution in
anderen Ländern nicht eingetreten ist", sagte Lenin vor dem Kongreß.
- Dem Willen der Bauernschaft müsse Rechnung getragen werden.
- Die wichtigste hierfür getroffene Maßnahme war das Dekret vom 21. 3. 1921,
durch das die Ablieferungspflicht - eine der Hauptursachen der Bauernunruhen -
durch eine Naturalsteuer ersetzt wurde.
- Diese wurde auf etwa die Hälfte der Ablieferungspflicht
festgesetzt.
- Über ihre Überschüsse konnten die Bauern nun frei verfügen.
- Die über die Naturalsteuer hinaus benötigten landwirtschaftlichen Produkte
sollte der Staat mit Hilfe der Genossenschaften auf lokaler Ebene gegen
Industrieprodukte eintauschen.
- Durch die Zulassung des freien Warenverkehrs auf lokaler Ebene sollten die
Bauern ermutigt werden, die Anbauflächen zu erweitern und mehr als den
Eigenbedarf zu produzieren.
Diese Maßnahmen wurden zunächst noch nicht als eine
"grundsätzliche
Änderung der Wirtschaftspolitik" verstanden,
- sondern als Maßnahmen innerhalb des gesamtwirtschaftlichen Perspektivplanes,
der 1920 von der Staatlichen Kommission zur Elektrifizierung Rußlands
(GOELRO) entwickelt von der Staatlichen
Plankommission (GOSPLAN) weitergeführt
wurde.
- Es sollten lediglich solche Maßnahmen rückgängig gemacht werden, die unter
dem Druck der Kriegsverhältnisse "auf dem Wege der Nationalisierung des
Handels und der Industrie, auf dem Wege der Drosselung des lokalen
Umsatzes" zu weit gegangen waren.
- Jedoch schon bald zeigte sich, daß sich die Planziele nicht in der
vorgesehenen Weise realisieren ließen: Im Sommer 1921 wurden weite Teile
Rußlands von einer Dürrekatastrophe heimgesucht, die sich umso verheerender
auswirkte, als die Aussaatfläche gegenüber dem Vorjahr weiter zurückgegangen
war, teils weil es an Saatgut fehlte, teils weil das Dekret über die
Naturalsteuer nicht rechtzeitig auf den Dörfern bekanntgeworden war;
- zudem erwies sich die Hoffnung Lenins und anderer, durch die Erteilung von
Konzessionen an ausländische Firmen die notwendigen Mittel für den Ankauf von
Maschinen zu erhalten, die zur Durchführung des GOELRO-Planes erforderlich
gewesen wären, als nicht realisierbar und die Sowjetunion blieb wirtschaftlich
und politisch weiterhin isoliert.
Der wichtigste Faktor für eine umfassendere Revision der Wirtschaftspolitik war
jedoch
- das Scheitern des Warenaustauschs infolge der Mißernte
- und des unzureichenden staatlichen Warenangebots
- sowie die stürmische Entwicklung des Privathandels über alle vorgesehenen
Grenzen hinaus.
"Wir müssen erkennen, daß
sich der Rückzug als unzureichend erwiesen hat, daß wir einen zusätzlichen
Rückzug antreten müssen, noch weiter zurück, indem wir vom Staatskapitalismus
zur staatlichen Regelung des Kaufs und Verkaufs und des Geldumlaufs übergehen.
Der Warenaustausch war ein Fehlschlag, der Privatmarkt hat sich als stärker
erwiesen als wir . ., ."
(sagte Lenin im Oktober 1921)
- Die Überreste der proletarischen Naturalwirtschaft des Kriegskommunismus
mußten abgebaut werden.
- Die Anzahl der Bevölkerungsgruppen, die vom Staat unentgeltlich versorgt
wurden, wurde stark reduziert,
- und die öffentlichen Dienstleistungen mußten wieder bezahlt werden;
- Klein- und Mittelbetriebe wurden reprivatisiert
- bzw. an Privatunternehmer verpachtet
- und der Geldwert stabilisiert;
- die Entlohnung der Arbeiter wurde nach Leistung differenziert
- und die staatlichen Betriebe wurden nach dem Rentabilitätspninzip
(chozrascet)
- und dem Prinzip der verantwortlichen Einzelleitung reorganisiert.
-
Nun erst konnte "wirklich von einer neuen Wirtschaftspolitik (NEP)
gesprochen werden."
- Der Kriegskommunismus war davon ausgegangen, "daß ein unmittelbarer
Übergang von der alten russischen Ökonomik zur staatlichen Produktion und
Verteilung auf kommunistischer Grundlage" möglich sei
- und auch noch die Beschlüsse des X. Parteitages der KPR(B) unterstellten,
daß es mit Hilfe des Warenaustausches möglich sei, "einen unmittelbaren
Übergang zum sozialistischen Aufbau zu bewerkstelligen."
Diese Illusion wurde nun fallengelassen und
anerkannt, daß
"auf einen unmittelbaren kommunistischen Übergang"
nicht gerechnet werden konnte:
"daß zwischen dem kapitalistischen Regime und dem vollendeten
Sozialismus unvermeidlich eine lange Epoche liegen muß, in deren Verlauf das
Proletariat . . . sich in immer höherem Grade des Marktes bemächtigt,
schließlich den Markt beseitigt und durch einen zentralistischen Plan ersetzt.
Auf diesem Wege befindet sich nun heute die Sowjetrepublik. Sie steht aber dem
Ausgangspunkt unvergleichbar näher als dem Endziel."
()
Zwar wurde anerkannt, daß die NEP eine
"schroffe Wendung" bedeutete,
aber für das Selbstverständnis von Lenin und
Trockij beschritt die Sowjetregierung damit nur denjenigen
"Wirtschaftsweg..., den sie zweifellos schon in den Jahren 1918 -
1919 gegangen wäre, wenn die unabweisbaren Erfordernisse des Bürgerkrieges sie
nicht genötigt hätten, die Bourgeoisie auf einen Schlag zu enteignen, ihren
Wirtschaftsapparat zu zerstören und ihn überdies durch den Apparat eines
Kriegskommunismus zu ersetzen."
()
Trockij sah in der NEP zudem ein Aufgreifen der Vorschläge, die er dem ZK
bereits im Februar 1920 gemacht hatte.
Die Auffassung, die NEP sei eine Wiederaufnahme der staatskapitalistischen
Versuche von 1918 nach der durch den Bürgerkrieg bedingten Zwischenphase des
Kriegskommunismus, wie sie heute von der Geschichtsschreibung der SU vertreten
wird, berücksichtigt jedoch nicht, daß die
staatskapitalistischen Vorstellungen Lenins und Trockijs bereits im Mai 1918 auf
dem Ersten Gesamtrussischen Kongreß der Regionalen Volkswirtschaftsräte, also
"vor dem Fieber des Bürgerkrieges unter dem Druck der revolutionären
Arbeiter" zugunsten des Programms der Linken Kommunisten fallengelassen
worden waren , und daß die NEP erst im März
1921 in Angriff genommen wurde, nicht aber - abgesehen von Trockijs halbherzigem
Versuch im Februar 1920 - unmittelbar nach dem Ende des Bürgerkrieges, wie es
nach dieser Interpretation erwartet werden müßte.
Mit der NEP legalisierte die Sowjetführung
-
den bereits vorher bestehenden Zustand des Nebeneinanders von
privatkapitalistischem und verstaatlichtem Wirtschaftssektor
- und ließ sich auf einen Wettlauf zwischen der staatlichen und der
privatkapitalistischen Akkumulation von Kapital bzw. von Investitionsfonds
ein.
Sie stützte sich dabei auf einige
"Kommandohöhen" der
Volkswirtschaft:
- Die Großindustrie und das Verkehrswesen,
- die Banken, das Kreditwesen,
- die Genossenschaften und das Außenhandelsmonopol
- und vor allem die politische Macht.
Mit ihrer Hilfe hoffte sie die kleinbürgerlichen und kapitalistischen Tendenzen,
- die aus dem millionenfachen Kleineigentum auf dem Lande, das durch die
Revolution zu einem beträchtlichen Teil neu geschaffen worden war,
- und aus dem wiederzugelassenen freien Handel und Privatunternehmertum in
Handwerk, Klein- und Mittelindustrie entstehen mußten,
zunächst in Schach halten und später überwinden zu können.
"Mit den Bauern im Frieden leben und eine marktlose
Wirtschaft durch planmäßige Ausnutzung aller Mittel des Marktes herbeiführen -
das ist der wirtschaftspolitische Grundgedanke der
NEP."
2. Auswirkungen der NEP auf die Entwicklung der Landwirtschaft
Die erhoffte stimulierende Wirkung auf die Aussaatkampagne des Jahres 1921
hatten die Beschlüsse des X. Parteitages nicht:
- Teils erreichten sie die Bauern nicht rechtzeitig,
- teils wurde ihre Bedeutung nicht verstanden.
- Die Folgen der Dürrekatastrophe, von der weite Teile Sowjetrußlands im
Sommer 1921 heimgesucht wurden, wurden so noch potenziert durch die - als Folge
der rigorosen Getreiderequisitionen - gegenüber dem Vorjahr weiter verringerte
Aussaatfläche
- und die allgemeine Schwäche der Bauernwirtschaften.
- Der Hungersnot und den Seuchen in ihrem Gefolge fielen trotz der enormen
Anstrengungen der Bevölkerung Sowjetrußlands
- und der umfangreichen internationalen Hilfsmaßnahmen zwischen 5 und 8 Millionen Menschen zum Opfer.
Als jedoch das Jahr 1922 eine ungewöhnlich reiche Ernte brachte,
- begann sich die Landwirtschaft sehr rasch zu erholen
- und erreichte noch im selben Jahre zwei Drittel der
Vorkriegsproduktion,
- während im industriellen Sektor erst ein Viertel der früheren Leistungen
erbracht wurden.
Nun zeigte sich, daß die NEP Kräfte frei setzte,
"die in kürzester Frist
die in den Kriegs- und Bürgerkriegsjahren erlittenen Schäden
beseitigten."
-
Dabei wurde der Prozeß der Nivellierung der wirtschaftlichen Unterschiede in der
Bauernschaft,
- den die Agrarrevolution begonnen
- und die Requisitionen während des Kriegskommunismus verstärkt hatten,
- gestoppt und eine neuerliche Differenzierung zwischen den verschiedenen
Schichten der Bauernschaft gefördert.
- Durch die allgemeine Umverteilung des Bodens nach der Oktoberrevolution
hatte sich zwar die Zahl der landlosen Zwergbauern verringert;
- dennoch konnte der Landhunger nicht gestillt werden, da sich die
Landbevölkerung durch die Stadtflucht zwischen 1917 und 1920 um mehr als 8 Mio
Menschen vermehrt hatte.
- Dadurch gingen die Landgewinne der einzelnen Bauernwirtschaften im
allgemeinen über eine halbe Desjatine nicht hinaus,
- obwohl sich der Landbesitz der Bauern insgesamt im europäischen Rußland um
fast ein Viertel vergrößert hatte.
Das mit der Agrarrevolution einhergehende Wiederaufleben der obscina, der
Dorfgemeinde, hatte nachteilige Auswirkungen:
- Da das Land entsprechend der Zahl der Esser unter den zum Dorf gehörenden
Familien periodisch umverteilt wurde, wuchs der Geburtenüberschuß auf dem Land
an,
- wurden die Bodenparzellen weiter atomisiert
- und agrartechnische Verbesserungen verhindert,
- da sie durch die Landumverteilung nicht ihren Initiatoren zugute gekommen
wären.
- Die Abschaffung der Gutshöfe, die vor der Revolution den Großteil der
Getreideüberschüsse geliefert hatten,
- und die Vermehrung der kleinen Bauernwirtschaften von 16 Mio vor dem Krieg
auf 20 bis 26 Mio während der NEP
- verringerte die Zahl derjenigen Betriebe, die Überschüsse für die
Versorgung der Städte und der Armee und für die Ausfuhr produzieren konnten.
Die wichtigsten Hemmnisse für eine Steigerung der Arbeitsproduktivität auf dem
Dorf, die
"oft nur den zwölften Teil des Niveaus in der Stadt"
erreichte , waren:
- Die im Gefolge der obscina wieder überhand nehmende einfache
Dreifelderwirtschaft, die bereits eingeführte rationellere
Betriebswirtschaftsformen wieder verdrängte;
- der Holzpflug;
- die Vernachlässigung der Pflege des Bodens, da diese im Rahmen der
Bodenumverteilung nur dem späteren Benutzer zugute gekommen wäre;
- die außerordentliche Zersplitterung der Flur,
- die lange Anfahrtswege,
- die beträchtliche Verluste durch die Raine zwischen den Feldern und
unwirtschaftliche Parzellen zur Folge hatte, die oft so klein waren, daß keine
arbeitssparenden Maschinen benutzt werden konnten.
"Nach Schätzungen der sowjetischen Fachleute erntete das
russische Dorf nur die Hälfte des Ertrages, der durch eine Rationalisierung der
landwirtschaftlichen Arbeit und eine Modernisierung der Agrarverfassung hätte
erzielt werden können."
()
Da die obscina zwar das Land, nicht aber das lebende und tote Inventar
umverteilte, enthielt sie bereits den Keim einer neuerlichen sozialen
Differenzierung auf dem Dorfe, die sich nach der Wiederzulassung des freien
Handels unter der NEP voll entfalten konnte.
- Denn die Bauern ohne Ackergerät und Zugvieh waren gezwungen, dieses gegen
einen Teil der Ernte bei den wohlhabenderen Bauern zu leihen bzw. diese ihre
Felder bestellen zu lassen, oder ihr Land
zu verpachten.
- So gerieten die wohlhabenderen Bauern in den Besitz von
Getreideüberschüssen, mit denen sie Handel treiben und die ärmeren Bauern in
ihre Abhängigkeit bringen konnten.
- Zum Differenzierungsprozeß trug außerdem bei, daß die reichen Bauern
oftmals die gebildeteren waren, lesen und schreiben konnten und so zu den
Interpreten der Verlautbarungen der Sowjetregierung wurden und diese in ihrem
Sinne auslegen konnten. Dieser Bildungsvorsprung vergrößerte sich noch unter der
NEP, denn die durch die Finanznot erzwungene Übergabe der Schulen,
Lesehütten usw. in die Obhut der lokalen
Verwaltungsorgane führte unter diesen Bedingungen zu einem fast totalen Zerfall
der Bildungseinrichtungen.
"Erziehung und Ausbildung wurden so zum Privileg der sozial besser
gestellten Schichten des Dorfes", die allein in der Lage waren, die
Lehrmittel und die Lehrer für ihre Kinder zu bezahlen.
Die Dorfsowjets,
-
die von der Sowjetmacht als Interessenvertreter der armen Bauern und als
Gegengewicht zur traditionellen Dorfversammlung (schod) gedacht waren,
- konnten sich gegen diese nicht durchsetzen,
- sie gerieten sogar oft in deren Abhängigkeit, da sie nicht über eigene
finanzielle Mittel verfügten,
- ihre Mitglieder ökonomisch von den reicheren Bauern abhängig waren,
- und durch die verschwindend geringe Vertretung der KPR(B) auf dem Land die
politischen Einflußmöglichkeiten der Sowjetmacht minimal waren.
- Da in der Dorfversammlung die Größe des Besitztums über das Gewicht der
Stimme entschied, verstärkte sie ebenfalls die Stellung der reicheren
Bauern.
-
Selbst die Genossenschaften, auf die Lenin in seinen letzten Schriften so große
Hoffnungen gesetzt hatte , verstärkten den
Differenzierungsprozeß, da sie sich vor allem auf das Gebiet des Handels
beschränkten und so denjenigen zugute kamen, die Waren für den Markt liefern
konnten.
- Die Staats- und Kollektivwirtschaften, die ursprünglich als sozialistische
Stützpunkte auf dem Lande konzipiert gewesen waren, zerfielen mangels
staatlicher Unterstützung unter der NEP weitgehend .
- Der Prozeß der sozialen Differenzierung konnte sich jedoch nicht frei
entfalten, da er durch die Gesetze, die die Möglichkeit zur Landpachtung und die
Verwendung von Lohnarbeit einschränkten, sowie durch die Nationalisierung des
Bodens gehemmt wurde.
Das Ausmaß und die Entwicklungstendenz der sozialen Differenzierung auf dem
Lande zu erfassen war für die staatlichen Organe sehr schwierig, da es
vielfältige Formen der Verschleierung der tatsächlichen
Abhängigkeitsverhältnisse gab;
- so konnte etwa der reichere Bauer, der mit seinem Zugvieh und Ackergerät den
Boden des inventarlosen Bauern bearbeitete, als dessen Lohnarbeiter
erscheinen,
-
während der arme Bauer als Arbeitgeber auftrat,
- so daß die soziale Schichtung und ihre Entwicklungstendenzen mit den
herkömmlichen Kategorien nicht mehr erfaßt werden konnten. .
- Dennoch wurde deutlich, daß einerseits die wirtschaftlich kräftigeren
und andererseits "die Zahl der armen Bauern, die ihr Land verpachten und
sich als Landarbeiter verdingen" mußten, rasch zunahm. .
Zur Beschreibung des Differenzierungsprozesses wurden folgende Kategorien
verwandt:
-
Der Landproletarier, der - auch wenn er ein kleines Stück Boden besaß - doch überwiegend auf Lohnarbeit angewiesen war;
-
der arme Bauer, der nicht genügend Land oder Inventar besaß und deshalb gezwungen war, Inventar und Zugvieh zu mieten oder sein Land zu verpachten und sich einen Nebenerwerb zu suchen;
-
der Mittelbauer, der genügend Land und Inventar besaß, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten und einen kleinen Überschuß zu erwirtschaften. Er bestellte sein Land mit Hilfe seiner Familienangehörigen und stellte nur ausnahmsweise - etwa zur Erntezeit - Lohnarbeiter ein;
-
der wohlhabende Bauer, der regelmäßig Lohnarbeiter beschäftigte und Land hinzupachtete oder Zugvieh und Ackergeräte verpachtete, oder über einen Gewerbebetrieb (etwa eine Mühle) verfügte, in dem wenigstens ein Lohnarbeiter beschäftigt war. Sein Betrieb war in der Regel rationell organisiert und konnte Überschüsse für den Markt produzieren. .
Die Übergänge zwischen den einzelnen Kategorien waren fließend. Verlor etwa ein Mittelbauer sein Pferd, konnte er sehr schnell zum armen Bauern absinken.
1924/25 wurden von insgesamt 110,6 Mill. Landbevölkerung zugerechnet:
- 4,9 Mill. dem Landproletariat,
- 26,5 Mill. den armen Bauern,
- 74,7 Mill. den Mittelbauern
- und 4,5 Mill. den Kulaken .
"Die zentrale Figur des russischen Dorfes blieb . . . der ärmere Mittelbauer, der bis zu 4 Desjatinent . Saatfläche . . . ein Pferd und eine Kuh besaß."
()
- Die große Zahl armer Bauern deutete das Problem der agrarischen Überbevölkerung an, das die Sowjetmacht aus dem Zarismus übernommen hatte,
- das sich aber seit der Revolution durch die Stadtflucht
- und den zunehmenden Geburtenüberschuß auf dem Land noch verschärft hatte.
-
Gemessen an der zur Erzeugung der landwirtschaftlichen Produkte notwendigen Arbeitszeit waren in einigen Gebieten bis zu 50 % Arbeitskräfte überzählig.
- Die Überbevölkerung war auf einige Gebiete, insbesondere auf das zentrale Schwarzerdegebiet
konzentriert
- und betraf vor allem die Klein- und Zwergbauernwirtschaften,
- aber auch ein Teil der Mittelbauem war unterbeschäftigt.
"Letzten Endes war das Problem der agrarischen Überbevölkerung nur durch die Industrialisierung sowie die hiermit verbundene umfassende Intensivierung und Rationalisierung- der landwirtschaftlichen Produktionsweise zu lösen."
()
3. Auswirkungen der NEP für die Industrie
Für die Industrie bedeutete die NEP
- zunächst eine teilweise Rücknahme der weitgehenden Nationalisierungsmaßnahmen
- vorgenommen nach der Revolution und während des Kriegskommunismus,
- mit denen der aktive und passive Widerstand der bürgerlichen Klasse gegen die neue politische Macht gebrochen werden sollte.
Auf dem X. Parteitag konstatierte Lenin:
"Wir sind zu weit gegangen auf dem Wege der Nationalisierung des Handels und der Industrie, auf dem Wege der Drosselung des lokalen Umsatzes. War das ein Fehler?"
()
- Die Reprivatisierung der kleinen Betriebe
- und die Freigabe des lokalen
- und später auch des überregionalen Handels
- brachte zwar die erhoffte Belebung der Wirtschaftstätigkeit,
- wirkte sich jedoch auf die verschiedenen Betriebsarten zunächst sehr unterschiedlich und durchaus nicht im Sinne der bolschewistischen Wirtschaftspolitik aus.
Die Bolscheviki waren sich darüber im klaren,
- daß nur dann, wenn die Bildung von Investitionsfonds im staatlichen Wirtschaftssektor,
- also vor allem in der Schwer- und Investitionsgüterindustrie,
- schneller vor sich ging als im privatkapitalistischen Wirtschaftssektor,
- die Entwicklung auf dem dem Wege vom Kapitalismus zum Sozialismus vorankommen konnte.
- Aber unter den Verhältnissen des Marktes und der Warenwirtschaft konnten sich die einzelnen Wirtschaftszweige zunächst umso rascher entwickeln,
- je primitiver die Technologie war, auf der sie basierten
- und je weniger Kapital und Material sie zu ihrer Ingangsetzung benötigten.
- Deshalb konnte sich die Landwirtschaft am schnellsten erholen,
- gefolgt von Kleinindustrie und Hausgewerbe,
- die Gegenstände des täglichen Bedarfs herstellten und ihre Produkte auf dem Markt rasch umsetzen konnten,
- insbesondere nachdem die reiche Ernte des Jahres 1922 eine starke bäuerliche Nachfrage nach Gebrauchsartikeln mit sich brachte.
- Auch die mittlere Industrie, soweit sie Nahrungsmittel, Textilien, Schuhe u. ä. herstellte, kam rasch wieder in Gang,
- während die Schwer- und Investitionsgüterindustrie, die zudem unter dem Krieg und seinen Folgen am schwersten gelitten hatte, ihre Produktion nur langsam steigern konnte ,
- da sie - ebenso wie die Eisenbahnen - "über den Markt keine unmittelbaren Wachstumsimpulse" erhielt und weiterhin von den Investitionen des Staates abhängig blieb.
Die Entfaltung des staatlichen Wirtschaftssektors wurde auch dadurch gehemmt, daß es dessen Leitungsorganen sehr schwer fiel,
- sich vom "Kriegskommunismus",
- der Produktionssteigerung ohne Rücksicht auf die Kosten gefordert hatte,
- auf die Methoden der wirtschaftlichen Rechnungsführung
- und des Marktes umzustellen,
- zumal zunächst keine Vertriebsorganisationen vorhanden waren
- und oft die Daten für die Berechnung kostendeckender Preise für die Produkte fehlten.
Die Disproportionalitäten der Wirtschaftsentwicklung führten in der Anfangsphase der NEP zu einer Reihe von Wirtschaftskrisen:
-
Die erste erhielt die Bezeichnung razbazarivanie, d. h. Verschleuderung, Ausverkauf:
- Als Anpassung an die Bedingungen der NEP organisierten sich die meisten staatlichen Betriebe - nachdem sie aus der Vormundschaft der schwerfälligen "Hauptverwaltungen" entlassen worden waren - in "Trusts", die meist Betriebe derselben Branche zusammenschlossen.
- Diese "gerieten im Kampf um die Bezugs- und Absatzmärkte in eine heftige Konkurrenz und verschleuderten hierbei einen beträchtlichen Teil ihres Umlaufvermögens."
- Dazu trug die geringe Nachfrage nach Industrieerzeugnissen nach der Hungerkatastrophe von 1921,
- aber auch die mangelnde Vertrautheit der Betriebsführungen mit den Marktmechanismen bei.
Als Reaktion auf die verlustreiche Phase der Dezentralisierung
- schlossen sich die "Trusts" seit dem Frühjahr 1922 zu "Syndikaten" zusammen,
- die den ersten ernsthaften Versuch darstellten, unter den neuen Bedingungen einen Handelsapparat für die Industrie aufzubauen.
- Nutznießer des Ausverkaufs war das Privatkapital,
- vor allem der private Handel, der sich "als das eigentliche Element der Wirtschaftsbelebung erwies" , und der den Kleinhandel praktisch völlig beherrschte,
- während der Großhandel größtenteils in staatlicher Regie blieb.
- Die Absatzkrise des Jahres 1921/22 wurde durch die reiche Ernte des Jahres 1922 überwunden,
- aber nun begann sich eine neue Schwierigkeit abzuzeichnen: Die steigende Nachfrage nutzten die "Trusts" aus, um über Preissteigerungen möglichst hohe Gewinne zu erzielen,
- so daß die Getreidepreise im Verhältnis zu den Preisen der Industrieprodukte kontinuierlich sanken,
eine Entwicklung, die Trockij auf dem XII. Parteitag der KPR(B) im April 1923 in einem Diagramm dargestellt und als
"Schere" bezeichnet hat.
4. Die Herbstkrise des Jahres 1923
- Die Teuerung, unter der nicht nur die Bauern durch die Entwertung ihrer Produkte ,
- sondern auch die Arbeiter durch das rapide Sinken ihres Reallohnes schwer zu leiden hatten,
- dauerte "bis zum Herbst 1923 und mündete in eine schwere Absatzkrise",
- deren äußere Symptome - Überproduktion und Absatzstockung bei gleichzeitig "unbefriedigter Nachfrage der Bevölkerung - den Erscheinungsformen einer kapitalistischen Krise ähnelten".
- Sie führte zu einem Rückzug der Bauern vom Markt, so daß "die russische Volkswirtschaft in zwei voneinander getrennte Bereiche zu zerfallen" drohte.
-
"Das Dorf hielt seine Waren angesichts der ungünstigen Austauschrelationen zurück und deckte den dringenden Bedarf an industriellen Waren durch das Heimgewerbe und die Kustarindustrie."
- Die Produktion der staatlichen Industrie wiederum gelangte kaum über den Umkreis der größeren Städte hinaus,
- oder konnte überhaupt nicht abgesetzt werden, so daß die Betriebe unter akutem Mangel an Umlaufmitteln litten und die Produktion ins Stocken geriet.
- Die Realisierung des Hauptziels der NEP - des gleichgewichtigen Verhältnisses von Stadt und Land - war in Gefahr.
- Weitere Bestandteile der Herbstkrise waren Inflation, Arbeitslosigkeit und Streiks.
Seit der Einführung der NEP bemühte sich die Sowjetregierung um die Stabilisierung der Währung, da nach der Rückkehr zur Geld- und Marktwirtschaft eine feste Währung zur Kontrolle und Regulierung des Wirtschaftsgeschehens und für das angestrebte Bündnis zwischen Stadt und Land von entscheidender Bedeutung war.
-
"Die entscheidende Rolle, die Lenin den Kommandohöhen der Schwerindustrie unter der NEP zugesprochen hatte, wurde auf die Kommandohöhen von Handel und Finanzen ausgedehnt."
- Ein erster Schritt zur Geldstabilisierung war die Einführung einer neuen Währung auf Goldbasis im November 1922, des Cervonec, der jedoch zunächst nur in großen Einheiten ausgegeben wurde,
- so daß für den Kleinhandel und den täglichen Gebrauch der Bevölkerung nach wie vor der Papierrubel im Umlauf blieb.
- Dieser entwertete sich rasch weiter, da die Sowjetregierung nach wie vor auf die Notenpresse zur Finanzierung der Staatsausgaben, insbesondere zur Subventionierung von Schwerindustrie und Verkehr, angewiesen blieb.
- Als im Frühjahr 1923 der Warenumsatz aufgrund der steigenden Industrie- und fallenden Agrarpreise zu stocken begann, wurde auch der Cervonec ab Mai 1923 von der Inflation erfaßt, die im Herbst 1923 ihren Höhepunkt erreichte.
Daß dabei auch die Löhne der Arbeiter, die seit der Einführung der NEP zunehmend in Geldform ausgezahlt wurden, stark in Mitleidenschaft gezogen wurden, war eine der Ursachen für die Streikbewegung des Jahres 1923.
- Zwar sollten die Löhne monatlich den steigenden Preisen angepaßt werden, aber dabei kam es zu Manipulationen zuungunsten der Arbeiter.
- Am stärksten durch die Inflation geschädigt wurden die Arbeiter jedoch dadurch, daß die Betriebe die Löhne oft erst mit monatelanger Verspätung auszahlen konnten.
- Auf diese Weise wurden etwa die Löhne im Donezrevier zwischen November 1922 und Mai 1923 im Durchschnitt um 33 % entwertet.
- Die Verzögerung der Lohnauszahlung war eine der häufigsten Ursachen der Streiks der Jahre 1922 und 1923, die vor allem in den Randgebieten der SU, wo die Gewerkschaften keine starke Position hatten, und im Bergbau und den Grundstoffindustrien ausbrachen;
- diese Industriezweige litten dauernd unter Geldknappheit, weil sich dort der Wirtschaftsaufschwung der NEP erst langsam bemerkbar machte.
- Aber auch in Moskau kam es ab Juli 1923 zu Streiks.
- Kennzeichnend für diese Streikbewegung war, daß sie alle Berufsgruppen umfaßte, auch solche, die bei früheren Streiks keine Rolle gespielt hatten.
Dasselbe gilt für die Arbeitslosigkeit, die ab 1922 vor allem in den Städten der SU immer beunruhigendere Ausmaße annahm. Dies war auf ein Zusammentreffen verschiedener Faktoren zurückzuführen:
- Von den in der Landwirtschaft überzähligen Arbeitskräften suchten jährlich 300 000 bis 400 000 Arbeit in den Städten;
- hinzu kamen die Flüchtlingszüge, "die 1921/22 die Hungergebiete des südöstlichen Rußlands verlassen hatten",
- und ein Teil der demobilisierten Roten Armee;
- weitere Arbeitslose entstanden durch die Personaleinsparungsmaßnahmen der Sowjetbehörden
- und der sich auf das Rentabilitätsprinzip umstellenden Betriebe;
- als zur Entlastung des Staatshaushalts Schulen und Krankenhäuser den örtlichen Sowjets unterstellt wurden, wurden viele Lehrer und Ärzte arbeitslos.
- Diese (Lehrer und Ärzte) sowie andere Gruppen der "Intelligenz" bildeten das Hauptkontingent der Arbeitslosen, die zudem die größten Schwierigkeiten hatten, eine neue Arbeit zu finden.
- Die zweite große Gruppe, die gelernten Industriearbeiter, hatten dagegen bessere Aussichten auf eine neue Stellung.
- Die unter die dritte Kategorie fallenden ungelernten Arbeiter kamen meist direkt vom Lande.
- Der Anteil der Jugendlichen und Frauen war unter den Arbeitslosen überproportional hoch.
- Es gab zwar eine Arbeitslosenunterstützung, aber diese kam fast nur den gelernten Arbeitern zugute und war zudem sehr niedrig.
Im Unterschied zur Arbeitslosigkeit in kapitalistischen Staaten, in denen sie stets die Folge einer Rezession ist,
- nahm gleichzeitig mit der Zahl der Arbeitslosen auch die Zahl der in Industrie und Transport beschäftigten Arbeiter zu
- und war eine allgemeine wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung und eine Hebung des städtischen Lebensniveaus unverkennbar.
Deshalb hielten Partei und Regierung die Arbeitslosigkeit zunächst für eine rasch vorübergehende Randerscheinung, die im Zuge des wirtschaftlichen Aufschwungs
"von selbst" wieder verschwinden werde, und wandten ihr keine besondere Aufmerksamkeit zu.
5. Die Stellung der Arbeiter unter der NEP
Die Beiläufigkeit, mit der dieses Problem von der Partei- und Staatsführung behandelt wurde, deutet auch auf eine Veränderung des Kräftegleichgewichts zwischen den verschiedenen Klassen und Bevölkerungsschichten seit dem Ende des Kriegskommunismus hin:
- Zwar hatte die NEP rasch zu einer allgemeinen Verbesserung der Lebensumstände der Arbeiter geführt
- aber sie brachte auch einen relativen Bedeutungsverlust der Arbeiterklasse zugunsten der Bauernschaft und der "Spezialisten" (meist bürgerlicher Herkunft) mit sich.
-
Während die Bauernschaft aus Krieg und Bürgerkrieg als soziale Klasse ungebrochen hervorging, da sie "unzerstörbar wie die Natur selbst, nur in Berührung mit der Natur arbeiten mußte, um sich am Leben zu erhalten",
- wurde die Arbeiterklasse durch den desolaten Zustand der Industrie und die schlechte Versorgungslage der Städte stark dezimiert und geschwächt.
- Die Zahl der Arbeiter in Industrie und Bergbau war von 1913 bis 1920 auf die Hälfte gesunken.
- Besonders stark betroffen von diesem Substanzverlust waren die Betriebe mit mehr als 1000 Arbeitern.
- So arbeiteten in den Putilov-Werken in Petrograd im Jahr 1920 nur noch 5000 Arbeiter gegenüber 13 500 im Jahre 1913.
- Da die Wiederankurbelung der Industrie sehr viel langsamer vor sich ging als die der Landwirtschaft
- im Herbst 1922 hatte diese bereits wieder zwei Drittel ihrer Vorkriegsproduktion erreicht, die Industrie dagegen nur etwa ein Viertel
- stieg die Zahl der Industriearbeiter nur sehr allmählich an und erreichte erst 1926 wieder das Vorkriegsniveau.
- Der Rückzug der NEP war u. a. der politische Ausdruck dieser veränderten Kräftekonstellation.
Innerbetrieblich bedeutete die Rückkehr zum Rentabilitätsprinzip und die Abkehr vom Kollegialitätsprinzip zugunsten der
"Einzelleitung" ebenfalls eine Schwächung der Position der Arbeiter:
- das Industriemanagement ging zunehmend wieder in die Hände ehemaliger bürgerlicher Manager und Spezialisten über.
- Diese Kreise, die den Kriegskommunismus abgelehnt hatten,
- begrüßten die NEP als "Übergang vom Utopismus zu einer realistischen Politik"
- -und erklärten sich nun bereit, am Wirtschaftsaufbau mitzuwirken,
- zumal Lenin nach 1921 immer wieder darauf drang, "die Tätigkeit der parteilosen Intelligenz nicht durch administrative Maßnahmen zu stören und die Spezialisten wie den eigenen Augapfel zu hüten."
- Das Vordringen der bürgerlichen Intelligenz und der Spezialisten in Wirtschaft und Verwaltung verstärkte die der NEP innewohnende Tendenz, "zu kapitalistischen Organisationsformen und Denkweisen" zurückzukehren, so daß von ihr auch solche Führungskader erfaßt wurden, die ursprünglich aus der Arbeiterschaft stammten.
In der NEP fand die gesunkene volkswirtschaftliche Bedeutung der Arbeiterklasse ihren politischen Ausdruck:
- So wie während des Kriegskommunismus die Versorgung der Arbeiter und der Armee im Zentrum der Überlegungen von Partei- und Staatsorganen stand,
- rückte nun einerseits die Zufriedenstellung der Bauernschaft, insbesondere der Mittelbauern
- und andererseits die Ankurbelung von Industrie und Handel in den Mittelpunkt des Interesses.
Davon erhoffte sich die Partei auch ein Wiedererstarken ihrer Klassenbasis:
"Die Kapitalisten werden aus unserer Politik Vorteile ziehen und werden ein Industrieproletariat schaffen, das bei uns durch den Krieg und die furchtbare Verwüstung und Zerrüttung deklassiert, d. h. aus seinem Klassengeleise geworfen ist und aufgehört hat, als Proletariat zu existieren. Proletariat heißt die Klasse, die mit der Produktion materieller Güter in Betrieben der kapitalistischen Großindustrie beschäftigt ist. Soweit die kapitalistische Großindustrie zerstört ist, soweit die Fabriken und Werke stillgelegt sind, ist das Proletariat verschwunden. Es wurde wohl manchmal der Form nach als Proletariat gerechnet, aber es hatte keine ökonomischen Wurzeln. Wenn der Kapitalismus wiederersteht, so heißt das, daß auch die Klasse des Proletariats wiedererstehen wird, das mit der Produktion materieller, für die Gesellschaft nützlicher Güter beschäftigt ist, das in maschinellen Großbetrieben tätig ist . ."
()
Die skeptische Haltung von Partei und Staatsorganen gegenüber weiten Teilen des Proletariats war jedoch nicht nur auf die als
"Deklassierung" bezeichneten Veränderungen zurückzuführen,
Eine ähnliche Umkehrung der Einschätzung gab es hinsichtlich des Streiks, der eine der wichtigsten Waffen im Kampf gegen den Zarismus gewesen war.
- Zinovev führte aus: "Im bürgerlichen Staate können wir sagen, daß die Gewerkschaft, die die meisten Streiks durchgeführt hat, die beste und kampffähigste ist.. . Im Sowjetstaat ist gerade das Gegenteil der Fall."
- Zwar wurde unter der NEP - im Unterschied zum Kriegskommunismus also - anerkannt, daß unter den Bedingungen der wirtschaftlichen Rechnungsführung der Streik u. U. ein notwendiges Druckmittel der Gewerkschaften war, um die Interessen der Arbeiter zu schützen,
- aber ein offenes Ausbrechen der Interessengegensätze zwischen Betriebsleitung und Belegschaft wurde gleichzeitig als Versagen der Gewerkschaften gewertet,
- denn als wichtigster "Gradmesser für die Richtigkeit und den Erfolg der Arbeit einer Gewerkschaft" galt das Ausmaß, "in dem sie Massenkonflikte in Staatsbetrieben erfolgreich durch eine umsichtige Politik, die auf den wirklichen und allseitigen Schutz der Interessen der Arbeitermassen sowie auf die rechtzeitige Beseitigung der Anlässe für Konflikte gerichtet" war, verhüten konnte.
- Zwar wurde den Gewerkschaften unter der NEP eher eine selbständige politische Funktion neben den Partei- und Staatsorganen zugestanden als unterm Kriegskommunismus,
- aber ihre politische Bedeutung hatte sich - ebenso wie die des Proletariats als Ganzes - verringert:
- Während in der Gewerkschaftsdebatte 1920 noch zur Diskussion stand, den Gewerkschaften die Leitung der Wirtschaft zu übertragen,
- wurde nun "jede unmittelbare Einmischung der Gewerkschaften in die Leitung der Betriebe. . . als unbedingt schädlich und unzulässig betrachtet".
- Bei der Besetzung der Wirtschafts- und Staatsorgane hatten sie nur noch ein Vorschlagsrecht, kein Ernennungsrecht mehr.
- Neben der Ausarbeitung der Tarife und Versorgungsnormen
- und der Verhinderung bzw. Beilegung von produktionsabträglichen Konflikten zwischen Betriebsleitung und Belegschaft
hatten die Gewerkschaften vor allem pädagogische Funktionen:
- Als "Schulen des Kommunismus" sollten sie für die sozialistische Industrie,
- aber auch für die Staatsorgane Verwaltungskräfte heranbilden
- und als "Transmissionsmechanismus" sollten sie die Verbindung "zwischen der Kommunistischen Partei und den Massen" aufrechterhalten.
- Deshalb sollten sie möglichst viele auch der parteilosen Arbeiter,
- jedoch jetzt - im Unterschied zum Kriegskommunismus - auf freiwilliger Basis organisieren.
In dieser Aufgabenstellung war ein doppelter Widerspruch angelegt:
- Einerseits sollten die Gewerkschaften die unmittelbaren Interessen der Arbeiter in Staat und Betrieb verteidigen,
- andererseits sollten sie Arbeitsdisziplin und Produktionssteigerung gegenüber den Arbeitern durchsetzen;
- indem sie die parteilosen Arbeiter erfaßten
- und ihren politischen Auffassungen Ausdruck verliehen,
- boten sie eine Plattform für menschewistische und anarchistische Strömungen,
- zugleich jedoch sollten sie diese bekämpfen.
Zur Beilegung der aus diesen Widersprüchen notwendig entstehenden Konflikte und Reibungen wurden die Gewerkschaften der Kommunistischen Partei als Schiedsinstanz untergeordnet. Damit wurde ihre Selbständigkeit von vornherein stark eingeschränkt.
Die unmittelbaren Interessen der Arbeiter und die Arbeit der Gewerkschaften wurden dem vordringlichen Ziel der Boljeviki, dem
"schnelle(n) und möglichst nachhaltige(n) Erfolg bei der Wiederherstellung der Großindustrie"
untergeordnet, ohne den
"der Erfolg des gesamten Werkes der Befreiung der Arbeit vom Joch des Kapitals... der Sieg des Sozialismus (für) undenkbar"
()
gehalten wurde.
Anmerkung: die Nummerierung der Fussnoten folgt Orinalreihenfolge - allerdings als Endnoten statt Seitennoten.
W. I. LENIN: Referat über die Ersetzung der Ablieferungspflicht durch die Naturalsteuer, Werke Bd. 32, S. 217 ff.
Vgl. Friedrich POLLOCK, a. a. 0., S. 120ff.
Zur Regelung des Warentausches zwischer Stadt und Land vgl. Gert MEYER, a. a. 0., S. 137ff.
Wirtschaftspolitik. Materialien 1917 - 1921, in: Das Argument 82, 15. Jg. (1973). S. 768 - 803, S. 785 f.
Gosudarstvennaja komissija po elektrifikacii Rossii (Staatliche Kommission zur Elektrifizierung Rußlands); vgl. hierzu: Friedrich POLLOCK, a. a. 0., S. 75 - 78 und Heiko HAUMANN: Beginn der Planwirtschaft. Elektrifizierung, Wirtschaftsplanung und gesellschaftliche Entwicklung Sowjetrußlands 1917 - 1921, Düsseldorf 1974, Kap. VI - IX
GOSPLAN: Gosudarstvennaja planovaja komissija. Vgl. Friedrich POLLOCK, a. a. 0., S. 235 - 240
W. I. LENIN: Ersetzung der Ablieferungspflicht, a. a. 0., Werke Bd. 32, S. 222
Vgl. Gert MEYER, a. a. 0., S. 16 - 189
Richard B. DAY, a. a. 0., S. 47 - 55. Im Unterschied zu Lenin hielt Trockij es für unwahrscheinlich, daß die kapitalistischen Länder den Wiederaufbau der SU mitfinanzieren würden.
W. I. LENIN: Über die Neue ökonomische Politik. Werke Bd. 33, S. 77
Vgl. hierzu Gert MEYER, a. a. 0., S. 149 - 163
Heiko HAUMANN: Die russische Revolution, a. a. 0., S. 786
W. I. LENIN: Die NöP und die Aufgaben der Ausschüsse für politisch-kulturelle Aufklärung. Werke Bd. 33, S. 40 f.
Ders.: Über die NOP, Werke Bd. 33, S. 84, aber auch S. 77, 74
Den.: Die NOP und die Aufgaben . . . Werke Bd. 33, S. 49
Leo TROTZKI: Die Wirtschaftslage Sowjetrußlands vom Standpunkt der Aufgaben der sozialistischen Revolution, in: Ders.: Grundfragen der Revolution, a. a. 0., S. 457-471, S. 468. In dieser Frage stimmte Trockij völlig mit der übrigen Parteiführung überein, in deren Auftrag er die NEP vor dem IV. Weltkongreß der Kommunistischen Internationale im November 1922 erläuterte.
W. I. LENIN: Die NÖP und die Aufgaben..., a. a. 0., Werke Bd. 33, S. 40 f.
Leo TROTZKI: Die Wirtschaftslage a. a. 0., S. 464
Vgl. Leo TROTZKI: Mein Leben, a. a. 0., S. 425. Sowohl hier als auch in Ders.: Der neue Kurs. Berlin 1972, S. 79 f, wo Trockij seinen Brief an das ZK teilweise wiedergab, ließ er 2 der 4 von ihm vorgeschlagenen Punkte weg, denn diese passten nicht zu seiner Interpretation, die NEP bedeute die Verwirklichung seiner damaligen Vorschläge. Die beiden Punkte lauten:
"3. Die Requisition, die sich nach dem Speichergetreide richtet, wird ergänzt durch eine Zwangsrequisition, die sich an der Größe der bestellten Bodenfläche und dem allgemeinen Stand der Bodenbearbeitung orientiert.
4. Die Sowjetwirtschaften müssen in größerem Maßstab ausgebaut und sachgerecht geführt werden."
Lev TROCKJJ: Socinenija. Tom XVII. east II. Moskva 1926, S.513 f. Übers. nach Gert MEYER, a. a. 0., S. 134, der auf die Ambivalenz von Trockijs Haltung hinweist.
Vgl. u. a. P.N. POSPELOW u. a. (Redaktionskollektiv): Geschichte der Kommunistischen Partei der Sowjetunion in 6 Bänden. Hrsg. vom Institut für MarxismusLeninismus beim ZK der KPdSU. Band IV: D. M. KUKIN, 1. D. NASARENKO u. a.: Die Kommunistische Partei im Kampf für den Aufbau des Sozialismus in der UdSSR 1921 - 1937. 1. Buch: 1921 - 1929, Moskau 1973, S. 95
Richard LORENZ: Anfänge..., a. a. 0., S. 149f. Zu den damaligen Vorstellungen Lenins und Trockijs vgl. S. 141 - 146. Zum Begriff des Staatskapitalismus vgl. oben Anm. 11 a.
Vgl. Gert MEYER, a. a. 0., S. 133 - 136, der auch die inhaltlichen Differenzen zwischen den Konzeptionen von 1918 und 1921 nachweist.
Friedrich POLLOCK, a. a. 0., S. 127
Vgl. Gert MEYER, a. a. 0., S. 167 f.
Vgl. Jean ELLEINSTEIN, a. a. 0., Bd. 1, S. 199
Vgl. Edward Hallett CARR: The Interregnum 1923-1924. Harmondsworth, Ringwood 1969, S. 16
Richard LORENZ: Die Sowjetunion (1917 - 1941), a. a. 0., S. 300
Vgl. E. H. CARR: The Interregnum, a. a. 0., S. 14
Für die Jahre 1917 und 1920 konnten keine Angaben über die Gesamtzahl der Einwohner der UdSSR ermittelt werden. Zur Orientierung: In den Grenzen der UdSSR von 1939 lebten 1913 ca. 159,2 Mio, 1926 147 Mio und 1939 170,6 Mio Menschen. B. A. VVEDENSKIJ (Glavnyi redaktor): Bol saja Sovetskaja Enciklopedija. Tom 50: SSSR. Moskva 1957 2, S.105; S. I. WAWILOW u. a. (Hrsg.): Enzyklopädie der UdSSR, Bd. 1, Berlin 1950, S. 33
Vgl. Hans RAUPACH, a. a. 0., S. 38
Zu den Auswirkungen der obscina vgl. Gert MEYER, a. a. 0., S. 250 - 262
Vgl. Gert MEYER: Die wirtschaftliche und soziale Entwicklung Sowjetrußlands und der Sowjetukraine vom Ende des Bürgerkrieges bis zum Ersten Fünfjahrplan (Thesen), in: A. S. MAKARENKO und die Sowjetpädagogik seiner Zeit. Marburg 1972, S. 65 - 87, S. 72
Gert MEYER: Studien ... a. a. 0., S. 254 - 260
Zur Ausstattung der Höfe mit Saatfläche und Zugvieh vgl. Hans RAUPACH, a. a. 0., S. 39 für 1917 und 1919 und Gert MEYER, Studien a. a. 0., S. 289 f. für 1920 - 1924 und S. 274 (die Zahlen weichen etwas voneinander ab, die von MEYER sind differenzierter).
Die Lesehütten waren als Stützpunkt für die politische Aufklärungsarbeit der Partei und der örtlichen Sowjets unter den Bauern gegründet worden. Gegen Ende des Bürgerkriegs gab es 40.000 solche Lesehütten. Vgl. N. P. POSPELOW u. a.: Geschichte der KPdSU, Bd. III, 2. Buch, a. a. 0., S. 448
Vgl. insbesondere W. I. LENIN: Über das Genossenschaftswesen. I. - III. Werke Bd. 33, a. a. 0., S. 453 - 461
Vgl. hierzu Gert MEYER, Die wirtschaftliche und soziale Entwicklung.. . a. a. 0., S. 73 - 76 und Ders., Studien a. a. 0., S. 264 - 302, 331, 338
Friedrich POLLOCK, a. a. 0., S. 159
Vgl. hierzu Richard LORENZ: Die Sowjetunion, a. a. 0., S. 304 f. und Jean ELLEINSTEIN, a. a. 0., Bd. 2, S. 16. Zu den Kriterien für die Bestimmung der Kulaken vgl. auch Friedrich POLLOCK, a. a. 0., S. 160 Anm.
Vgl. Richard LORENZ: Das Ende der NOP, a. a. 0., S. 39; für die ersten Jahre der NEP waren mir keine entsprechenden Zahlen zugänglich. Gert MEYER: Studien a. a. 0., S. 289 ff. bringt jedoch aufschlußreiches statistisches Material über die Ausstattung der Bauernwirtschaften mit Saatfläche und Arbeitspferden für den Zeitraum 1920 - 1924.
Zur Erinnerung: 1 Desjatine = 1,09 ha
Gert MEYER: Studien a. a. 0., S. 289
Zu den Ursachen und Folgen der agrarischen Überbevölkerung vgl. ebd.. S 365 - 381; Zu den verschiedenen Berechnungsmethoden des Ausmaßes der Überbevölkerung ebd., S. 375 - 380
Zur regionalen Verteilung der Unterbeschäftigung vgl. Richard LORENZ: Die Sowjetunion, a. a. 0., S. 306 f.
W. I. LENIN: Referat über die Ersetzung der Ablieferungspflicht Werke Bd. 32, S. 222
Am 10. 12. 1921 wurden alle Unternehmen, die bis zu 10 Arbeiter beschäftigten, reprivatisiert. Seit dem 7. 7. 1921 konnte jedermann die Errichtung von Gewerbebetrieben bis zu 20 Arbeitern beantragen. Vgl. Hans RAUPACH, a. a. 0., S. 54
Im Dezember 1921 wurden die letzten Beschränkungen des freien Handels aufgehoben. Vgl. Friedrich POLLOCK, a. a. 0., S. 135
Vgl. TROCKIJS Thesen über die Organisierung der Industrie, die vom XII. Parteitag der KPR(B) als Resolution angenommen wurden, in: Kommunisticeskaja Partija Sovetskogo Sojuza v Rezoljucijach i Relenijach Szezdov, Konferencija i Plenuxn9v CK (1918 - 1970). Tom vtoroj: 1917 - 1924; Moskva 1970 8, S. 410; eine Übersetzung der Thesen findet sich in der Internationalen Presse-Korrespondenz (Inprekorr), 3. Jg. (1923), S. 636 - 641, die jedoch etliche Ungenauigkeiten aufweist. So ist etwa S. 641 die 12. These über die Privilegien der Spezialisten in der Produktion ohne entsprechende Kenntlichmachung weggelassen; vgl. hierzu KPSS v Rezoljucijach a. a. 0., S. 427
Vgl. Richard LORENZ: Das Ende der NÖP, a. a. 0., S. 18
Gert MEYER: Studien..., a. a. 0., S. 212. Zur Entwicklung der Produktion und der Zahl der Beschäftigten in Leicht- und Schwerindustrie vgl. ebd., S. 209 f.
Ebd., S. 220. Zum Prozeß der Vertrustung vgl. ebd., S. 215 - 220
Zur sozialen Herkunft des leitenden Trustpersonals vgl. ebd., S. 219. LENIN beklagte mehrfach die fehlende Fähigkeit und Bereitschaft insbesondere der langjährigen Parteimitglieder, sich mit dem Handel und den Marktgesetzen zu beschäftigen, etwa Werke Bd. 33, S. 85 - 89, 277 - 285, 427
Vgl. Maurice DOBB, a. a. 0., S. 158 ff.
Hans RAUPACH, a. a. 0., S. 51. Zur Entwicklung des Privathandels zwischen 1921 und 1923 vgl. Gert MEYER: Studien ... a. a. 0., S. 440 - 450
Lev TROCKIJ: Doklad o promylennosti, in Dvenadcatyj Scezd RKP(b). 17- 25 aprelja 1923 g. Stenografleskij ojt. Moskva 1968. S. 309 - 352. Diagramm S. 321. Ein von STRUMILIN entwickeltes Diagramm, das den Zeitraum bis März 1924 umfaßt und die Wiederannäherung der Scherenenden zeigt, findet sich bei Maurice DOBB, a. a. 0., S. 164; vgl. auch Kap. 5. 2. dieser Arbeit.
Diese "spiegelte sich besonders deutlich in den Austauschrelationen zwischen Roggen, dem wichtigsten von den Bauern verkauften Produkt, und Kattun, dem im Dorf am meisten gefragten Manufakturprodukt": 1913 war 1 Arin (= 71 cm) Kattun 4,33 Pfund Roggenmehl wert, im Oktober 1923 30,4 Pfund. Gert MEYER: Studien a a O., S. 244
Friedrich POLLOCK, a. a. 0., S. 141
Gert MEYER: Studien. . . a. a. 0., S. 414
Traditionelle Form der Hausindustrie, die den Bauern als Nebenerwerbsmöglichkeit diente. Vgl. Valentin GITERMANN: Geschichte Rußlands. 3 Bde. Frankfurt/M. 1945, 1952, 3. Bd., S. 83 f.
Gert MEYER: Studien ... a. a. 0., S. 418 f.
Vgl. Maurice DOBB, a. a. 0., S. 168 f.
Vgl. E. H. CARR: The Interregnum, a. a. 0., S. 19
Zur Diskussion über die Ursachen der Inflation vgl. Maurice DOBB, a. a. 0., S. 165 ff.
Die Vermehrung der Papierrubel zwischen 1921 und 1924 (in Billionen
"Verrechnungszeichen"):
Tabelle
Jahr | Billionen |
1.1.1921 | 1,3 |
1.4.1921 | 1,7 |
1.7.1921 | 2,3 |
1.10.1921 | 4,5 |
1.1.1922 | 17,5 |
1.4.1922 | 81,2 |
1.7.1922 | 3204 |
1.1.1923 | 1994,5 |
1.4.1923 | 4483 |
1.10.1923 | 22702 |
1.1.1924 | 178510 |
Am 3. 11. 1921 und am 24. 10. 1922 wurden die Geldscheine
"denominiert", d.h. 1 Million alter
"Verrechnungszeichen" entsprach zunächst 100 Rubel des Musters 1922 und später 1 Rubel des Musters 1923 (Karl ELSTER: Vom Rubel zum Tscherwonjez. Zur Geschichte der Sowjet-Währung. Jena 1930. S. 181 - 183). Hieraus sind die unterschiedlichen Zahlenangaben in der Literatur zu erklären (vgl. etwa Alec NOVE, a. a. 0., S. 91; E. H. CARR, a. a. 0., S. 39 und Friedrich POLLOCK, a. a. 0., S. 145). Zur Entwertung des cervoncec vgl. Karl ELSTER, a. a. 0., S. 192. Die Entwertung des Papierrubels war noch weit stärker als aus obigen Zahlen hervorgeht, da 1923 ein immer größerer Teil der umlaufenden Geldmenge aus cervoncec bestand: 1. 1. 1923 3 % 1. 7. 1923 37,1 % 1. 12. 1923 75,8 % (Hans-Jürgen SERAPHIM: Die russische Währungsreform des Jahres 1924, Berlin 1925, S. 28).
Zur Abnahme des prozentualen Anteils des Naturallohnes zwischen Januar 1922 und Oktober1923 vgl. Friedrich POLLOCK, a. a. 0., S. 145, Anm. 52
Zu den Aufgaben der Gewerkschaften gehörte es, Reibungen und Konflikte zwischen den Arbeitern und staatlichen bzw. betrieblichen Institutionen auszuräumen und so Streiks zu verhindern. Vgl. G. SINOWJEW: Der Streik im Arbeiterstaate, in: Internationale Presse-Korrespondenz, 2. Jg. (1922), S. 189 f.
Vgl. zu den Ursachen und der Verbreitung der Streiks in den verschiedenen Regionen der SU Gert MEYER: Studien..., a. a. 0., S. 393 - 402
Ebd., S. 381 f., S. 383 f. finden sich folgende Zahlen zur Entwicklung der städtischen Arbeitslosigkeit:
Tabelle
Monat/Jahr | in Moskva | gesamt UdSSR |
Jan. 1922 | 14.000 | 175.000 |
Juni 1922 | 34.000 | - |
Juli 1922 | - | 436.000 |
Okt. 1922 | 48.000 | - |
Jan. 1923 | - | 625.000 |
Mai 1923 | 100.000 | - |
Juli 1923 | - | 1.000.000 |
Sept 1923 | 125.000 | - |
Jan. 1924 | - | 1.240.000 |
Zur berufsmäßigen Zusammensetzung der Arbeitslosen, den staatlichen Unterstützungsmaßnahmen und ihrer Verteilung vgl. ebd., S. 384 - 392
Vgl. W. SAR.ABJANOW: Arbeitslosigkeit und Landwirtschaft in Rußland. in: Inprekorr 3. Jg. (1923), S. 1240 und Richard LORENZ: Das Ende der NÖP, a. a. 0., S. 34 ff.
Vgl. Gert MEYER: Studien.. . a. a. 0., S. 383. Noch in der am 24. 12. 1923 verabschiedeten Resolution des Politbüros des ZK der KPR(B) über die nächsten wirtschaftspolitischen Aufgaben der KPR(B) wurde das Problem der Arbeitslosigkeit nicht erwähnt. Selbst im Mai 1924, auf dem XIII. Parteitag der KPR(B), ging Zinovev nur kurz in seinem Schlußwort zum politischen Bericht des ZK auf das Problem ein, für dessen Lösung er nur auf die "Entwicklung der produktiven Kräfte" und die "Hebung der Gesamtwirtschaft" verweisen konnte (Inprekorr, 4. Jg. (1924), S. 824. Die o. g. Resolution findet sich ebd., S. 44 - 49).
Vgl. Gert MEYER: Studien.. . a. a. 0., S. 190 ff.
Vgl. hierzu auch E. H. CARR: Sozialismus in One Country, 1924 - 1926, 3 Vol., Harmondsworth 1970 - 1972, 1. Bd., S. 113 f.
Isaac DEUTSCHER: Trotzki. Bd. II. Der unbewaffnete Prophet. 1921 - 1929. Stuttgart 1962, S. 21
Zahl der Arbeiter in Industrie und Bergbau:(in Millionen)
Tabelle
Jahr | Arbeiter insg. |
1913 | n,3 |
1917 | 3,6 |
1918 | 2,9 |
1919 | 1,4 |
1920 | 1,5 |
aus: E. G. GIMPELSON: Sovetskij rabocjklass, a. a. 0., S. 80
Vgl. E. H. CARR: The Interregnum, a. a. 0., S. 16
Vgl. Richard LORENZ: Das Ende der NÖP, a. a. 0., S. 33
Vgl. E. H. CARR: The Interregnum, a. a. 0., S. 49
Gert MEYER: Probleme der Neuen ökonomischen Politik im Spiegel der Erinnerungen von N. VALENTINOV (Volskij), in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas, Bd. 22, N. F. 1974, H. 1, S. 68 - 87, und W. I. LENIN, Werke Bd. 33, S. 180
Vgl. E. H. CARR: Socialism in One Country, a. a. 0., 1. Bd., S. 128 - 137
Ders.: The Interregnum, a. a. 0., S. 49
Vgl. W. I. LENIN: Referat über die Ersetzung der Ablieferungspflicht 15. 3. 1921, Werke Bd. 32, S. 228
W. I. LENIN: Die NÖP und die Aufgaben der Ausschüsse für politisch-kulturelle Aufklärung, Werke Bd. 33, S. 46
Eugen VARGA: Die Krise Rußlands und die Weltwirtschaftskrise, in: Inprekorr, 2. Jg. (1922), S. 498 ff., S. 499
G. SINOWJEW: Der Streik im Arbeiterstaate. In: Inprekorr, 2. Jg. (1922), S. 189
Vgl. etwa Leo TROTZKI: Terrorismus und Kommunismus, a. a. 0., S. 163
Über die Rolle und die Aufgaben der Gewerkschaften unter den Verhältnissen der NOP: Beschluß des ZK der KPR(B) vom 12. 1. 1922. In: W. I. LENIN, Werke Bd. 33, S. 169 - 181, 173
Ebd., S. 174. Zur Entwicklung der Gewerkschaften in den ersten Jahren der NEP vgl. E. H. CARR: The Bolshevik Revolution, a. a. 0., Bd. 2, S. 322 - 330. Nach der Einführung der freiwilligen Mitgliedschaft ging die Zahl der Mitglieder bis zum XII. Parteitag im April 1923 von 6 auf 4,8 Mill. zurück, wie Stalin in seinem Organisationsbericht ausführte (Inprekorr, 3. Ig. (1923), S. 626).
19. Lenins Konzeption der NEP
Im folgenden haben wir die letzten Texte von Lenin abgedruckt.(beziehungsweise download from www.marxists.org)
Die Artikel
"Über das Genossenschaftswesen"
"Wie wir die Arbeiter- und Bauerninspektion reorganisieren sollen"
"Lieber weniger, aber besser"
können als qualitativer Maßstab genommen werden, mit dem die nachfolgenden Diskussionen und Entwicklungen in der Sowjetunion beurteilt werden können.
Die drei Texte stellen den Schlußstrich der Auseinandersetzung Lenins mit der realen und höchst widersprüchlichen Situation in der jungen Sowjetunion dar. Bevor Ihr in das Studium der Texte einsteigt, möchte ich meinerseits noch ein paar Anmerkungen machen, die den Kontext der Auseinandersetzung um die NEP erhellen.
Es ist schon erstaunlich, welches Vermögen Lenin besessen hat, die reale Entwicklung der Widersprüche in der Sowjetunion einzuschätzen, in welchem Maße er bereit war, die eigene Politik einer schonungslosen Kritik zu unterziehen, Fehler offen einzugestehen, und mit welch kühnen, scheinbar pragmatischen Gedanken er Möglichkeiten entwickelt, die Widersprüche zu bearbeiten, die eigene Politik zu verbessern und Leitlinien zu geben.
I.
Vielerorts wird die NEP verstanden
- als eine im Kern ökonomische Politik,
- als pragmatischer Rückzug,
- als Zugeständnis
- und teilweise Wiedereinführung kapitalistischer Wirtschaftsmethoden.
Dies ist eine eindeutige Verkürzung der leninschen Begründungszusammenhänge. Bereits auf dem 10. Parteitag im März 1921,
- der vom Kronstädter Aufstand
- und der Kritik der Arbeiteropposition gekennzeichnet war,
formulierte Lenin an vielen Stellen den politischen Wesenskern der NEP:
"Genossen! Die Ersetzung der Ablieferungspflicht durch eine Steuer ist vor allem und am meisten eine politische Frage, denn der Kernpunkt dieser Frage besteht in dem Verhältnis der Arbeiterklasse zur Bauernschaft. Daß wir diese Frage aufwerfen, bedeutet, daß wir das Verhältnis dieser beiden Hauptklassen, durch deren Kampf gegeneinander oder durch deren Verständigung miteinander das Schicksal unserer ganzen Revolution entschieden wird, einer neuen oder, möchte ich sagen, vorsichtigeren ergänzenden Prüfung und einer gewissen Revision unterziehen müssen."
(LW Bd. 32, S. 216)
Ein Jahr später, auf dem 11. Parteitag, wird Lenin noch deutlicher:
"Unser Schicksal ist, den neuen Zusammenschluß herzustellen, dem Bauern durch Taten zu beweisen, daß wir mit dem beginnen, was ihm verständlich, vertraut und heute bei all seiner Armut erreichbar ist, nicht aber mit etwas, was vom Standpunkt des Bauern fern und phantastisch ist. Unser Ziel ist, zu beweisen, daß wir ihm zu helfen verstehen, daß die Kommunisten dem verarmten, verelendeten, qualvoll hungernden Kleinbauern, der sich jetzt in einer schweren Lage befindet, sofort praktisch helfen. Entweder werden wir das beweisen, oder er wird uns zum Teufel jagen. Das ist völlig unausweichlich."
(LW Bd. 33, S. 256)
II.
Sicherlich war die NEP eine Reaktion auf die Unruhen Anfang 1921. Sie war aber ebenso der Versuch, die Klassenkräfte in der jungen Sowjetunion angesichts der internationalen Entwicklung neu zu gruppieren. Dabei stand die SU vor zwei zentralen Problemkreisen:
- Die erhoffte internationale Revolution war ausgeblieben. Man konnte nicht damit rechnen, die Politik der Bolschewiki nicht auf diese Hoffung aufbauen. Andernfalls wäre man, wie Lenin im März 1921 formulierte, "einfach verrückt".
"Deshalb müssen wir es verstehen, unsere Tätigkeit so mit den Klassenverhältnissen in unserem Land und in den anderen Ländern in Einklang zu bringen, daß wir auf lange Zeit imstande sind, die Diktatur des Proletariats zu behaupten und, wenn auch allmählich, alle die Nöte und Krisen zu hellen, die über uns hereinbrechen."
(LW Bd. 32, S. 179; vgl. ebd., S. 217)
-
Es gab in der Sowjetunion keine "blühende Großindustrie", die in der Lage gewesen wäre, die Bauern sofort mit Produkten und Waren zu versorgen. Deshalb, so Lenin im Dezember 1921 vor dem 9. Sowjetkongreß,
"gibt es für die allmähliche Entwicklung eines mächtigen Bündnisses der Arbeiter und Bauern keinen anderen Weg als den Weg des Handels und der allmählichen Hebung der Landwirtschaft und Industrie über den gegenwärtigen Stand hinaus, unter der Leitung und Kontrolle des Arbeiterstaates - einen anderen Weg gibt es nicht."
(LW Bd. 33, S. 141)
Letztendlich ging es darum,
- ob es entweder der Bourgeoisie gelingen würde, ein Bündnis mit den zersplitterten Kleinproduzenten herzustellen,
- oder ob dieses Bündnis (mit den Bauern) dem Proletariat gelingt,
- oder ob das politisch-militärische Bündnis, das während der Revolution und dem Bürgerkrieg bestanden hatte,
- wirtschaftlich untermauert werden könnte.
Diese Aufgabe erschien Lenin als
zentrale strategische Frage, von deren Lösung das Schicksal der Revolution abhing. (vgl. LW Bd. 32, S. 184 f, 375 ff)
III.
Eng mit der Entwicklung der NEP verknüpft formulierte Lenin eine stetig schärfere Kritik am Bürokratismus. In den beiden hier abgedruckten Texten
"Lieber weniger, aber besser" und zur Arbeiter- und Bauerninspektion ist diese Kritik sicher am pointiertesten formuliert, sie zieht sich aber durch fast alle seine Schriften und Reden seit Anfang 1921.
Ausführlicher befaßt sich Lenin in dem Text
"Uber die Naturalsteuer" mit den Ursachen des Bürokratismus. Als ökonomische Wurzel des Bürokratismus sieht er folgendes:
"die Vereinzelung, Zersplitterung der Kleinproduzenten, ihre Armut und Kulturlosigkeit, die Wegelosigkeit, das Analphabetentum, der man gelde Umsatz zwischen Landwirtschaft und Industrie, das Fehlen einer Verbindung und einer Wechselwirkung zwischen ihnen."
(LW Bd. 32, S. 365)
- Folglich ist der Kampf gegen den Bürokratismus weniger ein formaler,
- in dem eine Organisationsform durch eine andere, effektivere ersetzt wird,
- sondern im wesentlichen Klassenkampf,
- der auf politisch-ideologischer Ebene
- und mit entsprechenden ökonomischen Maßnahmen
- und Bündnissen als Grundlage geführt werden muß.
Die NEP in ihrem gesamten Begründungszusammenhang war auch eine Politik des Kampfes gegen den Bürokratismus.
IV.
Die
strategischen Aufgaben der russischen Revolution, die Lenin ab 1921 formulierte,
- die Umsetzung der NEP,
- die Schaffung des Bündnisses mit der Bauernschaft,
- der Kampf gegen den Bürokratismus und seine ökonomischen und kulturellen Wurzeln,
erforderten eine andere Politik der Bolschewiki als während des Bürgerkrieges. Vor allem auf dem 9. Sowjetkongreß, aber auch in vielen anderen Schriften und Reden, widmete sich Lenin dieser Frage.
Die politische Revolution und den Bürgerkrieg habe man im Sturmangriff, mit Enthusiasmus und Elan siegreich durchgeführt.
"Die politischen und militärischen Aufgaben konnten (damals -bs-)
- auf der gegebenen Bewußtseinstufe der Arbeiter und Bauern durch einen Aufschwung des Enthusiasmus gelöst werden.
- Sie alle verstanden, daß der imperialistische Krieg sie würgt;
- um das zu verstehen, brauchten sie nicht eine neue Stufe des Bewußtseins,
- eine neue Stufe der Organisation erklimmen.
- Enthusiasmus, Angriffsgeist und Heldentum, ... halfen diese Aufgabe lösen.
Gerade damit haben wir unseren politischen und militärischen Erfolg errungen, aber dieser Vorzug wird jetzt zu unserem gefährlichsten Mangel. Wir blicken zurück und meinen, man könne auch die wirtschaftlichen Aufgaben auf diese Art lösen. Aber gerade darin liegt der Fehler:
- Hat sich die Lage verändert und müssen wir Aufgaben anderer Art lösen,
- so dürfen wir nicht zurückblicken und versuchen, sie mit Methoden von gestern zu lösen....
- Entweder Sie lernen, in einem anderen Tempo zu arbeiten,
- in dem Sie die Arbeit nach Jahrzehnten und nicht nach Monaten berechnen,
- indem Sie sich an die Massen halten, die erschöpft und außerstande sind, die tägliche Arbeit in heroisch-revolutionärem Tempo zu leisten
- - entweder Sie lernen das,
- oder man wird Sie zu Recht als Gänse bezeichnen.
"
(LW Bd. 33, S. 157 f)
Mit dieser anderen Art des Herangehens war folgendes verknüpft:
- das offene, unumwundene Eingeständnis eigener Fehler:
"Eine Niederlage ist nicht so gefährlich wie die Angst davor, seine Niederlage einzugestehen, die Angst, alle Konsequenzen daraus zu ziehen ... Ließen wir die Meinung aufkommen, daß das Eingeständnis einer Niederlage, als Preisgabe von Positionen, Kleinmut und Schwächung der Energie im Kampf hervorruft, so müßte man sagen, daß solche Revolutionäre keinen Pfifferling wert sind."
(LW Bd. 33, S. 74)
-
Lenin spricht immer wieder die Gefahr an, daß die Revolutionäre zu schnell vorauseilen, die Verbindung zu den Massen verlieren.
"Eine der größten und bedrohlichsten Gefahren für die zahlenmäßig bescheidene kommunistische Partei, die als Vorhut der Arbeiterklasse ein riesiges Land führt, das den Übergang zum Sozialismus vollzieht, ist die Loslösung von den Massen, die Gefahr, daß die Vorhut zu weit vorauseilt, ohne die Front auszurichten; ohne mit der gesamten Armee der Arbeit, d.h. mit der gewaltigen Mehrheit der Arbeiter- und Bauernmassen, in fester Verbindung zu bleiben."
(LW Bd. 33, S. 178; fast wortgleich, aber weniger militärisch formuliert: LW Bd. 33, S. 144)
Soweit ein paar Anmerkungen zu den letzten Lenintexten, die Ihr nun gleich selbst studieren könnt. Falls Ihr Zeit und Lust habt,
kann ich Euch nur empfehlen, den Band 33 von Lenins Werken insgesamt mal durchzulesen. Er ist eine wahre Fundgrube, aus der ich nur ein paar Zitate habe auswählen können. Schweren Herzens habe auswählen müssen, wohlwissend, daß es noch viele andere, sehr nachdenkenswerte Stellen und Passagen gibt.
Juni 1989 bs
20. Dokument 12 - 14: Lenin: Über das Genossenschaftswesen - Wie wir die Arbeiter- und Bauerninspektion reorganisieren sollen - Lieber weniger, aber besser
[alle drei Artikel aus: Lenin Werke Band 33 (LW Bd. 33)]
aus Platzgründen nicht hierher gestellt, download www.marxists.org
23. Die Entwicklung der NEP bis 1927 ´Scherenkrise´ und Debatte um die Sozialistische Wertschöpfung
Nach dem Scheitern des Kriegskommunisrnus stand die Frage, wie den Sozialismus aufbauen?
- Dabei wurden nach dem Sturz ins kalte Wasser erste Erfahrungen ausgewertet:
- Lenins Konzeption der NEP war einerseits Weiterentwicklung der bis dahin gemachten Erfahrungen,
- andererseits auf dem gegebenen Stand auch nur ein vorläufiges Experiment.
-
Die Freigabe des Marktes zeigte nach der schweren Hungersnot 1921, die Millionen Menschenleben forderte, schnelle Wirkungen in der Landwirtschaft,
- die sich zügig entwickelte, wodurch sich die Versorgung der Städte verbesserte.
- Die Bauern gaben ihren zum Teil heftigen Widerstand gegen das Sowjetsystem auf.
Wie aber mit dem erwirtschafteten landwirtschaftlichen Mehrprodukt umgehen?
- Sowohl die Maßnahmen der Wirtschaftspolitik als auch die theoretische Debatte der zwanziger Jahre hatte diese Fragestellung im Zentrum der Auseinandersetzungen.
- Denn schnell zeigte sich, daß die Industrie sich nicht in gleicher Weise entwickelte.
- Entsprechend verschlechterte sich die soziale Lage der Arbeiter, die Träger der Revolution gewesen sind, gegenüber dem (relativ) wohlhabenden Mittelbauern - dem Kulak.
Dieser Widerspruch
- zwischen den Klassen der Arbeiter und der Bauern,
- zwischen Stadt und Land,
- zwischen Industrie und Landwirtschaft
bestimmte entscheidend die politischen Auseinandersetzungen in der KPR (ab 1921 KPdSU).
Im Herbst 1923 durchbrach die
"Scherenkrise" (Trotzki) die Hoffnungen auf Konsolidierung.
- Die Schere zwischen den landwirtschaftlichen und den industriellen Preisen klaffte immer weiter auseinander,
- die industriellen Preise lagen um ein dreifaches über den landwirtschaftlichen.
- Es gab eine im weitesten Sinne den kapitalistischen Uberproduktionskrisen vergleichbare Wirtschaftskrise.
- Die Arbeitslosigkeit nahm seit Ende 1922 immer mehr zu
- und im Herbst 1923 gab es erstmals wieder eine größere Welle von Streiks der Arbeiter.
- Auf dem Lande wuchs der "Warenhunger" der Bauern,
- die für ihr Geld nicht ausreichend Waren kaufen konnten.
Die Sowjetwirtschaft stand vor dem Problem,
- wie einerseits die Wiedereinführung des Marktes,
- die auf dem Lande die Initiative der Bauern bewirkte,
- mit den Anforderungen forcierter industrieller Entwicklung
- und der Befriedigung des Konsums zu vereinbaren war (Lenkung der Wirtschaft).
Mitte 1924 hatte sich die wirtschaftliche Lage nach der Stabilisierung des Rubel vorübergehend beruhigt.
- Die Zugeständnisse an die Bauern erreichten 1925 mit Steuererleichterungen,
- der Wiederzulassung der Bodenpacht
- und von Lohnarbeit auf dem Land ihren Höhepunkt.
- Der Unmut in der Partei über die bauernfreundliche Politik - für die vor allem Bucharin stand - wuchs, als trotz gestiegenen Wohlstands auf dem Lande die Versorgung der Städte mit Getreide zurückging.
- Die Bauern hielten ihre Produkte zurück,
- das Angebot an Industriegütern war mager,
- die Preise für das knapp angebotene Getreide stiegen.
- Die Hoffnung auf Überschüsse aus Getreideexporten zerstob.
- Obwohl hier die Weichen für den Aufstieg Stalins in der Partei entscheidend gestellt wurden
- und der spätere Widerspruch zu Bucharin angelegt war,
- richteten sie gemeinsam die Parteiauseinandersetzung auf die Ausschaltung der Linken Opposition um Trotzki,
- die mit Kamenew und Sinowjew ein taktisches Bündnis eingegangen war.
- Die Linken übten heftige Kritik am bauernfreundlichen Kurs
- und forderten eine beschleunigte Industrialisierung zu Lasten der Landwirtschaft. (siehe zur wirtschaftlichen Entwicklung unter der NEP den Text von Heiko Haumann im Anschluß).
- Die nachfolgenden Jahre standen zwar noch im Zeichen der NEP, es mehrten sich aber zugleich die Anzeichen, daß die Anhänger einer beschleunigten Industrialisierung an Boden gewannen.
- Die Bedeutung der Planungsbehörden für die Lenkung der Wirtschaft stieg (vergleiche hierzu im Anhang Carr, Die Anfänge der Wirtschaftsplanung).
Diskussion um die sozialistische Wertschöpfung
-
Der politische Streit zwischen den Anhängern Trotzkis um die internationale Orientierung des sozialistischen Aufbaus ("Permanente Revolution") und dem Parteizentrum um Stalin ("Sozialismus in einem Land") fand seine Entsprechung im ökonomischen Streit um den Weg des sozialistischen Aufbaus, die ihren Höhepunkt 1924/25 hatte.
- Im Kern ging dieser Streit um die Frage, woher und wie das Mehrprodukt nehmen, um in der rückständigen Sowjetunion die von allen Richtungen der KPdSU für notwendig gehaltene beschleunigte Industrialisierung durchzuführen.
- In der Konsequenz ging es dabei um die Frage des Bündnisses der Arbeiter als Träger der Revolution mit der überwiegenden Bevölkerungsmehrheit der Bauern, um die Zugeständnisse, die an die rückstandige Bauernwirtschaft von der Sowjetmacht gemacht werden sollten
- und um das Tempo der Industrialisierung.
- Das zaristische Modell des kapitalistischen Rußlands hatte zwar, mit ausländischer Hilfe, diesen Industrialisierungsprozeß eingeleitet, dabei jedoch die Masse der kleinbäuerlichen Produzenten als Hauptlieferanten des nationalen Reichtums ausgeplündert, was die Rückständigkeit der Landwirtschaft noch forcierte.
- Im Rußland nach der Revolution wurde das Land zwar denen gegeben, die es bewirtschafteten, doch führte dies zunächst nur zu einer sprunghaften Vermehrung der bäuerlichen Kleinstwirtschaften.
- Die Zwangsvergesellschaftung des bäuerlichen Mehrprodukts in der Phase des Kriegskommunismus führte zu weniger statt zu mehr landwirtschaftlicher Produktion, da die Bauern diese stark einschränkten und zur Subsistenzwirtschaft übergingen.
- Der Kollaps des Kriegskommuriismus hatte seine Wurzeln in der Verweigerung des "historischen Mehrwertlieferanten", denn im agrarischen Rußland war die landwirtschaftliche Produktion die Hauptquelle der ursprünglichen Akkumulation.
An dieser Diskussion beteiligten sich zahlreiche prominente Bolschewiki.
Die theoretisch stärksten und exponiertesten Beiträge wurden dabei geliefert von den Kontrahenten
-
Bucharin (der 1929 endgültig als Vertreter der "Rechten" ausgeschaltet wurde)
-
und Preobrashenski, (der einige Jahre vorher als Anhänger Trotzkis ausgeschaltet worden war, von dem er sich bei Beginn der Kollektivierung 1929 lossagte, weil er wie zahlreiche "Linke" annahm, Stalin habe seine Positionen übernommen).
-
1924 hatte Preobrashenski seine Arbeit "Das Gesetz der ursprünglichen sozialistischen Akkumulation" vorgelegt.
- So wie die ursprüngliche kapitalistische Akkumulation durch die "systematische Ausplünderung der Kleinproduktion"
- und die "Kolonialpolitik des Welthandels" erfolgt sei,
- unterstützt durch die Zwangspolitik des Staates (Steuern),
so müßten ähnliche Uberlegungen auch in der Sowjetunion angestellt werden.
"Auf jeden Fall ist die Vorstellung,
- daß sich die sozialistische Wirtschaft aus sich heraus entwickeln kann,
- ohne auf die Ressourcen der kleinbürgerlichen Wirtschaft (die bäuerliche eingeschlossen) zurückgreifen zu müssen,
ohne Zweifel eine reaktionäre, kleinbürgerliche Utopie."
So schlug er vor,
- daß der sozialistische Staat nicht weniger als der Kapitalismus von den kleinbürgerlichen Produzenten schöpfen müsse,
- sondern "mehr von einem noch höheren Einkommen zu nehmen, das der Kleinproduktion durch die Rationalisierung der Produktion zugesichert wird."
- Im wirtschaftlich rückständigen, kleinbäuerlichen Rußland müsse sich die "sozialistische Akkumulation auf die Ausbeutung vorsozialistischer Wirtschaftsformen" stützen.
- Ein Arbeiterstaat, der sich auf die Bauernschaft stützt, war Preobrashenskis Vorstellung, der sich besondere Polemiken - wie später Bucharin wegen "bereichert euch" - durch Begriffe wie "Ausbeutung" und die Bezeichnung der Bauern als sowjetische "Kolonie" einhandelte.
- Mehr Plan,
- ein eindeutiges Schwergewicht auf die Industrie,
- vermittelt über den sozialistischen Staat,
formulierte sein Verbündeter Trotzki, dessen Position als
"Diktatur der Industrie" angegriffen wurde.
Dagegen stellte Bucharin seinen Arbeiter- und Bauernblock.
- Nicht der Konflikt, sondern das Bündnis zwischen den beiden Hauptklassen der sowjetischen Gesellschaft müsse das Ziel bolschewistischer Wirtschaftspolitik sein.
-
Statt Enteignung des landwirtschaftlichen Mehrprodukts verlangte Bucharin geringere Preise industrieller Produkte für die Bauern,
- damit zum einen ihre materielle Existenz abgesichert,
- zum anderen die Voraussetzung für die Entwicklung der Produktivkräfte auf dem Land gegeben ist,
- die er nach wie vor als Motor für die gesamte Wirtschaft ansah.
Wir haben diese theoretische Debatte im Anhang in der Darstellung von Maurice Dobb wiedergegeben, ergänzt um einer ausführlichere Würdigung der Position Bucharins, die der amerkanische Ökonom Alexander Erlich vornahm. Erlich bewertete diese Debatte ausschließlich vom Interesse des Ökonomen her als einzigartig, vernachlässigte aber ihren politischen Kontext und den damit verbundenen erbitterten Kampf in der KPdSU. Von Interesse ist diese Debatte heute wieder, weil sie auf fortgeschrittener Stufe der Entwicklung der Produktivkräfte in der Sowjetunion neu belebt ist und weil dabei Nikolai I. Bucharin zum theoretischen Ziehvater der heutigen Perestroika erklärt wird.
Juni 1989 Bernd und hr.
Anmerkung:
Der Text von Preobrashenski ist dokumentiert in "Die Linke Opposition in der Sowjetunion"
, herausgegeben von Ulf Wolter, Band III. Die Dokumente der damaligen Kontroverse sind in den Bänden II und III im Wortlaut wiedergegeben
Vergleiche in diesem Reader im Teil zur Landwirtschaftspolitik am Ende der NEP auch den letzten Text Bucharins zur wirtschaftspolitischen Debatte aus dem Jahr 1928, mit dem er seine Position ausführlich erläuterte: Bucharin, Bemerkungen eines Ökonomen.
Nichtsdestotrotz ist das Buch von Erlich - die Industrialisierungsdebatte in der Sowjetunion 1924 - 1928 - ein nicht ganz leicht verdaulicher, aber lohnenswerter Einsteig in die damals die Diskussion beherrschenden Positionen.
24. Dokument 15: Heiko Haumann: Krisen der Neuen Okonomischen Politik 1923 - 1928
[aus: Gottfried Schramm (Hg.): Handbuch der Geschichte Rußlands, Stuttgart 1983. Band 3, S. 737 - 746]
In diesem Dokument ist die chronologische Strukturierung der drei ökonomischen Krisenformen (1922/23 Scherenkrise - 1924 Warenhungerkrise - Ende 1927 Getreidekrise)mittels kursivem Schriftzug versucht worden - mxks 2004
E. 5. KRISEN DER NEUEN ÖKONOMISCHEN POLITIK 1923 - 1928
Daß es der Neuen Ökonomischen Politik schnell gelang, die Wirtschaft wiederzubeleben, gab zunächst zu Optimismus Anlaß.
Auf dem 11. Parteitag Ende März 1922 proklamierte Lenin das Ende des "Rückzuges":
-
"Nun setzen wir uns ein anderes Ziel: die Kräfte umzugruppieren" .
- Vorsichtig, aber zielstrebig und beharrlich sollte jetzt wieder auf die Ökonomie Einfluß genommen werden.
-
Nachdem man 1921 von der Dynamik des Marktes und der freigesetzten kapitalistischen Elemente überrollt worden war,
-
schien (Ende März 1922) die Zeit herangereift, die Offensive zurückzugewinnen.
Andernfalls wäre man dem eigenen Anspruch, die Zukunft bewußt gestalten zu wollen, untreu geworden.
Doch schon bald entpuppte sich die verbreitete Hoffnung, nach Überwindung der wirtschaftlichen Talsohle werde es kontinuierlich aufwärts gehen, als Illusion.
-
Im Verlauf des Jahres 1923 kam es mehr und mehr zu ernsten Absatzschwierigkeiten der staatlichen Industrie.
- Zunächst glaubte man, hier handele es sich um eine bereits bekannte Kaufkraftschwäche, die aus der schlechten materiellen Lage der Bevölkerung herrühre und in Kürze der Vergangenheit angehören werde;
-
so war durch die gute Ernte von 1922 die Kaufkraft der Bauern schon merklich verbessert worden.
- Vielleicht hatten die Leiter der Trusts und die Verantwortlichen in den Wirtschaftsbehörden darauf spekuliert, als sie
seit Sommer 1922 die Preise für Industriewaren ständig erhöhten, um die Verluste durch den "Ausverkauf" (razbazariranie) 1921 auszugleichen und Gewinne zu erzielen, welche die Entfaltung der industriellen Produktion sicherstellen und zugleich den sozialistischen Sektor im System der - von vielen ja ungeliebten - NEP stärken sollten.
Daß diese Rechnung nicht aufging, verwies auf die unzureichende Planung und Koordinierung einer gesamtwirtschaftlichen Politik sowie auf eine Reihe nicht nur vorübergehender Mängel: Sehr schnell mußte man erkennen, daß
die Wurzeln der im Herbst 1922 einsetzenden "Scheren-Krise" - die ihren Namen von den in der graphischen Darstellung scherenformig auseinander strebenden Industrie- und Agrarpreisindices erhielt - tiefer lagen .
- Der rasche Abfall der Preise für landwirtschaftliche Produkte war nicht allein auf die gute Ernte von 1922 zurückzuführen.
-
Die Bauern warfen 1922/23 einen besonders hohen Anteil ihrer Erzeugnisse auf den Markt.
-
Sie verfügten jetzt frei über all ihre Produkte, weil 1923 zum erstenmal die bisherige Naturalsteuer auch in Rubeln gezahlt werden konnte.
- Dabei kam ihnen die rasch voranschreitende Geldentwertung zugute, die seitens der Behörden auch nicht durch immer neue Steuersätze aufgefangen werden konnte.
- Der unerwarteten Getreideschwemme waren die staatlichen Organisationen nicht gewachsen.
- Nachdem die Binnennachfrage gedeckt war, stapelte sich das Getreide in den Lagern.
-
Erst im Herbst 1923 sah sich die Regierung imstande, größere Mengen zu exportieren.
-
Als sich 1923 erneut eine gute Ernte abzeichnete, wurden die Reserven und eingelagerten Vorräte aus dem vergangenen Jahr massenhaft auf den Markt geworfen.
- Dadurch sank der Getreidepreis rapide weiter.
Brachte die Inflation den Bauern bei der Steuerzahlung Vorteile, so trug sie doch auch zum Preisverfall bei.
- Die Kaufkraft im Dorf schmolz schnell dahin.
- Der Unmut der Bauern wurde verstärkt durch das kümmerliche industrielle Warenangebot.
- Viele dringend notwendige Gebrauchsgüter suchten sie vergeblich in den Läden,
- und was sie fanden, war für sie meist zu teuer.
- Gerade landwirtschaftliche Maschinen und Geräte blieben zunehmend ohne Käufer,
- obwohl eine ungeheure Nachfrage nach ihnen bestand und sie eigentlich ein entscheidendes Bindeglied in der smycka zwischen Arbeitern und Bauern bilden sollten.
Der Widersinn dieser Entwicklung war offenkundig.
- Zahlreiche Bauern verschlossen sich jetzt in folgerichtiger Wahrnehmung ihrer wirtschaftlichen Interessen einer Zusammenarbeit mit staatlichen oder genossenschaftlichen Stellen.
- Sie erhöhten ihren Eignverbrauch an agrarischen Produkten
- und griffen wieder stärker auf die Erzeugnisse der gewerblichen Nebenbetriebe, der Kustar- und Kleinindustrie zurück.
- Der Privathandel, der sich dazwischenschob, nahm einen gewaltigen Aufschwung,
- trotz aller steuerlichen und administrativen Bedrückungen durch die Sowjetbehörden.
Die russische Volkswirtschaft drohte
- in zwei selbständige,
- weitgehend voneinander geschiedene Welten
zu zerfallen. Diese Erscheinung, wie sie schon - unter anderen Rahmenbedingungen - aus dem
"Kriegskommunismus" bekannt war, wies auf fortbestehende, tiefer liegende Strukturprobleme hin.
Die Auswirkungen auf die staatliche Industrie ließen nicht lange auf sich warten.
- Absatzschwierigkeiten
- und ausbleibende agrarische Rohstoffe
führten in manchen Branchen zu beträchtlichen Produktionsrückgängen.
- Da aufgrund des geringen Absatzes die Einnahmen, mit denen man gerechnet hatte, ausblieben,
- konnten in vielen Betrieben die Löhne nicht rechtzeitig ausgezahlt werden.
Das brachte häufig das Faß der Unzufriedenheit unter den Arbeitern, das sich ohnehin rasch gefüllt hatte, zum Überlaufen:
- Kaum auf Gegenliebe traf die Wiedereinführung von Methoden, die an kapitalistische Verhältnisse erinnerten,
- so die Einteilung in differenzierte Leistungsklassen
- und eine autoritäre Betriebsleitung
- bei geringeren Mitsprachemöglichkeiten der Belegschaft.
- Die galoppierende Inflation entwertete das schwer verdiente Geld.
Das Ergebnis: Sowjetrußland wurde von einer Streikwelle erfaßt, die nur mühsam wieder eingedämmt werden konnte.
Seit Oktober 1923 gelang es endlich, ein weiteres Auseinanderklaffen der "Preis-Schere" zu beenden.
- Der Rückzug der Bauern vom staatlich kontrollierten Markt
- und der nun anlaufende umfangreiche Getreideexport
- ließen die Agrarpreise im Innern ansteigen,
- während die staatlichen Industrievereinigungen sich schließlich zu Preissenkungen aufrafften.
- Das rührte nicht allein aus der Marktlage her,
- sondern auch drastische Kreditkürzungen seitens der Staatsbank
- und behördliche Verfügungen taten das Ihre, um den Absatz von Industriewaren zu erzwingen.
Die staatlichen Stellen hatten erkannt, daß namentlich die bäuerliche Unzufriedenheit mit den wirtschaftlichen Verhältnissen in eine politische Bedrohung des Sowjetstaates umschlagen konnte.
Ein entscheidendes Mittel zur Lösung der Krise war die längst überfällige Währungsreform.
- Die Geldentwertung, die dem Staat in den vergangenen Jahren hohe Einkünfte beschert hatte
- und darüber hinaus bewußt vorangetrieben worden war, um das Geldwesen insgesamt abzuschaffen,
- erwies sich unter den Bedingungen der Neuen Ökonomischen Politik als schwerwiegende Belastung.
- Die Betriebe konnten nicht vernünftig kalkulieren,
- längerfristige Haushaltsplanungen waren unmöglich.
Während der Krise wurden die Nachteile für jedermann sichtbar.
-
Einen ersten Schritt zur Abhilfe bildete die im Oktober 1922 eingeleitete Ausgabe einer voll gedeckten, auf den Vorkriegs-Goldrubel bezogenen Währung, des mit dem Namen einer Münze früherer Zeiten belegten Cervonec.
- Zunächst wurde sie parallel zum alten Sowjetrubel benutzt,
- drang jedoch schnell in der Zirkulationsphäre vor,
- obwohl sie aufgrund einer ungeschickten Stückelung beim Endverbraucher kaum Verwendung finden konnte.
- Dadurch wurde noch einmal besonders das Dorf von der Inflation des Sowjetrubels getroffen.
-
Anfang 1924 begann man schließlich, den Cevonec-Rubel als allgemeine Währungseinheit einzuführen
-
und die Stückelung den Bedürfnissen der Verbraucher anzupassen.
Im Sommer 1924 war die sowjetische Valuta stabilisiert .
Mit aller Deutlichkeit offenbarte die
"Scheren-Krise",
- daß der Warenhunger der Bauern
- und die gestörten Austauschbeziehungen zwischen Stadt und Land
- - beides Folgen der bisherigen Politik,
- aber auch Erbteile des Zarismus -
entscheidende strukturelle Schwächen der sowjetischen Ökonomik ausmachten. Von ihrer Beseitigung hing es ab, ob die sozialistischen Zielvorstellungen verwirklicht werden konnten. Daß die preis- und währungspolitischen Maßnahmen bei der Behebung der Krise so rasch Erfolge zeitigten, erweckte den Anschein, als sei der Weg dorthin nicht mehr weit. Wer deshalb einen reibungslosen Aufwärtstrend erwartete, mußte sich allerdings schon bald eines Besseren belehren lassen:
Die schon im nächsten Jahr (1925) auftretende "Warenhunger-Krise" legte die weiterexistierenden Strukturmängel offen.
Das Wirtschaftsjahr 1925/26 sollte der verheißungsvolle Auftakt zu einer neuen ökonomischen Phase sein.
- Voller Optimismus blickten die meisten sowjetischen Wirtschaftsfachleute in die Zukunft.
- Der "Wiederherstellungsprozeß" war in der Landwirtschaft im großen und ganzen abgeschlossen,
- und auch die Industrieproduktion näherte sich dem Vorkriegsstand.
- Die Technik, die Wirtschaft auch unter teilweise marktwirtschaftlichen Bedingungen zu regulieren,
- glaubte man beherrschen zu können, nachdem die "Scheren- Krise" so erfolgreich bewältigt worden war.
Als Lehre aus
dieser Scheren-Krise, die 1924 noch durch - Bauernunruhen, vorab in Georgien, unterstrichen wurde, hatte man auch eine bewußt bauernfreundliche Politik
"Das Gesicht dem Dorfe zugewandt!" (licom k dererne) betrieben:
- So war die private Akkumulation auf dem Lande gefördert worden.
-
Im Frühjahr 1925 erlaubte man sogar auch formell, wenngleich mit bestimmten Einschränkungen, wieder Grund und Boden zu verpachten
- sowie landwirtschaftliche Arbeiter einzustellen.
- Zusätzlich gewährte man steuerliche Vergünstigungen.
Bucharin, damals einer der einflußreichsten Politiker, rief den Bauern
im April 1925 zu:
"Bereichert euch, entwickelt eure Wirtschaft und habt keine Angst, daß man euch bedrängt!"
()
- Obwohl er diesen Ausspruch später unter dem Druck heftigster Proteste aus der Partei zurücknehmen mußte,
- traf er damit doch den Kern der offiziellen Politik, die zu dieser Zeit gegenüber den Bauern verfolgt wurde.
- Man glaubte auf diese Weise das Dorf am besten in das System der Neuen Ökonomischen Politik integrieren zu können,
- selbst wenn dadurch zunächst privatkapitalistisches Verhalten gefördert werde.
-
Die Ernte von 1924 war verhältnismäßig schlecht ausgefallen
- und hatte zu Versorgungsengpässen geführt,
- ohne jedoch größere Schwierigkeiten heraufzubeschwören.
-
Für 1925 rechnete man mit einer guten Ernte.
- Dies war der Dreh- und Angelpunkt der im August veröffentlichten "Kontrollziffern"
- für 1925/26 des ersten gesamtwirtschaftlichen Jahresplans.
Nicht alle begrüßten ihn so enthusiastisch wie Trockij:
- Aus den "trockenen statistischen Zahlenreihen"
- erklinge "die herrliche geschichtliche Musik des wachsenden Sozialismus" .
Aber unbestreitbar markierte das Erscheinen dieses Werkes
- einen wichtigen Schritt in der Planarbeit
- und drückte zugleich den Optimismus für den weiteren wirtschaftlichen Aufbau aus.
- Die Kontrollziffern legten in Erwartung der guten Ernte ihren Berechnungen einen gegenüber den vorangegangenen Jahren hohen Getreideexport von 380 Millionen Pud zugrunde.
- Die Erlöse sollten für den Ankauf von Rohstoffen und Maschinen verwendet werden;
- davon hing die geplante beachtliche Erweiterung der industriellen Produktion ab.
- In der Tat ließen die ersten Ernteergebnisse darauf schließen, daß sich die Erwartungen erfüllten.
- Um so überraschter waren die Behörden, als sich schnell herausstellte, daß die staatlichen Aufkäufer weitaus weniger Getreide von den Bauern erhielten, als der Beschaffungsplan vorsah.
- Schließlich mußte man sich damit abfinden, lediglich 125 Millionen Pud exportieren zu können.
- Obwohl zur gleichen Zeit die Industrie ihre Ausfuhren steigerte,
- konnte dieser Verlust nicht mehr ausgeglichen werden.
- Damit abcr brach das Investitionsprogramm in vielen Teilen zusammen.
-
1926 kam es deshalb zu erheblichen Produktionsstörungen und Massenentlassungen.
- Alles fiel nun über die Kontrollziffern her,
- denen man die Verantwortung für die Fehlplanungen zuschob.
"Die kleinen Kinder schreckte man damit", schrieb Groman, einer der führenden Planungsfachleute .
Die tatsächlichen Ursachen lagen aber auf anderem Gebiet.
- Daß die Austauschbeziehungen zwischen Stadt und Land immer noch gestört waren, zeigte jetzt die augenscheinlich mangelhafte Organisation der staatlichen Getreidebeschaffung.
- Die einzelnen Aufkäufer machten sich, nachdem sich erste Schwierigkeiten abzeichneten, mehr und mehr untereinander Konkurrenz, um gute Zahlen vorweisen zu können.
- Dadurch trieben sie die Getreidepreise in die Höhe.
- Den Privathändlern, die viel bessere Verbindungen zu den Dörfern besaßen, waren sie dennoch im allgemeinen nicht gewachsen.
- Zum Nachteil aller Vertreter der Sowjetmacht schlug ganz besonders aus, daß die Industrie nach wie vor die bäuerlichen Wünsche nicht erfüllen konnte.
- Attraktive Waren fanden vielfach gar nicht den Weg auf das Land,
- weil sie zuerst in den Städten angeboten
- und aufgrund gestiegener Reallöhne auch mehr als früher gekauft wurden.
- Die Erzeugnisse, die den Bauern zur Wahl standen,
- sagten diesen meist wenig zu, weil die Qualität oft nicht ihren Vorstellungen entsprach
- oder auch die Preise immer noch zu hochlagen.
Verbittert reagierten die Bauern auf den Versuch, die Ladenhüter doch noch loszuwerden:
- Wer sich zum Kauf einer Ware entschloß, sollte im Rahmen eines "Zwangssortiments" eine andere, nicht gewünschte Ware mitkaufen.
- Da machten sie ihre Geschäfte lieber mit den Privathändlern, die solcherlei Ansinnen nicht stellten.
- Das Getreide hielt man solange man konnte zurück, um den besten Preis herauszuholen.
- Wer über eine Lagermöglichkeit verfügte
- und nicht wegen finanzieller Verpflichtungen zu einem schnellen Verkauf gezwungen wurde,
konnte aus dieser Situation Vorteil ziehen.
Auf diese Nutznießer schossen sich dann auch Partei- und Staatsorgane auf der Suche nach den Schuldigen für die Krise ein.
- Während die Wirtschaftsanalytiker über die Ursachen des fortbestehenden "Warenhungers" diskutierten,
- während sie darüber stritten, ob man den Bauern noch länger einen nicht-äquivalenten Austausch zwischen Stadt und Land zumuten könne,
mehrten sich die Stimmen, die eine energischere Bekämpfung der Kulaken forderten.
- Obwohl sie sich doch marktkonform, das heißt im Sinne der Neuen Ökonomischen Politik, verhielten,
- warf man ihnen vor, aus Feindschaft gegen das Sovjetregime zu spekulieren
- und aufgrund ihrer Autorität im Dorf auch einen Großteil der übrigen Bauern mitzuziehen.
In voller Absicht, so hieß es
- wollten sie den Staatsplan durchkreuzen
- und die Ziele der Wirtschaftspolitik zunichte machen.
Wiederum gelang es verhältnismaßig rasch, durch preispolitische und organisatorische Maßnahmen die Lage zu stabilisieren.
- So konnte das Beschaffungsprogramm für 1926/27 ohne größere Schwierigkeiten erfüllt werden.
- Aber gegenüber 1923/24 hatte sich einiges geändert.
-
Der Optimismus, man sei jetzt mit den Bauern ins reine gekommen und habe geeignete Formen für den Austausch zwischen Stadt und Land gefunden,
- wich bei einer steigenden Zahl von Parteimitgliedern und Verantwortlichen der Ungeduld darüber, daß sich die Beziehungen zwischen Stadt und Land nicht wie gewünscht entwickelten
- und die Bauern sich der Integration entzogen,
- ja immer empfindlicher auf das unzureichende industrielle Warenangebot reagierten.
- Die bauernfreundliche Politik sah man als gescheitert an.
- Der Mittelweg, den der 15. Parteitag im Dezember 1927 einschlug, dürfte einer weitverbreiteten Stimmung entsprochen haben.
- Der bisherige Kurs wurde zugunsten einer verstärkten Industrialisierung
- und einer schärferen Gangart gegenüber den Kulaken revidiert,
- ohne daß allerdings die Landwirtschaft insgesamt zu sehr belastet werden sollte.
- An eine Abkehr von den Grundsätzen und Methoden der NEP war nicht gedacht.
Als jedoch wenige Tage nach dem Parteitag einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde,
- daß die staatliche Getreidebeschaffung erneut hinter den gesteckten Zielen zurück blieb
- und damit die ehrgeizigen Industrialisierungsvorhaben wiederum gefährdet waren,
schlug die Stimmung um.
- Offenbar reichten Änderungen der Preisrelationen,
- Verbesserungen des Aufkaufsystems
- und ähnliche Maßnahmen nicht aus, um das "Bauernproblem" zu lösen.
Die dritte schwere Wirtschaftskrise in den zwanziger Jahren (Ende 1927), die "Getreide-Krise,"
- sollte zu einem radikalen Kurswechsel der Wirtschaftspolitik
- und zugleich zu einer grundlegenden Wandlung der sowjetischen Gesellschaft führen.
Die Partei- und Wirtschaftsführung hatte zunächst das Ausmaß der Krise unterschätzt.
- Als aber die Schlangen vor den städtischen Läden immer länger wurden,
- als die Getreideausfuhr vermindert
- und schließlich sogar vollständig eingestellt werden mußte,
forderte die Partei Anfang 1928 die lokalen Organe auf, mit allen Mitteln die Beschaffungsergebnisse zu steigern. Deren Vorbild wurden bald die
"außerordentlichen Maßnahmen", die Stalin - wie die meisten leitenden Funktionäre aufs Land gereist, um die Kampagne voranzutreiben - Ende Januar/Anfang Februar in Sibirien anordnete.
- Bauern, die ihre Überschüsse nicht freiwillig abgaben,
- mußten mit Bestrafung wegen Spekulation
- und mit gewaltsamer Eintreibung des Getreides rechnen.
-
Da ein Teil der beschlagnahmten Vorräte den armen Bauern verbilligt überlassen wurde,
- unterstützten diese vorübergehend die Behörden.
- Sie gaben auch mit ihrer Stimme den Ausschlag,
- wenn auf den Dorfversammlungen die jetzt geforderte "Selbstbesteuerung" der Gemeinden
- - zusätzlich zur Landwirtschaftssteuer
- und gedacht als Mittel zur Geldabschöpfung -
- vorrangig den wohlhabenderen Bauern auferlegt wurde.
-
Mit dieser Kampagne entmachtete der Staat die bislang noch verhältnismäßig autonome Dorfgemeinde.
- Einen weiteren Eingriff in den privaten Wirtschaftskreislauf nahm er vor,
- indem er einen unmittelbaren Austausch
- zwischen Industriewaren
- und Getreide
organisierte
- sowie durch administrative Maßnahmen den Privathandel zurückdrängte.
Der Erfolg schien dieser Politik rechtzugeben. Er währte indes nicht lange. Als
das Zentralkomitee im April 1928 ankündigte:
- die Aufhebung der "außerordentlichen Maßnahmen"
- und die Rückkehr zu den Methoden der NEP,
drohten bereits neue Schwierigkeiten.
- Die Vorräte der Bauern an Saatgetreide reichten nicht mehr aus,
- um die Felder zu bestellen,
- zumal die Wintersaat in einigen Gebieten der schlechten Witterung zum Opfer gefallen war.
- Die Marktleistung der Bauern sank,
- wozu wohl auch die ökonomische Schwächung
- und politische Verunsicherung der Oberschicht beitrug.
- Das erneut stagnierende industrielle Warenangebot verschärfte die Situation weiter.
Daraufhin erhielten die lokalen Organe die Anweisung, wieder zu den gerade bewährten
"außerordentlichen Maßnahmen" zu greifen. Diesmal blieb jedoch der Erfolg aus.
- Die Getreidebeschaffung ging mehr und mehr zurück,
- während gewaltsame Auseinandersetzungen in den Dörfern zunahmen.
Die ärmeren Bauern stellten sich jetzt überwiegend nicht mehr auf die Seite der Behörden:
- Diese waren außerstande, ihnen jene zur Deckung des Eigenbedarfs dringend benötigten Getreidemengen zu liefern,
- die sie früher von den ehemals wohlhabenderen und nun ruinierten Bauern gekauft hatten.
- Die Sovjetmacht entfremdete sich ihres wichtigsten Bündnispartners auf dem Lande,
- Dorf und Stadt standen sich als zwei feindliche Welten gegenüber.
- Als Folge der wachsenden Versorgungsengpässe gärte es darüber hinaus auch in den Städten.
Diese Krise rührte aus ähnlichen Ursachen wie ihre Vorgängerinnen her.
- Wieder einmal verstrickten sich die Strukturprobleme der Landwirtschaft
- mit Produktionsschwächen der Industrie,
- die den Warenhunger der Bauern ungestillt ließ.
Verschärfend trat 1927 hinzu,
- daß die angebliche Kriegsgefahr die Bevölkerung in Stadt und Land veranlaßte,
- ihre Geldmittel in Waren anzulegen,
- so daß die Vorräte rasch aufgebraucht waren.
-
Darüber hinaus erhielten die Arbeiter zum Jahrestag der Oktoberrevolution bevorzugt Waren,
- die Dörfer wurden in geringerem Ausmaß beliefert.
Nachteilig wirkte sich ein weiteres Mal die staatliche Preispolitik aus:
- Während wenig getan wurde, um ein Gleichgewicht zwischen Kaufkraft und Warenangebot herzustellen,
- hatte man entgegen den Warnungen vieler Ökonomen die Preise vor allem für tierische Produkte beträchtlich erhöht,
- so daß die Bauern ihr Getreide lieber verfütterten
- und dann das Vieh verkauften.
- Manche Bauern hielten auch ihr Getreide zurück, weil sie steigende Aufkaufpreise erwarteten.
- Wie schon 1925 erfüllte sich diese Hoffnung,
- weil die vielfältige Konkurrenz der Aufkäufer
- - der staatlichen
- und genossenschaftlichen mit ihresgleichen
- wie mit den Privathändlern -
- die Angebote in die Höhe trieb.
Dabei verhielten sich im Prinzip alle Bauern marktkonform:
- der sofort vermutete und politisch vordergründig einleuchtende "Kulakenstreik" entsprach keineswegs der Wirklichkeit.
- Wohlhabende Bauern scheinen noch am meisten Getreide verkauft zu haben.
Indem man aber die Kulaken mit administrativen Mitteln wie unter Anwendung von Gewalt bekämpfte, weil man in ihnen personifiziert die Marktspontaneität treffen wollte, entzog man auch der bisherigen Förderung des Mittelbauern den Boden:
- Diesem stand nun das Schicksal vor Augen, das ihn erwartete,
- wenn er sich weiterhin um eine Verbesserung seiner Wirtschaftskraft bemühen würde.
Die sowjetische Wirtschaftspolitik stand an einem Scheideweg:
- Sollte sie die Krise in traditioneller Weise durch Preisänderungen
- und ähnliche Maßnahmen lösen
- oder die Kräfte des Marktes mit allen Mitteln ausschalten:
- in der Hoffnung, dadurch weitere Krisen zu verhindern
- und ein für allemal den Störenfried einer planmäßigen Wirtschaftsentwicklung zu beseitigen
Anmerkung:
LENIN: Werke. Bd. 33, S. 266.
Graphik nach DOBB: Soviet Economic Developmenr (E 1, Anm. 1), 164. Eine spezielle Analyse bei GLINTZEL, Corinne Ann: Sovieg Agricultural Pricing Policv and the Scissors Crisis of 1922 - 23. Ph.D. Univ. of Illinois at Urbana-Champaign 1972. Zur Preisentwicklung und zum Handel hier und im folgenden außerdem MALAFEEV, A. N.: Ist orlja cenoobrazovantja r SSSR (1917 - 1963 gg.) [Geschichte der Preisbildung in der UdSSR (1917 - 1963)]. M. 1964, 28 - 97; VAJNTTEJN, Alb. L.: Ceny i cenoobrazovanie v SSSR v vosstanovitelnyj period 1921 - 1928 gg. [Preise und Preisbildung in der UdSSR während der Wiederherstellungsperiode 1921 1928].
M. 1972 BELYJ, P.F.: torgovlja vossstanovitel´nyj period (Der Handel zwischen den Republiken während der Wiederherstellungsperiode). In: Voprlst (1981) 6, 17 - 31.
Vgl. außer der in Anm. 2 genannten Literatur POLLOCK, Friedrich: Die planwirtschaftlichen Versuche in der Sovjetunion 1917 - 1927. Frankfurt a. M. 1971 (Nachdruck der Ausgabe von 1929, eingeleitet von Renate Schmucker), 140 - 155;
MEYER: Studien (D 2 a, Anm. 9), 223 ff., 237 ff., 393 ff., 403 ff., 490 ff.;
MERL: Agrarmarkt (E 3, Anm. 3), 52 - 69, 86 - 90, 285 - 291.
Zu den Budget- und Währungsproblemen ELSTER Karl: Vom Rubel zum Tscherwonjez. Zur Geschichte der Sobvjet-Währung. Jena 1930;
DAVIES: Development (E1, Anm. 9), 49 - 84;
DJACENKO, V.P.: Istorija finansor SSSR (1917 19 gg.) (Geschichte der Finanzen der UdSSR (1917 - 1950)]. M. 1970, 116 - 124;
CYBULSKIJ, V.A.: Nep i deneznaja reforma 1922 - 1924 gg. (Die NEP und die Währungsreform 1922 - 1924). In: IstSSSR (1972)4, 114 - 127;
HEDTKAMP, Günter (unter Mitarbeit von Norbert Penkaitis): Das sovjetische Finanzsystem. Berlin 1974, Kapitel 1 und 2;
MANEVIC, V. E.: Razvitie (El Anm. 9), 35 - 59;
DERS.: Problemy teorii deneznogo obraszenija v Sovjetskoje ekonomiceskoj literature 1917 - 1926 godor [Probleme der Theorie des Geldumlaufs in der sowjetischen Wirtschaftsliteratur 1917 - 1926]. M. 1979.
Zur Marktorientierung und zur Interdependenz der Wirtschaftsbereiche DOLAN, E.G.: Structural Interdependence ofthe Soviel Economy before the Industrialization Drive. In : SovStud 19 (1967) 66 - 73;
BANDERA, V.N.: Market Orientation of Stare Enterprises during AIEP. In: Ebda 22 (1970/71)110 - 121.
Zur Streikbewegung auch PLOGSTEDT, Sibylle: Arbeitskämpfe in der sovjetischen Industrie (1917 - 1933). Frankfurt-New York 1980, bes. Kapitel 3 ; Die Autorin versucht, die Streiks in einen größeren Zusammenhang zu stellen, vor allem Verhaltensweise und Bewußtsein der Arbeiter bedürfen aber noch weiterer gründlicher Untersuchung.
- Insgesamt sei erneut auf die früher zitierte übergreifende Literatur verwiesen (E 1, Anm. 1, E 2, Anm. 4).
Zu den parallel zu den ökonomischen Krisen stattfindenden innerparteilichen Kontroversen vgl. hier und im folgenden Abschnitt D 2b.
Prawda, 24.4. 1925. Vgl. BUCHARIN, N.: Der Weg zum Sozialismus. Wien 1925 .50 - 51.
Zu den Bauernunruhen von 1924 vgl. TRIF0N0V, I.Ja.: Razgrom mensevistsko-kulackogo mjateza v Gru:ii v 1924 godu [Die Vernichtung des Aufruhrs von Menschewiki und Kulaken in Georgien 1924]. In: Voprlst (1976) 7, 41 - 55;
MEHL: Agrarmarkt (E3. Anm. 3), 40 - 49.
Zitiert nach P0LL0CK: Planwirtschaftliche Versuche (Anm. 3), 255.
Zitiert nach POLLOCK: Planwirtschaftliche Versuche (Anm. 3), 262. Zu VG. Groman vgl. JASNY: Soviet Economists (13 2a, Anm. 8), 89 - 123 und passim.
7 Zur gesamten Entwicklung POLLOCK: Planwirtschaftliche Versuche (Anm. 3), 158160, 167 - 170, 255 - 262;
GROSSKOPF: Lalliance (E2. Anm.4), 119 - 326; MERL: Agrarmarkt (E3. Anm.3), 69 - 140, 291 - 312.
Zur Investitionspolitik DAVIES R.W.: Aspects of Soviet Intestment Policy in the 1920s. In: FEINSTEIN, C. H. (Hg.): Socialism, Capitalism and Economic Growth. Essays presented to Maurice Dobb. Cambridge 1967, 285 - 307.
Zur Industrieproduktion CERNOMORSKIJ, M. N.: Promyslennost SSSR v pervye gody industrializacii (1926 1927 gg.) (Die Industrie der UdSSR in den ersten Jahren der Industrialisierung (1926 - 1927)]. In: Voprlst (1972) 1, 20 -33.
Vgl. VOSKRESENSKIJ, - Ju.V.: Perechod Konzmunisticeskoj partii k osuscestvleniju politiki socialisticeskoj industrializacii SSSR (1925 - 1927) [Der Übergang der Kommunistischen Partei zur Verwirklichung der Politik einer sozialistischen Industrialisierung der UdSSR (1925 -1927)].
M. 1969: KUZMIN, V.I.: V borbe socialiticeskuju rekonstr kciju 1926 - 1937: Ekonomiceskaja politika Sovjetkogo gosudarsira (Im Kampf für eine sozialistische Rekonstruktion 1926 - 1937. Die Wirtschaftspolitik des Sowjetsrates]. M. 1976.
25. Dokument 16: Edward Hallen Carr: Die Anfänge der Wirtschaftsplanung
[aus: ders.: Die Russische Revolution. Lenin und Stalin 1917 - 1929, Stuttgart 1980. S. 105 - 112]
Die Vorstellung,
- daß die Marktwirtschaft des Kapitalismus
- durch eine sozialistische Planwirtschaft zu ersetzen sei,
- war im marxistischen Denken tief verankert,
- obwohl Marx und seine Nachfolger wenig getan hatten, sie gedanklich weiterzuentwickeln.
- Aber die Idee war keineswegs eine sozialistische Besonderheit;
- sie war vielmehr mit jeder Reaktion auf das Laissez-faire in der Wirtschaft des neunzehnten Jahrhunderts vorgegeben.
- Der Leitgedanke von Wittes berühmtem Memorandum an den Zaren vom Jahre 1899 war die Notwendigkeit,
- die Entwicklung der russischen Wirtschaft zu planen,
- auch wenn dies nicht im einzelnen ausgeführt war.
- Die Bolschewiken hatten in der Krisenzeit der Revolution und des Bürgerkriegs für die Theorie der Planung keine Zeit gehabt.
- Neben anderen war aber auch Lenin von dem Ausmaß beeindruckt gewesen, in dem die deutsche Kriegswirtschaft dem Muster einer zentralisierten Steuerung und Planung entsprach.
- Das war im übrigen kein Zufall.
- Das Endstadium, auf das sich der Kapitalismus vor dem Kriege durch seine eigene innere Entwicklung zubewegte, war der Monopolkapitalismus.
Durch das, was Lenin
"die Dialektik der Geschichte" genannt hatte,
- beschleunigte der Krieg die Weiterverwandlung des Monopolkapitalismus in einen "staatlichen Monopolkapitalismus",
- welcher "die vollste materielle Vorbereitung auf den Sozialismus" darstellte.
-
"Ohne die großen Banken",
so schrieb Lenin im September 1917 nachdrücklich,
-
"wäre der Sozialismus nicht zu verwirklichen."
-
Die Übertragung des deutschen Vorbildes auf Rußland bot alle die Schwierigkeiten,
- die im Aufbau des Sozialismus in einem rückständigen Land begründet sind.
- Obwohl das jüngste Wachstum der russischen Industrie höchst konzentriert
- und direkt oder indirekt vom Staat abhängig war,
- so befand sie sich doch noch immer in einem organisatorischen Anfangsstadium
- und konnte den sozialistischen Planern wenig theoretische oder praktische Hilfen oder Anhaltspunkte bieten.
- Das Prinzip der Planung stieß jedoch auf keinen Widerstand.
- Das Parteiprogramm von 1919 forderte "einen staatlichen Generalplan" für die Wirtschaft,
- und von diesem Zeitpunkt an schlossen Entschließungen der Partei oder der Regierung über Wirtschaftsfragen regelmäßig auch den Ruf nach einem "einheitlichen Wirtschaftsplan" ein.
-
Für den Augenblick versprach allerdings die Aufstellung von Plänen für bestimmte Industriezweige mehr Erfolg.
- Der berühmteste von ihnen war das Werk einer im Februar 1920 gebildeten Kommission für die Elektrifizierung Rußlands (Goelro).
Dieser Plan übte auf Lenin, der den Aphorismus prägte:
"Kommunismus ist Sowjetmacht plus Elektrifizierung des ganzen Landes"
, eine besondere Faszination aus.
- Genau ein Jahr später, unmittelbar vor der Einführung der NEP,
- wurde die Entscheidung getroffen, eine "Staatliche Plankommission (Gosplan)" zu bilden.
Lenin zeigte jedoch zu diesem Zeitpunkt wenig Begeisterung für die laufenden Diskussionen über einen Generalplan, die er als
"leeres Geschwätz und Kleinigkeitskrämerei" abtat.
- Während sich Goelro umgehend der praktischen Aufgabe zuwandte,
- ein Netz von Kraftwerken zu planen und zu errichten,
- das später einenn wichtigen Beitrag zum Industrialisierungsprozeß leistete,
- sah sich Gosplan jahrelang auf akademische Abhandlungen über Fragen der Gesamtplanung beschränkt.
- Zwar wurden unentwegt Erklärungen über die Notwendigkeit eines einheitlichen Wirtschaftsplanes abgegeben,
- aber die auf die NEP und den Vorrang der Landwirtschaft eingeschworenen Parteiführer zeigten sich wenig interessiert.
- Von 1920 an waren die aktivsten Vorkämpfer der Planung Trotzki
- und andere Kritiker der offiziellen Richtung.
- Planung war in erster Linie eine Politik für die Industrie,
- während die Folgerungen für die Landwirtschaft vage und unsicher waren
- und ihre praktische Anwendung nur zu immer schärferen Eingriffen in die Marktwirtschaft der NEP führte.
- Unter diesen Umständen war der Fortschritt langsam.
- Pläne für bestimmte Produktionszweige - einschließlich der Landwirtschaft - wurden von den zuständigen Ressorts ausgearbeitet,
- hatten jedoch im Gegensatz zum Goelro-Plan keine Autorität,
- wie auch kein Versuch unternommen wurde, sie aufeinander abzustimmen.
- Der Vorsitzende der Gosplan beklagte im Sommer 1924, daß es drei Jahre nach ihrer Gründung noch immer keinen "einheitlichen Wirtschaftsplan" gab.
Die Frage eines umfassenden Gesamtplanes war umstritten.
- Man hatte zwar in allgemeinen Redensarten viel über Planung diskutiert,
- aber ihre praktischen Folgerungen waren nie näher untersucht worden.
- Planwirtschaft war ein neues und unerprobtes Konzept,
- das sich in bisher nicht recht erkannter Weise den herkömmlichen Regeln der Marktwirtschaft widersetzte.
- Den Zielen der Planer wurden erdrückende Argumente aus der Rüstkammer der klassischen Wirtschaftslehre entgegengehalten.
-
Die russische Industrie,
- insbesondere die Schwerindustrie,
- war ein wenig leistungsfähiger,
- aber teurer Produzent,
- während die Landwirtschaft
- mit ihren unbegrenzten Reserven an bäuerlichen Arbeitskräften
- ein verhältnismäßig billiger Produzent war.
- Demnach wäre ein maximaler Ertrag des Kapitals dadurch zu erzielen,
- daß man es in die Landwirtschaft investierte,
- Agrarüberschüsse für den Export erwirtschaftete
- und damit den Import von Industrieerzeugnissen
- einschließlich Kapitalgüter für die spätere Weiterentwicklung der Industrie finanzierte.
- Selbst auf dem Gebiet industrieller Erzeugung wäre der vernünftige Weg in einem Lande wie der UdSSR,
- in dem Kapital knapp
- und ungelernte Arbeiter überreichlich vorhanden waren,
- derjenige gewesen, den Industriezweigen Vorrang zu geben,
- die mit arbeitsintensiven Methoden einfache Konsumgüter herstellten,
- und nicht Industrien, die unter hohem Kapitaleinsatz Kapitalgüter produzierten.
Aber eine Politik,
- die der Landwirtschaft
- und der leichten Konsumgüterindustrie Vorrang gegeben hätte,
- wie dies herkömmlicher wirtschaftlicher Sicht
- und den Grundsätzen der NEP entsprochen hätte,
- war das genaue Gegenteil der Ambitionen der Planer,
- die Umwandlung der UdSSR in ein modernes Industrieland nach Art der westlichen Industrienationen zu beschleunigen.
Die Argumente der Planer
- waren eher politischer
- als wirtschaftlicher Natur
- oder gehörten vielleicht zu einer neuartigen und ungewohnten Kategorie von "Entwicklungswirtschaft".
Der bewußte und unbewußte Widerstand einer großen Zahl von Wirtschaft1ern der alten Schule war heftig und anhaltend.
Es war die
"Scherenkrise" vom Herbst 1923 mit den von ihr bloßgelegten Unzulänglichkeiten der NEP,
- die staatliche Interventionsmaßnahmen in der Wirtschaft auslöste,
- mit denen zugleich die ersten Schritte auf dem Wege zur Gesamtplanung getan wurden.
- Wild schwankende Preise brachten die geordneten Beziehungen zwischen Stadt und Land durcheinander,
- die Schwerindustrie geriet in eine Flaute,
- und die Arbeitslosenzahlen stiegen stetig.
- Ende 1923 wurden Preiskontrollen eingeführt.
Die Parteikonferenz im Januar 1924,
- die eine Wiederbelebung der Metallindustrie forderte,
- beauftragte Gosplan in Verfolgung eines vielleicht unbewußten Gedankengangs,
-
"einen allgemeinen Perspektivplan der wirtschaftlichen Tätigkeit der UdSSR für eine Anzahl von Jahren (fünf oder zehn) aufzustellen".
- Aber die Planer wurden zwar vom Wesencha als dem Vorstreiter der Industrie unterstützt,
- stießen jedoch auf den machtvollen Widerstand des Narkomzem und des Narkomfin,
- der Hüter der Marktwirtschaft
- und der orthodoxen Finanzwirtschaft.
Erst im folgenden Jahre (1925) konnten sie gewisse Fortschritte erzielen:
- Im August 1925 gab Gosplan seine "Richtwerte für die nationale Wirtschaft" (dem Wesen nach vorläufige Schätzungen)
- für das am 1. Oktober 1925 beginnende Jahr heraus.
- Die Zahlen stellten lediglich einen Umriß dar,
- der mit Erläuterungen und Kommentar weniger als hundert Seiten umfaßte,
- und waren von dem entschlossenen Optimismus geprägt,
- der die Bemühungen der sowjetischen Planer auch weiterhin beflügelte.
-
- Die Zahlen bedeuteten keine Auflagen,
- die Wirtschaftsressorts wurden lediglich aufgefordert,
- sie bei der Aufstellung von Plänen und Programmen zu berücksichtigen.
- Die Skeptiker belächelten die Zahlen als reine Spekulation.
- Sokolnikow, der Volkskommissar für Finanzen, bezeichnete die Vorschläge für eine erhöhte Geldemission zur Finanzierung des Plans als "ein Rezept für Inflation",
- während Narkomzem die übergroße Berücksichtigung der Industrie angriff.
Von allen Parteiführern begrüßte nur Trotzki
- die "trockenen Zahlenkolonnen" mit Begeisterung
- als "die glorreiche Musik des Aufstiegs des Sozialismus".
Die anderen nahmen sie günstigstenfalls mit höflicher Gleichgültigkeit auf.
- Die Schwierigkeiten bei der Getreideerfassung nach der Ernte von 1925 (s. S. 80)
- machten die optimistischen Schätzungen der Planer zuschanden
- und brachten ihre Arbeit in Mißkredit.
Unter diesen Umständen war es nicht überraschend, daß der vierzehnte Parteikongreß im Dezember 1925,
- der mit der Niederlage Sinowjews und Kamenews endete,
- die Richtwerte völlig ignorierte
- und überhaupt über Planung wenig zu sagen hatte.
Dennoch war er ein Wendepunkt.
- Es war kennzeichnend, daß Stalin dabei Sokolnikow als den Hauptfürsprecher einer Politik angriff,
- welche die UdSSR als ein von der Einfuhr von Industriegütemn aus dem Ausland abhängiges Agrarland erhalten wollte.
- Der Kongreß kündigte die Abwendung Stalins - sobald Sinowjew und Kamenew ausgeschaltet waren - von der für die NEP charakteristischen Ausrichtung auf die Bauern
- und seine Bekehrung zu weitreichenden Industrialisierungsprojekten an.
- Die Resolution des Kongresses brachte die Entschlossenheit zum Ausdruck,
-
"die wirtschaftliche Unabhängigkeit des Landes",
-
"die Entwicklung der Produktion von Produktionsmitteln"
-
"und die Bildung der zur wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit erforderlichen Reserven sicherzustellen".
- Damit sprachen sich ihre Befürworter, auch wenn sie sich darüber selbst nicht im klaren waren, für die Planung aus
- und gaben der Gosplan sowie den regionalen Planungskommissionen,
- die in vielen Teilen des Landes eingerichtet worden waren,
- einen starken Ansporn.
- Bisher waren die Pläne für bestimmte Industriezweige
- und für die Landwirtschaft von den betreffenden Ressorts
- ohne einen Versuch gegenseitiger Abstimmung aufgestellt worden.
- Nun sollte die Planung umfassend,
- auf die Wirtschaft als Ganzes gerichtet sein.
Eine neue Zeit war angebrochen. Die Frage war nicht mehr,
- ob industrialisiert werden solle,
- sondern wie industrialisiert werden solle.
- Vor 1925 war die Industrieproduktion langsam aus der Talsohle der Revolution
- und des Bürgerkriegs
- auf ihr früheres Niveau hinaufgeklommen.
- Bis dahin war das Ziel gewesen, wiederherzustellen, was verlorengegangen oder zerstört worden war.
- Der technologische Fortschritt in der Industrie der kapitalistischen Länder seit 1914 hatte den Abstand zwischen der UdSSR und den Industrieländern des Westens dabei noch vergrößert.
- Der Bau neuer Anlagen und die Beschaffung moderner technischer Einrichtungen waren bitter nötig.
Nachdem nun der Weg für einen neuen Aufbruch frei war,
- waren grundsätzliche wirtschaftspolitische Entscheidungen zu treffen,
- die sich auf einen breit angelegten Plan für die gesamte Wirtschaft stützen mußten.
-
Während der nächsten zwei Jahre wuchsen Gewicht und Ansehen der Gosplan ständig.
Auf einem ersten unionsweiten Planungskongreß wurden die Aufgaben der Gosplan in drei Sektoren geteilt
- - einen langfristigen "Generalplan",
- einen Fünfjahres-"Perspektivplan"
- und jährliche Arbeitspläne.
Einen Monat später forderte das Zentralkomitee der Partei in einer Entschließung über die Industrialisierung
-
"die Stärkung des Planungsprinzips"
-
"und die Einhaltung der Planungsdisziplin".
Der
"Generalplan" erwies sich als ein fruchtloses Unterfangen;
- er wurde nie fertiggestellt,
- auch wenn er einige Zeit lang Wunschvorstellungen von einer langfristigen Umwandlung der Wirtschaft nährte.
- Aber der Gedanke, für einen Fünfjahreszeitraum zu planen,
- weckte die Phantasie und den Ehrgeiz der Planer.
- Sie wurden dadurch angehalten,
- ferne und unbestimmte Aspekte in den Rahmen klar fixierter Zeitabschnitte einzuordnen;
- andererseits war es einfacher, optimistische Schätzungen abzugeben,
- deren Verwirklichung noch fünf Jahre Zeit hatte,
- als sich auf die Aussichten eines einzigen Jahres zu beschränken.
- Gosplan und Wesencha stellten parallel zueinander Pläne auf,
- die in ihren Voraussagen über die industrielle Entwicklung zu abweichenden Angaben kamen
- und daher zu dauernden Streitigkeiten führten.
- Die Richtwerte für 1926 und 1927 waren daraufhin sowohl vollständiger wie auch vorsichtiger als diejenigen von 1925.
- Aber das Interesse von Gosplan wandte sich den ehrgeizigen Projekten des Fünfjahresplanes zu,
- zumal sich die Auffassung durchsetzte,
- daß die Richtwerte auf diesen noch hypothetischen Plan abzustellen seien.
- Es wurde angeordnet, daß den Arbeitsplänen bestimmter Industriezweige ("Produktions- und Finanzpläne" genannt) die in den Richtwerten enthaltenen Schätzungen zugrunde zu legen seien.
- Damit nahmen Aufbau und Gliederung der Planung allmählich Gestalt an.
An diesem Punkt trat innerhalb der Gosplan ein scharfer Meinungszwispalt
- zwischen der sogenannten "genetischen"
- und der "teleologischen" Schule zutage.
- Es war bezeichnend, daß die erstere vornehmlich aus Wirtschaflern bestand, die nicht der Partei angehörten und meistens von der Gosplan angestellte frühere Menschewiken waren,
- während zur letzteren Parteimitglieder oder der offiziellen Parteilinie gegenüber aufgeschlossene Wirtschaftler zählten.
- Die "Genetiker" argumentierten, daß den Planschätzungen die der wirtschaftlichen Lage eigenen "objektiven Tendenzen" zugrunde zu legen und daß sie durch diese Tendenzen eingegrenzt seien.
- Die Vertreter der "Teleologie" vertraten die Auffassung, daß beim Planen der entscheidende Faktor das anvisierte Ziel sei und daher eine ihrer Bemühungen darauf gerichtet sein müsse, die wirtschaftliche Lage und die ihr eigenen Tendenzen zu verändern.
- Richtlinien und nicht Voraussagen seien die Grundlagen des Planes.
- Damit aber wurde Planen zu einer politischen,
- keineswegs rein wirtschaftlichen Tätigkeit.
- Offensichtlich sind in jeder Planung beide Elemente vertreten,
- und Entscheidungen beruhen auf einem gewissen Gleichgewicht
- oder auf einem Kompromiß zwischen beiden.
- In der Praxis neigten die "Teleologen" dazu, die Regeln der Marktwirtschaft zu verwerfen,
- und behaupteten, sie durch aktives Eingreifen überspielen zu können -
- was bedeutete, daß sie dem Ausgleich mit den Bauern weniger Beachtung schenkten.
- Diese Einstellung bedeutete, auch wenn dies nur selten zugegeben wurde, eine direkte Herausforderung an die NEP.
- In ihren späteren Stadien führte die "teleologische" Auffassung dazu, den Glauben zu bestärken, daß bei der nötigen Entschlossenheit und Begeisterung kein Planziel zu hoch sei, es nicht doch erreichen zu können.
- Diese Stimmung beherrschte schließlich die Ausarbeitung der Endfassung des ersten Fünfjahresplanes.
-
Die Gleichsetzung von Planung mit Industrialisierung war von Anfang an offenkundig.
- Beweggrund und Triebfeder war das Bestreben, die sowjetische Industrie weiterzuentwickeln,
- den Westen einzuholen,
- die UdSSR autark zu machen
- und in die Lage zu versetzen, der kapitalistischen Welt gleichberechtigt gegenübertreten zu können.
- Eine Industrie, die derjenigen der westlichen Welt vergleichbar wäre, mußte erst noch geschaffen werden.
Der Parteikongreß vom Dezember 1925 nahm ohne jede weitere Frage
- den Grundsatz vom Vorrang der Produktion von "Produktionsmitteln"
- gegenüber der Produktion von Konsumgütern an.
- Dies bedeutete hohe Investitionen in die Schwerindustrie,
- die dem Verbraucher keinen unmittelbaren Nutzen brachten.
- Um Investitionsreserven innerhalb der Industrie selbst zu schaffen,
- wurden die Produktionskosten einem "Regime der Sparsamkeit" unterworfen
- und zu einem Bestandteil der Planung gemacht.
- Da aber andere Möglichkeiten der Kostensenkung begrenzt waren,
- lastete das Regime der Sparsamkeit am allerschwersten auf den Arbeitern;
- entweder mußte die Produktivität steigen
- oder die Löhne mußten sinken.
- Gleichzeitig wurden hartnäckige Versuche unternommen,
- die Einzelhandelspreise auf dem Verordnungswege herabzudrücken.
- Aber dies führte lediglich dazu, daß Waren zu offiziellen Preisen zunehmend knapp wurden
- und der Verbraucher besonders in ländlichen Gegenden völlig dem privaten Händler ausgeliefert war,
- dessen Geschäfte im Zeichen der NEP noch immer blühten.
- Die Lasten und Erschwernisse, mit denen die Industrieplanung verbunden war, begannen offen zutage zu treten.
Anfangs machte niemand den Versuch, diese Themen allzusehr aufzurühren.
- Die Kosten der Industrialisierung waren noch nicht voll erfaßt worden.
Als Dsershinski, der Vorsitzende des Wesencha, im Juli 1926 mitten in einer scharfen Auseinandersetzung über das Tempo der Investitionen in der Industrie vom Tode ereilt wurde, erwies sich sein Nachfolger Kuibyschew als ein glühender Verfechter dessen,
- was dann als "forcierte Industrialisierung" bekanntgeworden ist.
- Zunächst war noch Zurückhaltung geboten, da auch die vereinigte Opposition, Trotzki und Sinowjew, beharrlich auf mehr Industrialisierung drängten
- und von Stalin und Bucharin zu diesem Zeitpunkt noch als "Über-Industrialisierer" gebrandmarkt wurden.
Was diese beiden Lager in der zweiten Hälfte des Jahres 1926 noch trennte,
- war nicht so sehr ein Meinungsunterschied
- über Zweckmäßigkeit
- oder Tempo der Industrialisierung,
- als vielmehr die von der Opposition nicht geteilte Auffassung der Mehrheit,
- daß diese Wirtschaftspolitik
- ohne schwere Belastungen für die Wirtschaft,
- insbesondere auf dem bäuerlichen Sektor,
- durchgeführt werden könne.
Die Kritik seitens der Opposition wurde jedoch
- durch den Vorwurf mangelnden Glaubens an das Sowjetregime
- oder an die Arbeiterklasse
zum Schweigen gebracht.
- Gerade zu jener Zeit wurden zwei große Anlagenprojekte genehmigt
- - Dneprostroi, der große Staudamm über den Dnjepr,
- und die Turksib-Babn, die Zentralasien (Turkestan) mit Sibirien verbinden sollte (s. S. 141 ff.).
Auf den Optimismus der letzten Monate des Jahres 1926 folgten die Sorgen des Frühjahrs und Sommers 1927, als es so aussah, als ob die Feindseligkeit des Westens die UdSSR mit Blockade oder Krieg bedrohe.
- Aber dieser Stimmungsumschwung führte keineswegs zu einem Innehalten in der eiligen Industrialisierung,
- sondern verstärkte die Entschlossenheit,
- die UdSSR vom Ausland unabhängig zu machen
- und in die Lage zu versetzen, einer feindseligen kapitalistischen Welt die Stirn zu bieten.
- Eine Reihe von Planentwürfen wurden nacheinander aufgestellt
- und in Umlauf gebracht,
- wobei diejenigen, die gegen die Planziele protestierten
- und sie als unrealistisch überhöht bezeichneten,
- bald gegenüber denen in der Minderzahl waren,
- die nach schnelleren und intensiveren Fortschritten riefen.
- Auf das "Sparsamkeitsregime" folgte
- eine Kampagne für die "Rationalisierung der Produktion"
- - ein Ausdruck für eine Vielzahl von Maßnahmen,
- um auf Arbeiter wie Betriebsführer einen Druck
- zur Erhöhung der Ausbringung
- und zur Senkung der Kosten auszuüben.
-
"Rationalisierung" in verschiedener Form konnte die Arbeitsproduktivität, d. h. die Ausbringung pro beschäftigten Arbeiter, steigern;
- das konnte erfolgen, indem die Organisation in der Betriebsführung
- oder in der Werkstatt gestrafft wurde,
- indem man die Fertigung in den leistungsfähigsten Betrieben konzentrierte,
- oder durch Standardisierung der Produktion
- und Verkleinerung der Zahl der gefertigten Modelle.
- Es konnte erfolgen, indem man sich um eine sinnvollere und wirtschaftlichere Nutzung bestehender Anlagen bemühte.
- Es konnte aber vor allem durch die Modernisierung und Mechanisierung der Fertigungsprozesse erreicht werden,
- ein Gebiet, auf dem die UdSSR hinter den größeren Industrieländern weit hinterherhinkte.
- Alle diese Rationalisierungsmethoden wurden von 1926 an ausgiebig erprobt
- und erzielten auch einige Erfolge hinsichtlich der Kostensenkung.
- Aber in einem Lande wie der UdSSR mit knappen Kapitalmitteln war ihr Anwendungsbereich begrenzt.
- Besonders die Mechanisierung der Industrie als Hauptquelle der Rationalisierung hing in dieser Zeit vor allem von der Einfuhr von Maschinen aus dem Ausland ab,
- sehr oft auch noch von der Anstellung ausländischen Personals zur Unterweisung in ihrer Bedienung.
- Diese Umstände bewirkten, daß die Produktivität der Arbeitskräfte in der UdSSR in größerem Ausmaß als im Westen vom persönlichen Einsatz des einzelnen Arbeiters abhing.
- Die Produktivität mußte in erster Linie durch
- härtere,
- tüchtigere
- und diszipliniertere
Arbeit am Arbeitsplatz gehoben werden.
- Dementsprechend wurde jede Art von Überredung und Druck eingesetzt, um dieses Ziel zu erreichen.
Auf anderen Wirtschaftssektoren rührte die Planung nicht minder beunruhigende Probleme auf, denen man daher auch nur widerstrebend nähertrat.
- Der von Bucharin rückhaltlos geförderte Bauernkult war auch noch das ganze Jahr 1927 über mächtig,
- und wenn der Einfluß des Narkomzem auch inzwischen im Schwinden war, so bremste er doch den Eifer der Planer.
- Narkomfin widersetzte sich noch immer der Auffassung, daß für die industrielle Expansion unbegrenzte Kredite beschafft werden könnten,
- und führte einen hartnäckigen Kampf für das, was man "die Diktatur der Finanzen" nannte,
- gegen "die Diktatur der Industrie"
- Damit stellte sich die Streitfrage der "finanziellen" Steuerung
- durch entsprechende Manipulierung des Kreditangebotes
- und des Währungssystems
- gegenüber der "physischen" Steuerung in Form staatlicher Anweisungen,
- wofür die staatlicher Leitung direkt unterstellte Schwerindustrie
- und das staatliche Außenhandelsmonopol entsprechende Beispiele lieferte.
Auch von den Planern
- wurde das finanzielle Instrumentarium nur allmählich als unzulänglich erkannt
- und durch direkte "physische" Steuerungsmaßnahmen ersetzt.
Diese Auseinandersetzungen drehten sich letzten Endes um die Frage,
- welche Haltung gegenüber der Marktwirtschaft einzunehmen sei,
- die ja die Grundlage der NEP war.
- Zuerst nahm man noch an, daß sich die Planer in diesem Rahmen bewegen würden.
- Nur ganz langsam und schmerzhaft traten die Unvereinbarkeiten
- zwischen Planung und Industrialisierung einerseits
- und NEP und Marktwirtschaft
andererseits zutage.
26. Dokument 17: Maurice Dobb: Die Diskussion in den zwanziger Jahren über den Aufbau des Sozialismus
[aus: Probleme des Sozialismus und der Übergangsgesellschaften, Frankfurt 1973, S. 287-312]
(Auszüge) ist in Bearbeitung antiquarisch leicht erhältlich
27. Dokument 18: Alexander Erlich über Bucharin: ´Bauern: Bereichert euch, akkumuliert, entwickelt eure Wirtschaft!´
[aus: Alexander Erlich: Die Industrialisierungsdebatte in der Sowjetunion 1924 - 1928, Frankfurt 1971, S. 23 - 43]
(Auszüge) ist in Bearbeitung
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