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29.10.2003
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Josef Schwarz |
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Einheitsfront |
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Die linkssozialistische Regierung der republikanischen und proletarischen Verteidigung in Thüringen 1923 (Teil I) |
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* Die Legende spricht vom »deutschen Oktober« 1923, der das Startsignal für die Revolution sein sollte. Planungen für einen Aufstand gab es in der Tat, abgestimmt zwischen dem EKKI, dem Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale, und der KPD. Und es gab eine tiefe sozialökonomische Krise, ausgelöst durch die Auflagen des Versailler Vertrags und die Besetzung des Ruhrgebiets durch französische und belgische Truppen am 11. Januar 1923. Streikaktionen der Arbeiterschaft gegen Hyperinflation und Pauperisierung ermutigten die KPD in ihren Plänen. Dank ihrer Vereinigung mit dem linken Flügel der USPD (Dezember 1920) und der ab Ende 1921 verfolgten Einheitsfrontpolitik gegenüber der SPD war es den Kommunisten gelungen, eine Massenbasis in der Arbeiterschaft zu erlangen. Zum Aufstand ist es dann nicht gekommen (außer in Hamburg), aber zum Eintritt der Kommunisten in die SPD-Regierungen in Sachsen und Thüringen. Hintergründe vom Anfang und Ende der Koalitionen von SPD und KPD vor 80 Jahren schildert der zweiteilige Artikel von Josef Schwarz aus Erfurt. Im Jahr 2000 veröffentlichte er bei GNN »Die linkssozialistische Regierung Frölich in Thüringen 1923«.
Die KPD erklärte auf ihrem 8. Parteitag, der in Auswertung des IV. Weltkongresses der Kommunistischen Internationale im Januar 1923 stattfand, ihre Bereitschaft, an der Bildung von Arbeiterregierungen mitzuwirken. Heinrich Brandler, nach Paul Levi und Ernst Meyer der dritte Vorsitzende der KPD, hielt das Referat über Einheitsfront und Arbeiterregierung. Die Mehrheit der Delegierten stimmte Brandlers Grundposition zu: »Die Kommunisten sind in jeder Stunde bereit, mit allen Proletariern und proletarischen Organisationen und Parteien den Kampf für die Interessen des Proletariats zu führen. Die Kommunistische Partei muß sich deshalb in jeder ernsten Situation sowohl an die Massen wie auch an die Spitzen aller proletarischen Organisationen mit der Aufforderung zum gemeinsamen Kampf zur Bildung der Einheitsfront wenden. Die Auffassung, als sei die Herstellung der Einheitsfront möglich nur durch den Appell an die Massen zum Kampf (nur von unten) oder nur durch Verhandlungen mit den Spitzenkörperschaften (nur von oben) ist undialektisch und starr.«
Am 20. September 1923 kosteten in Erfurt ein Liter Milch 3,6 Millionen Mark und ein Kilogramm Schweinefleisch, für das man 1919 noch 8,40 Mark bezahlte, 6600 Milliarden. Ein Kilogramm Brot war von 80 Pfennig 1919 auf 605 Milliarden Mark gestiegen.
In Dresden und an anderen Orten kam es zu Hungerunruhen. Die Arbeitsmarktlage verschlechterte sich drastisch. Die Zahl der Arbeitslosen und Kurzarbeiter stieg. Die Thüringer Allgemeine Zeitung berichtete unterm Datum vom 8. September 1923 unter der Überschrift »Erfurter Winterhilfe für die Notleidenden«: »Die Not im kommenden Winter wird die schwerste werden, die wir seit den Kriegsjahren erlebt haben. Der Magistrat hat sich deshalb entschlossen, die Winterhilfe, die im vorigen Jahre auf die alten Leute beschränkt blieb, diesmal auf alle notleidenden Kreise der Bürgerschaft auszudehnen, also auf Sozial- und Kleinrentner, die Kriegsbeschädigten, Altersrentner, Erwerbslosen, die verschämten Armen usw. Allen, die in Not geraten sind, soll geholfen werden. Da ein großer Teil der Bevölkerung auf ein warmes Zimmer wird verzichten müssen, sollen Wärmehallen geschaffen werden, die den ganzen Tag und während der Abendstunden offen gehalten werden.«
Hyperinflation und Hunger waren das Ergebnis der Politik des passiven Widerstands, mit der die Reichsregierung Wilhelm Cuno auf die französische Ruhrbesetzung geantwortet hatte. Mit einer chauvinistischen Woge gegen die Besatzungsmacht hatte sie ihre Katastrophenpolitik nach innen durchsetzen wollen. Die Kohle- und Stahlkonzerne entschädigte sie mit Milliardensummen. Die gewollte Hyperinflation, die den Export beförderte, ruinierte den Mittelstand und verarmte die nahezu um den gesamten Lohn geprellten Arbeiter. Als die Staatskasse die Ausgleichszahlungen an die Großkapitalisten nicht mehr tragen konnte, war die Regierung am Ende. Unter dem Druck von Streiks und der Drohung mit dem Generalstreik mußte Cuno am 12. August 1923 zurücktreten.
Die Regierung Stresemann
In dieser Periode schwerster Zerrüttung des Reiches wurde Dr. Gustav Stresemann (DVP) vom Reichspräsidenten Friedrich Ebert (SPD) mit der Bildung der Regierung beauftragt. Stresemann galt als Vertrauensmann der Industrie. Am 13. 8. 1923 bildete er mit der SPD eine Regierung der großen Koalition, die bis zum Oktober 1923 im Amt war. Das zweite Kabinett Stresemann regierte bis zum 30. 11. 1923. Stresemann vereinigte in seiner Person das Amt des Reichskanzlers und des Außenministers. Das Amt des Außenministers übte er bis zu seinem frühen Tode am 3. 10. 1929 aus.
SPD wieder staatstragend
Die neue Lage bestand darin, daß die SPD wieder in der Regierungsverantwortung war. Damit war der Streikbewegung der Wind aus den Segeln genommen und der Generalstreik vom Tisch. Die Regierung erhielt Spielraum. Die Sozialdemokraten stellten mit Robert Schmidt den Vizekanzler, Wilhelm Sollmann wurde Innenminister, Rudolf Hilferding Finanzminister und Gustav Radbruch Justizminister. In der Regierung der Großen Koalition waren außer der SPD die DDP, die DVP und das Zentrum mit Ministern vertreten.
Warum also sollten Sozialdemokraten in Thüringen und Sachsen keine Koalition mit den Kommunisten eingehen, zumal sich das von den Mehrheitsverhältnissen geradezu anbot? In beiden Landtagen waren die Kommunisten mit starken Fraktionen vertreten, und sie hatten schon bisher der SPD die Regierungsmöglichkeit gesichert und sie in Grundfragen unterstützt.
Allerdings: Am 26. September 1923, am gleichen Tag, an dem in Thüringen die Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und KPD begannen, hob die Stresemann-Regierung die Cuno-Politik des passiven Widerstands auf und führte sukzessive die Goldwährung ein. Einen Tag später rief Reichspräsident Ebert auf Wunsch Stresemanns den militärischen Ausnahmezustand aus. Nach der Verfassung wurde damit die vollziehende Gewalt an den Reichswehrminister Otto Geßler übertragen. Faktisch aber wurde sie vom Chef der Heeresleitung General von Seeckt ausgeübt. Noch bevor die Arbeiterregierung in Thüringen überhaupt gebildet war, befand sie sich unter militärischem Ausnahmezustand. Der Grund dafür war die Lage in Sachsen.
Während in Thüringen noch verhandelt wurde, hatte sich in Sachsen am 11. Oktober 1923 ein Kabinett aus Vertretern beider Arbeiterparteien gebildet. Der Regierung unter Ministerpräsident Dr. Erich Zeigner (SPD) gehörten zwei Kommunisten an, Paul Böttcher als Finanzminister und Fritz Heckert als Wirtschaftsminister, die übrigen vier Ministerämter übten Sozialdemokraten aus, die nach wie vor die Mehrheit im »sozialistisch-kommunistischen Sachsenkabinett« hatten. Heinrich Brandler wurde zum Ministerialdirektor in der Staatskanzlei ernannt.
Forderungen der Kommunisten
Der Verhandlungsführer der KPD in Thüringen, Hans Tittel, legte einen Katalog von fünf Fragen an die SPD vor. Im einzelnen ging es »um die sozialdemokratische Bereitschaft zur einheitlichen Vorbereitung des politischen Massenstreiks gegen die Regierung Stresemann, für eine Arbeiter-und-Bauern-Regierung auf Landesebene; um die sofortige Einrichtung einer wirksamen Verkehrskontrolle an der thüringisch-bayrischen Grenze unter Einbeziehung des proletarischen Selbstschutzes; um die beschleunigte Schaffung gemeinsamer proletarischer Hundertschaften in den Betrieben und Orten zur Abwehr der Reaktion und Konterrevolution und des von Bayern her drohenden Überfalls des Faschismus; um das rasche gemeinsame Vorgehen bei der Organisierung einer engen Zusammenarbeit zwischen Sachsen und Thüringen auf der Ebene der beiden Arbeiterparteien, des gemeinsamen proletarischen Selbstschutzes und der beiden Landesregierungen gegen die Machenschaften des Ministers Otto Geßler; um praktische Maßnahmen gegen die zunehmende Kommunistenhetze, das Verbot der kommunistischen Presse, die Verhaftung und Verfolgung von Kommunisten und revolutionären Betriebsräte im Lande und vor allem im angrenzenden Preußen.
Zeitweise erschwerte das sektiererische Verhalten der Bezirksleitung der KPD Thüringens die Verhandlungen. So lehnte sie den Vorschlag des KPD-Politbüros ab, der Wahl eines Ministerpräsidenten aus der SPD oder USPD zuzustimmen. Dieser Vorschlag beruhte auf einem Bericht Walter Ulbrichts und Otto Geithners vom 16.9.1923 über die Lage in Thüringen. Erst als sich das Politbüro der KPD noch einmal damit beschäftigte, lenkten die Thüringer Kommunisten ein. Der am 4. Oktober 1923 von der Zentrale der KPD gefaßte Beschluß hatte folgenden Wortlaut: »Angesichts der großen Gefahr, die dem deutschen Proletariat und vor allem der sächsischen und der thüringischen Arbeiterschaft droht, die das erste Angriffsziel des Faschismus bildet, hat die Zentrale der KPD beschlossen, alle Bedenken zurückzustellen und in die thüringische und sächsische Regierung einzutreten, um gemeinsam mit den thüringischen und sächsischen Sozialdemokraten die Arbeiterschaft zur Abwehr der faschistischen Gefahr zusammenzuschweißen. Die Zentrale der KPD ist davon überzeugt, daß die gesamte Arbeiterschaft im Reich die sächsische und thüringische Regierung verteidigen und verhindern wird, daß die Faschisten die sächsische und thüringische Arbeiterschaft niederschlagen.«
Die Regierung Frölich
Am 16. 0ktober stellte August Frölich (SPD) dem Thüringer Landtag sein neues Kabinett vor: Er wurde erneut Ministerpräsident, gleichzeitig übernahm er das Ministerium des Äußern. Keine Veränderungen ergaben sich beim Ministerium des Innern: Karl Hermann (SPD); beim Finanzministerium: Emil Hartmann (SPD); und beim Volksbildungsministerium: Max Greil (SPD); Justizminister wurde der Jurist Dr. Karl Korsch (KPD), der erst wenige Wochen zuvor von der SPD-Regierung zum ordentlichen Professor für Zivilprozeß und Arbeitsrecht an der Universität Jena ernannt worden war. Das Wirtschaftsministerium, das bisher dem Ministerpräsidenten in Personalunion unterstand, erhielt Albin Tenner (KPD). Neben den Ministern wurden als Staatsräte die Sozialdemokraten August Frölich und Bruno Bieligk und der Kommunist Dr. Dr. Theodor Neubauer gewählt. Hermann Brill (SPD) war als Ministerialdirektor ins Innenministerium gegangen, wo er als Leiter der Abteilung II für die Polizei zuständig war.
Die Fronten waren also geklärt, als in der folgenden Sitzung des Landtages der Ministerpräsident das Wort zur Regierungserklärung nahm. Frölich ging auf den militärischen Ausnahmezustand ein, der angeblich zum Schutze der Republik nötig sei. Die bisherige Erfahrung hätte jedoch gezeigt, daß die Politik der militärischen Befehlshaber sich nicht im geringsten gegen die offenen Feinde der Republik richtet, wohl aber gegen ihre treuesten Verfechter, die Arbeiterklasse. Mit Entschiedenheit forderte Frölich eine Beendigung des militärischen Ausnahmezustandes und die Wiederherstellung verfassungsmäßiger Zustände. »Diesen Bestrebungen gegenüber erklärt die Thüringer Regierung, daß sie sich als Schützerin der notleidenden und ausgebeuteten Massen fühlt. Ihre besondere Sorge soll den Ärmsten gelten, die ohne staatlichen Schutz und staatliche Hilfe überhaupt zugrunde gehen müssen.«
Hauptproblem der Thüringer Regierung war die Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit. Die Thüringer Arbeitsmarktlage hatte sich im September weiter verschlechtert. Frölichs Vorschläge beruhten auf dem von SPD und KPD beschlossenen Programm der Arbeiterregierung Thüringens. »Der erste und ausschlaggebende Schritt für eine effektive Eindämmung des drohenden wirtschaftlichen und finanziellen Verfalls ist die wirkliche Erfassung der Sachwerte durch das Reich und die Schaffung eines Außenhandelsmonopols nach russischem Muster.« Neben einer wirksamen Produktionskontrolle unter Mitarbeit der Werktätigen wollte die Regierung mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln gegen unberechtigte Betriebsstillegungen einschreiten und die Wiedereröffnung stillgelegter Betriebe ermöglichen. Sie ging dabei von der richtigen Auffassung aus, daß ohne die Ankurbelung der Produktion auch die Arbeitslosigkeit nicht zu beseitigen sei.
Die von Frölich vorgeschlagenen Maßnahme gingen längst nicht so weit wie das Erfurter Programm der deutschen Sozialdemokratie von 1891, das eine »Verwandlung des kapitalistischen Privateigentums an Produktionsmitteln in gesellschaftliches Eigentum« forderte, dennoch bedeuteten sie staatliche Eingriffe in das »heilige Privateigentum«.
Trotz der komplizierten Lage, trotz Ausnahmezustand und Ermächtigungsgesetz war mit der Wahl der neuen Regierungen eine Aufbruchsstimmung entstanden. Das erste Mal seit 1918 hatten Sozialdemokraten und Kommunisten gemeinsam Regierungsverantwortung übernommen.
Militärdiktator Müller
In Sachsen war es mit dem Antritt der Arbeiterregierung zum Machtkampf gekommen. Das Wehrkreiskommando der Reichswehr in Dresden spielte sich gegenüber der legalen Regierung als übergeordnete Behörde auf. Die Provokationen des Leiters des Wehrkreiskommandos, Generalleutnant Müller, datierten bereits aus einer Zeit, als die Kommunisten noch nicht im sächsischen Kabinett saßen. Als die Arbeiterregierung gebildet war, stellte Müller ein Ultimatum: Dr. Zeigner möge bis zum 18. Oktober um 11 Uhr zu den Ausführungen seines Ministers Böttcher Stellung nehmen, der in einer öffentlichen Rede vom 13. Oktober in Leipzig die Bewaffnung der Proletarischen Hundertschaften gefordert hatte. Da Dr. Zeigner überzeugt war, daß Sachsen ein parlamentarisch regierter Staat und keine Militärdiktatur war, reagierte er auf das Ultimatum nicht. In der Regierungserklärung am 17. 10. sagte er: »Wir sind dem Wehrkreiskommando keine Rechenschaft schuldig«.
Daraufhin setzte Müller sich mit dem Reichswehrminister Geßler in Verbindung. Dieser ließ ab 20. Oktober zur Verstärkung der in Sachsen stationierten Einheiten aus allen Teilen Deutschland vollbesetzte Züge mit Truppen nach Sachsen rollen, so daß sich bald 60000 Mann im Freistaat befanden. Am gleichen Tag teilte General Müller dem sächsischen Ministerpräsidenten offiziell mit: »Ich bin beauftragt, im Freistaat Sachsen mit den mir zur Verfügung stehenden und zur Verstärkung gestellten Machtmitteln verfassungsmäßige und geordnete Verhältnisse wiederherzustellen und aufrechtzuerhalten.«
Da sich die Regierung Zeigner auch durch die Anwesenheit von 60000 Mann Reichswehr nicht erpressen ließ, wurde sie am 27. Oktober 1923 vom Reichskanzler Stresemann ultimativ aufgefordert, zurückzutreten, was diese als verfassungswidrig entschieden ablehnte. Jetzt »bewährte« sich der Artikel 48 der Weimarer Verfassung, der den Reichskanzler ermächtigte, abweichend von den Grundsätzen der Reichsverfassung »Mitglieder der sächsischen Landesregierung und Gemeindebehörden ihrer Ämter zu entheben und andere Personen mit der Führung der Dienstgeschäfte zu beauftragen«. Weil Zeigner und seine Minister sich auch weiterhin standhaft weigerten, diese Amtsenthebung anzuerkennen, zogen Reichswehrtruppen vor die Ministerien und hinderten die Minister gewaltsam an ihrer Tätigkeit. Stresemann setzte seinen Parteifreund Dr. Heinze als Reichskommissar ein, der selbst die Einberufung des gewählten Landtages verbot.
Die bayrische Regierung, gegen die sich angeblich der Ausnahmezustand richten sollte, blieb unbehelligt. Sie hatte bereits am 18. Oktober 1923 die Beziehungen zu Sachsen abgebrochen und mitgeteilt: Sie sehe sich nicht in der Lage, einen neuen sächsischen Gesandten oder Geschäftsträger zu empfangen, solange die Kommunisten in der Regierung seien.
Die Besetzung Sachsens und Thüringens war das Ergebnis eines zwischen Reichsregierung und Reichswehr abgestimmten militärischen Plans zur Sicherung der Herrschaft des Kapitals und zur Unterdrückung des werktätigen Volkes. Am 21.Oktober 1923, als die Reichswehr bereits in Sachsen einmarschierte, um die sozialdemokratisch-kommunistische Regierung gewaltsam zu beseitigen, begann in Chemnitz eine noch von der sächsischen Regierung einberufene Konferenz mit Vertretern der Gewerkschaften, der Betriebsräte und der Kontrollausschüsse Sachsens. Der Vorschlag des Vorsitzenden der KPD und derzeitigen Ministerialdirektors in der Sächsischen Staatskanzlei, Heinrich Brandler, den Generalstreik auszurufen, wurde von dem sozialdemokratischen Minister Georg Graupe brüsk und ultimativ abgeblockt und in eine paritätische Kommission von SPD und KPD verwiesen. Diese Kommission sollte bei einer weiteren Verschärfung der innenpolitischen Lage mit der sächsischen Regierung, den Arbeiterparteien und den Gewerkschaften über die Ausrufung des Generalstreiks verhandeln. Dazu kam es aber nicht mehr, die Ereignisse überstürzten sich.
Dokumentiert: Die Regierungserklärung August Frölichs vom 17. Oktober 1923
Die neugebildete thüringische Regierung ist, wie die sächsische, eine Regierung der republikanischen und proletarischen Verteidigung, ihr Ziel die Abwehr der ungeheuren Gefahren, welche die Existenz der thüringischen wie der gesamten deutschen Republik und sogar das nackte Leben der werktätigen Bevölkerung täglich drohender bestürmen. Es ist kein Zweifel mehr, daß die offenen und verkappten Faszisten in Bayern und Norddeutschland mit allen ihren legalen und illegalen Maßnahmen, mit ihren gesamten wirtschaftlichen und militärischen Kampfesrüstungen nicht nur die sozialistischen Parteien, sondern alle proletarischen Schichten und Republikaner, das gesamte werktätige Volk Deutschlands in seinem Lebensnerv bedrohen. In der gemeinsamen Losung aller faszistischen Richtungen »Nieder mit dem Marxismus« ist das Signal zur endgültigen Niederwerfung und Versklavung aller Werktätigen bereits gegeben, die ersten Schritte zu seiner Ausführung traten in Bayern wie im Reiche schon sichtbar hervor. [...] Die vor einigen Jahren geschickt verborgene Gesinnung eines schrankenlosen Herrenmenschentums wird erneut proklamiert. [...] Die Kreise des deutschen Volkes, die bis vor wenigen Jahren die politische Alleinherrschaft innehatten, streben erneut diese Alleinherrschaft an. Sie gehen zum offenen Angriff gegen die republikanische Staatsform über. Die der Republik vorenthaltenen Steuern sind dazu benutzt worden, eine bewaffnete Organisation aufzubauen, die der Republik den Todesstoß versetzen soll.
Stenographische Berichte über die Sitzungen des II. Landtages von Thüringen, Bd. V (31. Mai bis 14. Dezember 1923), Bd. IV, Weimar o.J., S. 5487 f.
* Morgen: Die Reichsexekution |
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