Exzerpte | |
Team | Peter Heilbronn |
Thema | Darstellung zu Lefèbvre 'Die Zukunft des Kapitalismus' ( original ) |
Letzte Bearbeitung | 07/2004 |
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2.1. Zum Begriff3. Das Projekt
2.2. Realsozialismus und Ideologie
2.3. Dialektik und Raum
1. Voraus
{ Dies tun natürlich alle Gesellschaftsordnungen solange sie bestehen. (d.V.)}
{ Lefèbvre, geboren 1905, Professor für Sozialwissenschaften an der Universität Straßburg. (d.V.)}
2. Reproduktion der gesellschaftlichen Produktionsverhältnisse
2.1. Zum Begriff
Die 'Reproduktion der gesellschaftlichen Produktionsverhältnisse' als Begriff
ist nach Lefèbvre nicht entdeckt worden, sondern hat sich entdeckt.
Er benutzt dafür die Metapher eines aus Ozean und Nebel aufgetauchten
Kontinents. Um ihn zu umreißen ist es notwendig Begriffe wie 'Raum',
'Differenz' oder 'Ideologie' zu bestimmen.
Der Kapitalismus
ist eine Totalität, die nie vollendet, systematisiert und abgeschlossen
ist und sich doch ständig verwirklicht und vollendet. Die RdP liefert als
Begriff nicht nur
| [Warum des Begriffs RdP] |
Eine weitere entscheidende Motivation scheint im von L. diagnostizierten Ende
des Konkurrenzkapitalismus zu liegen. Dieser verschwinde durch die Konzentration
und Zentralisation des Kapitals (S.56). Marx Theorie bezieht sich nach ihm nun
auf diesen sogenannten Konkurrenzkapitalismus und muss bei neuen Formen des
Kapitalismus oder Sozialismus überprüft werden. (Staatsmonopolkapitalismus oder
auch Organisationskapitalismus, S.86)
Nach L. hat Marx diesen Begriff (RdP) nie vollständig ausgearbeitet (S.50),
wobei er sich auf ein unveröffentlichtes Kapitel(?) des 'Kapital' bezieht. Seine
Theorie bzgl. der 'Ursprünglichen Akkumulation'(z.B. S.51) und anderem ist
unzulänglich, da damit der Realsozialismus bzw. der Staatskapitalismus, welchen
L. als nun vorherrschende Form nach dem Ende des Konkurrenzkapitalismus
sieht, nicht gut genug beschrieben werden kann. Deshalb auch der Anstoß, diese
vermeintlich neue Spur des Begriffs der RdP aus dem spätesten Werk von Marx zu
heben und auszuarbeiten.
| [Ende des Konkurrenzkapitalismus - Realsozialismus//Staatskapitalismus] |
Vor dieser Folie und der Annahme, dass die Legitimationsphilosophien des
Realsozialismus die Produktionsweise vereinseitigt betonen, setzt er diesen die
Reproduktion der PV entgegen bzw. in Dialektik. Die Produktionsweise (PW)
ist so "das Gesamtergebnis der Konfliktbeziehungen
zwischen >Arbeitslohn< und >Kapital<, >Proletariat< und
>Bourgeoisie<"(S.51). Diese Konfliktbeziehungen erscheinen nur in
verschleiernden Formen (-> siehe "Fetischkapitel") in der
gesellschaftlichen Praxis. So ist z.B. der Arbeitsvertrag eine Fiktion der
gleichen Partner.
So umfasst die Produktionsweise auch die ihr entsprechenden Rechtsbegriffe, die
verschleiernden Ideologien - kodifizierte Eigentumsverhältnisse, politische,
kulturelle Institutionen, Wissenschaft...
| [Begriff der Produktionsweise] |
Er bezeichnet weder
{ Zu genau ist also gleich mechanisch? (d.V.)} | [Abgrenzung des Begriffs RdP] |
RdP bezeichnet einen komplexen (gesamtgesellschaftlichen) Prozess mit seinen
vielfachen immanenten Widersprüchen, welcher selbiger nicht nur
vervielfacht und wiederholt, sondern auch verschiebt, modifiziert und
erweitert (S.8). (Nicht zuletzt auf Grund dieser Einheit der Widersprüche
ist bei der Betrachtung Dialektik unabdingbar.) Der Akzent wird so nicht auf
verschiedene Phänomene in ihrer Einzelheit und einzelwissenschaftlichen
Betrachtung gesetzt, sondern auf die Produktionsverhältnisse (PV) selbst.
| [Positive Bestimmungen des Begriffs RdP] |
"
Verstehen wir darunter im Sinne von Marx nicht allein Ware und Geld, diese
Grundbedingungen des Kapitals, dies es im Weltmaßstab durchgesetzt hat, nicht
nur Lohnarbeit und Profit (Mehrwert), sondern
die Beziehungen dieser drei Begriffe >Erde-Arbeit-Kapital<, dieser für den
Kapitalismus konstituierenden Dreiheit.
"
(Lefèbvre:9)*1
| [Produktionsverhältnisse] |
"
Doch weil er global ist, erhellt dieser Begriff eine gewisse Epoche in
der
Vorausschau wie in der Rückschau. Mit seiner Einführung entsteht nicht ein
Bruch, sondern im Gegenteil ein Sinn, in dem aufgehoben ist, was während
der Entdeckung [seiner, d.V.], davor und danach gesagt und getan wurde.
"
[Herv. v. d.V.](Lefèbvre:8)*3
Global bezieht sich einerseits auf das die Gesellschaft Umfassende,
Weltgesellschaft - Weltrevolution. Aber auch darauf, dass zwar die
Spezialisten und vereinzelten Wissenschaften kein Problem mit der
Fortexistenz des Kapitalismus haben (S.56) und nicht darauf kommen, ihre
>Fakten< zu hinterfragen. Die Verhältnisse sind zwar den Fakten inhärent,
aber sind selbst keine Fakten, man kann sie als 'System' oder 'Struktur'
vereinseitigen und statisch machen. So muss es eine übergreifende
Betrachtungsweise (Dialektik) geben, diese Probleme aufzunehmen, deren Begriff
z.B. die RdP darstellt.
| [Globales und Totalität dieses Begriffs] |
"
Weder die >revisionistische< Rechte noch der das letzte Gefecht
verkündende linke Flügel berücksichtigen die Reproduktion der
Produktionsverhältnisse. Für die ersteren versteht sie sich von selbst, ...
, daß man sie nicht mit Hilfe der Staatsgewalt (der parlamentarischen Macht)
ändern könnte. Für die letzteren werden die Produktionsverhältnisse in der
revolutionären Krise mit einem Schlag zusammenbrechen.
"
(Lefèbvre:57)*5
| [Politische Kritik] |
Bei einer Kritik der Unterrichtsmethodik, als auch der Bildungsinhalte (Kritik
der Pädagogik) enthüllt sich der pädagogische Raum als repressiv. Das
hineingewürgte und "wieder ausgespiene" Wissen (S.62) entspricht der
Arbeitsteilung der bürgerlichen Gesellschaft und dient seiner Aufrechterhaltung.
So ist dieser Raum auch Ort der RdP, massenabrichtend und elitebildend
zugleich. Dieser Ort ist also Folge der gesellschaftlichen
Arbeitsteilung, aber eben auch Ursache und Grund.
"
Die Schule richtet die Proletarier ab, die Universität die Führungskräfte,
Technokraten und Organisatoren der kapitalistischen Produktion. Generationen so
zurecht geformter Menschen folgen aufeinander und lösen einander ab in
der in Klassen gespaltenen, hierarchischen Gesellschaft.
"
[Herv. v. d.V.](Lefèbvre:62)*6
| [Beispiel: Pädagogische Raum] |
Die Wissenschaftstheorie isoliert "gesicherte" Kerne des Wissens,
verewigt aber so in der Einzelheit die Arbeitsteilung in der Wissenschaft
selbst, also letztendlich zum Markt (S.65).
Hingegen die Methodologie der Modelle ist die Konstruktion eines Modells
in blanker Vereinfachung, Abstraktion, wobei ferner die Elemente dieser, der
bestehenden Gesellschaft als Parameter oder Variabler entlehnt sind,
womit die Tendenz besteht, sowohl Kritik als auch die Widersprüche eliminiert
werden, welches wieder zu ihrer eigenen Reproduktion beiträgt. Das Ganze als
Reproduktion zu erfassen, ist ihr so aber nicht möglich.
| [Beispiel: Wissenschaft, Erkenntnisraum] |
Stelle man nun die PW über die PV, Kohärenz über den Konflikt, hat es keinen
anderen Sinn, als die Widersprüche zu verdecken (S.75). Diese Fixierung auf die
PW ist für Lefèbvre die Erstarrung der marxistischen Denkens. Hier drückt
sich also im Umgang mit den Begriffen und ihrer Stellung zu einander in der
Theorie ein ideologischer Kampf aus, den Lefèbvre hier führt.
Beim systematische Gebrauch der PW verändert sich nichts, nur unwesentliche
Details und der Kapitalismus endet, wenn er endet. Es kann keine Aussage
getroffen werden, wie es den Technokraten auch recht sein dürfte (S.74), besteht
die politische Praxis Regierender im Versuch Konflikte zu verringern oder
wenigstens ihre Auswirkungen zu abzumildern (S.79).
"
Und was den Übergang vom Staatskapitalismus zum Staatssozialismus angeht, so
besteht die Gefahr, daß er eines Tages den Anschein eines Bruches (einer
Diskontinuität) bietet, obwohl er alle Merkmale einer entschieden
>strukturierten< Kontinuität besitzt.
"
[Herv. v. d.V.](Lefèbvre:74)*8
Hier zeigt sich der Kern, worum es geht. Der so "strukturalisierte Marxismus"
weicht der Frage der RdP aus.
"
Man geht aus von der >Produktionsweise<. Anstatt aber die kapitalistische
Produktionsweise auf der Basis von Marx zu analysieren, betrachtet man die auf
auf Marx sich berufende politische Praxis als bereits der sozialistischen
Produktionsweise angehörig.
"
[Herv. v. d.V.](Lefèbvre:77)*9
| [Produktionsweise vs. Produktionsverhältnis] |
Ein wichtiger Aspekt der RdP ist die Reproduktion der Produktionsmittel (nach
Marx). Beide sind nicht identisch und die der PM setzt die Reproduktion der
Gesellschaftsverhältnisse voraus(?) "so wenig wie das Leben selber
denkbar ist ohne die Wiederholung alltäglicher Gesten und Akte". Beide
sind aber untrennbar miteinander verbunden.
Für Lefèbvre allerdings brachten erst neu veröffentlichte Kapitel des
'Kapital'
hervor, dass die Reproduktion der gesellschaftlichen Verhältnisse gegenüber der
der PM in den Vordergrund gerückt wird.
Ein 'System' des Kapitalismus wäre eine vollständige und vollendete
Totalität (?) der er hingegen begrifflich ein >Ganzes< gegenüberstellt.
Dieses ist eine Einheit, aber doch durchzogen von Widersprüchen und gegliedert
in Teilbereiche, Subsysteme,...
| [Reproduktion der Produktionsmittel] |
In einem Zyklus ist es gesetzt, dass er die Tendenz hat, seine eigenen
Bedingungen zu reproduzieren, z.B. Geld-Ware-Geld. Aber auch die
Vertragsbestimmungen zwischen Warenbesitzern haben die Tendenz, ihre
eigenen Voraussetzungen zu reproduziern.(S.52)
Schon bei der Betrachtung Quesnays (Brief an Engels 06. Juli 1863) schreibt
Marx, dass der Kreislauf seine eigenen Bedingungen schafft, die Verteilung von
Gütern und Geld wird mit der Verteilung des Mehrwerts über verschiedene
Vermittlungen neu generiert. Hier sieht L. eine Stelle des begrifflichen
Übergangs von der Reproduktion der PM zu einer der gesellschaftlichen
Verhältnisse. (das ganze 'Kapital' beschäftigt sich mit nichts anderem)
| [Re-Produktion] |
2.2. Realsozialismus und Ideologie
Nach Lefèbvre war Marx' Kritik bezogen auf den
Konkurrenzkapitalismus(??) und
nicht z.B. auch auf den Realsozialismus und dessen Entwicklung. Das zwar dieser
Konkurrenzkapitalismus untergehen konnte, ohne dass seine Konstituierenden
verschwanden, konnte weder Marx noch seine Nachfolger (Lenin, Trotzki(?))
erklären. "Sie haben den Prozess selber nicht begriffen."(S.11)
Er beschreibt detailliert die Entwicklung der Theoriebildung im Realsozialismus
(z.B. S.72ff) hin zu ihrer Dogmatisierung und Resistenz gegen die
Widersprüchlichkeit und Dynamik der gesellschaftlichen Entwicklung. Bis zu der
Stelle, an der notwendig die Überproduktionskrisen im Kapitalismus geleugnet
werden, um den eigenen Erkenntnisapparat nicht der Wirklichkeit anpassen zu
müssen.
Seine Worte sind wie eine Vorhersage:
"
Wir die Wiederherstellung des kapitalistischen Weltmarktes und, fast
unverändert, der wesentlichen Institutionen der bürgerlichen Gesellschaft in den
großen Industrienationen seit 1920 nicht im sozialistischen Rußland eine
unerwartete Reproduktion der kapitalistischen Produktionsverhältnisse
bewirken? Der Tod Lenins, die brutale Ausschaltung Trotzkis und später die
Hinrichtung Bucharins versetzten der theoretischen Forschung einen tödlichen
Schlag.
"
[Herv. v. d.V.](Lefèbvre:58)*11
| [Konkurrenzkapitalismus//Realsozialismus] |
{ Hier steckt ein wichtiges Moment der Kritik, wird aber von ihm nicht geleistet und ist gerade bei Trotzki im Wesentlichen ausgearbeitet oder auch Preobrazenski.*12 Letzterer entwickelt im Detail, wie Wertgesetz, Geld und Lohnarbeit als Teile des Kapitalverhältnisses im Realsozialismus, bzw. in der 'ursprünglichen sozialistischen Akkumulation' im System des 'warenproduzierenden Sozialismus' ihre relative Wichtigkeit und Wirklichkeit besitzen. (d.V.)}
Um auch dies zu erfassen benutzt er den Begriff der 'Ideologie'.
Diese definiert sich zuerst durch ihre >Funktion<.
Ideologien sind z.B. Philosophie, Religion, Ethik, Ästhetik, Moral, Kultur,
Sittlichkeit,... Aber die Ideologie hat die Funktion neben ihrem "Gegenteil" der
Gewalt, letztendlich dem Staat, die Menschen zu "überreden" und abzulenken, die
aktuellen Verhältnisse als natürliche zu verstecken und so außerhalb der Kritik
zu halten. Hingegen gibt keine RdP einfach vermittels Ideologie oder Repression
allein, keine bloße Wiederholung.
| [Ideologie und Integration] |
Folgerichtig definiert er sie bezüglich der eingeführten RdP.
Ideologie ist definiert als "Jede Vorstellung, die unmittelbar
oder mittelbar zur Reproduktion der Produktionsverhältnisse beiträgt."(S.34) Sie
kann also auch nicht von der Praxis gelöst werden (sondern ist durch sie
bestimmt und Teil der Praxis).
| [Definition: Ideologie] |
Die wirksamen Ideologien sind nach Lefèbvre immer mit der Praxis
verbunden (?wie auch
sonst). Solche wirksamen aber blenden diesen ihren Zusammenhang aus. Sie
verschleiern, umgreifen und umhüllen die Praxis, deren Teil sie sind. So halten
Ideologien z.B. Erde-Arbeit-Kapital auseinander und trennen sie, lassen sie als
getrennt erscheinen "und bewirkt bis zu einem gewissen
Grade sogar ihre tatsächliche (scheinbare) Trennung"(S.13). Aber genauso werden
diese Elemente auch verdeckend vermischt, z.B. beim BIP Arbeitslohn und
Grundrente als unterschiedslose Geldquanta.
"
Die wirksamen Ideologien lassen sich nur schwer oder fast gar nicht von der
Praxis unterscheiden. Sie finden ihren Ausdruck nicht auf einer explizit
ideologischen Ebene, sie treten als Ideologien gar nicht in Erscheinung. Dies
gilt etwa für den Szientivismus, den Positivismus oder den Strukturalismus, die
untrennbar sind vom massiven Eindringen der Wissenschaft
in den Produktionsprozeß.
"
[Herv. v. d.V.](Lefèbvre:13)*13
Ideologie verschleiert aber ebenso
| [Verhältnis Ideologie und Praxis] |
"
Für die Dogmatiker kann man schon jetzt die Wissenschaft aller Ideologie
entkleiden. Für die Überkritischen ist das Wissen bloß zäher Schein und die
angebliche Wissenschaft nichts anderes als die Ideologie dieser Gesellschaft.
"
(Lefèbvre:85)*14
| [Doppelseitige Abgrenzung] |
Ideologie kann sich den Schein der Nicht-Ideologie geben, z.B. der "natürlichen
Reproduktion". Die Dialektik zeigt sich wiederum darin, dass "(scheinbar) Nicht-Ideologie ideologisch wird, sich in eine (aktive und
wirksame) Ideologie verwandelt"(S.35), etc..
| [Dialektik der Ideologie selbst] |
Am Beispiel der Psychoanalyse zeigt er, dass ihr Dogmatismus in ihrer
Geschichtslosigkeit (entgegen Reich) liegt. So betrachtet sie z.B. familiäre
Konflikte als statisches System. Hier wird die Vermengung von Ideologie und
Wissen
unentwirrbar. Das geschichtlich Gewordene, der Machtwille, wird dem
Unbewussten,
der Körperlichkeit zugeschlagen.(S.37). Die Psychoanalytiker haben so ständig
das bürgerliche Subjekt wiederhergestellt, also reproduziert mit
dem Versprechen, die Neurose zu lindern, das Leben erträglicher zu machen - die
Kur für dies Subjekt.
Positiv hingegen hebt Lefèbvre hervor, dass die Psychoanalyse dem Sex,
aber nicht dem Leib oder der Lust einen Sinn gegeben hat.
Anders Reich, der sehr viel weiter kommt. So enthüllte Reich, dass die sexuellen und familiären Beziehungen das Pendant der gesellschaftlichen Verhältnisse darstellen, z.B. Familie-Unternehmen, Vater-Arbeitgeber. Erstere Verhältnisse wären gerade nicht mimetisches Produkt der gesellschaftlichen Verhältnisse, sondern das Heim der Ort der Produktion und Reproduktion der Gesamtverhältnisse (S.59). Hierbei ist allerdings eine Extrapolation nur eingeschränkt möglich, aber ihm gebührt der Verdienst, die "Frage in ihrer ganzen Reichweite" gestellt zu haben.
| [Psychoanalyse als Ideologie] |
2.3. Dialektik und Raum
Lefèbvre bemerkt, dass die Reproduktion des Kapitalismus nicht notwendig ewig andauern
werde, dies aber "den Wert einer virtuellen Wahrheit"(S.15) habe
und das Mögliche Teil des Wirklichen ist. Dies stellt für ihn eine strategische Hypothese dar. Wenn sich alles in der Krise befindet und
prozessierende Widersprüche beinhaltet, wann kommt es zur "kritischen Masse" und
zum "Bruch"? (Diese Frage wird letztlich im 'Projekt' behandelt.)
| [Frage nach dem Bruch, Dialektik und der Raum] |
Nicht-Arbeit ist für Lefèbvre gegensätzlich bestimmt.
Die Nicht-Arbeit kündigt sich so nicht wie Marx meinte als Ergebnis der
Revolution an, sondern schon heute. Dies nicht im Realsozialismus, sondern
gerade im modernen Kapitalismus.
{ Dies erinnert fatal an die Abschaffung der Arbeit bei z.B. Moishe Postone. 'Nicht-Arbeit' existiert als Begriff bei Marx überhaupt nicht und wird hier behauptet. Gerade die große Industrie und Automation ist nach Marx die Entfaltung des Kapitalismus ('Kapital' Bd.I, 'Die grosse Industrie'). (d.V.)} | [Nicht-Arbeit] |
Aus obiger Dialektik nahelegenden Thematik fallen z.B. Strategien, die sich als Logiken von Sachen darstellen, z.B. der Gesellschaft oder der Ware.
Die Beziehung zwischen Dialektik und Logik stellt für Lefèbvre ein Problem dar. Sie
sind untrennbar miteinander verbunden, spielen aber auf verschiedenen Ebenen.
Die Nahtstelle für beide ist die Differenz. So ist nach Lefèbvre Dialektik
"nicht mehr ausschließlich an die Zeitlichkeit geknüpft"(S.19), sondern auch den Raum (?der Realisierung). Dies ist das paradoxe Neue(??).
Hierbei kommt nun ein für Lefèbvre zentraler Begriff ins Spiel, der des Raumes als Ort der Reproduktion der PV, womit die Frage nach dem 'Wo' der RdP gefasst werden soll. Der Raum ist sehr weit bestimmt und es kommt
nicht klar heraus, was nun genau gemeint ist. Er umfasst sowohl
{ Die Bestimmungen des Raumes sind so selbst schon widersprüchlich und werden infolge ständig überschneidend benutzt! Das Problem ist, dass hier Raum gesetzt ist und nicht entwickelt. Man kann sich diese Begriffsbildung auch bei Gui Debort z.B. in 'Die Gesellschaft des Spektakels' ansehen. (d.V.)}
So gesetzt ist der Raum durchzogen von Widersprüchen, welche
einerseits die Dialektik als notwendige Erkenntnisweise notwendig
macht und andererseits auf zwei getrennte (Raum)Ebenen verweist.
| [Raum als Ort der Reproduktion der PV] |
Raum | Aspekte | Domäne |
---|---|---|
abstrakter Raum | der Mathematik und Erkenntnistheorie, Theorie der Ganzheiten und Systeme, Zusammenhänge, Kohärenz | Logik |
gesellschaftlicher Raum | die Konflikte und Widersprüche in Veränderung und Entwicklung | Dialektik |
Diese Durchdringung sieht man beispielhaft folgend.
Die Widersprüche im gesellschaftlichen Raum sind zum Beispiel der zwischen
Peripherie und Zentrum, bei welchem Lefèbvres Konzeption der Stadt ins
Spiel kommt. Diese Beziehung, Peripherie und Zentrum, ist nach Lefèbvre nur sehr indirekt eine historisch aus
Klassenkämpfen entstandene, sondern ist logisch, strategisch entstanden
aus Dispositionen, die "kohärent und vernünftig erscheinen" (?völlig
unterbestimmt) und nicht dialektisch.
Die verschiedenen Ebenen mit ihren eigenen Ordnungen global und lokal,
gesellschaftliches PV und Nachbarschaft geraten in Widersprüche.
| [Widersprüche im gesellschaftlichen Raum] |
Dialektisch sein ist bei Lefèbvre stark mit konfliktgeladen koreliert. Der
Zentralismus, hier kommt wieder der Realsozialismus ins Visir, ist z.B.
dialektisch eine Eigentümlichkeit des sozialen und geistigen Raumes. So kommt es
auch zu einer ständigen Ausschluss aller möglichen Gruppen vom Reichtum der Gesellschaft und die gleichzeitige Integration, die symbolisch(?), abstrakt und kulturell bleibt.
| [Dialektik und Konflikt] |
Die verschränkende Bewegung zwischen Logik und Dialektik bzw. den
entsprechenden Räumen ist die Produktion des Raumes. Er wird das Unterliegende
der Betrachtung werden. Raum ist ebenfalls zur Ware geworden,
fragmentiert und zentralisiert zugleich (und somit mit sich selbst Widerspruch).
"
In diesem dialektisch gewordenen (konfliktträchtigen) Raum vollzieht sich die
Reproduktion der Produktionsverhältnisse. Und dieser Raum ist es, der die
Reproduktion produziert, indem er vielfältige Widersprüche in sie einbringt, die
teils aus der historischen Zeit stammen, teilweise nicht.
"
[Herv. v. d.V.](Lefèbvre:21f)*16
| [Produktion des Raumes] |
"
Der Begriff der Reproduktion der gesellschaftlichen Reproduktionsverhältnisse
löst und überwindet diesen Widerspruch.
"
(Lefèbvre:22)*17
Er löst ebenso einen Widerspruch im Marxschen(?,S. 23) Denken, das die
Entwicklung zwischen PV und PK zu einer grenzensprengenden Revolution treiben
würde, die Arbeiterklasse geduldig warte(?) und andererseits die Bourgeoisie
auch die historische Aufgabe der Steigerung der PK hat. Dabei besteht der
Kapitalismus fort und konnte die Widersprüche in seiner Entwicklung zumindest abmildern.
Mit seiner Hilfe ist es auch möglich, eine erste abstrakte Antwort auf die
Eingangsfrage zu gewinnen, wo und wie der Kapitalismus seine Reproduktion sichert.
| [RdP und Widersprüche] |
"
Um welchen Preis? Er läßt sich nicht beziffern. Mit welchen Mitteln? Wir wissen
es: Indem er sich des Raumes bemächtigt, indem er Raum produziert.
"
(Lefèbvre:22)*18
| [Produktion des Raumes] |
Lefèbvre legt an dieser Stelle eine starke Betonung auf die Rolle der Mittelschicht, aus der er selbst
stammt und begründet die Möglichkeit, warum sie zum "Magma" werden kann. Dies
halte ich für ein Philosophieseminar interessant.
Die Machtstruktur nach Lefèbvre beruht unbestreitbar auf der Mittelklasse, welche eine ihr inhärente Widersprüchlichkeit besitzt.
Sie ist zugleich arm und reich, hat ein elitäres Leben oder sucht es, flüchtet
in Kultur, sie besitzt die Realität ökonomischer Bedeutung aber die Illusion
politischer Macht. Damit stützen die die herrschenden Verhältnisse.
Sie erwerben nicht nur Wissen, sondern sie wenden dies auch praktisch in der
gesellschaftlichen Praxis an. Somit sind sie Stützelemente der Gesellschaft.
| [Mittelklasse] |
Das benutzte technische Wissen ist nicht so einfach vom Wissen als solchem zu
trennen. Zwischen positiver Erkenntnis und kritischer Negativität ist schwer zu
scheiden. Das ergibt eine "metaphysische Unruhe", einen "tiefen Riß". Zwar wird
das kritische Denken ebenfalls positiv nutzbar gemacht, aber das kritische
Denken kann zur "kritischen Masse" werden. Sie sind im 'Raum' vorgestellt eine
Art Bindegewebe z.B. zwischen Peripherie und Zentrum, womit das Problem des
Übergangs von einem Raum in den anderen, hier vom geistigen in den
gesellschaftlichen gestellt ist(S.31), wobei diese Übergänge selbst fließend
seien. Hier besteht die Möglichkeit der überschießenden Momente, welche im potentiell Gefährlichen des "Magma" oder dem dem "tiefen Riß" gefasst sind.
| [Widerspruch der Mittelklasse] |
Marx 'Tendenzen' drücken Regelverletzungen aus, welche aus Spannungen
resultieren. Die Regelverletzungen sind selbst Tendenzen. Das Projekt hat die
Produktion von Abweichungen zum Ziel (!hier ist Lefèbvre am stärksten, weil er
sich dem Politischen nähert), "die über das hinausgehen, was sich
in die bestehenden Produktionsverhältnisse einfügen ließen"(S.41).
| [''Überschießende'' Momente - Produktion von Abweichungen] |
Somit geht es um ein totales Projekt(S.41), was einen radikal andere
Lebensweise zum Inhalt hat. Bisher verblieb dies auf der Ebene des Ideals
entgegengesetzt der gesellschaftlichen Realität und des Wunsches (des Sollens,
mit Hegel wäre die Frage nach dem Schrankenwerden zur Grenze zu stellen).
| [Das Projekt] |
{ Hier ist Lefèbvre sehr schwach. (S.41) Angeblich beschränkt Marx den erweiterten Begriff der gesellschaftlichen Verhältnisse auf die Ökonomie. Dies ist irrtümlich, denn gerade im 'Kapital' ist die Darstellung zwar die der ökonomischen Basis, aber mit der inhärenten materialistischen Dialektik ist völlig klar, dass der Inhalt der Formkritik der Arbeit als Lohnarbeit und erweiterte Reproduktion des Proletariats wie des Kapitals immanent mit den grundlegenden Verhältnissen die in den Formen stecken, auch alle von diesen bestimmten Verhältnisse, wie Familie bis Vertragsform, Warenform aller Phänomene, mit diesen reproduziert. (d.V.)}
3. Das Projekt
Im Gegensatz zu den teils taktischen Programmen sei das Projekt etwas
völlig anderes(S.42). Erstere würden somit zum "Zerrspiegel von
Partikularinteressen, während letzteres einen
| [Zur Abgrenzung des Projektes] |
Es geht im Projekt um die Priorität der gesellschaftlichen vor den individuellen
Bedürfnissen im Gegensatz zu politischen Programmen. Diese individuellen
Bedürfnisse sind (von Werbung und Massenmedien manipuliert) dergestalt, dass sie
sich der Reproduktion der herrschenden Verhältnisse einpassen.
| [Gesellschaftliche Bedürfnisse] |
"
Diesen Entstellungen und Umdeutungen des >Gesellschaftlichen< und
>Kollektivem< halten wir als ein erstes Prinzip dieses entgegen: Die
gesellschaftlichen Bedürfnisse sind heute zu allererst städtische
Bedürfnisse.
... Welches sind die tieferen Probleme? Die Probleme der Produktion und Verwaltung des Raumes, der den Möglichkeiten der Technik und der Erkenntnis ebenso entspricht wie den Erfordernissen eines gesellschaftlichen Lebens der >Massen< und für die >Massen<. Selbstverständlich hängt die Verwirklichung eines solchen Projektes von einer Entscheidung ab, von der Entscheidung der Arbeiterklasse. Auch wenn die Arbeiterklasse allein nicht alles vermag und wenn in ihr wie in jeder vergangenen, gegenwärtigen und künftigen Realität Widersprüche wirksam sind - was wäre ohne sie möglich? Die Arbeiterklasse hat die Wahl: Reformismus, wenn sie will, Revolution, wenn ihr das Spaß macht[(?),d.V.], Staatsplanung und Wachstum, wenn ihr das gefällt. So liegen die Dinge ... " [Herv. v. d.V.](Lefèbvre:44)*21 | [Die Rolle der Arbeiterklasse] |
Es ist in der "Verantwortung" der Arbeiterklasse, ob es zur ihrer Selbstüberschreitung kommt. Der Kapitalismus seinerseits hat sich auf den gesamten Raum ausgedehnt und alles seinen Funktionen unterworfen, aber er realisiert so auch seine Widersprüche.
Die Arbeiterklasse verwirklicht auf ihre Weise ihre Idee(??), welche ihrerseits die Selbstbestimmung der Arbeiterklasse impliziert.
Lässt sie sich integrieren, hört sie nach Lefèbvre auf Klasse zu sein(?), sie läßt sich integrieren ohne ihrerseits zu integrieren. Ohne Selbstbestimmung muss sie scheitern. Es kann zwar nichts geschehen ohne eine Billigung oder passive Duldung der Arbeiterklasse, aber diese wurden ihr mit Gewalt und Überredung aufgezwungen. Dies zeigt den Selbstwiderspruch innerhalb der Klasse (siehe hier auch Lukács bzgl. Klassenbewusstsein).
| [Selbstbestimmung der Arbeiterklasse] |
Nur so autonom konstituiert kann sie die entfremdete Arbeit, d.h. die Arbeitsteilung(??) und die Arbeit(?? Lohnarbeit, Arbeits-Formfrage) selbst überwinden. Aber bisher wurde sie, wenn sie sich als politische Klasse aufwarf über politische Apparate, wie Partei oder Staat (Realsozialismus), gleich wieder entmachtet, was zur Wiederherstellung der alten PV geführt hat (Staatskapitalismus).
| [Abschaffung der Arbeit?] |
{ Das Absterben erinnert sehr an Lenins 'Staat und Revolution', von dem aber Lefèbvre behauptet, dass der Leninismus sein System über das Marx' "aufgepfropft" hätte. Dies tut er in Hinblick auf die Berufung des Realsozialismus auf den Marxismus-Leninismus, was es nicht unbedingt bzgl. Lenin selbst wahr macht. (d.V.)}
"
Das gilt ebenso wie für den Staatskapitalismus und die Bourgeoisie, wie auch für den Staatssozialismus uns seine politische Partei als Befehlszentrale und Ordnungsmacht. Was in den letzten hundert Jahren geschehen ist, offenbart also den inneren Widerspruch des Proletariats. Ist es undenkbar, daß die Arbeiterklasse, nachdem sie der Faszination der Mittelklassen, des Staates, der politischen Gesellschaft, des Wachstums und des Produktivismus erlegen ist, sich besinnt und ihre Selbstbestimmung wiederfindet? Nein, es ist nicht undenkbar.
... Mit welchem Ziel? Mit dem Ziel, die Entwicklung in die Hand zu nehmen und das (als solches bekannte und beherrschte) Wachstum auf die gesellschaftlichen Bedürfnisse zu lenken. Zudem: wer von der Selbstbestimmung der Arbeiterklasse, von ihrer Autonomie spricht, meint auch: Selbstverwaltung. " [Herv. v. d.V.](Lefèbvre:47)*23 | [Selbstverwaltung der Arbeiterklasse] |
4. Quellen