Teinosuke Otani

(Beiträge zur Marx Engels Forschung 27/1989)



Das Problem der Geldbildung und seine Lösung im ,,Kapital“


Bei der Untersuchung der Marxschen Überarbeitung des ersten Bandes des Kapitals" ist auch die Frage in den Mittelpunkt der Diskussion gerückt, in welcher Beziehung die Wertformanalyse, die Fetischismusanalyse und die Austauschprozeßanalyse stehen - und zwar insbesondere im Zusammenhang mit der Entstehung des Geldes. In Japan wurde schon in den fünfziger Jahren über diese Problematik heftig debattiert. Der verstorbene Samezo Kuruma, der wahrscheinlich in Europa als Herausgeber des 15bändigen ,,Marx-Lexikons zur politischen Ökonomie" bekannt ist, hat dieses Problem erforscht und 1957 sein Buch ,,Wertformanalyse und Austausch­prozeßanalyse" publiziert. Seine soliden Interpretationen haben einen großen Einfluß auf die weitere Diskussion gehabt, und auch noch heute erwähnt fast die ge­samte Fachliteratur seine Ansichten und äußert sich dafür oder dagegen. Es wäre also nicht überflüssig, hier, dem Kerngedanken von Kuruma1 zustimmend, den In­halt jener drei Analysen sowie ihre Beziehungen zu behandeln.

Marx schreibt im 2. Kapitel des ersten Bandes des ,,Kapitals": ,,Die Schwierigkeit liegt nicht darin zu begreifen, daß Geld Waare, sondern wie, warum, wodurch Waare Geld ist.“2 (Hervorhebung vom Verf.) Kuruma ist zu dem Schluß gekommen, daß ge­rade in diesem Satz Marx selbst kurz, aber klar sowohl den Inhalt als auch die Struktur der Geldbildungstheorie im ,,Kapital" angedeutet hat. Kuruma behauptete: In der Wertformanalyse ist die Frage, ,,wie Ware Geld ist", in der Fetischismusanalyse ist die Frage, ,,warum Ware Geld ist", und in der Austauschprozeßanalyse ist die Frage, ,,wodurch Ware Geld ist", jeweils behandelt und erklärt.


7. Fragestellung und Beantwortung in der Wertformanalyse

Bekanntlich sagt Marx in der 2.Auflage im einleitenden Teil der Wertformanalyse, hier gelte es, die Genesis der Geldform nachzuweisen, womit zugleich das Geldrätsel verschwinde.3 So ist es das Ziel der Wertformanalyse, die Genesis der Geldform aufzuklären und damit das Geldrätsel zu lösen. Das ,,Rätsel" besteht hier darin, wie ein Quantum des Goldes als Ding den Wert der Ware ausdrücken kann. Von der Seite der Ware kann man das Rätsel auch so formulieren: Wie wird der Warenwert in der Form des bestimmten Quantums eines besonderen Gebrauchswerts, des Goldes, ausge­


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drückt? Kuruma nannte das letztere Rätsel ,,Rätsel der Geldform". Marx stellte das

Rätsel nicht nur als erster als Frage der Wertform, sondern beantwortete die Frage auch gründlich.


Marx fand heraus, daß die Geldform eine entwickelte Wertform und das Rätsel der Geldform nichts anderes als das entwickelte, elementare Rätsel der Wertform ist. Die Geldform reduzierte er, in der Analyse zurückgehend, auf ihre Elementarform, die einfache Wertform, und darin entdeckte er den innersten Kern des Rätsels der Geldform sowie des Geldes: Wie der Wert einer Ware im Gebrauchswert einer ande­ren, ihr gleichgesetzten Ware, also im geraden Gegenteil des Werts, ausgedrückt wird (,,Rätsel der Wertform"), und daß dabei der Gebrauchswert der letzteren Ware die Wertform für die erstere Ware wird (,,Rätsel der Äquivalentform ,,). Da man bei der unmittelbaren Betrachtung der Geldform dem mystischen Charakter des Goldes als der Geldware gegenübersteht, kann man nur in der einfachen Wertform diese Frage in reiner Form stellen.


Marx löste diese Frage von Grund auf, indem er durch die Analyse der einfachen Wertform einen eigentümlichen ,,Umweg" des Wertausdrucks entdeckte. In dem Wertausdruck: 20 Ellen Leinwand = 1 Rock, ist der Wert der Leinwand im Rock ausgedrückt. Damit dieser Ausdruck aber als solcher zustande kommt, muß der Körper des Rockes als ,,Wertkörper", d.h. ein ,,Körper [...), dem man es ansieht, daß er Werth ist, also Gallerte von Arbeit, die sich durchaus nicht unterscheidet von der im Leinwandwerth vergegenständlichten Arbeit"5 (Hervorhebung vom Verf.) gelten, denn sonst könnte das Quantum eines Dinges, des Rockes, die Größe der gesell­schaftlichen Einheit, des Werts, nicht ausdrücken. Aber wie entsteht der Zustand, in dem der Rock als Wertkörper gilt? Indem sich die Leinwand qualitativ sowie quantitativ dem Rock gleichsetzt oder sich auf ihn als ihr selbst Gleichwertiges, also als ,,Äquivalent"' bezieht. Dies bedeutet einfach, daß sie sich auf ihn in der Weise bezieht oder verhält, wie sie ihn als solches anerkennt. Erst dadurch erhält der Rock eine gesellschaftliche, nur in dieser Beziehung geltende Qualität oder eine ökonomische Formbestimmtheit als Wertkörper. Der Rock wird so der Träger eines gesellschaftlichen Produktionsverhältnisses. Erst dann, erst auf diesem ,,Umweg", kann die Leinwand sagen, daß auch sie selbst ein Wertding sei. Marx schreibt: ,,Indem sich Waare A auf die Waare B als incarnirten Werth [Werthkörper- in der 2.Auflage] bezieht, d.h. als Materiatur menschlicher Arbeit, macht sie den Körper der fremden Waare zum Material ihres eignen Werthausdrucks. Der Werth einer Waare, so ausgedrückt im Gebrauchswenh einer verschiedenartigen Waare, erhält [besitzt - in der 2.Auflage] die Form des relativen Werths.“6 Die Hauptsache besteht also darin, daß die Ware überhaupt nie für sich ihren eignen Wert ausdrücken kann, sondern daß sie zuerst die Naturalform einer anderen Ware zu ihrem eigenen Wertspiegel machen muß. Hierin liegt gerade ,,das Geheimniß der Werthform und daher, in nuce, des Gel­

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des"7, wie denn überhaupt Marx sagte: ,,Das Gebeimniß aller Werthform muß in dieser einfachen Werthform stecken.“8

Aber ,,wir stehn hier bei dem Springpunkt alter Schwierigkeiten, welche das Verständniß der Werthform hindern"9. Denn ,,statt auseinanderzufallen, reflektiren sich die gegensätzlichen Bestimmungen der Waare hier ineinander"10. Und zwar fallen alle Momente des Wertausdrucks zu derselben Zeit zusammen: Indem die Leinwand ich dem Rock gleichsetzt, ,,schlägt die Leinwand verschiedne Fliegen mit einer Klappe“11 Man muß alle diese Momente herausfinden, und zwar ihren logischen Zusammenhang exakt begreifen. Dazu kommt noch der ,,Schein, als ob die Aequivalentform einer Waare aus ihrer eignen dinglichen Natur entspringe' statt bloßer Reflex der Beziehungen der andern Waaren zu sein"12. Diese ,,eigentliche Schwierigkeit"13 überwindend, löste Marx das Rätsel der Wertform sowie der Äquivalentform' indem er in der einfachen Wertform die Frage selbst in der reinsten und einfachsten Form stellte und die Struktur des ,,Umwegs" des Wertausdrucks aufklärte. Als er im Vorwort der 1.Auflage des ,,Kapitals" schrieb: ,,Mit Ausnahme des Abschnitts über die Werthform wird man daher dieß Buch nicht wegen Schwerverständlichkeit anklagen können"14, muß Marx der Gedanke von dieser ,,eigentlichen Schwierigkeit" vorgeschwebt haben. Wenn man einmal diese Schwierigkeit, also die Struktur des ,,Umwegs", begreift und dadurch die Eigentümlichkeiten der Äquivalentform versteht, ist es nicht mehr so schwierig, ja ,sogar ,,leicht", ,,die Metamorphosenreihe welche die einfache Waarenform: 20 Ellen Leinwand 1 Rock durchlaufen muß, um ihre fertige Gestalt: 20 Ellen Leinwand = 2Pfd. St., d.h. die Geldform zu gewin­nen"15, zu finden.

Nachdem Marx die einfache Wertform, d.h. den ,,Keim der Geldform"16 analysiert hat, entwickelte er diese ,,Metamorphosenreihe". Dadurch brachte er es fertig, ,,die Genesis dieser Geldform nachzuweisen, also die Entwicklung des im Werthverhältniß der Waaren enthaltenen Werthausdrucks von seiner einfachsten unscheinbarsten Gestalt bis zur blendenden Geldform zu verfolgen"17, womit zugleich das ,,Geldrätsel" verschwand.

Wenn man die in dieser Wertformanalyse zu lösende Frage mit einem Wort zusammenfassen wollte, könnte man sie so ausdrücken: Wie ist Ware Geld? Daß ,,Ware Geld ist", bedeutet hier einerseits die allgemeinste Erscheinung in der Warenzirkulation, daß alle Waren die Preisform: x Ware A = y Geldware' annehmen, und andererseits die Tatsache, die bei der Bildung der Preisform vorausgesetzt ist, nämlich daß eine besondere Ware Gold schon Geld geworden ist. Um dieselbe Frage mit dem Subjekt ,,Geld" auszudrücken, kann man sagen: Wie entsteht das Geld?


2. Fragestellung und Beantwortung in der Fetischismusanalyse


Marx schreibt im 4.Abschnitt des 1.Kapitels: ,,Die politische Oekonomie hat nun zwar, wenn auch unvollkommen, Werth und Werthgröße analysirt und den in diesen


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Form versteckten Inhalt entdeckt. Sie hat niemals auch nur die Frage gestellt, warum dieser Inhalt jene Form annimmt, warum sich also die Arbeit im Werth und das Maß der Arbeit durch ihre Zeitdauer in der Werthgröße des Arbeitsprodukts darstellt?“18 Hier deutete Marx offenbar an, daß er eben diese Frage aufgeklärt hat.

Er versah gerade diese Stelle mit einer Fußnote19, worin er ausdrücklich den Grund dafür zeigt, daß die klassische politische Ökonomie nicht die Frage stellen konnte: Warum muß der Wert die Wertform annehmen? Weil sie die bürgerliche Produktionsweise als ,,die ewige Naturform gesellschaftlicher Produktion" verkannt habe, sei es ihr also nie gelungen, die Form des Werts, die ihn zum Tauschwert macht, herauszufinden, und deshalb habe sie nicht einmal eine solche Frage stellen können.

Diese Fußnote war eigentlich in der 1.Auflage dem folgenden Satz am Ende der Wertformanalyse angefügt: ,, Das entscheidend Wichtige aber war,den inneren nothwendigen Zusammenhang zwischen Werthform, Werthsubstanz und Werthgröße zu entdecken, d.h. ideell ausgedrückt, zu beweisen, daß die Werthform aus dem Wertbegriff entspringt.“20 Daraus wird ersichtlich, warum Marx in der zweiten Auflage die obige Aussage mit dieser Fußnote versehen hat. Er wollte damit sozusagen ,,den inneren nothwendigen Zusammenhang" zwischen der Frage, warum die Arbeit die Form des Worts annimmt, und der Frage, warum der Wert die Wertform annimmt, zeigen - weil die letztere Frage schließlich auf die erstere zurückkommt. Dazu schreibt er auch: ,,Die Frage, warum das Geld nicht unmittelbar die Arbeitszeit selbst repräsentirt, so daß z.B. eine Papiernote x Arbeitsstunden vorstellte, kömmt ganz einfach auf die Frage heraus, warum auf Grundlage der Waarenproduktion die Arbeitsprodukte sich als Waaren darstellen müssen, denn die Darstellung der Waare schließt ihre Verdopplung in Waare und Geldwaare ein. Oder warum Privatarbeit nicht als unmittelbar gesellschaftliche Arbeit, als ihr Gegentheil, behandelt werden kann."21 Indem die Fetischismusanalyse aufklärt, warum die gesellschaftlich zur Produktion der Ware erheischte Arbeit die Form des Werts der Ware, klärt sie zugleich auf, warum der Wert der Ware die Wertform und daher die Geldform annimmt, oder warum alle Waren die Preisform: x Ware A = y Geld, annehmen,- und da her auch warum eine besondere Ware (Gold) Geld wird -kurz, warum Ware Geld ist.


Marx beantwortete bekanntlich diese Frage mit dem spezifisch gesellschaftlichen Charakter der Arbeit in der,,historisch bestimmten geselIschaftlichen Produktionsweise, der Waarenproduktion"22. Damit die voneinander unabhängig betriebenen Privatarbeiten sich als Glieder der gesellschaftlichen Gesamtarbeit und daher der gesellschaftlichen Teilung der Arbeit bewähren, muß ,,die einzelne Arbeit sich als abstrakt allgemeine und in dieser Form als gesellschaftliche darstellen"23, also eine dingliche Form des Werts der Ware, eines Dinges annehmen. Und zwar muß der Wert der Ware eine spezifische Wertform besitzen, worin sie den Gebrauchswert einer anderen Ware zu ihrem eigenen Wertspiegel macht. Der Kern der Sache liegt also darin, daß unter einer Produktionsweise, worin die Arbeit als Privatarbeit betrieben


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wird, die Arbeit notwendig die Form des Warenwerts, das Arbeitsprodukt die Warenform, und daher der Wert die Wertform, also am Ende die Geldform, Preisform annehmen muß. Auch nach dem Gesichtspunkt der Geldbildung bildet die Fetischismusanalyse einen eigenen, von der Wertformanalyse zu unterscheidenden Problembereich.

Es wäre besser, hier noch folgende Bemerkungen zu machen.

Erstens tritt der Fetischismus selbst, oder die Frage ,,warum", nicht erst im 4.Abschnitt auf, sondern Tatsachen des Fetischismus sind davor schon hier und da gezeigt worden. Im 1.Abschnitt erscheint der Warenwert als Werteigenschaft der Arbeitsprodukte, der Dinge, und im 3.Abschnitt wird, noch einen Schritt weitergehend, festgestellt, daß der gesellschaftliche Charakter menschlicher Arbeit in der Gestalt eines Dinges erscheint. In der 2. Auflage behandelt aber erst der 4. Abschnitt diese Tatsachen als Erscheinungen des der Warenproduktion eigentümlichen Fetischismus einheitlich. Mit anderen Worten, Marx reflektiert hier diese Tatsachen, findet darin die Durchsetzung des Fetischcharakters der Ware, erkennt unter diesem Gesichtspunkt Ergebnisse der bisherigen Analyse wieder und untersucht, woraus dieser Charakter entspringt.

Zweitens aber gibt es einen Unterschied in der Behandlungsweise des Fetischismus zwischen der 1. und der 2.Auflage des ,,Kapitals". In der 1.Auflage war die Frage ,,warum" schon in der Wertformanalyse eingehender behandelt24, ohne das Wort ,,Fetisch" zu nennen, und dementsprechend war in ihrem Anhang „Wertform“ die „Vierte Eigenthümlichkeit der Aequivalentform: Der Fetischismus der Waarenform ist frappanter in der Aequivalentform als in der relativen Werthform“25 beschrieben. Bei der Bearbeitung für die 2.Auflage wurden diese Beschreibungen, weitgehend überarbeitet, in den selbständigen 4.Abschnitt integriert. Aber dies war nur eine Modifikation in der Darstellungsweise, die keineswegs die Problematik selbst veränderte.

Drittens gibt es auch in der Behandlung des ,,Geldfetischs" einen Unterschied zwischen beiden Auflagen. Da in der 1.Auflage die Geldform erst im 2. Kapitel auftritt, konnte Marx im vorhergehenden Fetischismusabschnitt noch nicht den Geldfetisch erwähnen. Daraus erklärt sich wahrscheinlich, daß die Beschreibung über den ,,Geldfetisch" am Ende des Austauschprozesses steht26' was auch in der2.Auflage-hier nicht mehr notwendigerweise - unverändert bleibt27.


  1. Fragestellung und Beantwortung in der Austauschprozeßanalyse

Während in der Wertformanalyse die Ware ausschließlich vom Gesichtspunkt des Werts betrachtet wird und der Gebrauchswert als nützliches Ding, dessen Eigenschaften Bedürfnisse der Warenbesitzer befriedigen, ganz außer acht bleibt, spielt der Gebrauchswert in der Betrachtung des Austauschprozesses eine eigene Rolle, denn der Austauschprozeß ist vor allem ein Prozeß, worin die Waren aus der Hand,


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für die sie Nicht-Gebrauchswerte sind, in die Hand, für die sie Gebrauchswerte sind, übergehen. Im Austauschprozeß muß sich die Ware also einerseits als Gebrauchs-wert realisieren, d.h. darin müssen die Waren Warenbesitzer, für die sie Gebrauchs-werte sind, finden. Andererseits muß sich jede Ware darin als Wert realisieren, d.h. als Wert gelten oder ihre Austauschbarkeit mit beliebigen Waren unter Beweis stellen. So muß der Austauschprozeß sowohl der Prozeß der Realisierung der Ware als Gebrauchswert, als auch der Prozeß ihrer Realisierung als Wertsein, aber die beiden Realisierungen setzen einander voraus und schließen sich zugleich wechselseitig aus. Damit sich die Warenproduktion verallgemeinert, muß dieser Widerspruch vermittelt werden.

Dieser Widerspruch erscheint auch als Zusammenstoß zwischen den Forderungen, die die Warenbesitzer von Natur aus haben. Nachdem Marx im ,,Kapital" den Widerspruch zwischen beiden Realisierungen der Ware beschreibt, zeigt er, die Diskussion einen Schritt vorantreibend, daß, wenn alle Warenbesitzer ihre Waren unmittelbar als Werte gelten lassen wollen, ihre Forderungen in Widerspruch geraten. Diese Sackgasse muß überwunden werden. ,,In ihrer Verlegenheit denken unsre Waarenbesitzer wie Faust. Im Anfang war die That. Sie haben daher schon gehandelt, bevor sie gedacht haben. Die Gesetze der Waarennatur bethätigten sich im Naturinstinkt der Waarenbesitzer."28 Hier sagt Marx einfach und zudem humorvoll, daß die Warenbesitzer genau so handelten, wie es die Theorie aufklärt, womit Marx andeutet, daß das Geld, wie alle anderen Verhältnisse in der Warenproduktion, ein naturwüchsiges Produkt ist, also keineswegs ,,erfunden" wurde. Aber wie?.,, Sie können ihre Waaren nur als Werthe und darum nur als Waaren auf einander beziehn, indem sie dieselben gegensätzlich auf irgend eine andre Waare als allgemeinen Aequivalent beziehn. Das ergab die Analyse der Waare."29 Es ist unbezweifelbar, daß Marx mit den Worten ,,die Analyse der Waare" die Wertformanalyse meinte. Also sei hier festgehalten, daß der Lösungsweg, das Wie, schon in der Wertformanalyse entwickelt ist. ,,Aber nur die gesellschaftliche That kann eine bestimmte Waare zum allgemeinen Aequivalent machen. Die gesellschaftliche Action aller andern Waaren schließt daher eine bestimmte Waare aus, worin sie allseitig ihre Werthe darstellen. Dadurch wird die Naturalform dieser Waare gesellschaftlich gültige Aequivalentform. Allgemeine Aequivalent zu sein wird durch den gesellschaftlichen Prozeß zur specifsch gesellschaftlichen Funktion der ausgeschlossenen Waare. So wird sie -Geld."30 Kurz gesagt, was wirklich eine besondere Ware, durch ihre tatsächliche Ausschließung aus der Warenwelt, zum Geld macht, ist die gemeinschaftliche Tat der Warenbesitzer, und was diese Tat notwendig macht, sind der Widerspruch desAustauschprozesses und die Notwendigkeit seiner Vermittlung.

Die Analyse der Ware, die die Aufgabe des 1. Kapitels bildet, wird durch die Analyse der Form, worin das Arbeitsprodukt als Ware erscheint, durchgeführt. Und solange es sich um die Form selbst handelt, ist die Ware noch nicht in Bewegung. We­


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der als Gebrauchswert noch als Wert kommt die Realisierung der Ware in Frage, ebensowenig das Verhältnis des Widerspruchs der zweifachen Realisierungen der selben Ware, also die Notwendigkeit des Geldes als Vermittler dieses Widerspruchs. Um dies alles dreht es sich erst im Austauschprozeß, wo sich die Ware als unmittelbare Einheit von Gebrauchswert und Wert in Bewegung setzt, also im nächsten,2. Kapitel. Erst hier wird die Frage gestellt, wodurch Geld, allgemeines Äquivalent, notwendig gemacht wird und wirklich gebildet wird, und darauf wird geantwortet: Gerade der immanente Widerspruch der Ware als Produkt der nützlichen Privatarbeit und zugleich Verkörperung abstrakt menschlicher Arbeit ist Antrieb der Entwicklung der Wertform, die die selbständige Form des Werts ständig verfolgt und den Widerspruch erzeugt durch die gesellschaftliche Aktion der Waren im Austauschprozeß, also durch die gesellschaftliche Tat der Warenbesitzer - den Geldkristall.

Darin, die Entwicklung des Widerspruchs im Austauschprozeß zu verfolgen und die Notwendigkeit der Bildung des Geldes als seines Vermittlers aufzuklären, ist die Austauschprozeßanalyse also von der Wertformanalyse deutlich unterschieden. Mit anderen Worten wird in diesem 2. Kapitel erörtert, wodurch eine besondere Ware Gold/Geld wird und daher die Ware überhaupt die Preisform annimmt - kurzum, wodurch Ware Geld ist.


  1. Fragestellung von Marx über die Entstehung des Geldes

Marx analysiert in allen drei Teilen im 1.Abschnitt: Wertform-, Fetischismus- und Austauschprozeßanalyse, die Geldform der Ware, namentlich ihre Preisform, also ,,Ware = Geld", die auf der Oberfläche der bürgerlichen Gesellschaft erscheint, aber jeweils unter einem verschiedenen Gesichtspunkt. Die Wertformanalyse klärt auf, wie der Wert der Ware im Gebrauchswert einer anderen Ware, am Ende in Geld, ausgedrückt wird; die Fetischismusanalyse klärt auf, warum die Arbeit im Warenwert, und damit zugleich, warum der Warenwert im Gebrauchswert einer anderen Ware, am Ende in Geld ausgedrückt werden muß; die Austauschprozeßanalyse klärt auf, durch welche Umstände die Geldbildung notwendig wird und durch welche Praxis es gebildet wird.31

Wenn so die Wertformanalyse nach dem ,,Wie" der Tatsache, daß Ware Geld ist, die Fetischismusanalyse nach ihrem ,,Warum" und die Austauschprozeßanalyse nach ihrem ,,Wodurch" fragt, könnte man sagen, daß uns gerade der am Anfang zitierte Satz im 2. Kapitel diese drei deutlich zu unterscheidenden Fragen über die Entstehung des Geldes erkennen läßt, - und zwar in der Reihenfolge, wie sie Marx im ,,Kapital" erörterte.


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4 Siehe MEGA2 II/5, S.32. - MEGA2 11/6, S.12. - MEGA2 11/6, S.83 (MEW, Bd. 23, S.65). Siehe auch MEGA2 II/6,S.28.


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1 Zur Ansicht von Kuruma über Geldbildung und Geld überhaupt siehe ,,Wertform- und Austauschprozeßanalyse", Tokyo 1957 <jap.>. - ,,Marx-Lexikon zur politischen Ökonomie", Bd.11-15, Geld I-V, Tokyo 1979-1985 (dt./jap.). - ,,Zum Geld", Tokyo 1979 <jap.>. - Siehe auch Masao Oguro: Zur theoretischen Bedeutung der ,,Wertform" im ,,Kapital" von Karl Marx In: Arbeitsblätter zur Marx-Engels-Forschung, Heft 18, Halle (5.) 1986.

2Karl Marx; Das Kapital. Erster Band. Hamburg 1867. In: MEGA2 ll/5,S.58 (im folgenden wird auf den MEGA-Band II/5 verwiesen). - Karl Marx: Das Kapital. Erster Band. Hamburg 1872. In: MEGA2 11/6, S.120 (im folgenden wird auf den MEGA-Band II/6 verwiesen); - (Karl Marx: Das Kapital. Erster Band. In; MEW, Bd. 23, S.107 (In Klammern folgt jeweils der Hinweis auf den MEW-Band 23).

3Siehe MEGA2 II/6,S.81 (MEW, Bd. 23,S.62).

5MEGA2 II/6,S.20121. - Siehe ebenda, S.90 (MEW, Bd. 23, S.72).

6MEGA2 II/6, S.13. - Siehe ebenda, S.85 (MEW, Bd. 23,S.67).

7MEGA2 II/5, S.32.

8MEGA2 II/5,S.626. - Siehe MEGA2 II/6,S.81 (MEW, Bd.23, S.63).

9MEGA2II/5,S.31.

10Ebenda, S.32.

11Ebenda,S.29.

12Ebenda, S.42.

13Ebenda, S.626. - Siehe MEGA2 II/6, S.81 (MEW, Bd. 23, S.63).

14MEGA2 II/5,S.12.

15Ebenda,S.649.

16MEGA2 II/6,S.102 (MEW, Bd. 23,S.85).

17Ebenda, S.81 (MEW, Bd.23, S.62).

18Ebenda, S.110/111. - Siehe MEGA2 II/5,S.48/49 (MEW, Bd. 23,S.94/95).

19Siehe MEGA2 11/6, S.111. - Siehe MEGA2 11/5, S.43/44 (MEW, Bd. 23, S.95).

20MEGA2 11/5, S.43.

21Ebenda, S.59. - Siehe MEGA2 II/6, S.121/122 (MEW, Bd. 23,S.109).

22MEGA2 11/6, S.106/107 (MEW, Bd.23, S.90).

23Karl Marx: Zur Kritik der politischen Ökonomie (Manuskript 1861-18631. In: MEGA2 11/3.4, S.1324.

24Siehe MEGA2 II/5,S.41/42.

25Ebenda,S.637.

26Siehe ebenda, S.58/59.

27Siehe MFGA2 II/6,S.120/121 (MEW, Bd. 23,S.107/108).

28MEGA2 1115, S. 53. - Siehe MEGA2 11/6,S.115 (MEW, Bd. 23,S.101).

29Ebenda.

30Ebenda.

31Siehe die Überschriften des 1.Abschnitts im Bd.11 des obengenannten ,,Marx­Lexikons".