Dezember 2002, 1.update Anfang Januar 2003
Inhaltsverzeichnis
- Zur
gegenwärtigen hegemonialen Stellung der USA
- Zum
Charakter der Außenpolitik des bürgerlichen Staates
- Zum
Charakter von Bündnispolitik
- Die
Irakpolitik der USA als Ausdruck ihres ökonomischen Abstiegs als
Weltmarkthegemon
- Die
Irakpolitik der EU-Staaten als ökonomischem Möchtegern und militärischem
Zwerg
- Der
Sonderweg Deutschlands auf dem Balkan und die Irakabenteuer der USA als
parallele Konfrontationslinien
- Zu
wesentlichen Aspekten der Weltmarktentwicklung nach der Liquidierung
der
Sowjetunion
und des RGW (die ökonomische Analyse wird an anderer Stelle
ausgeführt)
- Der
Irakkrieg als Bestandteil des Klassenkampfes
- Der
Irakkrieg 2003, die deutsche Ideologie, die deutsche Linke und die Notwendigkeit
der
proletarischen
Revolution
Die UN-Sicherheitsrat-Resolution 1441 zum Irak vom 6.11.2002 läßt jenen Interpretationsspielraum offen, den die USA für ihren beabsichtigten Feldzug benötigen – ohne Gesichtsverlust der übrigen Vetomächte. Die Entschiedenheit, mit der die Bush II Administration USA Interessen politisch verfolgt und durchzusetzen vermag, spiegelt die momentane hegemoniale Stellung der USA innerhalb der Triade USA – Deutsch-€-land – Japan. Die Administration bekräftigte ihre zukünftige Linie im Dokument zur Nationalen Sicherheits Strategie (NSS) vom 20.9.2002 mit Nachdruck: das 21. werde das Jahrhundert der USA und der Durchsetzung ihrer Werte sein: Freihandel unter dem Schlagwort Demokratie – auf Grundlage unantastbarer militärischer Überlegenheit. Die Verlautbarung enthält unverhohlene Drohungen, explizit an die Adresse Chinas, implizit an Deutsch-€-land, falls deren Aufrüstungsanstrengungen auf Konkurrenz abzielen. Die dem US-amerikanischen militärisch-industriellen Komplex vorgelegten Planziele zeigen den mittelfristigen Horizont an: sie beinhalten unter anderem die Forderung, innerhalb von fünf Tagen eine und innerhalb eines Monats fünf Divisionen samt Gerät an jeden Ort der Welt verlegen zu können.
Die Ideologie der USA als einziger Republik auf rein bürgerlicher Grundlage – also dem kapitalistischen Privateigentum ohne Grundlage des Monopols des feudalen Grundeigentums – machte noch nie einen Hehl aus ihrem bürgerlichen Sendungsbewusstsein – und immer mit dem pathetischen Gestus der Gründerväter des ‚neuen Zion’, allen dem verderbten feudalen Europa entkommenden Unterdrückten als freiheitliche Heimstatt zu dienen. Ihre nationalen Sonderinteressen verkaufen sie ideologisch seit je als jeweiliges allgemeines Menschheits- oder Völkerinteresse. Die USA betonen also nicht erst neuerdings ihre politische und militärische Führungsrolle bei der Öffnung und Absicherung des Weltmarkts als des wahren Daseins des Kapitals als gesellschaftlichem Verhältnis allgemeiner Lohnarbeit territorial arbeitsteilig gegliederter Nationalstaaten.
Was die USA 2002 unumwunden fordern, ist die freiwillige Unterwerfung unter ihre Führung bei militärischen Präventivmaßnahmen, welche jedem Völkerrecht Hohn sprechen. Hiermit verknüpft ist die alte Einforderung von Freihandel, `fairem´ Wettstreit, also Bejahung ungehinderter Konkurrenz – wobei von vorneherein feststeht, wer die Regeln bestimmt, ihre Einhaltung kontrolliert und Abweichungen nach eigener Maßgabe sanktioniert. Die zur Aufrechterhaltung dieser (Un-)Ordnung notwendige tagtägliche Zusammenarbeit der Hauptkräfte des Weltmarkts in Scharen von internationalen Krisenstäben und Institutionen verdeckt zur Zeit noch unter diplomatischen Sprachregelungen die laufende Zuspitzung der Konkurrenz zwischen den USA und Deutsch-€-land auf Grund der Entwicklung des Weltmarkts – so die zu entwickelnde zentrale These des vorliegenden Textes.
Zum Charakter der Außenpolitik des bürgerlichen Staates
Es ist jedem bürgerlichen Staat eigentümlich, seine äußere Politik ideologisch als allgemein menschliche und völkerrechtliche Interessen medial zu verkaufen und die dahinter steckenden Sonderinteressen zu verschleiern. Diese Politik ist die nach außen gewendete Fortsetzung der Art und Weise des bürgerlichen Staates, die aus dem kapitalistischen Privateigentum entspringenden Sonderinteressen der Bourgeoisie funktional nach innen abzusichern und ideologisch als allgemeine Gesellschaftsinteressen zu verkaufen.
Kein bürgerlicher Staat kann sich bei Strafe des eigenen Abstiegs der Konkurrenz der Nationalstaaten des Weltmarkts entziehen. Vielmehr müssen sie auf internationaler politischer Bühne je nach ihrer Stellung am Weltmarkt entsprechend dessen ungleichmäßiger Entwicklung eingreifen. Der bürgerliche Staat als ideeller Gesamtkapitalist vervollständigt funktional nach außen und innen die Regelung des Drucks der Konkurrenz der Einzelkapitale – als die die Einzelkapitalisten bestimmende Durchsetzungsform des Wertgesetzes – zwecks maximaler Durchsetzung der Interessen der jeweiligen nationalen Bourgeoisie. Schon die Unabdingbarkeit der territorialen Gebundenheit der industriellen Kapitale, ihres fixen Kapi-tals – der Maschinerie und Gebäude – setzt die Nationalstaaten in scharfe Konkurrenz des Welthandels, da die Produktivkraft der gesellschaftlichen Arbeit Warenmassen erzeugt, die jeden nationalen Bedarf weit übersteigen.
Daher gehört es zur Regel, dass sich nationale und regionale Politiken in der Bereitstellung einer umfassenden Infrastruktur bei der Ansiedlung industriellen Kapitals in scharfer Konkurrenz überbieten. Ebenso gehört es zur Regel, dass die ungleichmäßig entwickelten Nationalstaaten entsprechend ihrer ökonomischen, politischen, militärischen Stellung am Weltmarkt stetigen Druck aufeinander ausüben mittels protektionistischer etc. Maßnahmen bis hin zu militärischen Interventionen.
Was kann der bürgerliche Staat anderes sein als die Form der Organisation, welche sich die Bourgeoisie notwendig nach innen und außen geben muß zur gegenseitigen Garantie ihres Eigentums und ihrer Interessen? Hieran ändert sich kein Jota dadurch, dass der arbeiter-aristokratische Teil der Klasse des allgemeinen Lohnarbeiters und große Teile des politischen linksbürgerlichen Lagers ihren wirtschaftsbürgerlichen Status der Lohnsklaverei illusionär mit ihrem Dasein als formalem Staatsbürger verwechseln – nur weil sie sich als Teilnehmer der Warenzirkulation als umschmeichelter König Kunde fühlen.
Seit der Überschwemmung Europas mit Exportwaren aus Manufakturen – spätestens nach 1650 – wurde der Weltmarkt zum Politikfeld der sich herausbildenden Nationalstaaten und in letzter Instanz hat immer wieder nur Krieg ihre konkurrierende Stellung am Weltmarkt für kürzere oder längere Zeit entschieden – und zwar auf dem jeweils gesteigerten Niveau der Produktivkraftentwicklung der Menschenabschlachtungsindustrie. Es gibt keine plausiblen Begründungen für das Wunschdenken, der Kapitalismus 2002 sei friedfertig bezüglich des Binnenverhältnisses der Hegemonialmächte des Weltmarkts und marschiere heutzutage nur gemeinsam gegen „schurkische“ Regionalmächte und „terroristische Banden“.
Zum Charakter von
Bündnispolitik
Regelmäßig wird auf die Bündnispolitik der USA mit dem moralischen Zeigefinger hingewiesen: Seht her, die Taliban, Bin Laden, Milòsevíc, Saddam Hussein sind Zöglinge und Günstlinge der USA gewesen. Dies verstärkt die im Volksvorurteil verbreitete Illusion, als könnte bürgerliche Politik als Durchsetzung von Sonderinteressen des kapitalistischen Privateigentums gleichzeitig moralisch handeln – wenn die Politiker nur wollen. Jenes moralische Denken von Außenpolitik korrespondiert mit kleinbürgerlichen ökonomischen Vorstellungen von gerechtem Lohn und fairen Preisen. Umgekehrt ist darauf hinzuweisen, dass jedwede Bündnispolitik (gerade auch proletarische) den gegebenen Klasseninteressen dient und entsprechend Zufall und Notwendigkeit die Gelegenheit zum Wechsel von Bündnispartnern nutzt, falls so politische und ökonomische Machtstellungen abgesichert oder ausgebaut werden können. Dies korrespondiert mit dem Vorgehen der Kapitalisten: In der Blütezeit des industriellen Krisenzyklus kassieren die falschen Brüder durch Preisabsprachen gemeinsam Extraprofite und bekämpfen sich in der Rezession mittels Preisunterbietung bis aufs Messer.
Die klassische Bündnispolitik kapitalistischer Staaten exerzierte England als die Hegemonialmacht des Weltmarkts des 19. Jahrhunderts. Hatte es schon in den Seekriegen nach 1650 in unterschiedlichen Koalitionen mit Frankreich und Schweden das niederländische Monopol an der Übersee-Frachtschiffahrt und europäischen Textilmanufaktur gebrochen, so nutzten sie im 19. Jahrhundert im nordamerikanischen, chinesischen, arabischen und indischen Raum die Spannungen der Stämme untereinander, um sie gegeneinander ins Feld zu schicken.
Die gesamte Geschichte der Klassengesellschaften legt seit 5000 Jahren beredtes Zeugnis dafür ab, dass die jeweiligen Hegemonialmächte jederzeit genügend Hilfsvölker als Söldner finden – und ebenso ihre zur Herrschaft drängenden Konkurrenten – wie der Nationalsozialismus des III. Reiches deutscher Nation belegt und weiter unten bezüglich der neuen Berliner Republik zu belegen sein wird. Wen wundert es angesichts des amerika-nischen militärischen Übergewichts, dass die USA nun unverfroren materielle und personelle Unterstützung von über 50 Staaten einfordern können für ihren angekündigten Eroberungsfeldzug des Iraks. Todsicher können wir sein, dass alle diese temporären Bündnispartner der USA dabei zugleich um jeden $ der zu verteilenden Beute feilschen und auf Kompensation eventuell wegfallender Geschäfte pochen.
Noch während die USA unter eifriger Mitarbeit ihrer militärisch unterlegenen westlichen Kombattanten die Bundesrepublik Jugoslawien mit Bombenteppichen überzogen, rechneten die Verbände der deutschen Wirtschaft öffentlich in peinlicher Händlermanier vor, welche Kriegsdividende sie einzustreichen hofften. Stehe die hiermit verknüpfte Durchsetzung des € als Währung im gesamten Balkanraum exemplarisch dafür, wie deutsche Politik der „friedlichen“ wirtschaftlichen Durchdringung nach 1945 auf den eingeschlagenen Schädeln amerikanischer Militärpolitik beruht. Und deutsche Kalkulationen und Rechnungen für den Irak werden schon geschrieben, bevor ersichtlich ist, welche Autokratenclique sie begleichen wird.
Besieht man sich die Außenpolitik der USA nach 1950 bezüglich Vorderasiens, so finden wir dort einen ständigen Wechsel von Bündnispartnern entsprechend der politisch-ökonomischen Erschütterungen und Umwälzungen von Pakistan bis zur Türkei sowie der gesamten nordafrikanischen Staaten. Was die Gutmenschen vom Schlage des „ehrlichen“ deutschen Maklers verdrängen, ist, dass die USA, indem sie ihre Sonderinteressen mit allen Mitteln, zu jeder Zeit, an jedem Ort durchsetzen, zugleich die zentrale Funktion der unangefochtenen Militärmacht Nr.1 übernehmen: die Interessen der Weltbourgeoisie durchzusetzen, indem sie der Konkurrenz der Einzelkapitale auf neuen Territorien „freiere“ Bahn verschaffen.
Die Irakpolitik der USA als Ausdruck ihres ökonomischen Abstiegs als Weltmarkthegemon
Die vorgebliche Entwaffnung des Iraks von eventuellen ABC-Waffenprojekten zielt nach Aussagen der US-Administration offen auf den Sturz der Regierung Hussein und der Installation eines von CIA und MI 6 (England) vorbereiteten Marionettenregimes als Übergang zur „Demokratisierung“ des Iraks. Falls die USA die militärische Karte tatsächlich spielen sollten und die Zentren des Iraks im Anschluß an ein massives Bombardement in einem Bodenkrieg besetzen und den Irak faktisch in ein US-Protektorat verwandeln sollten, so deutet dies auf einen gefährlichen ökonomischen und politischen Schwächezustand der Hegemonialmacht USA, weil sie die „friedliche“ ökonomische und politische Durchdringung des vorderasiatischen Raumes durch den ärgsten Weltmarktkonkurrenten Deutsch-€-land offensichtlich nur noch militärisch zu stoppen vermag – dies ist die Hauptthese des vorliegenden Textes.
Das Irakabenteuer der USA ist hierbei ein weiterer Mosaikstein nach dem noch fortwährenden Abenteuer in Afghanistan, sich im gesamten vorder- und zentralasiatischen Raum militärisch festzusetzen, um:
die ökonomischen Ressourcen der Konkurrenten durch polizei-ähnliche und humanitäre Aufgaben zu binden, zu neutralisieren und zu erschöpfen und diese zur „gerechten“ Finanzierung ihrer UNO-gedeckten Drecksarbeit im großen Stile heranzuziehen
die Erdölreserven – deren Qualität und Förderkosten optimal sind – als strategische Waffe (potentiell in erster Linie gegen den Konkurrenten Japan) einsetzen zu können
Dies lässt nur den Schluss zu, dass die USA in der Flucht nach vorne, im Ausspielen ihrer militärischen Überlegenheit, den Ausweg aus ihrem relativen ökonomischen Abstieg als Weltmarktspieler sehen. Der Zeitpunkt Januar/Februar 2003, zu dem die USA – wenn denn 2003 überhaupt noch ein militärischer Angriff starten soll – die strategischen Orte des Iraks in einem nie zuvor gekannt intensiven Vernichtungsschlag ferngesteuert ausradieren wollen, liegt wieder einmal in klassischer US-Manier in der rezessiven/ stagnativen Phase des gegenwärtigen industriellen Krisenzyklus des Weltmarkts. Seitdem die USA die Depression der 1930 Jahre scheinbar durch ungeahnte Aufrüstung überwanden und als Sieger über die per Militärstiefel räuberisch aufstrebenden Konkurrenten Deutschland und Japan, sowie als Gläubiger der alten Weltmarktgrößen England und Frankreich aus dem Weltkrieg II hervorging, seither sind alle wichtigen militärischen Interventionen (Korea, Vietnam, Irak 1991) mit rezessiven ökonomischen Phasen zusammengefallen.
Waren die Interventionen in Korea und Vietnam gegen die Ausdehnung der nationalen Realsozialismen gerichtet, so existiert das US-Projekt, das Regime in Bagdad durch genehme Figuren zu besetzen, seit Anfang der 90er Jahre und ist gegen aufgekommene russische und deutsche Expansionsbestrebungen nach 1989 sowie als strategische Ölwaffe gegen Japan konzipiert. Die Fraktion der Falken von Rüstungs- & Erdöllobby, welche den Kern der jetzigen Bush II Administration stellen, brachten 1998 den „Iraque Liberation Act“ durch den Kongress, auf dessen Grundlage die nun als Alternative zu Saddam Hussein gehandelten Schießbudenfiguren mit netten Sümmchen ausstaffiert werden. England bietet in Konkurrenz hierzu eine Meute zerstrittener abgehalfterter ehemaliger Generäle Saddam Husseins an.
Die Clinton-Administration hatte allerdings anderes zu tun, als den im Rausch des Börsenbooms aufkommenden Tagtraum einer krisenfreien „New Economy“ zum Jahrtausendwechsel zu stören. Sie hielt – zusammen mit Mutterland England – den gegen den Irak unerklärten Krieg mit wöchentlichen Bombardements auf Sparflamme als Bestrafungsmaßnahmen für angebliche Verletzungen US-selbstherrlich definierter Flugverbotszonen. Wie bestellt zur einsetzenden Katerstimmung kamen nun die Terroran-schläge vom 11.September 2001 – seit Anfang 2001 stürzte die US-Wirtschaft und die Börsenindices ab. Ein vorzüglicher Anlass, zum günstigen Zeitpunkt des industriellen Krisenzyklus den längs geplanten militärischen Schlag gegen Afghanistan in Angriff zu nehmen, danach die nächsten Ziele als „Achse des Bösen“ evangelikal-fundamentalistisch zu stigmatisieren – mit der unüberhörbaren Drohung an jene, die sich nicht explizit hinter die Politik der USA stellen, auf diese Liste gesetzt zu werden.
Jene wertkonservativen Abenteurer in Washington lassen im November 2002 ihrer verbalen Maßlosigkeit freien Lauf, wenn sie einen politischen Umsturz im Irak mittels des US-Militärstiefels nach Afghanistan als Präzedenzfall für die „Demokratisierung“ der gesamten Region propagieren in Anlehnung an Deutschland nach 1945. Dieser ahistorische Vergleich als politische Legitimierungsformel steht im unüberbrückbaren Gegensatz zu den ausdrücklichen Warnungen Golfkrieg erfahrener hoher Militärs – an ihrer Spitze der damalige militärische Oberbefehlshaber und jetzige Außenminister Powell – vor dem hohen Grad von Abenteurertum dieser militärischen Vorstöße. Tatsächlich bleibt den USA keine wirkliche Wahl:
Misslingt das militärische Abenteuer gänzlich oder zieht es sich – die gesamte Region destabilisierend – dahin, so ist das größte Desaster an der Südostflanke von €uro-land der größte Vorteil für die USA, da dies das jetzt laufende Szenario destabilisiert:
Für die USA ist es am unvorteilhaftesten, den jetzigen politischen und ökonomischen Gang nach Weltmarktregeln weiter laufen zu lassen. Denn er bedeutet die allmähliche Durchdringung Vorderasiens als €-Wirtschaftsraum mit den Schlüsselländern Irak und Iran, wo Russland, Deutschland, Frankreich relativ starke industrielle und informell-politische Stellung bezogen haben.
Aus dieser Einschätzung folgt nach aller geschichtlichen Erfahrung, dass die Weltmarkt-Konkurrenz zwischen den USA und Deutsch-€-land sich rasch jenem Umschlagpunkt nähert, an dem ihre laufende notwendige Zusammenarbeit sich zu regelmäßigen politischen Zerwürfnissen wandelt und sich als Echo der Horizont unberechenbarer militärischer Konfrontation auftut.
Die Irakpolitik der EU-Staaten als ökonomischem Möchtegern und militärischem Zwerg
Angesichts des imperialistischen Charakters der jetzigen Irakpolitik der USA lohnt es sich, das entsprechende politische Gebaren der Hauptkolonialmächte England und Frankreich um 1915 anzusehen. England stand im Bündnis mit der Türkei und begann trotzdem heimlich deren osmanisches Reich als Erblasser zu verteilen. Es schloss gleichzeitig mit der arabischen Nationalbewegung eine Allianz gegen die Türkei, zog die rivalisierenden Sauds und Haschemiten auf seine Seite und erkannte vorab 1915 im Husain-McMahon Abkommen die künftige Unabhängigkeit der ostarabischen Länder – also Vorderasiens – an unter Ausschluss Palästinas. Die Repräsentanten der ostarabischen Nationalbewegung hatten sich bereits kurz vor Kriegsbeginn in Paris zur Konferenz versammelt, um ihre Vorgehensweise abzustimmen. Der arabische Widerstand begann im Juni 1916 den Aufstand und beendete somit praktisch die osmanische Herrschaft.
Mit Frankreich teilte England 1916 derweil in einem weiteren geheimen Abkommen (Sykes-Picot) jenes Gebiet in Einflusszonen untereinander auf. Syrien und Libanon fielen der schwächeren Kraft: Frankreich zu. Das gesamte übrige Arabien teilte sich standesgemäß England selbst zu, wobei sie peinlichst darauf achteten, dass die irakische Grenze nach intensiver Ölexploration ab 1915 soweit nach Westen durch Syrien verlief, dass die ertragreichen Ölquellen irakisch sind. So zerstückelten sie den arabischen Raum (nebenbei an dieser Stelle: ebenfalls den gesamten afrikanischen Kontinent) in kleine feudale Staatengebilde mit vorprogrammierten so genannten „Grenz- Stammes-, Religions“-konflikten, die bis heute ihre zerstörerische Wirksamkeit zeigen.
Diese exemplarische kleine Lektion des gentlemanlike Einmaleins permanenter Vertragsbrüche nach allen Seiten der damaligen Weltmacht Nr.1: England, mag erahnen lassen, welche Spielchen gegenwärtig ablaufen bei der Neuaufteilung der Interessen im vorderasiatischen Raum unter Federführung der USA, deren große Einzelkapitale des Ölsektors seit den 30er Jahren die Ölindustrie jener Länder nach und nach dominierten.
Die aktuelle Außenpolitik der EU-Staaten bezüglich des Iraks kann also nur – worauf vorstehende geschichtliche Lektion über bürgerliche Außenpolitik hinweist – als Fortsetzung historisch gewachsener unterschiedlicher nationaler Interessen agieren. Was die Irak-Politik dieser Staaten gegenwärtig zugleich übergreifend als „friedlich“ bestimmt, ist die Bindung ihrer Kräfte durch das politisch-ökonomische Projekt EU und der Durchsetzung der gemeinsamen €-Währung. Dabei ist es wichtig, sich darüber im Klaren zu sein, dass dieses Projekt von seinen deutschen und französischen Protagonisten immer als der einzig gangbare Weg propagiert wurde, die USA herauszufordern – sie ökonomisch einzuholen einschließlich der perspektivischen Notwendigkeit, politisch mit einer Stimme in der Weltarena anzutreten und dort militärisch eigenständig mittels WEU agieren zu können.
Die Osterweiterung der EU und der dortige Übergangsversuch zum € steigert das politisch-ökonomische Abenteurertum der EU-Staaten unter deutscher Führung auf einen Grad, der durchaus dem des militärischen Abenteurertums der USA in Vorder- und Zentralasien vergleichbar ist. Es handelt sich um den Kampf auf Leben und Tod der Bourgeoisien der USA und Europas. Jene ungleichmäßig entwickelten und sich ungleichmäßig entwickelnden Nationalökonomien Ost- und Westeuropas in einem Währungsraum zu integrieren ist das Vabanquespiel der letzteren wie die militärische Intervention im Irak dasjenige der ersteren ist. Nur in Phasen des Aufstiegs und der Blüte des industriellen Krisenzyklus gleichen sich die nationalen Ökonomien des erweiterten EU-Staatenverbunds zumindest tendenziell an, um in den Phasen des Abstiegs und des Krachs zunehmend auseinander zu driften mit Entfaltung der Konkurrenz der falschen Brüder und der sie protegierenden nationalen Interessen.
Letzteres läuft derzeit unter unseren Augen ab und es erfordert alle politischen und ökonomischen Anstrengungen der Achse Berlin – Paris, die sich in temporären Koalitionen der weniger gewichtigen Staaten (zu denen England jeweils hinzustößt) Bahn brechenden nationalen Partikularinteressen abzufangen und jeweils gezielt spalterisch einzelne Staaten durch materielle Begünstigung und Verschaffung von EU-Posten und Institutionen für die Durchsetzung ihrer eigenen Interessen einzukaufen. Sollte der jetzige industrielle Krisenzyklus länger stagnierend um seinen Tiefpunkt oszillieren und nicht umgehend in den Aufstieg des nächsten Krisenzyklus übergehen, dann wird das €-Projekt schon deshalb unweiger-lich in die Krise geraten, weil sich die Ungleichmäßigkeit der Entwicklung ihrer Nationalökonomien verstärken wird anstatt die erhoffte Konvergenz zu verstetigen und sich das Auseinanderdriften des Zinsfusses der EU-Staaten durch den (jedweden) Kurs der übergeordneten Geldpolitik der EZB verschärfen wird.
In der jetzigen Etappe der €-Währung sind die Politiken der EU-Staaten – selbstverständlich – von dynamischer Akkumulation des Kapitals ausgegangen. Im günstigsten Szenario:
Osteuropa entwickelt sich zur ausgedehnten Werkbank und Absatzgebiet vor allem der deutschen und europäischen großen Einzelkapitale; (schon jetzt ist Deutschland zum übermächtigen Handelspartner und Investor von Auslandskapital jener Staaten geworden und die deutschen Exporte dorthin übertreffen schon jene in die USA. Die Lohnkosten in diesem deutschen Hinterhof unterschreiten jene von Mexiko als dem Hinterhof der USA bzw. NAFTA)
die EU-Staaten gleichen sich an bezüglich des erzeugten Bruttoinlandsprodukt/Kopf als bürgerlichem Maßstab für nationale Wohlstandsvergleiche und der € wird zur gemeinsamen Währung großer Teile Eurasiens
Von daher bleibt den EU-Staaten aktuell sowieso nur die „friedliche“ ökonomische & politische Durchdringung Vorderasiens übrig. Gesetzt dieses Szenario: dann arbeitet die Zeit umso mehr für sie, je durchschlagender sich der € als Währung am Weltmarkt etabliert. Der Irak hat den € als Zahlungsmittel für Ölexporte anerkannt. Dieses Signal wird Nachahmer finden und es liegt nahe, dass Saudi-Arabien diesen Schritt mit einem strategischen Wechsel weg von den USA hin zu Deutsch-€-land verbindet.
Deutsch-€-lands industrielle Einzelkapitale sind jetzt in der Türkei und Iran stark positioniert sowie in Jordanien und Syrien im Geschäft und stehen auf dem Sprung, falls die tödlich-gutbürgerlichen Embargomaßnahmen gegen den Irak entgegen allen Erwartungen gelockert oder beendet werden. „Ihr friedliches“ Szenario:
Sie wollen den Irak als arabischen Brückenkopf ausbauen mittels Maschinen- & Anlagenbauexport und Infrastruktur, die französischen & russischen Kapitalisten im Erdöl & -gassektor – und zwar als Wiederaufnahme jener offensiven Linie, die sie nach dem Iran-Irak-Krieg dort eingeschlagen hatten und die durch die UN-Embargopolitik nach dem Golfkrieg 1991 zum Erliegen kam
mittelfristig gehen die Hoffnungen in Richtung einer auf breiter Rohstoffbasis & Ölrente basierenden kapitalistischen industriellen Entwicklung unter Führung russischer und €uropäischer großer Einzelkapitale und dem € als wichtigster Auslandswährung nicht nur des Iraks, Irans, Türkei, sondern der wichtigsten Staaten der gesamten arabischen Halbinsel und Nordafrikas.
Würde die gesamte vorstehende mittelfristige Rechnung Deutsch-€-lands aufgehen, dann befände sich der €-Wirtschaftsblock, seinem Gewichtsanteil nach am Weltmarkt nach dem absoluten Quantum reproduzierten Kapitals auf erweiterter Stufenleiter sowie dem € als Zahlungsmittel, bzgl. Kreditvolumen & Reservewährung der Nationalbanken auf dem Weg des direkten Angriffs auf den $ als Weltleitwährung.
Die USA begegnen dieser Weltmarktentwicklung der entstehenden faktischen €-Freihandelszone in Europa bis nach Westasien hinein mit der Forcierung einer faktischen $-Freihandelszone des gesamten amerikanischen Kontinents von Alaska bis Feuerland bis 2005. Die im Dezember 2002 abgeschlossenen handelspolitischen Vereinbarungen mit Chile weisen auf attraktive Bedingungen für die süd- und mittelamerikanischen Staaten. Wobei diese mit Ausnahme Chiles alle in tiefen ökonomischen und sozial-politischen Krisen stecken bis hin zu gegenwärtigem Abgeschnittensein Argentiniens vom internationalen Geldmarkt und zu manifesten Bürgerkriegen in Kolumbien und Venezuela. Klassenübergreifend setzen nun alle unerfüllbare Erwartungen in die Regierungsperiode Lulas, des Führers der brasilianischen Arbeiterpartei.
Zugleich versuchen die USA, die ASEAN-Staaten handelspolitisch enger an sich zu binden, welche bei geringem Zufluß von Auslandskapital nach der Währungskrise 1998 ökonomisch dahindümpeln. Gegenwärtig liefern sich (nicht nur) die großen globalen Player der USA, Japans und €-lands ihren entscheidenden Weltmarktkampf um Anteile an der Front der nachholenden Nationalökonomie der Volksrepublik China. Denn dort expandieren auf relativ hohem absolutem Niveau binnen- und exportortorientierte industrielle Einzelkapitale der Abteilung II (die Konsumtionsmittel für große Teile des Weltproletariats) und Abteilung I (die hierfür notwendigen Produktionsmittel der Grundstoff- und Zuliefererindustrie) des Weltmarkts mit den weltweit höchsten Akkumulationsraten.
Entscheidend für den Kampf um den Weltmarkt wird allerdings sein, mit welchen Raten der Akkumulation des Kapitals €-land und USA im kommenden industriellen Krisenzyklus aufwarten. Japans zehnjähriges ökonomisches stagnatives Dahindümpeln mit einem unter faulen Krediten ächzenden Bankensektor ist für sie mahnendes Beispiel dafür, wie schnell aufsteigende ökonomische Hauptkräfte auf der welt-politischen Bühne zur Bedeutungslosigkeit absinken können.
Der Unwille großer Teile der kontinentaleuropäischen Bourgeoisie über das Vorgehen der USA in der Irakkrise ist zugleich gemildert durch die Gewissheit, im Kriegsfalle dennoch an der Beute in Form des „Wiederaufbaus“ beteiligt zu werden. Klar ist jedoch allen, dass in diesem Falle ihre Karten schlechter aussehen als bei „friedlicher“ ökonomischer Durchdringung und kultur-politischem „Dialog“. Dagegen werden die anglo-amerikanischen großen Einzelkapitale vor allem des Energiesektors ein „full house“ einfahren, sich ihre alten Anteile am Irakkuchen zurückholen und noch mehr. Dies um so mehr, als bei dieser Spielvariante die Eroberung des Iraks nur der Anfang der Neuverteilung der Karten Vorder- & Zentralasiens & Nordafrikas mit dem Militärstiefel sein kann – denn diese Art des Vorgehens der USA als isolierten Akt zur Absicherung der Erdölversorgung zu sehen, macht nun überhaupt keinen Sinn, da auf mittlere Sicht durch die russische Offensive Erdöl überreichlich den Weltmarkt überschwemmt.
Sieht man unter den vorstehend angerissenen Bedingungen die Irakpolitik der europäischen Hauptkräfte Deutschland-Frankreich-England in der UNO & UN-Sicherheitsrat und gegenüber der Stoßrichtung der US-Initiative, so verdient ihre Diplomatie des dreigeteilten Marschierens alle Hochachtung:
Das scheinbar nicht abgestimmte oder gar als gegeneinander gerichtete Marschieren der drei europäischen Hauptkräfte wird sich im nach hinein als kluge diplomatische Form zwecks vereinten Bremsens & Schlagens des Vorstoßes der US-amerikanischer Diplomatie erweisen. Blairs eifriges rühren der Bushtrommel deckt zudem im Kriegsfall die strategische Option ab, dass die EU zu mindestens einen Fuß in der Tür der US-amerikanischen Zentral- und Vorderasienpolitik behält.
Was bleibt dem
englischen Mutterland des Kapitalismus anderes übrig, als die Waffenbruderschaft
mit seinem bürgerlichen Bastard reinsten Wassers: den USA aufrecht zu erhalten,
solange es sich dem €-land-Projekt der politischen Integration gegenüber
abwartend verhält auf Freihandelsniveau? Mit dem näher rückenden Zeitpunkt der
Entscheidung seines Zutritts zur €-Zone werden deren ökonomische Beziehungen
auch politisch die Stunde der Wahrheit nach sich ziehen: England wird in den
strategischen Bruch zwischen Deutsch-€-land und den USA hineingezogen. Dieser
ist inzwischen weiter fortgeschritten, als es alle diplomatischen
Sprachregelungen zulassen und entgegengesetzt zu dem, was die deutschen Gazetten
in Verkehrung der Opfer-Täter Rollen als öffentliche Meinung verbreiten.
Dies wird im nun folgenden Unterabschnitt
auseinandergelegt:
zur Lektüre zu
Deutschlands Rolle im Jugoslawienkrieg 1999 sei empfohlen:
Matthias Küntzel: Der Weg in den Krieg; Elefanten Press
Der Sonderweg Deutschlands auf dem Balkan und die Irakabenteuer der USA als parallele Konfrontationslinien
Die Göbbels-gleichgeschaltete deutsche Presse hat beim deutschen Bürger den bleibenden Eindruck hinterlassen, dass sich Deutschland im Kosovokrieg 1999 für die gerechte Sache engagierte: unter verwirrenden Winkelzügen der internationalen Diplomatie setzte Deutschland sich ein für der Wahrung und Durchsetzung der Menschenrechte der von den Serben unterdrückten und vertriebenen Kosovo-Albaner. Dieses, dem angeborenen deutschen Gutmenschentum im Blute liegende selbstlose Handeln wird demgemäß durch die gegenwärtigen deutschen Balkanmissionen erfüllt. Und in noch höherem Maße durch unsere Jungs nun den von den Taliban terrorisierten „Volksstämmen“ Afghanistans und demnächst selbstverständlich erst recht den von Saddam Hussein (und den von den US-Bombenteppichen) terrorisierten „Völkern“ des Iraks zuteil.
Auf dem Balkan und in Vorderasien haben die USA als Hegemon des Weltmarkts und Deutschland als selbst erklärter Aufsteiger offensichtlich gegensätzliche Interessen und wissen sie mit ihren gegenwärtig unterschiedlichen Mitteln durchzusetzen. Der Aufsteiger muss den status quo dort destabilisieren, wo dem Hegemon an politischer und/oder ökonomischer Ruhe gelegen ist. Der Aufsteiger muss expandieren, also mit seinen stärksten Mitteln angreifen und Verbündete suchen. Der Hegemon ist gezwungen, zwecks Selbstverteidigung selbst in die Offensive zu gehen mit seinen stärksten Mitteln. Hierbei verliert die USA bei beiden Handlungsvarianten: greift sie relativ isoliert zu den Waffen, ist sie der Buhmann der sich ehrenwert gebärdenden Welt und treibt Deutsch-€-land neue Verbündete zu, zeigt sie sich friedlich nachgiebig, reizt sie die Konkurrenten geradezu zu eigenen militärischen Abenteuern und forciert deren Aufrüstungsanstrengungen.
Gerade die deutsche Wiederaufnahme der Linie von 1914-18 & 1939-45 in der Jugoslawienpolitik nach 1989 mit Erlangung vollständiger staatlicher Souveränität zeigt diese zwingenden Formen laufender Zusammenstöße der Hauptkräfte USA und Deutschland auf und weist signifikante politische ideologische Parallelen zur Dauerkrise in Vorderasien auf:
1995 kommt es in Tirana anlässlich eines Besuchs des Bundespräsidenten Herzog zu einer deutsch-albanischen Grundlagenvereinbarung. Ihr völkischer Kern erkennt das Recht aller Völker an, ihr Schicksal frei, ohne Einmischung von außen, selbst zu bestimmen. Diese auf die Unabhängigkeit des Kosovo abzielende großalbanische Vereinbarung gleicht einer faktischen Kriegserklärung der Bundesrepublik Deutschland an die Bundesrepublik Jugoslawien ebenso wie der oben angeführte „Iraque Liberation Act“ der USA 1998 faktisch als Kriegserklärung der USA an den Irak fungiert. Die Umsetzung dieser Vereinbarung wird von Deutschland zudem als Bedingung eines dauerhaften Friedens in Europa dargestellt, ebenso wie die USA den Sturz Saddam Hussein zur Voraussetzung von Stabilität in Vorderasien erkoren.
Deutschland fordert ab dem Frühjahr 1998 verstärkt und wiederholt die Stationierung von Nato-Bodentruppen im Kosovo auch ohne UN-Völkerrechtsmandat und stellt andernfalls gar die Nato grundsätzlich infrage. Zuspitzend stellt es im Januar 1999 gar einen militärischen Alleingang der Europäer in Aussicht, die sich unter deutscher Vorgabe einen militärischen Brückenkopf in Mazedonien gebildet haben. Gegen das abenteuernde Vorpreschen Deutschlands deklarieren sich Frankreich und England schon vorsorglich im Dezember 1998 im St. Malo-Abkommen als europäische atomar gerüstete militärische Führungsmächte. Und weisen damit allerdings erstmals in solcher Koalition eine Distanzierungslinie zur Nato-Allianz mit den USA offiziell auf. Die USA, die bis in den Winter 1998 hinein nur zu Bestrafungsaktionen Belgrads bereit sind, nehmen daraufhin gezwungenermaßen Ende 1998 in einer Kehrtwende das Heft selbst in die Hand und plädieren für einen umfassenden Luftschlag. Dabei geht es den USA nur nebenbei um Balkan-Interessen. Ihr Vorstoß soll den eigenständigen militärischen Schritt hin zur WEU als Europäische Sicherheits- und Verteidigungsidentität (ESVI) abbremsen und das Primat der NATO als von den USA geführtes Instrument regionaler europäischer Sicherheit und als amerikanischen Brückenkopf zum eurasischen-afrikanischen Dreifachkontinent erhalten.
Gegen die NATO-Vorstöße der USA zum Luftkrieg setzt die Frieden heuchelnde deutsch-grün-rote Gang die Konferenz von Rambouillet durch. Neben erweiterter Autonomie des Kosovo sehen Vertragsanhänge u.a. die Stationierung von NATO-Bodentruppen vor. Der Vertragsabschluß scheitert an der kosovarischen Blockade unter Führung der terroristischen UCK – die serbische Delegation akzeptiert alle 10 Grundsätze. Der Bundestag der BRDeutschland beschließt vor dem offensichtlichen Scheitern der Konferenz am 22.2.1999 die Verlegung entsprechender Kräfte aller Waffengattungen zur militärischen Umsetzung des „Abkommens“. Die BRD-Diplomatie setzt NATO-„Friedenstruppen“ als Bestandteil der Vereinbarungen der Folgekonferenz vom 15.3. 1999 durch – diesmal reisen die Serben ab und die Kosovo-Delegation unterschreibt. Ohne Stellung eines Ultimatums beginnt am 24.3.1999 der NATO-Luftkrieg gegen Jugoslawien und nur durch das Einlenken Belgrads Anfang Juni 1999 wird der geplante militärische Bodenschlag um den Kosovo abgewendet. Deutschland ist am Ziel: die zaudernden europäischen Mächte sind mit ins deutsche Balkanabenteuer gezerrt. Und zwar nicht nur in einen Luftkrieg, sondern in die Stationierung vorwiegend europäischer NATO-Bodentruppen, welche sich den Kosovo untereinander aufteilen als Protektorat als Vorstufe seiner Loslösung von der Bundesrepublik Jugoslawien sowie Mazedonien unter deutscher Führung befrieden.
Im Afghanistanabenteuer nach dem 11.9.2001 war das diplomatische Ränkespiel Deutschlands anders gelagert. Berlin versuchte nach dem dortigen militärischen Vorstoß der USA unter formaler Heranziehung des NATO-Verteidigungsfalles, die politische Initiative an sich zu reißen mittels der Petersberger Konferenz und deren gerade jetzt (Dezember 2003) dort abgehaltenen Folgekonferenz, um, wie sie scheinheilig betonen, Afghanistan angesichts der Irakkrise aus der Vergessenheit zu reißen. Hier wie auch in den angestrengten Versuchen zur eigenen Initiierung von Balkankonferenzen 1999 geriert sich Deutschlands Außenpolitik unter Dr.h.c. Josef Fischer als Ober-Friedensstifter – ihre wirkliche Linie völkischer Zerlegung ist imperiale Kriegstreiberei: Teile & Herrsche durch „Ethnisierung“ brüchiger Nationalstaaten.
Dass die deutsche Außenpolitik es auch ganz andersherum treiben kann, zeigt ihre Linie in der Tschetschenien-Frage. Völkisch-ideologisch den Separatisten zugetan, werden diese unter dem Vorwand des 11.Sept. 2001 von Deutschland politisch offiziell als Terroristen eingestuft. Die historische Geheimdiplomatie zwischen Russland und Deutschland bewegt sich aller geschichtlichen Logik nach zwangsläufig in Richtung eines strategischen atomaren Bündnisses als Achse Paris-Berlin-Moskau, von der seinerzeit Jelzin seinen Besuchern Kohl und Chirac in historischen Tönen vorschwärmte – die laufenden Kameras und geöffneten Mikrofone vergessend. Dieses historische Projekt, dessen politischen Wert Russland durch paralleles Ziehen der US-Karte erhöht und sich durch ökonomisches Entgegenkommen seines größten Gläubigers BRDeutschland teuer bezahlen lässt, verträgt keinerlei Nebenkriegsschauplätze wie Tschetschenien im diplomatischen Verkehr.
Die deutsche Zustimmung zum US-Vorstoß auf dem NATO-Gipfel in Prag Ende 2002 zu einer speziellen NATO-Eingreiftruppe (Nato Response Force =NRF) ist mehr als verständlich. Immerhin lernen die internationalen Truppenverbände der EU-Staaten sich kriegstauglich zu reorganisieren auf der Höhe militärischen Stands unter US-Kommando und IT-Maschinerie. Erst ein eigenes System der Aufklärung und Feuerleitwerk durch Satteliten und Transportkapazitäten vermag jene Verbände nach 2010 zügig unter europäisches Kommando der WEU zu stellen, deren Kern Paris-Berlin gerade zimmert. Es liegt nahe, die Beschaffung des für heutige Luftkriege der Ferndistanz militärtechnisch überflüssigen Jagdflugzeugs Eurofighter zusammenzustreichen, um die dafür vorgesehenen Ressourcen für die Ausrüstung beweglicher Truppenverbände zu verwenden.
Auf dem Hintergrund der oben skizzierten Kosovo-Zerreißprobe des deutsch-amerikanischen politischen Verhältnisses gewinnt das Schrödersche kategorische Nein zum amerikanischen Irakabenteuer ein anderes Gesicht. Obige Diplomatie der Vorwände und Winkelzüge als Durchsetzungsformen der eigenen politischen und militärischen Marschroute erleben wir hierbei in Fortsetzung obiger deutscher Außenpolitik als Herausbildung eines deutsch-europäischen Gegenpols zu den USA:
Das vorübergehende Mitglied Deutschland geht – als gewählter Vorsitzender des UN-Sicherheitsrats ausgerechnet für Februar 2003 – nun folgerichtig gegen eine weitere Irak-Resolution auf Stimmenfang, um jede Mitverantwortung für einen Kriegsunterstützungskurs der UNO zu vermeiden. Da die deutsch-französische Diplomatie in dieser Frage – trotz temporär getrennten Marschierens – eng zusammen arbeiten, wird eine zu erwartende 2. Resolution des UN-Sicherheitsrats ein Einlenken ohne gravierenden politischen Gesichtsverlust der BRDeutschland ermöglichen. Den USA die Stirn im UN-Sicherheitsrat bieten, geht erst nach dem Zeitpunkt, an dem der Kreis der ständigen Mitglieder erweitert wird mit den ökonomischen Schwergewichten Japan und Deutschland und ein paar weniger entwickelten Regionalmächten wie Brasilien – wofür sich die deutsche Außenpolitik seit Genschers Zeiten auf allen diplomatischen Kanälen stark macht.
Zu wesentlichen Aspekten der Weltmarktentwicklung nach der Liquidierung der Sowjetunion und des RGW
Der behauptete Zusammenhang zwischen dem militärischen Abenteurertum der USA und dem politisch-ökonomischen Abenteurertum Deutsch-€-lands als unmittelbarer Kampf um den Weltmarkt steht und fällt mit der Analyse des Weltmarkts selbst. Die hierzu notwendige empirische Arbeit erfordert Zeit. Diese läuft allerdings vom politischen proletarisch-revolutionären Standpunkt im Dezember 2002 ab, was das Eingreifen in die zu erwartende weltweite Antikriegsbewegung ab dem Januar 2003 – dem Startschuß des militärischen Überfalls der USA auf den Irak – betrifft. Daher wird die nicht abgeschlossene Weltmarktanalyse heute notwendigerweise zeitlich zurückgestellt und nur der vorliegende propagandistische politische Teil an die Öffentlichkeit gebracht.
In der Art und Weise, in der die vorliegende Position hypothesenartig im Vorhinein des US-amerikanischen Feuersturms politisch aus dem Fenster gehängt wird, setzt sie sich unmittelbar der Kritik der Geschichte aus. Die geschichtliche Entwicklung wird den Wahrheitsgehalt dieser Analyse widerlegen oder belegen. Letzteres verweist dann auf die mehr oder mindere Substantialität der politischen und dieser zugrunde liegenden ökonomischen Analyse. Sollte die USA sich 2003 gegenüber dem Irak als „friedlich“ erweisen müssen – da die Drohkulisse mitsamt den Bündnispartnern nur einen begrenzten Zeitraum aufrechterhalten werden kann, dessen Grenze der gewiefte Stratege Saddam durch Zeitschinden mit allen taktischen Finessen wird zu überziehen versuchen mittels Ausspielen der unterschiedlichen nationalen Interessenlagen oder falls er gar mit seinem Weg ins Exil sich selbst in die arabischen Geschichtsbücher und die USA politisch in die Bredouille bringen sollte – so widerspricht auch dies nicht der vorliegenden politisch-ökonomischen Analyse, sondern wird den Sonderweg Deutschlands weiter beschleunigen. Nur der Fall, dass beide Hauptkräfte friedfertig nach Weltmarktregeln auf mittelfristige Sicht kooperieren, straft diese politisch-ökonomische Analyse als unbrauchbar ab.
Der Irakkrieg als Bestandteil des Klassenkampfes
Der gegenseitige Kampf der nationalen Abteilungen der Weltbourgeoisie um den Weltmarkt verhindert keineswegs das gemeinsame Interesse dieser falschen Brüder an einer möglichst hohen Ausbeutung des Weltproletariats. Denn die Erhöhung des relativen Mehrwerts als charakteristische kapitalistische Ausbeutungsform geht nur über die Erhöhung der Produktivität der Arbeit sämtlicher Produktionszweige sämtlicher Staaten, weil somit der Wert der Ware Arbeitskraft gesenkt und dementsprechend die Mehrwertmasse erhöht wird. Dass durch die hierbei freigesetzten Massen von Arbeitskräften die organische Zusammensetzung des Kapitals (das wertmäßige Verhältnis der Masse eingesetzter Maschinerie zur eingesaugten Masse Arbeitskraft) im jetzt zu Ende gehenden industriellen Krisenzyklus sehr stark gestiegen ist, belegt die weltweit rapide ansteigende industrielle Reservearmee hundertmillionenfach. Demgegenüber besteht das Interesse des Einzelkapitalisten an einer möglichst hohen Ausbeutung seiner eigenen Arbeiter darin, auf der Grundlage jener Produktivität der gesellschaftlichen Durchschnittsarbeit einen zusätzlichen Vorteil gegenüber seinen Mitkonkurrenten herauszuschinden.
Von daher machen die Interessenverbände und internationalen Institutionen der Bourgeoisie stetigen Druck auf ihre politischen Geschäftsausschüsse – die jeweiligen nationalen Regierungen –, die Lebens- und Arbeitsbedingungen des Proletariats zu senken, die Ware Arbeitskraft möglichst unter ihren Wert zu drücken. Hierbei ist es selbst für unterentwickelte Länder nicht schwierig, mit dem Finger auf noch billigere Produktionsstandorte zu zeigen, um den eigenen Maßnahmen den Schein der Legitimität zu verleihen. Und jede der drei Hauptkräfte des Weltmarkts hat ihren Hinterhof billiger Lohnsklaven als Druckmittel auf die Löhne der eigenen Haussklaven (USA: Mexiko und ab 2005 das geplante One Amerika als Freihandelszone von Alaska bis Feuerland, Deutschland: Osteuropa, Japan: Volksrepublik China) Diese internationale Lohnsenkungskonkurrenz ist neben der Methode der relativen Mehrwertproduktion eine der notwendigen Formen, der Tendenz der fallenden Profitrate entgegen zu wirken.
Seit zehn Jahren hämmern sämtliche bourgeoisen ideologischen Apparate rund um den Globus die Melodie der Standortkonkurrenz. Wenn man dem derzeitigen doitschen Blätterwald glauben soll, steht das Vaterland vor dem Bankrott wegen der unverschämten Gefräßigkeit der Lohnarbeiterklasse. Schröder griff angesichts der Notwendigkeit allgemeiner Lohnsenkungen jüngst im Bundesrat gar in die kaiserliche Mottenkiste: bei der Umsetzung des Hartz-Papiers zur Rettung des Vaterlands darf es keine Parteiinteressen mehr geben.
Und die politischen Wasserträger der Berliner Republik pfeifen von den Dächern, dass nach den Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen ab Februar 2003 der Klassenkrieg gegen die allgemeine Lohnarbeiterklasse mit anderen Bandagen geführt werden wird. Vergleichbare Angriffe auf den erkämpften historischen Stand sämtlicher Sozialsysteme – Alters-, Krankheits-, Arbeitslosigkeitsvorsorge – stehen in Italien und Frankreich eben gerade jetzt an, genauso wie in den kleineren EU-Staaten.
Was kann den Regierenden angesichts der krisenbedingten defensiven Lage der allgemeinen Lohnarbeiterklasse Besseres passieren, als die Angriffe nach innen mit Begleitmusik des Irakkriegs der USA zu verstärken zu versuchen? Denn dieser Krieg bedeutet auch für die teilweise involvierten europäischen Staaten allgemeine Mobilmachung und das Eintreten der Vorstufe von Notstandsverordnungen. Wie nervös die Regierungsapparate auf Grund von Massen- bis zu Generalstreiks sind, zeigt Italien, wo mehrere dutzend Aktivisten der sozialen Bewegungen verhaftet und der Propagierung des Umsturzes bezichtigt werden.
Das italienische Beispiel deutet an, was die neue NATO-Doktrin alles unter „Terrorismus“ subsumiert und was nach den Terroranschlägen vom 11.September 2001 von der westlichen Wertegemeinschaft erwartet werden kann. Nicht nur die USA exerzieren die Einschränkung der Bürgerrechte vor, sondern ebenso die EU. Dass die USA den Krieg gegen den Irak als Ablenkung der Arbeiterklasse von ihrer desolaten ökonomischen Lage nutzen wird und sie unter dem Sternen-Banner der nationalen Sicherheit zum Sozialchauvinismus vereinen wird, ist ebenso geschichtliche Erfahrung wie die Tatsache, dass hiermit die Verschärfung der Spal-tung der allgemeinen Lohnarbeiterklasse einhergehen wird. Die regierungsamtliche Aussetzung des Hafenarbeiterstreiks und der Aussperrung in sämtlichen 29 Frachthäfen der amerikanischen Westküste mit der Zwangsvorschrift zur Einigung der Konfliktparteien, mit der Begründung des nationalen Notstands, gibt einen Vorgeschmack auf die staatlichen Eingriffe in den eröffneten Zyklus weltweiter heftiger Klassenauseinandersetzungen.
Die gesamte Geschichte des 19. + 20. Jahrhunderts war der Versuch der nationalen Bourgeoisien, der Zuspitzung des Klassenkampfs im Inneren bis hin zu Bedrohung durch die proletarische Revolution zu entgehen durch expansive Kriegsabenteuer nach Außen. Diese sind gegenwärtig zugleich unmittelbare Angriffe aufs internationale (Öl-)Proletariat.
Der Irakkrieg 2003, die deutsche Ideologie, die deutsche Linke und die Notwendigkeit der proletarischen Revolution
Die weltpolitische Unordnung
wird in Europa und insbesondere in Deutschland zunehmend dem US-Imperialismus
als quasi monokausalem Verursacher zugeschoben. Vom äußersten rechten Rand über
die wertkonservative und sozialdemokratische Mitte, der NGO-Klientel der Grünen
bis zur PDS-Wählerschaft wird hierunter Ausbeutung der "Dritten Welt",
"Kulturimperialismus", Militärstiefelpolitik verstanden und das spekulative
Finanzkapital als letztlicher Drahtzieher aller sozialer und ökologischer
Mißstände der Welt ausgemacht, insbesondere des Konflikts Israel-Palästina. Das
dazugehörige bürgerliche Parteienspektrum und der Medienapparat sind die
Protagonisten dieses Kurses der deutschen Bourgeoisie.
Kampf dem antiamerikanischen Ressentiment in Europa!
Kampf jedwedem Antisemitismus! |
Demgemäß wird die aufstrebende politische & militärische Rolle Deutsch-€-lands als uneigennütziges – die Menschenrechte absicherndes – Korrektiv der wildgewordenen Hegemonialmacht begrüßt. Bestätigt sehen sie sich darin durch die mehr oder weniger offene Aufforderung mancher unentwickelter völkischer Nation, Deutsch-€-land möge entsprechend seinem ökonomischen Gewicht auch politisch selbstbewußter in der Weltarena auftreten und dem entsprechend internationale „Verantwortung“ auf allen Ebenen übernehmen. Die Durchsetzung seiner bisher vermeintlich zu kurz gekommenen eigenen Interessen im Bündnis mit anderen Nachzüglern des Weltmarkts erscheint mehr als historisch gerechtfertigt – an seinem angeblich altruistischen Wesen soll die Welt genesen. Dass diese Vorstellungen ein brisantes Spiel mit dem Feuer im Weltmaßstab sind, kommt dem deutschen Bürger nicht in den Sinn.
Naiverweise geht er davon aus, dass die heutigen kapitalistischen Verflechtungen des Weltmarkts jeden militärischen Zusammenprall der Hauptakteure des Oligopols der führenden Wirtschaftsnationen unmöglich machen. Ihre politische Anklage des US-Imperialismus entpuppt sich als aufgefrischte Neuauflage von der Friedfertigkeit eines Ultraimperialismus von vor 1914, der unweigerlich in europäischen Sozialchauvinismus umschlägt, wenn die USA – wie jetzt im Irak – notwendig die militärische Karte ausspielen sollte an jedem Ort, zu jeder Zeit, mit allen Mitteln zur Entscheidung der ökonomischen Konkurrenz des Weltmarkts zu ihren Gunsten. Dass die USA andernfalls ihre historische Vormachtstellung an die ökonomischen Konkurrenten, die Schwergewichte Deutsch-€-land und Japan/China, welche gegenwärtig zugleich die wichtigsten Gläubiger der USA sind, verlieren würde, ist außerhalb ihres Denkhorizontes oder wird von ihnen kindischer weise gar als „gerecht“ begrüßt.
Im Gegensatz von un- oder bewussten ultraimperialistischen Vorstellungen von der Tendenz der Friedfertigkeit des Kapitalismus gehen marxistische Imperialismustheorien davon aus, dass sich die Konkurrenz der Nationen um die im Kapitalismus nie endende Neuaufteilung der Welt – als Handelskrieg – unausweichlich zum Krieg der Hauptakteure fortentwickeln muss und dieser Weg nur durch die vereinte revolutionäre Aktion des Proletariats verlegt werden kann. Die These von der Unvermeidlichkeit des Krieges der Hauptakteure aufgrund ihrer Konkurrenz auf dem Weltmarkt faßt den Imperialismus ökonomisch als Epoche des Monopolkapitalismus unter Vorherrschaft des Finanzkapitals als verschmolzenem Industrie- & Bankkapital. Die Expansionsbestrebungen des Finanzkapitals – den die nationalen Grenzen überschreitenden Export von Geld- & Warenkapital – politisch und wenn nötig militärisch abzusichern, ist hiernach die unabwendbare Aufgabenstellung des Nationalstaats als ideellem Gesamtkapitalisten.
Die Imperialismus Theorie besitzt somit nach eigenem theoretischem Verständnis eine empirisch abgesicherte Analyse des Verhältnisses von ökonomischer Basis und politischem Überbau des Weltmarkts. Das Finanzkapital mit dem Kreditsystem als ökonomischem Hebel stellt hiernach das Vermittlungsglied von ökonomischer und politischer Macht – nach 1900 bis in die Gegenwart.
In der gegenwärtigen Lage hat der allergrößte Teil jener deutschen Restlinken, welche sich in obiger Tradition wähnt, jenes Spiel der Kräfte des führenden Oligopols des Weltmarkts auf das statische Monopol USA reduziert, nachdem dessen realsozialistischer Gegenpol abhanden kam. Ein ideologischer Reflex 40 jähriger bipolarer Weltordnung, in der das privatkapitalistische Monopol dem real“sozialistischen“ staatlichen Monopol gegenüberstand.
Jenem unversöhnlichen Klassenwiderspruch zwischen Weltbourgeoisie & -proletariat gegenüber war die sich innerhalb des privatkapitalistischen Oligopols entwickelnde Konkurrenz bis 1989 untergeordnet. Die meisten marxistischen Epigonen unterschätzen die jetzige Entfesselung der Konkurrenz zwischen den USA und Deutsch-€-land, sie betrachten die Tendenzen des Weltmarkts vielmehr statisch, unipolar, monokausal unter US-Hegemonie unter Verweis auf dessen uneinholbare militärische Überlegenheit. Wenn sie in diesem Zusammenhang gleichzeitig von Imperialismus reden, dann bezeugt dies den theoretischen Tiefstand des `Marxismus´, da der Wesensgehalt des Imperialismus gerade nur in der Bewegungsform der scharfen Konkurrenz der Hauptkräfte des Weltmarktes Gestalt gewinnt.
Nicht intellektuelles Unvermögen führt die Hand bei der Niederschrift jener Positionen, vielmehr sind sie Ausdruck zeitgenössischen Opportunismus des etablierten ideellen Kleinbürgertums. Ihr elitäres Phantasma, in der Form von Nicht-Regierungs-Organisationen (NGO) mit ATTAC als Frontorganisation „mitzuregieren“, zeigt den Stand ihrer intellektuellen Unredlichkeit an. Sie marschieren schon jetzt – ob be- oder unbewußt – unter der Fahne der aufstrebenden europäischen Großmacht unter deutscher Führung, wenn sie wie die gesamte europäische Linke Gerhard Schröder und seinen rot-grünen Regierungssumpf in der Irakkrise auf sein Ehrenwort verpflichten wollen – statt ihn als konsequenten Statthalter der Interessen der deutschen Bourgeoisie zu brandmarken – als konsequente Fortsetzung des Klassenverrats der SPD und Gewerkschaften seit 1914.
Schlimmer noch: falls die EU in einer ökonomischen und politischen Krise an den nationalen Sonderinteressen scheitern sollte – ihre Konkurrenz gewinnt Gestalt in der jetzigen Währungseinführungsphase als Achse Berlin/Paris gegen die Restnationen der EU – dann kann das deutsche Vaterland auf sein provinzlerisches ideelles Kleinbürgertum fest vertrauen. (Hier wäre die Stelle, auf deren kontradiktorisches Pendant, die anti-deutschen Beschützer Israels und Befürworter des Überfalls des Iraks durch die USA kritisch einzugehen. Doch dieses Thema ist zu ernst, als dass es hier nebenbei behandelt werden könnte. So wie im vorliegendem Text nicht auf die Israel-Frage und die Beleuchtung der Lage Vorderasiens vom Brennpunkt Palästinakonflikt her eingegangen wurde, liegt es auf der Hand, dass die vorliegende Position, als work in progress, diesen Konflikt im Unterschied zu den meisten Linken im Kontext des dargelegten Kampfs um den Weltmarkt als untergeordnetes {zu geringes Kapitalgewicht} Moment der Geschichte einordnen.)
Einige marginalisierte Restlinke betonen die treibende, aktive Rolle Deutsch-€-lands beim Auseinanderbrechen der US-amerikanischen Nachkrieg-2-Weltordnung. Somit sehen sie den Hauptfeind des Proletariats im eigenen Land. Für ihre Hypothese sprechen tagtägliche Indizien, welche zugleich durch die stürmische Angleichung der Nationen verdeckt werden. Denn die Inganghaltung des Verwertungsprozesses des Kapitals als national gegliedertem weltgesellschaftlichem Arbeitsprozeß verdammt das Oligopol der führenden Nationen zur unbedingten politischen Zusammenarbeit bei Strafe des Untergangs der bürgerlichen Ordnung. Gerade diese notwendige – sich supranational permanent institutionalisierende – Zusammenarbeit der Hauptkräfte zögert den diplomatischen Bruch hinaus bis zum abrupten Umschlagen vom Handelskrieg zum militärischen Abenteuer und fördert somit Illusionen in die Friedfertigkeit der Epoche bis zum letzten Tag – tief bis in die Reihen der Linken. An ihr ist größtenteils vorbeigegangen, dass der gesamte Zerfall Jugoslawiens und die Neuordnung des Balkans die deutsche Handschrift trägt und tragen muss: in jedem Krisenherd destabilisierend zu agieren gegen die historischen Reste ökonomischer und politischer Vorherrschaft der USA.
Wann und auf welchem Wege die Herausforderung der USA durch Deutsch-€-land in einem direkten militärischen Zusammenstoß eskaliert, steht hier nicht als Spekulation im Raum, sondern dass sich deren entfesselte ökonomische Konkurrenz auf mittlere Sicht nicht politisch friedfertig bescheiden kann, ist die historisch abgeleitete These.
Hiermit steht die Arbeiterklasse in Deutschland erneut vor der historischen Aufgabe, ihre Klasseninteressen gemeinsam mit dem Proletariat der anderen entwickelten Nationen in der proletarischen Weltrevolution durchzusetzen. Oder andernfalls erneut für und mit ihrer Bourgeoisie in den Krieg zu ziehen und sich gegenseitig abzumetzeln – diesmal auf kaum einschätzbarem Niveau chemischer & biologischer & atomarer Destruktivkräfte. Und falls die Arbeiterklasse diesen historischen Anlauf aus purer Überlebensnotwendigkeit nehmen muß, kann sie todsicher sein, dass die Sozialdemokratie + Gewerkschaftsapparat wie 1918/19 + grün-liberale Kleinbürger zusammen mit Schwarzhundertschaften notfalls den Bluthund stellen werden.
Der Großteil der desolaten deutschen Restlinke ist, wie die Linke der anderen Länder auch, offensichtlich weder theoretisch noch praktisch beschlagen, als organisierende Kraft die Arbeiterklasse auf deutschem Territorium zur eigenständigen politischen Klassenpartei zu formieren. Es hieße, den Bock zum Gärtner machen zu wollen, der vom ideellen Klein-bürgertum getragenen deutschen Restlinken die Fähigkeit zuzusprechen, die verbürgerlichte Arbeiterklasse in Deutschland von der Bourgeoisie ideologisch zu trennen. Denn ihre Positionen schließen geradewegs die links-bürgerliche Flanke des ideologischen Feldes, welches von ihren ideellen Zwillingsbrüdern im Staats- & Medienapparat deutsch-gründlich kleinbourgeois bestellt wird mittels permanenten Informationsrauschens.
Die Parolen gegen den Irak-Überfall der USA und gegen die deutschen Großmachtoptionen auf die Straße zu tragen, ist notwendig. Sie bleiben aber ebenso stumpf pazifistisch wie die sich breit entfaltende bürgerliche Anti-Kriegsbewegung in den USA und dem übrigen Europa, da sie die programmatische Desorientierung der zersplitterten radikalen Linken verdecken. Daher fordert die Geschichte selbst diejenigen, die sich als revolutionäre Elemente verstehen, auf, die programmatische Debatte des Übergangs zum Kommunismus umgehend in Angriff zu nehmen. Wie sonst kann die historisch überfällige Umgruppierung der Kräfte als proletarische Selbstorganisation in die Wege geleitet werden?
Zu diesem Zwecke folgen nun – trotz organisatorischer Meinungsunterschiede – die programmatischen vier Eckpunkte, welche in der Plattform des Zirkels `Übergänge zum Kommunismus´ zur Diskussion gestellt werden. ( http://www.partisan.net/ darin `Kommunistische Streitpunkte Nr.5´)
Bloßlegung des bürgerlichen Privilegs zu arbeitsloser Existenz, das den wirklichen Zwang zur Arbeit in ein scheinbar zufällig-individuelles Schicksal verkehrt. Verteilung der gesellschaftlich notwendigen Arbeit auf alle arbeitsfähigen Mitglieder der Gesellschaft, d.h. Abschaffung jenes Privilegs des Besitzes. Nur so wird für alle die gesellschaftlich notwendige Arbeit und ihr vernünftiges Maß transparent und damit soweit reduzierbar , daß uns Zeit zur freien Entfaltung unserer individuellen „produktiven Triebe und Anlagen“ (Marx) zuwächst, die Arbeit daher überhaupt ihren Zwangscharakter verlieren und sich in unser „erstes Lebensbedürfnis“ (Marx) verwandeln kann.
Abschaffung der Lohnarbeit selbst, nämlich des die gesellschaftliche Arbeit in ihr Gegenteil verkehrenden Zwangs, daß sie sich verwerten muß, daß ihr gesellschaftlich erzeugtes Produkt, weil in den Händen der Privaten monopolisiert, die kooperative Arbeit zum Mittel seiner endlosen Selbstvermehrung degradiert. Selbstorganisation der Arbeit durch freie Assoziierung der Produzenten auf der Höhe des jetzigen Vergesellschaftungsgrades der Arbeit , für die es vorderhand nichts weiter braucht als die völlige Abschüttelung jenes Verwertungszwanges, d.h. der jetzigen privaten Verfügung über sie, die angesichts des hochgradig gesellschaftlichen Charakters heutiger Arbeit nur noch ein schreiender und äußert kostspieliger Anachronismus ist.
Aufhebung der bestimmten Voraussetzung, unter der überhaupt nur der gegenständliche Reichtum allgemein in Geld gemessen und erst im Austausch mit Geld konkret nutzbar wird: daß er nämlich sich regelmäßig in den Händen derer befindet, die nichts mit ihm anfangen können, als ihn zu tauschen, und daher denjenigen, die seiner konkret bedürfen, ebenso regelmäßig nicht gehört; daß also die unmittelbaren Produzenten reduziert sind auf ihre bloße Arbeitskraft, weil vollständig getrennt von den sachlichen Elementen ihrer Produktion, die das Monopol der bürgerlichen Klasse, der nichtarbeitenden Aneigner ihrer Produktion sind. Diese Voraussetzung läßt sich nicht aufheben, ohne daß damit zugleich das Geld als allgemeine Darstellungsform des gesellschaftlichen Reichtums gegenstandslos wird und verschwindet. Die im Geld ihren allgemeinsten, geläufigsten Ausdruck findende Ökonomie, in der die Produkte der Arbeit ihren Produzenten enteignet sind und über sie herrschen, löst sich auf in die banale Grundlage aller Ökonomie, die „Ökonomie der Zeit“: Die gesellschaftlich planmäßige Verteilung der Arbeitszeit regelt „die richtige Proportion der verschiednen Arbeitsfunktionen zu den verschiednen Bedürfnissen“ (Marx).
Radikale Ausschöpfung der Demokratie für die Assoziierung aller vom Produkt ihrer gemeinsamen Arbeit enteigneten, von ihrer Arbeit entfremdeten Individuen bis hin zur Errichtung ihrer revolutionären Diktatur zum Zwecke despotischer Eingriffe in jene Ordnung des Eigentums, die diese Enteignung und Entfremdung ebenso zur Voraussetzung hat, wie sie dieselbe stets von neuem spontan erzeugt; einer Diktatur, die übergeht zur Auflösung jeglicher Politik, der diktatorischen wie der demokratischen, die doch immer eine Regierung über Menschen bleibt, in eine solche gemeinsame Verwaltung der Sachen , „worin die freie Entwicklung einer jeden die Bedingung der freien Entwicklung aller ist:
Der vorliegende Text zielt jedoch zugleich auf diejenigen Nachwachsenden, die zurecht skeptisch sind gegenüber der Phraseologie der politischen Zunftmeister – die sich aber zugleich um die Notwendigkeit des Auftankens der eigenen Geschichte bewusst werden angesichts ungeahnter weltgesellschaftlicher Durchschlagskraft der über mehrere Jahrhunderte angehäuften Masse industriellen Kapitals – in seinem maßlosen Akkumulationstrieb. Alle wissen inzwischen um das unakzeptable Resultat: zwei Handvoll mehr oder weniger ökonomisch entwickelte Nationalstaaten mit unlösbaren sozial-politischen Problemen und über 180 sich in Auflösung und Zerfall befindenden Staaten.
Die nachwachsende Generation in Deutschland steht vor der historischen Tatsache, dass jene Teile ihrer Elterngeneration, welche sich im Zuge der Studentenrevolte um/nach 68 fortschrittlich gaben, nun in die Leitung des bürgerlichen Staatsapparats aufgestiegen sind. Sie haben sich ihren Taten und Worten nach mit den klassenübergreifenden faschistischen Verbrechen ihrer aussterbenden eigenen Elterngeneration versöhnt: sie setzen selbst als rot-grüne Gang das Weltmacht Projekt der deutschen Bourgeoisie fort: sie relativieren bis revidieren die deutsche Geschichte (nicht nur) im Kosovokrieg durch taktische Lügen und übelst verharmlosende Vergleiche (Hufeisenplan; Racak-Auschwitz-Vergleich), um Deutschlands Kriegstauglichkeit erstmals nach 1945 zu beweisen, um so die Bundeswehrreform zur neu aufzurüstenden Interventionsarmee zu begründen, um so die neue Sicherheitsdoktrin politisch glaubwürdig umzusetzen: laut „Verteidigungs“minister Struck wird die deutsche Sicherheit auch am Hindukusch verteidigt!
Wer wie Egon Bahr die deutsch-europäische militärische Rolle in der NATO aufrollt an der Frage, ob sie „Schild Europas oder Schwert Amerikas“ ist, muß wie er zur Schlussfolgerung kommen, dass, wo die NATO bestimmt, Europa nicht bestimmen kann. Was selbstverständlich mittelfristig von Letzterem nicht akzeptiert werden kann. Schöne Aussichten, wenn die rot-grüne Administration mit ihrem Aufrüstungseifer gar die konservative deutsche Opposition vor sich hertreibt! Die Finanzierung einer konventionellen militärischen Großmachtstellung durch sozialpolitische Reformen der Senkung des allgemeinen Lebensstandards ist eine faktische Kriegserklärung an die Lohnarbeiterklasse auf deutschem Territorium – unter ideologischem Trommelfeuer sogenannter Selbstverantwortung.
Die einzige angemessene tatsächlich selbstverantwortliche Antwort ist: nur der höchste Grad von Egoismus befähigt das Proletariat, gemeinsam als weltproletarische Assoziation den von ihm selbst erarbeiteten gesamten gesellschaftlichen Reichtum selbst anzueignen zwecks gemeinsamer und individueller Nutzung – als Genießen in Muße & Spiel als Mittelgliedern zur Arbeit als erstem Lebensbedürfnis – weil reduziert auf das gesellschaftlich notwendige Minimum jenseits der Lohnarbeit.
Bei der Suche nach Fragen und Antworten auf gesellschaftliche Krisenentwicklungen stoßen alle auf das Dilemma der vollständigen Zersplitterung der Linken, die die Desorientierung noch steigert. Da keiner diesem Dilemma entkommt, folgende Auswahl von Adressen:
Strömungen der IV Internationalen: viele Artikel zur Irakkrise: http://www.wsws.org/ (Internat. Komitee d. IV Internationalen); http://www.arbeitermacht.de/ . (Liga für eine revolutionär-kommunistische Internationale); Zentristisch orientiert: http://www.mlpd.de/ (Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands); Undogmatisch orientiert: http://www.partisan.net/ (u.a. Kommunistische Streitpunkte) http://www.nadir.org/ (u.a. Bahamas); http://www.gegenstandpunkt.de/ ; Linkskommunistische Strömungen: http://www.umwaelzung.de/ www.sinistra.net/lib/index.html www.geocities.com/aufheben2/ http://www.sozialistische-studienvereinigung.frankfurt.org/ ; Klassiker-Archiv des Marxismus: http://www.marxists.org/