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Ernst Lohoff
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DIE KATEGORIE DER ABSTRAKTEN ARBEIT UND IHRE HISTORISCHE
ENTFALTUNG
Methodische Vorbemerkungen
“Es scheint das Richtige zu sein, mit dem Realen und Konkreten, der
wirklichen Voraussetzung zu beginnen, also z.B. in der Ökonomie mit
der Bevölkerung, die die Grundlage und das Subjekt des ganzen gesellschaftlichen
Produktionsakts ist. Indes zeigt sich dies bei näherer Betrachtung
als falsch. Die Bevölkerung ist eine Abstraktion, wenn ich z.B. die
Klassen, aus denen sie besteht, weglasse. Diese Klassen sind wieder ein
leeres Wort, wenn ich die Elemente nicht kenne, auf denen sie beruhn. Z.B.
Lohnarbeit, Kapital etc. Diese unterstellen Austausch, Teilung der Arbeit,
Preise etc. Kapital z.B. ohne Lohnarbeit ist nichts, ohne Wert, Geld, Preis
etc. Finge ich also mit der Bevölkerung an, so wäre das eine
chaotische Vorstellung des Ganzen und durch nähere Bestimmung würde
ich analytisch immer mehr auf einfachere Begriffe kommen; von dem vorgestellten
Konkreten auf immer dünnere Abstrakta, bis ich bei den einfachsten
Bestimmungen angelangt wäre. Von da wäre nun die Reise wieder
rückwärts anzutreten, bis ich endlich wieder bei der Bevölkerung
anlangte, diesmal aber nicht als bei einer chaotischen Vorstellung eines
Ganzen, sondern als einer reichen Totalität von vielen Bestimmungen
und Beziehungen. Der erste Weg ist der, den die Ökonomie in ihrer
Entstehung geschichtlich genommen hat. Die Ökonomen des 17.Jahrhunderts
z.B. fangen immer mit dem lebendigen Ganzen, der Bevölkerung, der
Nation, Staat, mehreren Staaten etc. an; sie enden aber immer damit, daß
sie durch Analyse einige bestimmende abstrakte, allgemeine Beziehungen,
wie Teilung der Arbeit, Geld, Wert etc. herausfinden. Sobald diese einzelnen
Momente mehr oder weniger fixiert und abstrahiert waren, begannen die ökonomischen
Systeme, die von dem Einfachen, wie Arbeit, Teilung der Arbeit, Bedürfnis,
Tauschwert aufstiegen bis zum Staat, Austausch der Nationen, und Weltmarkt.
Das letztre ist offenbar die wissenschaftlich richtige Methode. Das Konkrete
ist konkret, weil es die Zusammenfassung vieler Bestimmungen ist, also
Einheit des Mannigfaltigen” (Grundrisse S.21).
Im Folgenden halten wir uns streng an diese “offenbar wissenschaftlich
richtige Methode.” Daher gehen wir nicht vom gesellschaftlichen Oberflächengewimmel
aus, nicht von den zahllosen-zum Teil verdienstvollen empirischen und historischen
Untersuchungen-sondern rekurrieren auf die begriffliche Logik des Kapitals
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als solche, so wie sie im Marxschen Werk entwickelt ist.
Wenn Marx die Logik des Kapitals aus einigen bestimmenden abstrakten,
allgemeinen Beziehungen bis zu den Oberflächenphänomenen Weltmarkt,
Kredit, usw. entfaltet, muß eine Analyse des variablen Bestandteils
des Kapitals von den diesen Teil bestimmenden abstrakten, allgemeinen Beziehungen
ausgehen. Die wichtigste Kategorie, neben ihrer Teilung, ist für die
lebendige Arbeit die Kategorie der abstrakt menschlichen Arbeit. Sie führt
Marx schon im ersten Kapitel des 1.Bandes des “Kapitals” als aller Warenproduktion
zugrundeliegend ein.
Wenn wir in “orthodoxer” Manier, von einer abstrakten Marxschen Realkategorie
aus, uns bis zu den neueren Umstrukturierungen der Arbeiterklasse vorzutasten
suchen, wenn wir skizzieren, wie sich diese Kategorie in der Geschichte
entfaltet, so wird diese Vorgehensweise die meisten Leser erst einmal irritieren.
So selbstverständlich unsere Methode für Marxisten eigentlich
sein müßte, so ungewöhnlich ist sie inzwischen geworden.
Überaus gründlich hat Positivismus und platter Empirismus die
Vorstellungen von Theorie gerade auch in der Linken zersetzt und es hat
sich ihr auch der Marxismus aufgelöst in ein Sammelsurium politwissenschaftlicher,
soziologischer, ökonomischer und sonstiger Theoreme. Ihre Theoretiker
nutzen ihn konsequent als Selbstbedienungsladen, brechen den einen oder
anderen Brocken aus dem Marxschen Werk heraus und stutzen ihn für
ihre windschiefen Konstruktionen zurecht. Was dabei hoffnungslos verschütt
geht ist der Zusammenhang des Marxschen Werkes, seine dialektische Methode.
Sie erscheint als bloße Äußerlichkeit, als antiquierte
verhegelte Sprechweise, von der man abzusehen hat,um an den positiven Gehalt
der Marxschen Theorie heranzukommen. Während die Dialektik, das Aufsteigen
vom Abstrakten zum Konkreten, die Entfaltung der Begriffslogik, die eigentliche
Essenz des Marxschen Werkes ausmacht, gilt sie vielen der heutigen Marxjünger
als dessen Privatmarotte, als Relikt seiner philosophischen Vorgeschichte.
In ihrem unbändigen Drang zum politischen Praktizismus sind die linken
Theoretiker weit hinter die Position der Frankfurter Schule im Positivismusstreit
zurückgefallen, haben vor der Übermacht der empirischen Faktenfülle
bedingungslos kapituliert und sich selber als linker Nachtrab des Positivismus
etabliert. Weil ihnen Wissenschaft nur noch in ihrer positivistischen Karikatur
vertraut ist, verkürzen sie auch den Marxismus zu einer positiven
Wissenschaft. Als solche kann er natürlich die Totalität des
gesellschaftlichen Prozesses nicht mehr fassen und schreit daher wie jede
andere positivistische Wissenschaft nach Ergänzung durch andere Einzelwissenschaften.
So ist es üblich geworden,von der Krise des Marxismus sabbernd - wobei
diese Krise des Marxismus nichts anderes als die Krise der bisherigen verkürzten
Marxrezeption und dessen Verballhornung ist -, diese mit Zugaben aus dem
bürgerlichen Wissenschaftsbetrieb zu verdünnen und das so gewonnene
Theoriesurrogat als “Ergänzung des Marxismus” oder als dessen “Erweiterung”
meistbietend loszuschlagen.Die diversen Versuche sind zwar im Allgemeinen
eher kurzlebig und überführen sich meist schnell ihrer eigenen
Unzulänglichkeit, aber abgesehen davon, daß
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dies inzwischen zur Tugend umgelogen und als Bescheidenheit in die
Vermarktungsstrategie mit eingebaut wird, erweist sich das dahinter stehende
Prinzip als überaus widerstandsfähig und weitverbreitet.
Längst ist es in Vergessenheit geraten, daß die Marxschen
Schriften ihrem Grundcharakter und meist auch dem Titel nach Kritiken sind.
In den Händen der linken Theoretiker verwandelt sich das Marxsche
Hauptwerk, “das Kapital”, aus einer “ Kritik der politischen Ökonomie”
in ein wirtschaftswissenschaftliches Lehrbuch und verliert dabei natürlich
die Fähigkeit,den gesellschaftlichen Gesamtzusammenhang auch nur zu
erahnen. Wollen wir den Zusammenhang des Marxschen Werkes und damit seine
kritische Sprengkraft festhalten, so müssen wir vor allem seine dialektische
Methode ernst nehmen, die beides erst gebiert. Die wenigsten neueren marxistischen
Theoretiker haben dies getan und die Reichweite der Marxschen Realkategorien
und ihre Dynamik erkannt. Die meisten von ihnen betrachten diese Kategorien
als neben oder vor der eigentlichen Analyse stehende leere Hülsen,
jonglieren mit ihnen mehr oder minder geschickt und versuchen, soweit sie
sich explizit als Marxisten verstehen, ihre Forschungsergebnisse in ihnen
auszudrücken; aber darin erschöpft sich ihr Tun. Denn sie beschränken
sich darauf, der heutigen Gesellschaft ihren nach wie vor kapitalistischen
Charakter zu attestieren, betonen die Kontinuität, das Noch-Immer
des gesellschaftlichen Grundwiderspruchs, statt den gegenwärtigen
Kapitalismus als entfaltetere Form der kapitalistischen Antagonismen und
damit auch der zugrundeliegenden Realkategorien als etwas Neues, als Bruch
mit einer eigenen Vergangenheit zu begreifen. Die Dynamik der Entfaltungslogik
der Kategorien fließt in keiner Weise in die Analyse. Sie werden
statisch gehandhabt, als unveränderliche, von Beginn an ein für
allemal feststehende überzeitliche Gesetze des Kapitalverhältnisses.
Marx hingegen ging es immer und wesentlich um den Zusammenhang zwischen
begrifflich-logischer und historischer Entfaltung des Kapitals. Die von
ihm erarbeiteten Kategorien bestimmen das Kapital in seiner prozeßhaften
Entwicklung.
Exemplarisch ist hier die Behandlung der Kategorie der abstrakt menschlichen
Arbeit. Marx führt sie schon im ersten Kapitel des “Kapitals” ein,
aber nur damit sie bei seinen mißratenen Epigonen als bloße
Voraussetzung unbesehen in Vergessenheit gerät,um dort zu verschimmeln.
Dabei ist sie in Wirklichkeit dem Kapitalverhältnis nicht einfach
vorausgesetzt,sondern sie ist dessen, zumindest in ihren entwickelteren
Formen, recht spätes Produkt. Sie entfaltet sich erst mit der Entfaltung
des Kapitalverhältnisses selber und durchzieht als Tendenz, die lebendige
Arbeit in immer größere Abstraktheit zu setzen, die Geschichte
des variablen Kapitals als deren eigentlicher Gehalt. Marx spricht diesen
Sachverhalt in den Grundrissen an: “Die Gleichgültigkeit gegen die
bestimmte Arbeit entspricht einer Gesellschaftsform, worin die Individuen
mit Leichtigkeit aus einer Arbeit in die andere übergehen und die
bestimmte Art der Arbeit ihnen zufällig, daher gleichgültig ist.
Die Arbeit ist hier nicht nur in der Kategorie, sondern in der Wirklichkeit
als Mittel
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zum Schaffen des Reichtums überhaupt geworden und hat aufgehört,
als Bestimmung mit den Individuen in einer Besonderheit verwachsen zu sein.
Ein solcher Zustand ist am entwickelsten in der modernsten Daseinsform
der bürgerlichen Gesellschaft - den Vereinigten Staaten. Hier also
wird die Abstraktion der Kategorie 'Arbeit', 'Arbeit überhaupt', 'Arbeit
sans phrase', der Ausgangspunkt der modernen Ökonomie, erst praktisch
wahr. Die einfachste Abstraktion also, welche die moderne Ökonomie
an die Spitze stellt, und die eine uralte und für alle Gesellschaftsformen
gültige Beziehung ausdrückt, erscheint doch nur in dieser Abstraktion
praktisch wahr als Kategorie der modernsten Gesellschaft” (Grundrisse S.25).
Wenn Marx hier der abstrakt menschlichen Arbeit eine Geschichte einräumt,
sie als stofflich-praktisch sich verändernde anerkennt, so endet diese
Geschichte natürlich nicht in den USA der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts.
Diese dem Kapitalverhältnis immanente Tendenz zum Abstraktwerden von
Arbeit hat damals nicht ihre endgültige stoffliche Gestalt gefunden,
sondern ist mit der weiteren Entfaltung des Kapitals zwischen zeitlich
noch um einiges “praktisch wahrer” geworden.
Die Entfaltung des Kapitalverhältnisses und die Tendenz, Arbeit
als immer abstrakter zu setzen, fallen zusammen: “Dies ökonomische
Verhältnis - der Charakter, den Kapital und Arbeit als Extreme eines
Produktionsverhältnisses tragen - wird daher desto reiner und adäquater
entwickelt,je mehr die Arbeit allen Kunstcharakter verliert; ihre besondere
Fertigkeit immer mehr etwas Abstraktes, Gleichgültiges wird, und sie
mehr und mehr rein abstrakte Tätigkeit, rein mechanische, daher gleichgültige,
gegen ihre besondere Form indifferente Tätigkeit wird; bloß
formelle Tätigkeit oder, was dasselbe ist, bloß stoffliche Tätigkeit
überhaupt, gleichgültig gegen die Form” (Grundrisse S.204).
In der Tendenz, Arbeit als immer abstraktere, entleertere zu setzen,
drückt sich in Bezug auf die lebendige Arbeit aus, wie das Kapital
vorgefundene Produktivkräfte umwälzt, vorkapitalistische Überbleibsel
eliminiert und sich stofflich eine adäquate Basis schafft, eine Basis
nach seinem Bilde.
Abstraktwerden von Arbeit, Entäußerung, Entleerung ist also
nicht eine Möglichkeit unter vielen, sondern folgt als Haupttendenz
unmittelbar aus der Logik des Kapitals. Alle Phantasien von selbstbestimmter
Arbeit, “weniger entfremdeter Tätigkeit” innerhalb der kapitalistischen
Herrschaft können eben nur Phantasien sein. Der Hauptstrom der historischen
Entwicklung läuft, solange das Kapitalverhältnis besteht, genau
in die entgegengesetzte Richtung, auch KERN und SCHUMANN zum Trotz. Das
Kapital tut nur ausnahmsweise Nischen auf, und auch dies nur, um sie so
bald als möglich wieder zu schließen. Dies gilt auf jeden Fall
für die mehrwertschaffenden unmittelbaren Produzenten, aber nicht
nur für sie.
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Der historische Ausgangspunkt
Ein gewisses Maß an Abstraktheit der Arbeit ist selber Voraussetzung für die Entstehung der kapitalistischen Produktionsweise. So ergreift das Manufakturwesen eben gerade nicht zuerst die hochentwickelten und hochspezialisierten Zünfte mit ihren ebenso hoch spezialisierten und gesonderten Arbeiten, “sondern das ländliche Nebengewerbe, Spinnen und Weben, die Arbeit, die am wenigsten zünftiges Geschick, künstlerische Ausbildung verlangt...Das ländliche Nebengewerbe enthält die breite Basis der Manufaktur, während das städtische Gewerbe hohen Fortschritt der Produktion verlangt, um fabrikmäßig betrieben werden zu können” (Grundrisse S. 410). Dieser Fortschritt der Produktion ermöglicht es dann in diesen traditionell zünftigen Produktionsbereichen die Arbeit zu zerlegen, für den unmittelbaren Produzenten zu entleeren und abstrakt zu machen. Aber beginnen kann das produktive Kapital historisch nur in Gewerben, in denen die dort verausgabte lebendige Arbeit per se einen allgemeinen Charakter aufweist, bei Arbeiten, die auf dem Land traditionell von fast allen geleistet werden, während sich die spezialisierten städtischen Zünfte noch lange gegen ihre Kapitalisierung sperren. Es ist kein Zufall, daß das Kapital, das beginnt, sich in die Produktion zu mengen, dort ansetzen muß,wo die allgemeine Arbeit vorkapitalistischer Produktion geleistet wird, auf dem Land.
Formelle Subsumtion der Arbeit unter das Kapital
Mit der Trennung des unmittelbaren Produzenten von seinen Produktionsmitteln, also der Schaffung des freien Lohnarbeiters, ist formal Fremdheit und Äußerlichkeit des Arbeiters gegenüber Arbeitsprozeß und Arbeitsprodukt schon gegeben. Der Gebrauchswert der Arbeitskraft im Produktionsprozeß fällt schon hier dem Kapital anheim, während den Arbeiter nur mehr die Tauschwertseite seiner eigenen Arbeitskraft angeht, die in die Zirkulationssphäre fällt und dem Produktionsprozeß vorgeschoben ist. “Andererseits ist der Arbeiter selbst absolut gleichgültig gegen die Bestimmtheit seiner Arbeit, sie hat als solche nicht Interesse für ihn, sondern nur soweit sie überhaupt Arbeit und als solche Gebrauchswert für das Kapital ist “ (Grundrisse S.204). Im selben Zusammenhang schreibt Marx: “Das Material, das es (das Arbeitsvermögen E.L.) bearbeitet, ist fremdes Material; ebenso das Instrument fremdes Instrument...Ja, die lebendige Arbeit selbst erscheint als fremd gegenüber dem lebendigen Arbeitsvermögen, dessen Arbeit sie ist, dessen eigene Lebensäußerung sie ist, denn sie ist abgetreten an das Kapital gegen vergegenständlichte Arbeit...Das Arbeitsvermögen verhält sich zu ihr als einer fremden, und wenn das Kapital es zahlen wollte, ohne es arbeiten zu lassen, so würde es mit Vergnügen den Handel eingehen. Seine eigene Arbeit ist ihm ebenso fremd...wie das Material und Instrument” (Grundrisse S.366). Diese Fremdheit betrifft allerdings auf dieser Stufe erstmal nur
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die Eigentumsseite, noch nicht den Produktionsablauf selber. Das Kapital
beginnt historisch damit, den Produktionsprozeß seinem Kommando zu
unterwerfen, so wie es ihn vorfindet. So lesen wir bei Marx: “Weder
erfand, noch fabrizierte das Geldvermögen Spinnrad und Webstuhl. Aber
losgelöst von ihrem Grund und Boden gerieten Spinner und Weber mit
ihren Stühlen und Rädern in die Botmäßigkeit des Geldvermögens
etc. Eigen ist dem Kapital nichts als die Vereinigung der Massen von Händen
und Instrumenten, die es vorfindet. Es agglomeriert sie unter seiner Botmäßigkeit”
(Grundrisse S.407).
Solange das Kapital lediglich die vorgefundenen Produktivkräfte,
in erster Linie verkörpert in den Arbeitsmitteln, nur übernimmt,
bleibt seine Herrschaft über den Produktionsprozeß formell.
Die Mehrwertabpressung läuft in dieser Phase allein über die
gnadenlose Verlängerung des Arbeitstages, also Abschöpfung absoluten
Mehrwerts. Die Verlängerung des Arbeitstages bis an die physischen
Grenzen der Produzenten wird erzwungen, die Struktur der Arbeit selber
allerdings bleibt beim Alten und den unmittelbaren Produzenten überlassen.
Mit der Schaffung des freien Lohnarbeiters ist die Möglichkeit
zum Abstraktwerden der lebendigen Arbeit gegeben, insoweit der Gebrauchswert
seiner Arbeitskraft den Arbeiter nicht angeht und er vom Kapital zu allem
nach dessen Plaisir verwendet werden kann. Allerdings muß das Kapital
erst stofflich die Möglichkeit schaffen, daß Arbeitskraft in
anderer Weise angewendet werden kann als traditionell. Bis dahin bleibt
im Produktionsprozeß die traditionelle organische Verwachsung von
unmittelbaren Produzenten und Produktionsmittel erhalten.
Reelle Subsumtion der Arbeit unter das Kapital
Der erste Schritt in diese Richtung ist die Zergliederung der Arbeit in der Manufaktur, aber erst mit der Einführung der Maschinerie gelingt es dem Kapital wirklich, die Möglichkeit zum Abstraktwerden der Arbeit einzulösen. Erst sie ermöglicht ihm, den Produktionsprozeß wirklich in der ihm spezifischen Weise zu unterwerfen. Wenn mit der Kombination der Arbeiter in der Manufaktur der Übergang zur spezifsch kapitalistischen Weise der Mehrwertproduktion, der Produktion des relativen Mehrwerts, beginnt, so vertieft und befestigt die Entwicklung zur Industrie diesen entscheidenden Schritt. “Die Entwicklung des Arbeitsmittels zur Maschinerie ist nicht zufällig für das Kapital, sondern ist die historische Umgestaltung des traditionell überkommenen Arbeitsmittel als dem Kapital adäquat umgewandelt” (Grundrisse S.586). “Die Maschinerie erscheint also als die adäquateste FOrm des capital fixe und das capital fixe, soweit das Kapital in seiner Beziehung auf sich selbst betrachtet wird, als die adäquateste Form des Kapitals überhaupt” (Grundrisse S.586). Erst die Maschinerie macht die Arbeit auch stofflich abstrakt, denn “mit dem Arbeitswerkzeug geht auch die Virtuosität in seiner Führung vom Arbeiter auf die Maschine über” (MEW Band 23 S.442).
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Akkumulation gesellschaftlicher Produktivkraft als Entleerung der unmittelbaren
Arbeit
“Das Wissen erscheint in der Maschine als fremdes außer ihm (dem Arbeiter E.L.); und die lebendige Arbeit subsumiert unter die selbständig wirkende vergegenständlichte” (Grundrisse S. 586). “Die Akkumulation des Wissens und des Geschicks der allgemeinen Produktivkräfte des gesellschaftlichen Hirns, ist so der Arbeit gegenüber absorbiert in dem Kapital und erscheint daher als Eigenschaft des Kapitals, und bestimmter des capital fixe, soweit es als eigentliches Produktionsmitteln in den Produktionsprozeß eintritt “(Grundrisse S.586). Im selben Maße wie die Anwendung des gesellschaftlichen Wissens sich zur Produktivkraft entwickelt und der Produktionsprozeß zunehmend gerade auch stofflich vom Kapital vergesellschaftet wird, im selben wachsenden Maße wird die lebendige Arbeit in immer größere Armseligkeit versetzt. “Wenn die einzelne Arbeit als solche überhaupt aufhört als produktiv zu erscheinen, vielmehr nur produktiv ist in den gemeinsamen, die Naturgewalten sich unterordnenden Arbeiten und diese Erhebung der unmittelbaren Arbeit in gesellschaftliche als Reduktion der einzelnen Arbeit auf Hilflosigkeit gegen die im Kapital repräsentierte, konzentrierte Gemeinsamkeit erscheint” (Grundrisse S.588), so kann weitere Vergesellschaftung, die schließliche Entwicklung der Wissenschaft zur Produktivkraft diesen Trend im kapitalistischen Rahmen nicht wenden. Es gilt nur und gilt zusehends gründlicher:”Die Tätigkeit des Arbeiters, auf eine bloße Abstraktion der Tätigkeit beschränkt, ist nach allen Seiten hin bestimmt und geregelt durch die Bewegung der Maschinerie, nicht umgekehrt. Die Wissenschaft, die die unbelebten Glieder der Maschinerie zwingt durch ihre Konstruktion zweckmäßig als Automaten zu wirken, existiert nicht im Bewußtsein des Arbeiters, sondern wirkt durch die Maschine als fremde Macht auf ihn, als Macht der Maschine selbst. Die Aneignung der lebendigen Arbeit durch die vergegenständlichte Arbeit - die verwertende Kraft oder Tätigkeit durch den für sich seienden Wert -, die im Begriff des Kapitals liegt, ist in der auf Maschinerie beruhenden Produktion als Charakter des Produktionsprozesses selbst, auch seinen stofflichen Elementen und seiner stofflichen Bewegung nach gesetzt. Der Produktionsprozeß hat aufgehört, Arbeitsprozeß in dem Sinn zu sein, daß die Arbeit als die ihn beherrschende Einheit über ihn übergriffe. Sie erscheint vielmehr nur als bewußtes Organ, an vielen Punkten des mechanischen Systems in einzelnen lebendigen Arbeitern; zerstreut, subsumiert unter den Gesamtprozeß der Maschinerie selbst, selbst nur ein Glied des Systems, dessen Einheit nicht in der lebendigen Arbeit, sondern in der lebendigen (aktiven) Maschinerie existiert, die seinem einzelnen, unbedeutenden Tun gegenüber als gewaltiger Organismus ihm gegenüber erscheint. In der Maschinerie tritt die vergegenständlichte Arbeit der lebendigen Arbeit im Arbeitsprozeß selbst als die sie beherrschende Macht gegenüber, die das Kapital als Aneignung der lebendigenArbeit seiner Form nach ist. Das Aufnehmen des Arbeitsprozesses als bloßes Moment
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des Verwertungsprozesses des Kapitals ist auch der stofflichen Seite
nach gesetzt durch die Verwandlung des Arbeitsmittels in Maschinerie und
der lebendigen Arbeit in bloßes Zubehör dieser Maschinerie”
(Grundrisse S.584-585). In dieser entwickelten Gestalt durchdringt die
abstrakte Arbeit aber erst sehr spät die gesamte gesellschaftliche
Produktion. Die Verwissenschaftlichung der Produktion setzt sich erst nach
dem 2. Weltkrieg endgültig durch.
Gegenläufige Tendenzen in der Geschichte des Kapitalverhältnisses
In der Geschichte tritt diese Tendenz zum Abstraktwerden von Arbeit
gebrochen auf. Partiell stellt das Kapital auf veränderter technologischer
Grundlage die Verwachsung der Arbeitskraft mit ihrem spezifischen Arbeitsvermögen
wieder her. Das Kapital erzeugte gerade auch in Deutschland vor dem 1.
Weltkrieg umfangreiche handwerkelnde Facharbeiterformationen, die sich
durch eine relative unabhängige und deshalb starke Stellung im Produktionsprozeß
auszeichneten, sich in einem hohen Maß mit ihrer Arbeit identifizierten
und sich über deren Besondertheit definieren konnten. Das eigentliche
Produktionswissen war ihr Monopol und somit der Produktionsprozeß
vom Kapital stofflich nur bedingt kontrollierbar. Sie standen dem Produktionswissen
alles andere als in nackter Armseligkeit gegenüber. Politisch hatte
dies immense Folgen. Gerade diese handwerkelnden Facharbeiterformationen
waren das Rückgrat der proletarischen Kampfkraft und sie prägten
die klassische Arbeiterbewegung tiefgreifend. Arbeitsstolz und die starke
Stellung im Produktionsprozeß bestimmten sowohl die politischen Ausdrucksformen
und Zielvorstellungen als auch die Organisationsformen. Es ist vor diesem
Hintergrund kein Wunder, daß sich die landläufige Sozialismusvorstellung
damals auf die ersatzlose Streichung der “parasitären Kapitalisten”
beschränkte, während die Kritik am Wert und am Lohnfetisch keine
nennenswerte Rolle spielte, genauso wenig wie eine Umgestaltung des Produktionsprozesses
selber ins Auge gefasst wurde. Auch wo diese Schichten radikal wurden,
war dies nicht anders. So war z.B. ihre “... Stellung ... materiell am
meisten prädisponiert, ein organisatorisch-politisches Programm wie
das der Arbeiterräte, d.h. der Selbstverwaltung der Produktion aufzugreifen.
Die Aufnahme, die diese Vorstellung über Arbeiterselbstverwaltung
in der deutschen Rätebewegung fanden, wäre ... nicht so verbreitet
gewesen ohne das Vorhandensein einer Arbeitskraft, die unauflöslich
mit der Technologie des Prozesses verbunden war und die - von beruflichen
und betrieblichen Wertvorstellungen zutiefst bestimmt - auf natürliche
Weise dazu geführt wurde, die eigene Rolle als Produzent hervorzukehren.”
(Sergio Bologna in “Zusammensetzung der Arbeiterklasse und Organisationsfrage”,
Merve-Verlag Berlin 1973). Allenthalben proklamierte die traditionelle
Arbeiterbewegung den Stolz des unmittelbaren Produzenten, “der alle Werte
schafft” und das Proletariersein wurde nicht als besonderes aufzuhebendes
Unglück gesehen, sondern als Ehre, die nur gesellschaftlich noch nicht
adäquat anerkannt
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wird. Das gilt sowohl für die sozialdemokratisch-marxistische
Linie in der Arbeiterbewegung als auch für den Syndikalismus. Gerade
die Beschränkung der italienischen Syndikalisten in der Krisenzeit
bis zur Machtübernahme Mussolinis auf den Einzelbetrieb, der bewußte
Verzicht auf politische Aktion außerhalb des betrieblichen Rahmens,
wird nur vor diesem Hintergrund verständlich. Die starke Stellung
der Facharbeiterformationen im Produktionsprozeß prädisponierte
sowohl die Kampfkraft als auch die Beschränkung der klassischen Arbeiterbewegung.
Klassenzusammensetzung und Geschichte der Arbeiterbewegung
Die Geschichte der Arbeiterbewegung zur Zeit der 2. Internationalen und nach deren Verfall wird nur verständlich vor dem Hintergrund dieser besonderen Zusammensetzung der Klasse. Überhaupt ist die Geschichte der Klassenzusammensetzung die eigentliche materielle Grundlage der Geschichte der Arbeiterbewegung. Die Arbeiterklasse erblickt das Licht der Welt zunächst als variables Kapital und bleibt dies grundlegend. Die Geschichte der Arbeiterbewegung ist erst einmal und wesentlich die Geschichte der Klasse und ihrer Segmente im kapitalistischen Produktionsprozeß und zu ihm. Diese Grundlage ist allerdings weitgehend unter reiner Partei- und Organisationsgeschichte verschütt gegangen. Das ist ein wichtiger Grund, warum die Rezeption der Geschichte der Arbeiterbewegung durch die Neue Linke insgesamt so wenig befriedigend geblieben ist. Abgelöst von ihrer materiellen Basis erschöpfte sie sich doch weitgehend in einer idealistisch verbleibenden Organisationsdebatte, der penetrant langweilenden Wiederholung der ideologischen Kämpfe der 2. und 3.Internationale, während deren materieller Gehalt vorwiegend außen vor blieb. Die Ansätze, die es zu Beginn des Jahrhunderts gegeben hatte, z.B. Lenins Arbeiteraristokratiethese, wurden nicht weiterentwickelt.
Taylorismus als Stufe kapitalistischer Entwicklung
Wenn auch die klassische Arbeiterbewegung gerade durch eine Gegentendenz zur schnellen Abstraktsetzung der lebendigen Arbeit bestimmt wurde, so bleibt doch jenseits dieses retardierenden Moments die Haupttendenz in der Geschichte des Kapitals die Entmachtung des unmittelbaren Produzenten, seine direkte Subsumtion unter den Maschinenprozeß. Mit der Ausbreitung des Taylorismus erfaßt diese Tendenz auch die traditionellen Facharbeitertypen und begann deren alte Grundlage zu zerstören. Das Wesen des Taylorismus ist die Enteignung der traditionellen Facharbeiter vom Produktionswissen via Arbeitswissenschaft. Arbeitswissenschaft ist schlicht ein Synonym für die Übertragung und Monopolisierung des mit dem unmittelbaren Produzenten verwachsenen Produktionswissens. Der alte Facharbeiter wird seines Produktionswissens, das ihm als Quasieigentum seine relativ privilegierte Stellung gegenüber dem Kapital
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sicherte, entkleidet und es tritt ihm künftig als Fremdes, in
Maschinerie und Arbeitsorganisation geronnen, gegenüber. Die verschiedenen
Arbeitsschritte, die der alte Facharbeiter in seiner Profession vereinigte,
werden in einzelne Handgriffe zerlegt und als solche vom kapitalistischen
Kommando verschiedenen Arbeitern zugeteilt. Das Fließband als Symbol
der neuen Arbeitsteilung macht diese Zergliederung des Arbeitsprozesses
unter anderem möglich. Erst durch sie gewinnt das Kapital die stoffliche
Kontrolle über den Produktionsprozeß. Die konkreten Produktionsschritte
bleiben erstmal weitgehend die selben, die Arbeitswissenschaft orientiert
sich technisch an den überkommenen Arbeitsabläufen, versucht
sie lediglich zu effektivieren, aber das Wissen um sie, das bei den verschiedenen
Facharbeiterberufen verteilt lag, wird nun vom Kapital zentralisiert. Zwar
bleibt die lebendige Arbeit als Ganzes noch immer Agens des Produktionsprozesses,
aber die einzelne Arbeit ist “auf Hilflosigkeit” reduziert gegen die “im
Kapital konzentrierte Gemeinsamkeit.”
In Deutschland, aber nicht nur dort, ist in diesem Zusammenhang der
1. Weltkrieg ein entscheidender Einschnitt. Die Kriegsproduktion als Massenproduktion
machte den Übergang zu zerlegter und zum Teil mechanisierter Produktion
möglich, wie sie in den vor dem Krieg prägenden Bereichen mit
ihren kleineren Serien einfach noch nicht durchführbar war. Andererseits
machte die kriegsbedingte Umstrukturierung der arbeitenden Klasse selber,
der Ausfall vieler gutausgebildeter Facharbeiter durch deren militärischen
Einsatz und die Auffüllung der Lücken durch Unqualifizierte,
insbesondere Frauen, diesen Schritt auch unumgänglich notwendig. Beim
Übergang zur Friedensproduktion wurden diese neuen Errungenschaften
dann nach und nach in den zivilen Bereich übernommen.
Arbeitswissenschaft und Naturwissenschaft
Die Anwendung der Arbeitswissenschaft zur Zerlegung der bis dahin integrierten Tätigkeiten ersetzt nicht weitere Mechanisierung, sondern bereitet sie vor. Erst auf großer Stufenleiter der kapitalistischen Produktionsweise kann die Anwendung der Naturwissenschaft in der Produktion via Maschinerie unabhängig von der Anwendung der Arbeitswissenschaft auftreten, sich aus ihrem Dunstkreis lösen. Das antizipiert Marx schon in den Grundrissen: “Es ist einerseits direkt aus der Wissenschaft entspringende Analyse und Anwendung mechanischer und chemischer Gesetze, welche die Maschine befähigt, dieselbe Arbeit zu verrichten, die früher der Arbeiter verrichtete. Die Entwicklung der Maschinerie auf diesem Weg tritt jedoch erst ein, sobald die Industrie schon höhere Stufe erreicht hat und die sämtlichen Wissenschaften in den Dienst des Kapitals gefangen genommen sind; andererseits die vorhandene Maschinerie selbst schon große Ressourcen gewährt. Die Erfindung wird dann ein Geschäft und die Anwendung der Wissenschaft auf die unmittelbare Produktion selbst ein für sie bestimmender und sollizitierender Gesichtspunkt. Dies ist aber nicht der Weg, worin die Maschinerie im großen entstanden ist, und noch weniger der,
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worin sie im Detail fortschreitet. Dieser Weg ist die Analyse - durch
Teilung der Arbeit, die die Operation der Arbeiter schon mehr und mehr
in mechanische verwandelt, so daß an einem gewissen Punkt der Mechanismus
an die Stelle treten kann. Es erscheint hier also direkt die bestimmte
Arbeitsweise übertragen von dem Arbeiter auf das Kapital in der Form
der Maschine, und durch diese Transposition seines eigenen Arbeitsvermögens
entwertet” (Grundrisse, S. 591).
Die Taylorisierung und die Ersetzung taylorisierter Arbeit durch die
Maschinerie verhalten sich in dieser von Marx skizzierten Weise zueinander.
Erst mit einer weitgehenden Ersetzung der mechanisierten Arbeit durch
die Maschinerie tritt die lebendige Arbeit endgültig “neben den Produktionsprozeß,
statt sein Hauptagent zu sein” (Grundrisse, S. 593). Erst damit ist der
Produktionsprozeß durch und durch von der Anwendung der Naturwissenschaft
geprägt. Die abstrakte Arbeit ändert mit diesem Schritt ihre
Erscheinungsform. Waren für sie bisher in ihrer ausgeprägtesten
Form entleerte, ständig wiederholte Handgriffe typisch, so wird ihr
neues Hauptcharakteristikum ihre Äußerlichkeit zum Produktionsprozeß
selber. Hauptaufgabe ist die ständige Überwachung und Kontrolle
des Produktionsprozesses, der als Naturprozeß selbsttätig abläuft
und nur punktuell und im Störungsfall des menschlichen Eingriffs bedarf.
Humaner ist diese Arbeit wohl kaum, zumindest verlangt sie ein relativ
hohes Maß an Konzentration und läßt entlastende Habitualisierungen
nicht zu. Die körperliche Belastung verschwindet zwar nicht, verliert
aber relativ an Gewicht.
Dieser Ablöseprozeß der einen Form von abstrakter Arbeit
durch ihre entwickeltere Gestalt geht nur allmählich und von Branche
zu Branche unterschiedlich voran. Die lebendige
Arbeit als unmittelbar produktive Arbeit bleibt noch lange als Lückenbüßer
im automatischen Maschinensystem erhalten. Mit der Einführung der
Mikroelektronik macht diese Entwicklung einen qualitativen Sprung, dessen
Tragweite kaum zu überschätzen ist. Sie führt die skizzierte
Ebene des Abstraktsetzens von Arbeit bis zu ihrem konsequenten Ende und
hebt es gleichzeitig auf ein neues Niveau, das wir noch umreißen
wollen. Ersteres können wir leicht und anschaulich in der IG-Metall
Studie über “die negativen Folgen der Rationalisierung” nachlesen:
“Es gibt zunehmend weniger beeinflußbare Zeiten. Der unmittelbare
Einfluß der Arbeitenden auf die Arbeitsprozeßgestaltung nimmt
ab” (S. 63 der Kurzfassung von 1983). “Den Arbeitern und Angestellten auf
der ausführenden Ebene, sowie dem mittleren Management werden Fachwissen,
Erfahrung und Zeitvorteile aufgrund ihrer größeren Produktionsnähe
entzogen('enteignet'). Gewachsene personelle Vorgesetztenverhältnisse
und Einflußmöglichkeiten verändern sich. Z.B. geben nicht
mehr Zeitnehmer und Planer direkt Daten vor, sondern das obere Management
durch ihre jederzeitigen Kontrollmöglichkeiten über den Produktionsfortschritt.
Faktisch werden die betrieblichen Machtverhältnisse zentralisiert”
(S. 63 der Kurzfassung). Von dieser Seite her perfektioniert die Mikroelektronik
nur Taylor auf neuer technischer Grundlage. Auf der anderen Seite treibt
sie den kapitalistischen Produktionsprozeß, wo sie die unmittelbare
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produktive Arbeit zusehends verdrängt, über Taylor hinaus.
Taylorismus und die hierarchische Gliederung der Arbeiterklasse
Mit der weitgehenden Enteignung seines Produktionswissens durch die
Arbeitswissenschaft verliert der alte Facharbeiter zwar in vielen Bereichen
seine traditionelle Basis, er verschwindet aber nicht ersatzlos, sondern
wird als Kommandeur und Unterkommandeur wiedergeboren. Für den unmittelbaren
Produktionsarbeiter ist er als Meister und Vorarbeiter die Inkarnation
der Kombination der Arbeit durch das Kapital. Der Mehrheit der auf die
Personifizierung eines Handgriffs reduzierten unmittelbaren Produzenten
gegenüber vertritt er als Teil der Betriebshierarchie die Totalität
des Produktionsprozesses. Je differenzierter die Arbeitsteilung, je armseliger
die Stellung des vereinzelten unmittelbaren Produzenten, desto wichtiger
wird diese Funktion gegenüber eventuell verbliebenen technischen Fertigkeiten.
Die technisch-handwerklerische Seite überlebt nur in den die Produktion
begleitenden Bereichen in größerem Umfang (Instandhaltung, etc.).
Ansonsten wird der alte Facharbeiter tendenziell eher zum Arbeitsorganisator
und tritt auf diese Weise aus dem unmittelbarsten Produktionsprozeß.
Die Unterscheidung nach handwerklicher Besonderung der Arbeit tritt
in den Hintergrund, während die Arbeitskraft sich vorwiegend nach
ihrer Stellung in der Kommandohierarchie gliedert. Dabei wiederholt sich,
was Marx im “Kapital” für den Übergang von der Manufaktur zur
großen Industrie sagte: “An die Stelle der künstlich erzeugten
Unterschiede der Teilarbeiter treten vorwiegend die natürlichen Unterschiede
des Alters und des Geschlechts” (MEW 23 S.442). Eine ebenso große
Bedeutung hat ein quasi-natürliches Merkmal, das Marx an dieser Stelle
nicht erwähnte: die Nationalität.
Gerade in Deutschland hat die Gliederung der Arbeitskraft nach völkischen
Gesichtspunkten eine lange, unselige Tradition. Dieser Mechanismus von
Klassenspaltung feierte hierzulande seine Entstehung mit den Polenimporten
Ende des 19. Jhds. und erreichte seine Krönung im Zwangsarbeitssystem
des Faschismus der letzten Kriegsjahre. Damals herrschte ein Spaltungs-
und Zergliederungssystem, das sich von der Vernichtung durch Arbeit für
Juden, polnische und russische Kriegsgefangene über die besser gestellten
westeuropäischen Kriegsgefangenen und Zwangsrekrutierten weiter zu
den quasi-freiwilligen italienischen “Fremdarbeitern” und schließlich
zu den privilegierten deutschen Vorarbeitern erstreckte. (Deren Hauptprivileg
bestand darin, bei entsprechender Arbeitsleistung - in erster Linie
der ihnen zugeteilten Zwangsarbeiter - als”unabkömmlich” vor der
Versendung zur Front einigermaßen sicher sein zu können).
Nach dem Krieg wurde dieses System auf zivile Bedingungen umgebaut
und ging perfektioniert als konstituierendes Moment in das “Modell Deutschland”
ein. Hier liegt eine wesentliche materielle Grundlage für den Rassismus,
der dieses Land nach wie vor ziert und an dem kein bloßes Humanitätsgewinsel
auch nur das Geringste ändern kann.
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Ähnliches gilt im Bereich der Frauenarbeit. In weiten Bereichen
industrieller Frauenbeschäftigung sind weiter Meister- und Vorarbeiterpositionen
Männern vorbehalten. In beiden Fällen betonieren biologische
und quasi-biologische Unterschiede die hierarchische Gliederung. Die Gewerkschaften
stehen dem alles andere als feindlich gegenüber. Wenn die Gewerkschaften
vor dem 1. Weltkrieg in erster Linie die handwerkelnden Facharbeiter repräsentierten,
so etablieren sie sich seitdem zusehends als Interessenvertretung der Vorarbeiter
und Meister, der Unterkommandeure des Kapitals. Entsprechend hat sich ihr
Charakter verändert. Der Korporatismus relativ unabhängiger spezialisierter
Arbeiter ist dem Korporatismus der Unterkommandeure und Executoren des
Kapitals gewichen. Der Produktivitätspakt zwischen Kapital und Gewerkschaften
hat eine Wurzel auch in der Antreibermentalität tragender Teile der
Gewerkschaftsbasis. Auch wenn sich die Gewerkschaften mitunter in anderen
Arbeiterschichten um Beitragszahler bemühen, ändert dies nichts
an ihrem grundsätzlichen Charakter. Mit der jüngsten Umstrukturierung
der Klasse in den 80er Jahren wird dies noch deutlicher sichtbar.
Mikroelektronik-Naturwissenschaft als Agens der Produktion und die konkret-abstrakte Arbeit
Heute, mit der technischen Umwälzung der Produktion durch die Mikroelektronik,
wird auch die im Produktionsprozeß vernutzte lebendige Arbeit erneut
tiefgreifend umgewälzt. Ihre noch immer bestehende relative Macht
als Agens des Produktionsprozesses fällt endgültig der Vernichtung
anheim. Nun erst wird Marxens Prognose endgültig wahr. Die Verwissenschaftlichung
der Produktion setzt die lebendige Arbeit in eine Stufe von Abstraktheit
und Hilflosigkeit gegenüber der im Kapital komprimierten gesellschaftlichen
Macht, die Anfang der 7oer Jahre noch undenkbar gewesen ist. Die auf die
Spitze getriebene Vergesellschaftung der stofflichen Produktion erscheint
auf Seiten der lebendigen Arbeit als deren restloses Abstraktwerden.
Die in der Mikroelektronik geronnene Anwendung der Naturwissenschaft
wird nach und nach zur gemeinsamen naturwissenschaftlich-technischen Basis
in den unterschiedlichsten Anwendungsbereichen. Sie wird gemeinsame Grundlage
in einem gerade auch in Hinblick auf die lebendige Arbeit viel weiterem
Maße als dies beim klassischen Maschinensystem der Fall war. Die
bisherigen industriellen Revolutionen wälzten in erster Linie die
Antriebssysteme um (Dampf, Erdöl, Elektrizität) und verallgemeinerten
deren produktive Anwendung, beließen die Arbeitsabläufe jedoch
in ihrer jeweiligen Gesondertheit. Das Maschinensystem übertrug das
spezifische handwerklerische Wissen auf die Maschine, die selber so wieder
diese Spezifizität reproduzieren mußte. Es entstanden Spezialmaschinen
mit recht unterschiedlichen Funktionsweisen und entsprechend von Industriezweig
zu Industriezweig unterschiedlichen konkreten Arbeiten, die sie erforderlich
machten. Die alte handwerkliche Besonderung der konkreten Arbeiten zog
über die Maschinerie, die
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deren Spuren folgte, ein gewisses Maß an Spezifizierung der Arbeit
an dieser Maschinerie nach sich. Erst die Verwissenschaftlichung der Produktion
via Mikroelektronik löst diese endgültig von handwerklerischer
Erfahrung und vereinzelter Tüftelei.
Die Naturwissenschaft als gesellschaftliches Ganzes wird zur allgemeinen
stofflichen Basis der Produktion des gesellschaftlichen Reichtums. Es sind
in immer größeren Bereichen die selben wissenschaftlichen Erkenntnisse
und deren analoge technische Übersetzung, “die als der große
Grundpfeiler der Produktion des Reichtums” (Grundrisse S. 593) erscheinen.
Für die konkreten Arbeitsprozesse hat dies zur Folge, daß sie
einander in einem bisher unbekannten Maße angeglichen werden. Wenn
laut der IG-Metallstudie zu den negativen Folgen der Rationalisierung es
“Auffallend ist, daß von Betriebsräten aus räumlich, größenordnungs-
und branchengemäß unterschiedlichen Betrieben die gleichen Arbeitsplätze
als krankmachend bezeichnet werden” (S. 62 der Kurzfassung von 1983), so
drückt sich dieser Sachverhalt darin aus. Denn “die neuen Technologien
sind universelle Rationalisierungs- und Kontrolltechnologien, die wegen
ihrer Flexibilität in fast jeden Bereich menschlicher Tätigkeit...eindringen
können” (a.a.O. S. 66).
Die Arbeit erscheint nicht länger nur in dem Sinne abstrakt, daß
“die Individuen mit Leichtigkeit aus einer Arbeit in die andere übergehen”
(Grundrisse S. 25), wie es Marx für die USA des 19. Jhd. skizzierte,
die verschiedenen konkreten Arbeiten selber variieren kaum mehr. Wer seine
Arbeit wechselt, tut nichts qualitativ anderes als zuvor. Die selbe technische
Anlage kann, nur leicht umgebaut, völlig andere Produkte herstellen,
und eine andere Anlage erfordert von der lebendigen Arbeit nahezu identische
Verrichtungen. Die noch vor kurzem eindeutige Verbindung zwischen einer
konkreten, nützlichen Arbeit und dem speziellen Produkt, in das sie
eingeht, schwindet. Sie ist nicht länger gebunden an einen bestimmten
Gebrauchswert, sondern erscheint unmittelbar als nicht abgrenzbarerPartikel
jenes vergesellschafteten Prozesses, der allen stofflichen Reichtum zeugt.
Damit wird die Dichotomie zwischen abstrakt menschlicher Arbeit und konkret
nützlicher, die Marx im 1. Kapitel des Kapitals einführt, ausgehöhlt.
Wenn dort in der Marxschen Analyse der gesellschaftliche Charakter der
Produkte sich nur darin äußert, daß sie Gebrauchswerte
nicht für ihren Produzenten, sondern für andere sind, er also
für den Markt produziert und seine Arbeit als gesellschaftliche Arbeit
nur in der Zirkulation, also auf der Seite des Tauschwerts erscheint, während
sie gleichzeitig als konkret nützliche Arbeit Privatarbeit bleibt,
so wird dieses Verhältnis nun gründlich zerschlagen. Die Arbeit
ist nunmehr gesellschaftliche Arbeit nicht nur im Hinblick auf den Tauschwert,
sie ist vergesellschaftet auch auf der stofflichen Seite in der Produktion
der Gebrauchswerte. Ihr gesamtgesellschaftlicher Charakter erschöpft
sich dabei nicht in der altbekannten Kombination verschiedener Arbeiter
durch das Einzelkapital im Einzelbetrieb, wo die stofflich in ein Produkt
eingehende Arbeit noch weiterhin klar umrissen allein im Einzelbetrieb
verausgabte Arbeit ist und daher das Produkt notwendig als Privatprodukt,
wenn nicht des Einzelkapitalisten, so doch zumindest der klar umrissenen
Belegschaft dieses
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speziellen Betriebes erscheint (Rätegedanke). Diese saubere Abgrenzung
ist verschwunden. Hinter der Produktion jeder Stecknadel scheint die gesamtgesellschaftliche
Infrastrukturauf. Die Dichotomie von Gebrauchswerte produzierender konkret
nützlicher Arbeit und Tauschwert produzierender abstrakt menschlicher
Arbeit ist geknüpft an den privaten Charakter der Produktion und verschwindet
mit diesem.
Das treibende Moment des Produktionsprozesses ist nicht länger
die konkret in ein Produkt verausgabte Arbeit, sondern die Anwendung einer
von vornherein gesellschaftlichen Potenz,der Naturwissenschaft. Wenn die
Produkte stofflich gesellschaftlich werden, also Produkte einer gesellschaftlichen
Gesamtproduktivkraft, so verlieren auch die Arbeitsabläufe ihre Verbindung
zum gerade produzierten besonderen Gebrauchswert, können selber nicht
länger in Besonderung verharren und werden austauschbar. Die konkreten
Arbeiten sind restlos unter die vergesellschaftete Produktivkraft subsumiert.
Marx entfaltet begrifflich schon in den Grundrissen diesen Zusammenhang,
der historisch erst heute Konturen gewinnt und das Wertgesetz in die Luft
sprengen muß: “Es ist nicht mehr der Arbeiter, der modifizierten
Naturgegenstand als Mittelglied zwischen das Objekt und sich einschiebt;
sondern der Naturprozeß, den er in einen industriellen verwandelt,
schiebt er als Mittel zwischen sich und die unorganische Natur, deren er
sich bemeistert.Er tritt neben den Produktionsprozeß, statt sein
Hauptagent zu sein. In dieser Umwandlung ist es weder die unmittelbare
Arbeit, die der Mensch selbst verrichtet, noch die Zeit, die er arbeitet,
sondern die Aneignung seiner eigenen allgemeinen Produktivkraft, sein Verständnis
der Natur und die Beherrschung derselben durch sein Dasein als Gesellschaftskörper
- in einem Wort die Entwicklung des gesellschaftlichen Individuums, die
als der große Grundpfeiler der Produktion und des Reichtums erscheint.
Der Diebstahl an fremder Arbeitszeit, worauf der jetzige Reichtum beruht,
erscheint miserable Grundlage gegen diese neuentwickelte, durch die große
Industrie selbst geschaffene. Sobald die Arbeit in unmittelbarer Form aufgehört
hat, die große Quelle des Reichtums zu sein, hört und muß
aufhören die Arbeitszeit sein Maß zu sein und daher der Tauschwert
(das Maß) des Gebrauchswerts. Die Surplusarbeit der Masse hat aufgehört,
Bedingung für die Entwicklung des allgemeinen Reichtums zu sein, ebenso
wie die Nichtarbeit der Wenigen für die Entwicklung der allgemeinen
Mächte des menschlichen Kopfes. Damit bricht die auf dem Tauschwert
ruhende Produktion zusammen” (Grundrisse S. 592/593).
So oft in der marxistischen Diskussion auf diese Stelle Bezug genommen
wurde, so oft ist sie unverstanden geblieben. Immer wurde “die Entwicklung
des gesellschaftlichen Individuums...als der Grundpfeiler der Produktion
und des Reichtums”, als ein erst im Sozialismus zu verwirklichendes Ziel
gedeutet, ebenso wie das Ende des Wertgesetzes, und nicht als ein Prozeß,
der sich, wenn auch nur katastrophenhaft, schon innerhalb des Kapitalverhältnisses
zu vollziehen beginnt. Befangen im Wertgesetz, und es mehr oder minder
für ein Naturgesetz haltend, verschwand dessen Untergrabung durch
den kapitalistischen Prozeß selber vollständig aus dem Bewußtsein
und verschwand umso mehr, als sich die klassische
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Arbeiterbewegung real mit einer Stufe der Produktiventwicklung konfrontiert
sah, die sich noch lange im Rahmen des Wertgesetzes bewegen konnte. Aber
während einst noch mit relativer Berechtigung die Abschaffung des
Wertgesetzes als nachrevolutionäre Aufgabe des Proletariats bei seiner
endgültigen Selbstaufhebung genommen wurde, muß heute dessen
katastrophenschwangere Zersetzung und das aus ihr resultierende Desaster
des Nachkriegskapitalismus Ausgangspunkt einer revolutionären Strategie
sein. Wir müssen heute Marxens Ausführungen in den Grundrissen
von dieser Seite her ernst nehmen, denn sie werden inzwischen praktisch
wahr. Das Kapital zerstört selber den Wert, seine logische Grundlage.
Die sich anbahnende langatmige Krise des Kapitals fußt letztlich
in nichts anderem als dem historischen Ende seiner grundlegenden Kategorie.
“Das Kapital ist selbst der prozessierende Widerspruch (dadurch), daß
es die Arbeitszeit auf ein Minimum reduziert, während es andererseits
die Arbeitszeit als einziges Maß und Quelle des Reichtums setzt.
Es vermindert daher die Arbeitszeit in der Form der notwendigen, um sie
zu vermehren in der Form der überflüssigen; setzt daher die überflüssige
in wachsenden Maß als Bedingung - question de vie et de mort - für
die notwendige. Nach der einen Seite hin ruft es also alle Mächte
der Wissenschaft und der Natur, wie der gesellschaftlichen Kombination
und des gesellschaftlichen Verkehrs ins Leben, um die Schöpfung des
Reichtums unabhängig (relativ) zu machen von der auf sie angewandten
Arbeitszeit. Nach der anderen Seite will es diese so geschaffenen riesigen
Gesellschaftskräfte messen an der Arbeitszeit, und sie einbannen in
die Grenzen, die erheischt sind, um den schon geschaffenen Wert als Wert
zu erhalten. Die Produktivkräfte und gesellschaftlichen Beziehungen
- beides verschiedene Seiten der Entwicklung des gesellschaftlichen Individuums
- erscheinen dem Kapital nur als Mittel, und sind für es nur Mittel,
um von seiner bornierten Grundlage aus zu produzieren. In fact aber sind
sie die materiellen Bedingungen, um sie in die Luft zu sprengen” (Grundrisse
S. 593/594).
Wenn wir daher vorher von der Aushöhlung der Dichotomie von konkret
nützlicher und abstrakt menschlicher Arbeit gesprochen haben, so drückt
sich darin eben nur die Zersetzung des Wertgesetzes aus. Wenn die konkrete
Arbeit selber abstrakt wird, so äußertsich darin die Rebellion
der schon vom Kapital vergesellschafteten Produktivkräfte gegen das
auf Privateigentum und imaginär gewordener seperater Privatarbeit
beruhende Wertgesetz. Die abstrakt gewordene konkrete Arbeit kündet
von dessen baldigem Zusammenbruch, von der Herausbildung eines Proletariats,
das nicht mehr Proletariat sein kann und daher das Kapitalverhältnis
aufheben wird, weil es dazu gezwungen ist. Abstrakt menschliche Arbeit
in diesem Sinn ist das lebendige Zubehör der stofflich vergesellschafteten
Produktion. Der abstrakte Arbeiter, auch gerade wenn er einfache Arbeit
leistet und keine potenzierte, ist selber gesellschaftliches Produkt, selber
gesellschaftliche Produktivkraft, erzeugt von einer umfänglichen Bildungsinfrastruktur.
Angewiesen auf einen allgemein-gesellschaftlichen Arbeiter, ist das Kapital
gezwungen, in seiner neueren Gestalt immer mehr, den
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Bildungsbereich von familiären und ständischen Resten zu
säubern und ihn von betrieblichen Zufälligkeiten freizuhalten.
Die Ausdehnung des Schulsystems mit der sozialdemokratischen Bildungsreform
schafft erst die adäquate gesellschaftliche Arbeitskraft für
das Kapital des ausgehenden 2o. Jahrhunderts. Die Formalisierung von Qualifikationen,
die Schwerpunktsverlagerung von der betrieblich-praktischen zur schulischen
Bildung sind notwendige Erscheinungsformen der Vergesellschaftung der Produktion.
Das Zurücktreten der Bedeutung von handwerklicher Erfahrung und Qualifikation
verschiebt die Gewichte zugunsten der allgemeineren Qualifikation. Die
Standardisierung und Verschulung der Bildung entspricht der Standardisierung
der Technologie und den Anforderungen, die diese an die lebendige Arbeit
stellt. Die vergesellschaftete Bildung fällt zusehends dem ideellen
Gesamtkapitalisten anheim, die betriebliche Spezifikation dessen Wissens
wird weniger wichtig. Betriebliche Arbeit bleibt lediglich von Bedeutung
als fortgesetzte Anpassung an eine sich ständig weiterentwickelnde
Wissenschaft und Technik, als Kampf der vereinzelten Arbeitskraft gegen
ihren moralischen Verschleiß. Wichtig ist in den qualifizierteren
Bereichen allein, daß eine Arbeitskraft die letzten Jahre verwandt
wurde und sich so den neuen technischen Standards anpassen konnte, weniger
wo sie speziell gearbeitet hat.
Logische und historische Entfaltung des Kapitalverhältnisses (Exkurs)
Auch das ist natürlich nur Tendenz und nicht in allen Bereichen
der gesellschaftlichen Produktion und Reproduktion schon gleichermaßen
alles erfassend Wirklichkeit geworden. Ausmaß und Geschwindigkeit
dieser Entwicklung zu bestimmen, ist eine Aufgabe für sich. Mir kommt
es hier auf zweierlei an. Erstens will ich nachweisen, daß die Marxschen
Kategorien gerade für die Analyse der modernen Umstrukturierungsprozesse
des zeitgenössischen Kapitalismus ein geeignetes analytisches Instrumentarium
abgeben und zweitens - und das hängt damit engstens zusammen - aufzeigen,
daß die so gerne beklagten und hier angedeuteten Phänomene,
weit entfernt davon, die Logik des Kapitals und den Antagonismus zwischen
Kapital und Arbeit außer Kraft zu setzen, im Gegenteil nichts anderes
darstellen, als die auf die Spitze getriebene kapitalistische Logik, die
dabei ist, den Sprengstoff zusammenzutragen und zu schichten, der sie selber
in die Luft jagen wird. Mir geht es erst einmal um die allgemeine Tendenz,
deren genaue Durchsetzung natürlich einer weiteren Untersuchung harrt.
Wenn ich die Marxschen Realkategorien als Gerüst meiner Betrachtung
genommen und deren Logik verfolgt habe, dann um deutlich zu machen, wie
sehr die modernste Wirklichkeit gerade in deren Richtung drängt.
Wie Lenin schon wußte, läuft, wer den Gang der Verhältnisse
zu antizipieren sucht, Gefahr, ihnen vorauszueilen. Das gesamte Marxsche
Werk ist dadurch charakterisiert. Marx entfaltete die begriffliche Logik
des Kapitals zu einer Zeit, als deren historische Entwicklung, gemessen
am heutigen Stand, noch in den Kinderschuhen steckte. Die Tendenz des Kapitals,
das Wertgesetz aufzuheben, und die daraus resultierende Erzeugung eines
Proletariats, das
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diese Tendenz dann auch zu exekutieren gezwungen ist, beides wird erst
allmählich richtig wahr mehr als 100 Jahre nach Marxens Tod. Die historische
Entwicklung des Kapitalverhältnisses blieb jahrzehntelang hoffnungslos
zurück hinter deren theoretischer Entdeckung. Die Verkürzungen
der traditionellen Marxinterpretationen haben hierin ihre grundlegende
Ursache. Die Marxsche Theorie konnte die Massen in ihrer authentischen
Gestalt nicht ergreifen, weil die Wirklichkeit selber noch nicht so weit
war, um zu den Marxschen Gedanken zu drängen. Die marxistischen Theoretiker
hielten diese Spannung kaum ansatzweise durch und lösten aus dem Marxschen
Werk nur die Brocken heraus, die einigermaßen schon in der Realität
greifbar wurden.
Die abstrakt menschliche Arbeit in ihrer entwickelteren Form war das
für das Facharbeiterproletariat und dessen intellektuelle Vertreter
in der Zeit der klassischen Arbeiterbewegung nicht, ebensowenig wie die
revolutionären Potenzen,die mit ihr einhergehen. Die Facharbeiter
als tragende Schicht der proletarischen Bewegung hatten nicht das mindeste
Interesse an ihrer Selbstaufhebung, und so fiel diese Selbstaufhebung in
den konkreten Sozialismusvorstellungen praktisch unter den Tisch. Die stoffliche
Grundlage für die von Marx theoretisch herausgearbeitete proletarische
Revolution schafft erst die Mikroelektronik. Erst heute zeichnet sich jene
Revolution ab, die nicht mehr auf der unzulänglichen Entwicklung des
Kapitalverhältnisses, oder auf vorübergehenden Friktionen in
seiner Entwicklung beruht, sondern im Gegenteil gerade darauf, daß
dieses dabei ist, auf die Spitze und damit über sich selbst hinauszutreiben.
Die Ironie der Geschichte besteht dabei darin, daß der authentische
Marxismus, völlig verschüttet unter den historisch notwendigen
Verkürzungen seiner Theorie, gerade in dem Augenblick von der Linken
als alte Kamelle abgelegt wird, wo die gesellschaftliche Realität
beginnt, die Höhe seiner theoretischen Reflexionen zu erreichen. Weil
sie den Marxismus mit seinen traditionellen Kastrierungen identifizieren,
beschließt die Linke Marx gerade in dem Augenblick zu Grabe zu tragen,
in dem eine massenhafte und vollständige Marxinterpretation erstmals
möglich, politisch wirksam und damit auch unumgänglich notwendig
wird.
Neue Technologien und “prekäre Arbeit”
Die vom Kapital schon vergesellschaftete und daher abstrakt gewordene konkrete Arbeit verliert ihre enge Bindung an den Einzelbetrieb und an die besondere Branche. Mit dem Verschwinden des Einzelbetriebs als ausschließlichen Bezugspunkt der stofflichen Produktion löst sich auch die materielle Grundlage der traditionellen Arbeiterformationen auf. Die produktive Kooperation sprengt den Rahmen des Einzelkapitals, erst recht des Einzelbetriebs und jagt dabei die geschlossenen überlieferten Arbeiterzusammenhänge gleich mit in die Luft. Deren Zersetzung ist nur die andere Seite der stofflichen Vergesellschaftung der Produktion durch deren Verwissenschaftlichung. Was von Gorz und anderen als Ende des
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Proletariats gedeutet wird, ist nichts anderes als die Kehrseite der
Krise des Wertgesetzes. Was real eine neue Stufenleiter in der Vergesellschaftung
ist, erscheint auf Seiten der Arbeiter als Atomisierung und Individualisierung.
In den 80er Jahren erleben wir einen qualitativen Sprung in der Geschichte
der Ware Arbeitskraft, dessen Tragweite erst in Umrissen absehbar ist.
Die skizzierten tiefgreifenden technologischen Umwälzungen fallen
zusammen mit Massenarbeitslosigkeit und zeitigen umso grundlegendere Folgen.
Das Kapital nutzt die Gelegenheit, die ihm die Krise bietet, um die Arbeitskraft
in eine neue, seiner veränderten technologischen Struktur entsprechende
Form zu bringen. Flexibilisierung ist das Stichwort, unter dem das Kapital
die abstrakt gewordene Arbeit sich in jeder beliebigen Proportion unter
technologisch revolutionierten Bedingungen einverleibt. Das Kapital hat
es nicht mehr nötig, wie in den Zeiten der Hochkonjunktur um jedes
Stück Arbeitsvieh zu buhlen, sondern kann die Austauschbarkeit der
Arbeitskräfte zu seinen Gunsten wenden. Unter den Bedingungen von
anhaltender Massenarbeitslosigkeit schrumpfen die Stammbelegschaften zusehends
auf die Unterkommandeure und besonders kapitalintensiven bzw. entsprechend
störanfälligen Bereiche zusammen. Die ausgedünnten Stammbelegschaften
werden durch prekäre Arbeit der verschiedensten Spielart ergänzt.
Prekäre Arbeitsformen, einst nur ein Randphänomen und Überbleibsel
längst vergangener Zeiten, werden nun zur Massenerscheinung. Illegale
und legale Leiharbeit, Anfang der 70er Jahre noch so gut wie unbekannt,
verbreitet sich ebenso wie neue Formen befristeter Arbeitsverhältnisse,
Teilzeitarbeit und Heimarbeit. Das Kapital versucht seinen variablen Anteil
zu minimieren, und sein Hauptmittel dazu ist die Reduktion der Lohnnebenkosten.
Die sozialen Errungenschaften der 60er und 70er Jahre (Lohnfortzahlung,
Urlaubsgeld, Kündigungsschutz, Vermögensbildung etc.) werden
vom Kapital für einen wachsenden prekären Teil der Klasse unterlaufen
und in Privilegien der Stammbelegschaft verwandelt. Was als Fortschritt
für alle “Arbeitnehmer” gefeiert wurde, wird für das Kapital
Anlaß und Mittel, um die Klasse zu spalten. Die Reformen, die am
Normalarbeitsverhältnis (dauerhaft, Vollzeit) ausgerichtet waren,
sind selbst Sporn für das Kapital, dieses Normalarbeitsverhältnis
in weiten Bereichen aufzulösen.
Alle Formen prekärer Arbeit zeichnen sich mehr oder minder durch
Äußerlichkeit gegenüber dem Einzelbetrieb und ein hohes
Maß an Mobilität und Austauschbarkeit aus. Die Loslösung
vom Einzelbetrieb führt erst einmal zur Individualisierung und Isolierung
der Arbeitskraft gegenüber der geballten Macht des Kapitals. Der vereinzelte
prekäre Arbeiter fällt weitgehend aus tarifvertraglichen Vereinbarungen
sowie traditionellen Schutz- und Mitspracherechten von Betriebsrat und
Gewerkschaft heraus. Beide haben auch nicht das mindeste Interesse ihn
zu integrieren. Die allgemeine Tendenz, Arbeit als immer abstraktere zu
setzen, erscheint in ihrer modernsten Ausprägung nicht mehr als Homogenisierung
der Klasse, sondern vielmehr als deren völlige Zerstreuung und Segmentierung.
Die Arbeiterklasse teilt sich in zwei miteinander in Widerspruch stehende
Bereiche.
Auf der einen Seite die Kernbelegschaften, deren Interesse eng mit
dem Einzelbetrieb ver-
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woben bleibt und die ihre Einzelinteressen am entschiedensten gegen
den prekären Teil der Klasse verteidigen. Auf der anderen Seite eben
jener prekäre Bereich, der selber noch vielfach segmentiert ist. Hier
herrschen Äußerlichkeit gegenüber dem Einzelbetrieb, hohe
Mobilität und Fluktuation; es findet gerade hier reger Austausch mit
den verschiedenen Formen von industrieller Reservearmee statt.
Die Zersetzung der traditionellen Arbeiterklasse kündigt die Neuzusammensetzung
der Klasse unter den Bedingungen des Zerfalls des Wertgesetzes an. Die
erreichte Stufe der stofflichen Vergesellschaftung der Arbeit und ihre
Abstraktsetzung machen eine grundlegend neue Arbeitsorganisation möglich.
Z.B. sind neue Formen der Heimarbeit ein Produkt der neuen Informationstechniken.
Sie erlauben es, auch komplexe Arbeitsvorgänge räumlich voneinander
zu trennen, ohne daß für das Kapital dadurch der Arbeitsprozeß
zerrissen würde. “Die Benutzung eines elektronischen Mediums, das
gegenwärtig noch überwiegend schriftliche und graphische Informationen
überträgt, führt zu einer effektiveren Kommunikation, zu
einer Beschränkung der Kommunikation auf wesentliche Inhalte und zu
einer Reduzierung des bei Gesprächen eher üblichen 'social noise`”
(Zitiert nach BMFT Forschungsbericht DV 82-002 August 82). “Die Tatsache
des ausgelagerten Arbeitsplatzes ist mit einer Beschränkung der Möglichkeiten
zur unmittelbaren Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen verbunden.
Diese Zusammenarbeit ist zwar faktisch noch vorhanden, wenn an einer Produkterstellung,
Problemlösung oder was sonst es auch immer sein mag mehrere Personen
beteiligt sind. Sie wird aber wohl kaum als eine unmittelbare persönliche
Beziehung wahrgenommen, da sie sich in einer abstrakten, für den Teilarbeiter
vielleicht nicht einmal konkret nachvollziehbaren Arbeitsteilung versteckt”
(a.a.O.).
Das Kapital kann die Kombination der Arbeiter aufrechterhalten, ohne
die Arbeiter in persönlichen Kontakt während des Arbeitsprozesses
setzen zu müssen. Prekäre Klitschenwirtschaft in irgendwelchen
Zulieferbetrieben ist trotz räumlicher Trennung und teilweiser Auflösung
der Großbetriebe unmittelbar angekoppelt an die Verwertungsbedürfnisse
multinationaler Konzerne. FIAT-Turin ist hier ein Musterbeispiel, hinter
dem das Volkswagenwerk nicht nachsteht. Legale und illegale Leiharbeiter
wechseln nicht nur dauernd den Betrieb, in dem sie eingesetzt werden, sondern
sie stehen auch einem kombinierten Kapitalisten gegenüber (Leiher
und Verleiher).
Nicht nur für den wachsenden prekären Teil der Klasse fällt
der Einzelbetrieb als der Bezugspunkt weitgehend fort. Das Kapital selber
hat in seiner Entfaltung den Rahmen des Einzelbetriebs längst gesprengt
und seine Bedeutung als Produktionseinheit relativiert. Dies gilt gerade
auch für die Großbetriebe. Ihre Zergliederung weist den Weg
zur großkapitalistischen Version von “small is beautiful”. Der kapitalistische
Vergesellschaftungsprozeß beginnt, nachdem er die Arbeitskraft einst
räumlich geballt hat, und so die Arbeiter auch notgedrungen in Kommunikation
setzen mußte, sie wieder zu zerstreuen. Die Berührungspunkte,
an denen die vereinzelten Arbeiter aufgrund der kapitalistischen Kombination
der Arbeit miteinander in persönlichen Kontakt treten müssen,
werden immer
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weniger, gerade weil sich die Kombination weiter entfaltet. Auf dieser
Ebene gilt dies auch innerhalb des Einzelbetriebs, noch mehr natürlich
für die ausgelagerten Bereiche. Innerhalb des Einzelbetriebs schiebt
sich wachsendes konstantes Kapital zwischen eine sich verkleinernde Anzahl
von Arbeitskräften. Der Zusammenhalt im Betrieb wird geschwächt
und gleichzeitig die Bedeutung des Einzelbetriebs überhaupt.
“Abschied vom Proletariat” oder neuer Klassenkampf
Die traditionelle Arbeiterbewegung, oder was von ihr an Resten und Reminiszensen
noch übrig geblieben ist, wird von dieser Entwicklung im Kern getroffen.
Die Gewerkschaften verkommen endgültig zu rein ständischen Vertretungen
kleiner werdender Schichten von Arbeiteraristokraten. Traditionelle Kampf-
und Denkgewohnheiten werden obsolet, und so kann es nicht überraschen,
wenn die traditionelle Linke, und dazu gehört inzwischen auch fast
das ganze Spektrum der aus der Neuen Linken hervorgegangenen Organisationsansätze,
in Jammern und Wehklagen versinkt und das Ende einer überholten Arbeiterformation
bzw. die Neuzusammensetzung der Klasse durch das Kapital mit dem Ende jeder
Arbeiterbewegung überhaupt verwechselt. Mit ihrem mangelhaften theoretischen
Rüstzeug ist sie weder in der Lage, die ganze Tragweite dieser Entwicklung
zu erfassen, noch die revolutionären Möglichkeiten zu begreifen,
die in ihr stecken. Die vereinigte Linke stolpert in gewohnter Weise in
Ritterrüstung übers inzwischen atomare Schlachtfeld und greint,
weil ihr doch dunkel die eigene Don-Quichotterie dämmert. Doch das
nur nebenbei.
Das Kapital hebt bekanntermaßen seine Widersprüche nur auf,
um sie desto gründlicher auf neuer Stufenleiter zu setzen. Die Umstrukturierung
der Arbeiterklasse zieht zwar dem revolutionären Marxismus das alte
Schlachtfeld unter den Füßen weg, doch nur, um ein neues, entwickelteres
zu errichten. Dieses noch jungfräuliche Terrain gilt es zu erforschen.
Auf ihm wird sich der revolutionäre Marxismus neu bewähren müssen.
Eins ist klar: Die vom Kapital weitergetriebene Vergesellschaftung
zwingt die zukünftigen proletarischen Kämpfe, wollen sie mehr
sein als bloße Karikatur, auf einem Niveau von Allgemeinheit zu beginnen,
das der traditionellen Arbeiterbewegung auch in ihren entwickelteren Formen
fremd geblieben ist. So ist z.B. der internationalistische Charakter einer
neuen Arbeiterbewegung von vornherein als unumgängliche Notwendigkeit
gesetzt und nicht wie einst bloß moralischer Anspruch. Ähnliches
gilt aber genauso innerhalb der einzelnen Nationen und ihren Märkten;
und auch die politische Seite (Staatseingriffe usw.) ist enger an die ökonomischen
Kämpfe angeschlossen denn je. Der traditionellen Trennung von politischen
und ökonomischen Kämpfen bietet sich objektiv wenig Raum. Vor
diesem Hintergrund verschiebt sich die Dialektik von Spontaneität
und Organisation, und die theoretische Seite des Kampfes wird zur conditio
sine qua non. Hier klaffen allerdings keine Lücken, sondern Abgründe.